Urteil des OLG Oldenburg vom 10.01.2007

OLG Oldenburg: gesellschafter, auflösung der gesellschaft, aufschiebende bedingung, gesellschaftsvermögen, ordentliche kündigung, insolvenz, anwachsung, rechtssicherheit, gesellschaftsvertrag

Gericht:
OLG Oldenburg, 04. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 4 U 52/06
Datum:
10.01.2007
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 738
Leitsatz:
Zur Anwachsung von Gesellschaftsvermögen gemäß § 738 BGB auf Grund gesellschaftsrechtlicher
Regelungen
Volltext:
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
Im Namen des Volkes
Urteil
4 U 52/06
4 O 2546/05 Landgericht Oldenburg Verkündet am 10. Januar 2007
…, Justizangestellte
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
Rechtsanwalt H... B..., … , … …, als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn H... L..., …, … …,
Klägers und Berufungsklägers,
Prozessbevollmächtigter: …
gegen
B…bank AG, vertreten durch den Vorstand …, Dr. …, Dr. …, …, …, …, …straße …, … M…,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte: …
Rechtsanwalt Dr. ...
als Insolvenzverwalter über das Vermögen des R... L..., … straße … … …,
Streithelfer,
Prozessbevollmächtigte: …
wegen Forderung
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2006
durch die Richter am Oberlandesgericht …, … und …
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 9. Mai 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des
Landgerichts Oldenburg geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 35.790,43 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 10. August 2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Streithelfer hat seine eigenen Kosten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 65.000, € abwenden, sofern der Kläger
nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e
I.
Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen des H... L... eine Forderung gegen die Beklagte
geltend.
Der Gemeinschuldner H... L... war zusammen mit R... L... Gesellschafter der Gesellschaft B...center D… GbR, zu
deren Vermögen eine Immobilie in D… gehört. Die auf dem Grundstück befindliche Immobilie vermietete die
B...center D… GbR an die P… V… H… GmbH & Co. KG. Die Beklagte gewährte der GbR Kredite, die durch
Grundpfandrechte auf dem Eigentum der Gesellschaft abgesichert sind. Darüber hinaus trat die B...center D… GbR
die Mietzinsansprüche an die Beklagte ab. Die P… V… H… GmbH & Co. KG zahlte den Mietzins für den Monat
September 2004 in Höhe von 35.790,43 € (Klageforderung) aufgrund der Abtretung an die Beklagte.
Am 19. Juli 2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gesellschafters R... L... eröffnet, am 11.
August 2004 das über das Vermögen des Gesellschafters H... L....
Über das Vermögen der R... und H... L... GbR … Straße …, …, … W… wurde unter dem 6. Juni 2006 (15 IN 321/04
Amtsgericht Syke) das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt … in B… bestellt.
Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn R... L... waren neben den
Brüdern L... keine weiteren Gesellschafter in der GbR vorhanden.
§ 16 (Auflösung der Gesellschaft) des Gesellschaftsvertrages lautet wie folgt:
„In allen Fällen, in denen das Gesetz an den Eintritt bestimmter Ereignisse in der Person eines Gesellschafters die
Auflösung der Gesellschaft anknüpft, soll diese nicht eintreten. Vielmehr soll der betroffene Gesellschafter aus der
Gesellschaft ausscheiden. Der oder die anderen Gesellschafter sind sodann berechtigt, aber nicht verpflichtet, die
Gesellschaft mit dem vorhandenen Gesellschaftsvermögen und dem Recht zur Fortführung der Bezeichnung weiter
zu betreiben.“
§ 17 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages lautet wie folgt:
„Wird über das Vermögen eines Gesellschafters das Konkurs oder Vergleichsverfahren eröffnet, wird die Eröffnung
eines dieser Verfahren mangels Masse abgelehnt oder hat ein Privatgläubiger von dem Recht des § 725 BGB
Gebrauch gemacht, so scheidet der betroffene Gesellschafter aus der Gesellschaft aus. Eine etwaige Kündigung
des Gesellschaftsverhältnisses durch einen Gläubiger hat keine Rechtswirkung. Wird die gegen den Gesellschafter
getroffene Maßnahme binnen sechs Monaten wieder aufgehoben, gilt der betroffene Gesellschafter als nicht
ausgeschieden. Innerhalb dieser Frist dürfen in Ansehung des Gesellschaftsanteils des ausgeschiedenen
Gesellschafters keine Veränderungen im Gesellschaftsverhältnis erfolgen.“
Der Kläger vertritt die Auffassung, der Gesellschaftsanteil des Gesellschafters R... L... an der B...center D… GbR
sei durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gem. § 17 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages
i.V.m. § 736 BGB auf den verbleibenden Gesellschafter H... L... übergegangen. Daher falle die im Rahmen der
Teilklage geltend gemachte Mietzahlung für September 2004 in die Insolvenzmasse und unterliege einem
Rückforderungsrecht. Das gesamte Gesellschaftsvermögen sei kraft Gesetzes und der Regelungen des
Gesellschaftsvertrages bei dem verbliebenen Schuldner H... L... angewachsen. Die Gesellschaft bestehe mit
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn R... L... nicht in Auflösung fort.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 35.790,43 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 10. August 2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Streithelfer hat sich dem Klagabweisungsantrag angeschlossen.
