Urteil des OLG Oldenburg vom 22.09.2009

OLG Oldenburg: hof, erblasser, landwirtschaft, nebenerwerb, bewirtschaftung, eltern, zustand, grundbuch, witwe, ausbildung

Gericht:
OLG Oldenburg, 10. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 10 W 4/08
Datum:
22.09.2009
Sachgebiet:
Normen:
HöfeO § 5 Abs 1 Nr 1, HöfeO § 6 Abs 6S 2
Leitsatz:
Der Grundsatz, dass die Wirtschaftsfähigkeit nicht allein wegen mangelnder Altersreife
ausgeschlossen ist (§ 6 Abs. 6 S. 2 HöfeO), bedarf insbesondere im Hinblick auf die
Nachwuchssorgen in der Landwirtschaft einer zurückhaltenden Auslegung. Es ist nicht mehr
selbstverständlich, dass ein als Hoferbe in Betracht kommendes Kind diese Aufgabe auch
übernimmt.
Es reicht daher nicht, wenn bei einem knapp dreijährigen Kind nicht ausgeschlossen werden kann,
dass es in die Landwirtschaft hineinwächst. Erforderlich ist angesichts der Unabänderlichkeit der
gerichtlichen Entscheidung die positive Prognose, dass zumindest mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit eine spätere Bewirtschaftung des Hofes durch das Kind zu erwarten ist.
Volltext:
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
B e s c h l u s s
10 W 4/08
8 Lw 2/08 Amtsgericht Aurich
In der Landwirtschaftssache betreffend die Erbfolge in den im Grundbuch von … verzeichneten Hof nach dem am
10. Dezember 2007 verstorbenen Landwirt H… F…
Beteiligte:
1. S… F…, …
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt …
2. R… F…, geb. am ....2005, …
vertreten durch seinen Ergänzungspfleger Rechtsanwalt …
3. F… J…, …
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
hat der 10. Zivilsenat – Senat für Landwirtschaftssachen – des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den
Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts …, den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am
Oberlandesgericht … gem. §§ 5, 6 Nds. AGLwVG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter
am 22. September 2009
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Aurich vom
18. Januar 2008 aufgehoben.
Das Amtsgericht wird angewiesen, der Antragstellerin ein Hoffolgezeugnis zu erteilen, das sie als Erbin des im
Grundbuch von … verzeichneten Hofs nach dem am 10. Dezember 2007 verstorbenen Landwirt H… F… ausweist.
Gründe:
I.
Der Erblasser war zum Zeitpunkt seines Todes mit der zu 1) beteiligten Antragstellerin verheiratet. Außer seiner
Witwe hat er das zu 2) beteiligte, am 14. Januar 2005 geborene gemeinsame minderjährige Kind R… hinterlassen.
Die Beteiligte zu 3) ist die Schwester des Erblassers.
Zum Nachlass gehört der im Rubrum genannte Grundbesitz zur Größe von 16.4724 ha. Er war zum Zeitpunkt des
Erbfalls bei einem zuletzt festgesetzten Wirtschaftswert von 14.975 DM als Hof im Sinne der HöfeO im Grundbuch
eingetragen. Der Hof wurde von dem Erblasser bis zu seinem Tod als Milcherzeugungs und Bullenmastbetrieb
bewirtschaftet. Daneben war der Erblasser als Milchleistungsprüfer im Angestelltenverhältnis beim
Milchkontrollverein HoltropMiddels beschäftigt.
Die Antragstellerin hat beantragt, ihr ein Hoffolgezeugnis zu erteilen. Eine Hoferbfolge des zum Zeitpunkt des
Erbfalls zweijährigen und zu 2) beteiligten gemeinsamen Sohnes der Eheleute F… hat sie ausgeschlossen, weil er
aufgrund seines Alters nicht wirtschaftsfähig sei.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Es ist davon
ausgegangen, dass der Beteiligte zu 2) als Sohn des Erblassers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 6
HöfeO in Bezug auf den hofgebundenen Nachlass vorrangig vor seiner Mutter zum Hoferben berufen sei.
Gegen diesen ihr am 28.01.2008 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) am 11.02.2008 sofortige
Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Hoffolgezeugnisantrag weiter verfolgt.
