Urteil des OLG Oldenburg vom 29.09.1999

OLG Oldenburg: beförderung, beiladung, fax, protest, frachtführer, absender, datum, firma, frachtvertrag, vergütung

Gericht:
OLG Oldenburg, 03. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 3 U 50/99
Datum:
29.09.1999
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 242
Leitsatz:
Leitet der Frachtführer dem Absender ein unberechtigtes Fehlfrachtverlangen des von ihm
eingesetzten Subunternehmers unkommentiert zu, in welchem der Weitertransport der Ware von der
Zahlung der Fehlfracht abhängig gemacht wird, haftet der Frachtführer dem Absender aus positiver
Forderungsverletzung auf diesen Betrag, wenn der Absender auf das Ansinnen eingeht, weil er
annimmt, anders den Weitertransport nicht bewerkstelligen zu können, weil er annimmt, der
Frachtführer mache sich das Ansinnen des Subunternehmers zu eigen oder habe jedenfalls keine
konkrete Handhabe gegen den Subunternehmer.
Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 29.09.1999 - 3 U 50/99 -/ rechtskräftig
Volltext:
U R T E I L
IM NAMEN DES VOLKES!
In dem Rechtsstreit
Firma J... Z... GmbH, ...,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte ..., Oldenburg
g e g e n
Firma M... M... ... GmbH, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt D..., Oldenburg
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 1999
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ... für R e c
h t erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15. April 1999 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des
Landgerichts Aurich geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.716,94 DM nebst 18 % Zinsen seit dem 07. Oktober 1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 60.000, DM.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin beauftragte die Beklagte, vier Schiffskräne, bestehend aus je einem Ausleger und einem Turm, von L...
nach C... zu befördern. Die vereinbarte Gesamtfracht belief sich auf 89.000, DM. Die Beklagte übertrug die
Beförderung der Firma I... GmbH (I...), der sie vorliegend den Streit verkündet hat.
Die I... setzte für den Transport ab L... die Binnenschiffe MS „L...“ und MS „B...“ ein. In D... lud sie die Kräne auf
das Großraumschiff MS „Y...“ um. Nach Fortsetzung der Fahrt beanstandete sie gegenüber der Beklagten, daß die
ihr für die Ausleger angegebenen Maße unrichtig gewesen seien; wegen der tatsächlich größeren Maße habe bei der
Umladung die geplante Beiladung weiterer Fracht nicht erfolgen können. Die I... forderte von der Beklagten als sog.
Fehlfracht 19.000, DM.
Die Beklagte leitete die Beanstandung und die Forderung per Fax an die Klägerin weiter. Als die I... der Beklagten
ankündigte, daß sie die Kräne vor der Grenze nach ... ausladen und nach Aufmessung erst wieder freigeben werde,
sobald die Forderung wegen der Fehlfracht erfüllt sei, leitete die Beklagte auch dies per Fax der Klägerin zu. Die
Klägerin zahlte darauf an die I... 19.000, DM, nachdem sie die Beklagte per Fax darauf hingewiesen hatte, daß sie
die Zahlung unter Protest zur Abwendung weiterer Verzögerungen bzw. Schäden leisten werde.
Mit der Klage verlangt die Klägerin Erstattung der von ihr gezahlten 19.000, DM sowie eines weiteren Betrages von
716,94 DM, den sie aufgewandt hat, um bei dem Aufenthalt der MS „Y...“ in W... ein Gutachten der t... GmbH zu den
Maßen der Kranausleger einzuholen. Die Beklagte hat die ihr vorgerichtlich mit Schreiben der Klägerin vom
18.09.1998 bis zum 07.10.1998 gesetzte Zahlungsfrist verstreichen lassen.