Beide vertreten die Ansicht, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreffend den Gesellschafter R... L... sei
eine Auflösungsgesellschaft entstanden. eine Fortführung der Gesellschaft durch den verbliebenen Gesellschafter
H... L... sei nicht erfolgt.
Der Einzelrichter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg hat durch Urteil vom 9. Mai 2006 die Klage
abgewiesen und zur Begründung folgendes ausgeführt:
Der für September 2004 vom Kläger begehrte Mietzins falle nur dann in die Insolvenzmasse auf Klägerseite und
führe zu einem etwaigen Rückforderungsrecht, wenn der Gesellschaftsanteil des Gesellschafters R... L... an der
B...center D… GbR durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen nach den Regelungen des
Gesellschaftsvertrages auf den verbleibenden Gesellschafter H... L... übergegangen sei. Das sei nicht der Fall.
Weder dem Gesetz noch den Regelungen des Gesellschaftsvertrages in §§ 16 und 17 lasse sich eine derartige
Anwachsung entnehmen, so dass im Ergebnis die Gesellschaft als Auflösungsgesellschaft fortbestehe. Die §§ 16
und 17 des Gesellschaftsvertrages seien inhaltlich identisch mit denjenigen, die einer Entscheidung des
Oberlandesgerichts Stuttgart (NZG 2004, 766 ff) zugrunde gelegen hätten. Dort habe der Senat ausgeführt, dass mit
dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer aus zwei Personen bestehenden BGBGesellschaft die
Gesellschaft ende und der einzige verbliebene Gesellschafter alle Vermögensgegenstände erwerbe, wenn der
Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel enthalte. Die Entscheidung sei auf den vorliegenden Fall aber nicht
übertragbar. In dem vom Oberlandesgericht Stuttgart zu entscheidenden Fall sei lediglich ein Gesellschafter in
Insolvenz geraten. Vorliegend sei bezüglich beider Gesellschafter Ende März bzw. Anfang April 2004 die jeweils
vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet worden. Am 19. Juli 2004 sei das Insolvenzverfahren über das Vermögen
des R... L... und am 11. August 2004, mithin 23 Tage später, das über das Vermögen des H... L... eröffnet worden.
Bei einer derartigen zeitlichen Nähe der Insolvenzeröffnung betreffend beider verbliebener Gesellschafter könne den
Regelungen des Gesellschaftsvertrages nicht entnommen werden, dass der verbleibende Gesellschafter alle
Vermögensgegenstände erwerbe. Anderes könnte nur dann gelten, wenn der verbleibende Gesellschafter seinen
Fortführungswillen deutlich gegenüber dem ausgeschiedenen Gesellschafter bzw. dessen Insolvenzverwalter erkläre.
Eine solche Erklärung sei hier aber nicht abgegeben worden.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form und fristgerecht eingelegten sowie rechtzeitig
begründeten Berufung, mit welcher er unter Änderung des angefochtenen Urteils sein Klagebegehren nach Maßgabe
seiner Berufungsbegründung vom 24. Juli 2006 weiterverfolgt.