Im Rahmen des Abhilfeverfahrens hat das Landwirtschaftsgericht zu 3) die Schwester des Erblassers (=
nachrangige Hoferbin nach § 5 Nr. 4 HöfeO) am Verfahren beteiligt und für den zu 2) beteiligten Sohn des Erblassers
die Bestellung eines Ergänzungspflegers veranlasst.
Die Antragstellerin stellt die Wirtschaftsfähigkeit ihres Sohnes R… in Frage. Es sei nicht zu erwarten, dass ihr Sohn
aufgrund seiner Erziehung, entsprechender Umwelteinflüsse oder noch zu entwickelnder Neigungen jemals in die
Landwirtschaft „hineinwachsen“ werde.
Für die Zukunft sehe sie aus wirtschaftlichen Gründen keine Möglichkeit und auch keinen Sinn darin, den Hof als
Eigenbetrieb oder verpachtungsweise weiterzuführen. Dies wolle sie auch nicht. Die Gebäude befänden sich – bis
auf den in den neunziger Jahren erstellten Maschinenschuppen - im Zustand der Erbauung im Jahr 1933. Die
technischen Einrichtungen seien überaltert und könnten mit den realistisch zu erwartenden Erträgen nicht
modernisiert werden. Eine sinnvolle Fortführung des Hofes als Milch und Bullenmastbetrieb sei nicht möglich, weil
das denkbare Bewirtschaftungseinkommen unter Berücksichtigung der Belastungen (u.a. Altenteilslast und
Instandsetzungsaufwendungen von jeweils 500 €/mtl.) zum Erhalt des Hofes nicht ausreiche. Deshalb mache es
auch keinen Sinn, den Hof durch Dritte bewirtschaften zu lassen, bis ihr Sohn (theoretisch) zu einer Übernahme in
der Lage sei. Bei diesen Gegebenheiten könne nicht erwartet werden, dass ihr Sohn einmal „in die
landwirtschaftliche Berufstätigkeit hineinwachsen“ werde.
Der Beteiligte zu 2) ist durch seinen Ergänzungspfleger dem Beschwerdevortrag entgegengetreten. In
Übereinstimmung mit der Beteiligten zu 3) hält er sein „natürliches Hineinwachsen in die landwirtschaftliche
Berufstätigkeit“ für hinreichend wahrscheinlich.
Die Beteiligte zu 3) unterstützt diese Vorstellung. Sie weist darauf hin, dass die Eltern der Antragstellerin pachtweise
einen Hof bewirtschaften, der im Eigentum der Großeltern steht. Es sei auch angedacht gewesen, dass der
Erblasser und seine Ehefrau diesen Hof einmal bewirtschaften und auch erben sollten. Landwirtschaftliche Bezüge
habe auch sie, die Beteiligte zu 3), die mit ihrem Ehemann einen Hof bewirtschaftet. Schließlich bewirtschaften bzw.
bewirtschafteten auch der Bruder und drei Schwestern des Vaters des Erblassers landwirtschaftliche Betriebe. Auch
durch diese Gegebenheiten sei das soziale Umfeld des Beteiligten zu 2) geprägt.
Abweichend von den Darstellungen der Beteiligten zu 1) zum Zustand des nach deren Vortrag kaum existenzfähigen
Erbhofs beschreibt ihn die Beteiligte zu 3) als einen vom Erblasser im Nebenerwerb durchaus erfolgreich und
hinlänglich profitabel bewirtschafteten Grundbesitz. Zum Zeitpunkt des Erbfalls habe der Hof neben 2 ha
Moorflächen 14,5 ha arrondiertes Sandland mit hohen Bodenpunkten umfasst. Der Erblasser habe 2002 ohne
Aufnahme von Fremdmitteln das Altenteilerhaus erstellt, 2006 einen Kälberstall erbaut und für die folgenden Jahre
einen Boxenlaufstall geplant. Im Jahr 2007 habe der Erblasser eine Milchquote von 70.000 kg zugekauft. seine
Liefermenge habe danach insgesamt 250.000 kg betragen. Überdies habe der Erblasser in den letzten 8 Jahren
Prämien vom Milchkontrollverband erhalten und sei auch auf Zuchtschauen sehr erfolgreich gewesen.
II.
1.
Der nach § 5 Abs. 1 Nds AGLwVG als einfache Beschwerde zulässige Rechtsbehelf der Antragstellerin hat auch in
der Sache Erfolg. Die Antragstellerin ist nach ihrem Ehemann Hoferbin geworden. Die Erteilung des
Hoffolgezeugnisses war dem Landwirtschaftsgericht zu übertragen (BGH RdL 1953, 137).