Die Klägerin hat ihr Klagebegehren darauf gestützt, daß sie zu Unrecht in Anspruch genommen worden sei. Die
Beklagte müsse sich zurechnen lassen, daß die I... den Abbruch der Beförderung angedroht habe, sofern ihre
Forderung wegen der Fehlfracht nicht erfüllt würde. In Wahrheit sei eine derartige Forderung nicht begründet
gewesen. Soweit die tatsächlichen Maße der Kranausleger von den zuvor angegebenen Maßen abgewichen seien,
seien die Abweichungen so geringfügig gewesen, daß bei sorgfältiger Stauweise eine geplante Beiladung möglich
gewesen wäre. Tatsächlich sei eine Beiladung ab D... nicht vorgesehen gewesen, Unterlagen über eine derartige
Beiladung und einen entstandenen Schaden, seien jedenfalls nicht vorgelegt worden.
Die Beklagte hat demgegenüber behauptet, daß die falschen Maßangaben der Klägerin in Bezug auf die
Kranausleger tatsächlich zu der Fehlfracht geführt hätten. Nach den ursprünglichen Maßangaben der Klägerin hätte
einer der beiden Laderäume der MS „Y...“ zur Beförderung der Kräne ausgereicht. Den anderen Laderaum habe die
I... für die Verbringung von Wasserleitungsrohren der Firma T... von D... nach V... einsetzen wollen. Nach den
tatsächlichen Maßen der Ausleger seien jedoch beide Laderäume für die Kräne benötigt worden.
Durch das am 15.04.1999 verkündete Urteil hat das Landgericht ... die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie
19.716,49 DM nebst 18 % Zinsen seit dem 07.10.1998 zu zahlen.
Die Beklagte, beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die Beklagte ist der Klägerin aufgrund positiver Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet.
Der von den Parteien geschlossene Vertrag stellt sich nach dem Inhalt der beiderseitigen Bestätigungsschreiben als
Frachtvertrag dar. Die Beklagte hatte danach die ihr von der Klägerin zur Beförderung übergebenen vier Schiffskräne
gegen eine Vergütung von insgesamt 89.000,DM von L... zum Zielhafen C... zu verbringen. Die Beklagte muß sich
zurechnen lassen, daß die Klägerin tatsächlich über die vereinbarten 89.000, DM hinaus weitere 19.000, DM
aufzuwenden hatte, um ein unverzögertes Erreichen des Zielhafens durchzusetzen.
Die drohende Verzögerung der Beförderung der Schiffskräne ging zwar nicht unmittelbar von der Beklagten aus. Es
war vielmehr die I..., der die Beklagte die Durchführung der Beförderung übertragen hatte, die bei Annäherung an die
Grenze nach ... angedroht hatte, und zwar der Beklagten gegenüber, daß sie die Beförderung abbrechen, die Kräne
ausladen und sie erst wieder freigeben werde, sobald die von ihr wegen der Fehlfracht geltend gemachte Forderung
erfüllt sei. Die Beklagte hat diese Androhung jedoch an die Klägerin weitergeleitet, wie sie zuvor auch die an sie
gerichtete Beanstandung der I... wegen der Abmessungen der Kranausleger und die insoweit seitens der I... gegen
sie erhobene Forderung weitergeleitet hatte. Die Beklagte hat der Klägerin gegenüber mit keinem Wort zu erkennen
gegeben, daß sie ungeachtet der Androhung der I... für eine unverzögerte Weiterbeförderung der Schiffskräne Sorge
tragen werde. Für die Klägerin mußte unter diesen Umständen der Eindruck entstehen, daß sich die Beklagte den
Standpunkt der I... zu eigen mache. Die Klägerin hat demgemäß der Beklagten gegenüber auch angezeigt, daß sie
die Zahlung wegen der Fehlfracht nur unter Protest zur Abwendung weiterer Verzögerungen bzw. Schäden leisten
werde. Die Klägerin hat die Beklagte in demselben Fax um Rechnungserteilung und Kontoangaben zwecks
Vornahme sofortiger Überweisung gebeten. Die Beklagte hat dem durch Übersendung einer zunächst auf sie
ausgestellten Rechnung der I..., die auf Verlangen der Klägerin unter demselben Datum auf diese umgestellt worden
ist, entsprochen.