Zur Begründung seines Rechtsmittels führt er folgendes aus:
Das angefochtene Urteil beruhe auf einer Rechtsverletzung. Das Landgericht habe den weitgehend unstreitigen
Sachverhalt rechtlich nicht zutreffend gewürdigt.
Er, der Kläger, habe einen Anspruch auf Rückzahlung des Mietzinses für den Monat September 2004. Die von der
Beklagten vereinnahmten Mietzinszahlungen unterlägen dem Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO und
seien daher zu erstatten. H... L..., über dessen Vermögen er, der Kläger, als Insolvenzverwalter bestellt worden sei,
sei zum Zeitpunkt der hier streitigen Mietzahlungen allein anspruchsberechtigt gewesen. Denn mit der
Insolvenzeröffnung über das Vermögen des R... L... sei dieser aus der gemeinsam mit H... L... betriebenen
B...center D… GbR ausgeschieden, Herrn H... L... nämlich das Gesellschaftsvermögen angewachsen. Die Regelung
des § 17 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages sei insoweit zwingend. Die zu Unrecht von der Beklagten verrechneten
Mieten seien daher an ihn, den Kläger, als Insolvenzverwalter über das Vermögen des H... L... zurückzuzahlen.
Im übrigen habe sich der Gesellschafter H... L... seinerzeit in der Schweiz befunden, um Gespräche mit Banken zur
Umfinanzierung diverser Immobilien zu führen. Dadurch habe die Insolvenz des H... L... sowie die Zerschlagung des
Gesellschaftsvermögens der GbR vermieden werden sollen. Letztlich seien die Umfinanzierungsgespräche
gescheitert, weil der Streithelfer der Beklagten das von ihm erstellte Massegutachten in dem
Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen des R... L... beim Insolvenzgericht eingereicht habe, obwohl eine
Vereinbarung zwischen ihm und den Herren L... bestanden habe, die Finanzierungsgespräche abzuwarten. Die
Sanierungsbemühungen des H... L... zeigten deutlich, dass das Gesellschaftsvermögen auf jeden Fall habe erhalten
bleiben sollen. Dies sei auch der Hintergrund der Regelung des § 17 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages, wonach der
andere Gesellschafter das Vermögen übernehmen und es in der Folgezeit verwalten solle.
Schließlich habe er, der Kläger, in seiner Rechtsstellung auch nicht dadurch einen Nachteil erfahren, dass über die
R... und H... L... GbR am 6. Juni 2006 das Insolvenzverfahren vor dem Amtsgericht Syke eröffnet worden sei. Zu
diesem Zeitpunkt sei bereits das Gesellschaftsvermögen auf H... L... übergegangen. Ein Insolvenzverfahren über
das Vermögen der GbR sei gem. § 11 Abs. 3 InsO unzulässig und binde ihn im übrigen nicht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Oldenburg aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 35.790,43 € nebst Zinsen
in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. August 2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 12. September 2006. Im übrigen wirke
der Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Syke bezüglich der GbR konstitutiv mit der Folge, dass der Kläger
Forderungen der Gesellschaft nicht geltend machen könne. Daran sei auch das Gericht gebunden.
Dass sich H... L... um eine Umfinanzierung bemüht habe, werde bestritten.
Der Streithelfer beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist darauf, dass der Kläger spätestens durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die GbR vor dem
Amtsgericht Syke sämtliche Prozessführungsrechte verloren habe, abgesehen davon, dass schon vorher die Klage
nicht begründet gewesen sei.
Wegen des Vorbringens der Parteien und des Streithelfers im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig und auch in der Sache gerechtfertigt.
Entgegen der Auffassung des Einzelrichters besteht die R... und H... L... GbR
D… Straße … nicht als Auflösungsgesellschaft fort. Vielmehr ist dem Gesellschafter H... L..., nachdem über das
Vermögen des Gesellschafters R... L... am 19. Juli 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, das Vermögen
angewachsen. Die von der Beklagten vereinnahmte Miete für den Monat September 2004 unterlag dem
Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO und ist daher von der Beklagten an den Kläger als
Insolvenzverwalter über das Vermögen des H... L... zurückzuzahlen.