Der Senat vermag nicht festzustellen, daß die von der I... erhobene Forderung wegen der Fehlfracht gerechtfertigt
war. Das wirkt vorliegend zu Lasten der Beklagten. Die Beklagte ist der Klägerin gegenüber darlegungs und
beweispflichtig dafür, daß sie wegen der tatsächlichen Abmessungen der Kranausleger und einer daraus
entstandenen Fehlfracht nicht mehr gehalten war, die Beförderung der Schiffskräne gegen die vereinbarte Vergütung
von 89.000, DM durchzuführen. Daß die Klägerin den geforderten Mehrbetrag von 19.000, DM gezahlt hat und
deshalb gezwungen ist, selbst klageweise gegen die Beklagte vorzugehen, statt eine Inanspruchnahme seitens der
Beklagten wegen des Mehrbetrages abzuwarten, führt nicht zu einer Umkehr der Darlegungs und Beweislast. Die
Klägerin hat die Zahlung ausdrücklich unter Protest zur Abwendung weiterer Verzögerungen bzw. Schäden geleistet.
Für den Senat ist schon nicht nachvollziehbar, weshalb es bei Vornahme der Umladung in D... nicht möglich
gewesen sein soll, die Kranausleger - wie es die Klägerin in der Berufungsbegründung im einzelnen dargestellt hat -
jeweils um 180 Grad versetzt aufeinander zu stapeln. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, die technische
Unmöglichkeit dieser Stapelung oder das aus dieser Stapelung erwachsende untragbare Beschädigungsrisiko für die
Kräne in der Berufungserwiderung näher zu erläutern.
Unabhängig davon ermangelt es an einem ausreichend substantiierten Vorbringen der Beklagten hinsichtlich der
Beiladung, die angeblich nicht hat befördert werden können. Die Klägerin hat schon in erster Instanz bestritten, daß
eine derartige Beiladung in D... vorgesehen gewesen sei. Die Klägerin hat insbesondere gerügt, daß zu dieser
Beiladung keinerlei Unterlagen beigebracht worden seien. Eine derartige Beibringung, zumindest aber eine konkrete
Kennzeichnung des der vorgesehenen Beiladung zugrunde liegenden Beförderungsauftrages hätte sich für die
Beklagte um so mehr aufdrängen müssen, als der in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht persönlich
anwesende Geschäftsführer der I... ausweislich der Verhandlungsniederschrift erklärt hat, daß die Fehlfracht für das
von L... bis D... eingesetzte Binnenschiff MS „L...“ und nicht für die in D... beladene MS „Y...“ verlangt worden sei.
Auch das am 15.08.1998 in D... aufgenommene Umladeprotokoll gibt keinerlei Hinweis auf eine vergeblich
bereitgehaltene weitere Fracht. Unerfindlich ist überdies, weshalb die I... ihre Forderung wegen der Fehlfracht nicht
bereits im Zuge der Umladung in D..., sondern erst Tage danach, geltend gemacht hat.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung auf die Gesichtspunkte, die der geltend gemachten Forderung wegen
der Fehlfracht entgegenstehen, hingewiesen. Ergänzendes Vorbringen ist nicht erfolgt.
Der Klage war demgemäß stattzugeben. Die der Klägerin vorgerichtlich entstandenen Gutachterkosten sind belegt.
Verzug der Beklagten ist mit Ablauf der ihr von der Klägerin vorgerichtlich gesetzten Zahlungsfrist eingetreten. Das
Bratislavaer Abkommen, das die Höhe der zuerkannten Zinsen stützt, haben die Parteien in den Frachtvertrag
ausdrücklich einbezogen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713, 546 ZPO.
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