Mit dem Kläger und in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 5. Mai 2004
(NZG 2004, 766 ff) ist der Senat der Überzeugung, dass dem Gesellschafter H... L... das Gesellschaftsvermögen
aufgrund des § 17 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages angewachsen ist.
Entgegen der Auffassung der Beklagten regelt § 16 des Gesellschaftsvertrages nicht alle Fälle, in denen das Gesetz
an den Eintritt bestimmter Ereignisse in der Person eines Gesellschafters die Auflösung der Gesellschaft anknüpft.
Der Kläger verweist zutreffend darauf, dass es sich bei § 17 des Gesellschaftsvertrages um eine speziellere, den
Vollzug und die Voraussetzungen der Übernahme bezogen auf Einzelfälle regelnde Vorschriften handelt.
Dementsprechend wird in § 17 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages, welcher die ordentliche Kündigung eines
Gesellschafters regelt, auf § 16 des Gesellschaftsvertrages Bezug genommen, d.h. der Rechtsübergang auf den
oder die verbleibenden Gesellschafter von einer Zustimmungserklärung abhängig gemacht. Demgegenüber sieht §
17 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich vor, dass der Gesellschafter, über dessen Vermögen das
Insolvenzverfahren eröffnet wird, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Gesellschaft ausscheidet.
Es trifft zu, dass es bereits der Wortlaut des § 17 Nr. 4 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages nahe legt, dass sich
dieser Ausschluss automatisch und ohne entsprechende Übernahmeerklärung der verbleibenden Gesellschafter
vollziehen soll. Bestätigt wird dies durch die systematische Stellung des § 17 des Gesellschaftsvertrages als
Spezialregelung zum § 16 des Gesellschaftsvertrages. Wäre die Anordnung des § 17 Nr. 4 Satz 1 des
Gesellschaftsvertrages nicht auf einen unmittelbaren Rechtsübergang ohne vorherige Zustimmungserklärung des
verbleibenden Gesellschafters bzw. der verbleibenden Gesellschafter gerichtet, so wäre die Regelung in der Tat
entbehrlich, da sie über die allgemeine Regelung des § 16 des Gesellschaftsvertrages nicht hinausginge. § 17 Nr. 4
Satz 3 des Gesellschaftsvertrags bestätigt, wie der Kläger zu Recht geltend macht, die Unmittelbarkeit dieser
Rechtsfolge mit dem Hinweis darauf, dass innerhalb von sechs Monaten keine Veränderungen im
Gesellschaftsverhältnis erfolgen dürfen, da der Gesellschafter in dieser Zeit nicht als ausgeschieden gelte, soweit
ein Wiedereintrittsgrund verwirklicht werde (vgl. OLG Stuttgart DB 2004, 1307 ff). Auch aus dem Umstand, dass § 17
Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages entgegen der Regelung des § 17 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages keinen Verweis
auf § 16 enthält, ist in der Tat zu folgern, dass sich der Rechtsübergang automatisch vollzieht.
Für die vorstehende Auslegung sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung des § 17 des Gesellschaftsvertrags.
Die Regelung gibt dem (ausscheidenden) Betroffenen wie auch dem verbleibenden Gesellschafter hinreichende
Rechtssicherheit. Der ausscheidende Gesellschafter hat die Rechtssicherheit, dass sich an seiner
Gesellschafterbestellung bis zur Insolvenzeröffnung nichts ändert. Er braucht eine Kündigung unter Hinweis auf
unklare Vermögensverhältnisse nicht zu befürchten. Damit besteht auch nicht die Notwendigkeit unmittelbar im
Vorfeld der Insolvenz, mit den verbleibenden Gesellschaftern Regelungen über eine etwaige Übernahme des
Geschäftsanteil zu treffen, um diese davor zu schützen, Gegenstand des Insolvenzverfahrens zu werden. So wird
der betroffene Gesellschafter vor übereilten Entscheidungen geschützt und kann auch innerhalb eines
Insolvenzantragsverfahrens in Ruhe prüfen, ob und inwieweit Möglichkeiten bestehen, die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens abzuwenden. Gelingt ihm dies nicht, so haben andererseits die verbleibenden Gesellschafter
hinreichende Rechtssicherheit bezüglich der eintretenden Rechtsfolgen. Sie sind in keiner Weise in das
Insolvenzverfahren des betroffenen Gesellschafters mit eingebunden. Außerdem ist sichergestellt, dass der
Insolvenzverwalter, dessen Interesse auf die Befriedigung der Gläubiger des betroffenen Gesellschafters und nicht
auf den Fortbestand der Gesellschaft gerichtet ist, Einfluss auf die Geschicke innerhalb der Gesellschaft nehmen
kann.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus § 17 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages auch nicht, dass der
frühere Gesellschafter R... L... für ein weiteres halbes Jahr nach Eintritt der Insolvenz als Gesellschafter fungierte
mit der Folge, dass innerhalb dieser Zeit das Vermögen der Gesellschaft nicht auf H... L... übergegangen ist.
Denn § 17 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrags ist nicht als aufschiebende Bedingung, sondern dahin zu verstehen, das
der betroffene Gesellschafter sofort ausscheidet. Das Ausscheiden und die Anwachsung bei den übrigen
Gesellschaftern kann nicht rückgängig gemacht oder geändert werden. vielmehr führt die Aufhebung der Maßnahme
nur zu einem Anspruch auf Wiedereinsetzung als Gesellschafter (vgl. BGH WM 1982, 1146 zum Rücktritt). § 17 Nr.
4 des Gesellschaftsvertrags bestätigt das mit dem Hinweis, dass der Gesellschafter als nicht ausgeschieden gilt
und innerhalb von sechs Monaten keine Veränderungen im Gesellschaftsverhältnis erfolgen dürfen. Letzteres wäre
nicht notwendig, wenn der Gesellschafter noch sechs Monate bedingt in der Gesellschaft bliebe. Dagegen wird
dadurch, dass keine Veränderungen vorgenommen werden dürfen, gesichert, dass der Gesellschafter der
Gesellschaft in unveränderter Form wieder beitreten kann (so auch OLG Stuttgart NZG 2004, 766 – 769).
Entgegen der Auffassung des Einzelrichters kann die sich zwingend aus § 17 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrags
ergebende Rechtsfolge der Anwachsung des Gesellschaftsvermögens zugunsten des verbleibenden Gesellschafters
nicht auf die Fälle beschränkt werden, in denen keine relativ zeitgleiche Insolvenz der Gesellschafter in Rede steht.
Die gesellschaftsrechtliche Regelung ist eindeutig und sieht eine Ausnahme nicht vor. Das Abgrenzungskriterium der
zeitlich nicht aufeinanderfolgenden Insolvenz ist ohnehin nicht geeignet, die vertragliche Anordnung im
Gesellschaftsvertrag auszuhebeln. Denn gerade dann bestünde eine Rechtsunsicherheit.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Streithelfers hat der Kläger nicht dadurch eine Einschränkung in
seiner Rechtsstellung erfahren, dass unter dem 6. Juni 2006 vor dem Amtsgericht Syke das Insolvenzverfahren über
das Vermögen der R... und H... L... GbR … Straße … eröffnet worden ist. Insoweit verweist der Kläger zutreffend
darauf, dass im Zeitpunkt des vorgenannten Eröffnungsbeschlusses dem Gesellschafter H... L... aufgrund der
eindeutigen Regelungen in dem Gesellschaftsvertrag das Gesellschaftsvermögen gem. § 738 BGB angewachsen
ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GbR hat materiellrechtliche keine
Rückübertragung des Gesellschaftsvermögens zur Folge.
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft hat der Kläger auch nicht
nachträglich seine Legitimation verloren, Rechte als Insolvenzverwalter über das Vermögen des H... L... geltend zu
machen.
Nach alledem war der Berufung der Erfolg nicht zu versagen.
Die Beklagte hat daher die geltend gemachte Miete für September 2004 in Höhe von 35.790,43 € an den Kläger als
Insolvenzverwalter über das Vermögen des H... L... zu zahlen.
Sie schuldet darüber hinaus den zuerkannten Zins, nachdem sie innerhalb der Fristsetzung zum 10. August 2005
dem Zahlungsbegehren des Klägers nicht nachgekommen ist, § 288 Abs. 2 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 101, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie zur Fortbildung des Rechts hat der Senat die
Revision zugelassen, § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO.
… … …