Der Senat hat auch mit Blick auf die Frage der Wirtschaftsfähigkeit des Beteiligten zu 2) von der Beteiligung
ehrenamtlicher Richter abgesehen, weil im Vordergrund die Frage der rechtlichen Anknüpfungen stand und nicht die
Beurteilung der aktuellen, landwirtschaftlichen Befähigungen des zu 2) beteiligten Kindes. Auch im Übrigen bedurften
die Mitglieder des Senats aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit in Landwirtschaftssachen keiner weiteren
sachkundigen Unterstützung.
2.
Die zulässige Beschwerde ist begründet, weil die Antragstellerin Hoferbin nach ihrem Ehemann geworden ist. Denn
der vererbte Grundbesitz war zum Zeitpunkt des Erbfalls ein Hof im Sinne der Höfeordnung. Ferner schied der nach
§ 5 Nr.1 HöfeO gegenüber seiner Mutter vorrangig zum Hoferben berufene Sohn der Antragstellerin mangels
Wirtschaftsfähigkeit als Hoferbe aus. Die Antragstellerin ist als Witwe des Erblassers kraft Gesetzes (§ 6 Abs. 6
Satz 2 2. Alt. HöfeO) vom Erfordernis der Wirtschaftsfähigkeit befreit.
a)
Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erbfalls war der hinterlassene Betrieb eine erfolgreich bewirtschaftete Einheit und
damit ein Hof im Sinne der HöfeO. Die Situation stellte sich wie folgt dar:
Zum Hof gehörten neben der Hofstelle zur Größe von 0,4365 ha weitere Ländereien zur Größe von 16,4724 ha. Dabei
handelte es sich um ca. 14,5 ha arrondiertes Sandland mit hohen Bodenpunkten und ca. 2 ha Moorflächen.
Zusätzlich hatte der Erblasser vom Hof aus 18 ha Pachtland bewirtschaftet.
Auch dass der Erblasser den Hof zum Zeitpunkt des Erbfalls jedenfalls im Nebenerwerb mit Erfolg und hinlänglich
profitabel bewirtschaftete, spricht für einen Bestand der Hofeigenschaft beim Tod des Erblassers. Der Erblasser
hatte 2002 ohne Aufnahme von Fremdmitteln das Altenteilerhaus erstellt, 2006 einen Kälberstall gebaut und für die
folgenden Jahre einen Boxenlaufstall geplant. Im Jahr 2007 hatte der Erblasser eine Milchquote von 70.000 kg
zugekauft. seine Liefermenge betrug danach insgesamt 250.000 kg. Überdies hatte der Erblasser in den letzten acht
Jahren Prämien vom Milchkontrollverband erhalten und war auch auf Zuchtschauen sehr erfolgreich gewesen.
An dieser Feststellung vermag auch die subjektive Beschreibung der Antragstellerin im sachlichen Zusammenhang
mit der Schilderung ihrer Zukunftspläne nichts zu ändern. Die Antragstellerin hatte vorgetragen, die Flächen hätten
nicht ausgereicht, um genug Futter zu erzeugen, so dass regelmäßig habe zugekauft werden müssen. Es hätten
auch keine Expansionsmöglichkeiten bestanden. Die Gebäude hätten sich - bis auf den in den neunziger Jahren
erstellten Maschinenschuppen - im Zustand der Erbauung im Jahr 1933 befunden. Die technischen Einrichtungen
seien überaltert gewesen und hätten mit den zu erwartenden Erträgen nicht modernisiert werden können. Eine
sinnvolle Fortführung des Hofes als Milch und Bullenmastbetrieb sei aus der Sicht der Antragstellerin durch sie
selbst nicht möglich, weil das von ihr erzielbare Bewirtschaftungseinkommen unter Berücksichtigung der
Belastungen (u.a. Altenteilslast und Instandsetzungsaufwendungen von jeweils 500 €/mtl.) zum Erhalt des Hofes
nicht ausreichen würden.
Diese Schilderung versteht sich vor dem Hintergrund der Frage ihrer Pläne zur künftigen Gestaltung ihres Lebens mit
ihrem zu 2) beteiligten Kind. Die negative Prognose ist verständlich vor dem Hintergrund, dass ihr verstorbener
Ehemann zum einen zur Gewährleistung des Lebensunterhalts der Familie neben der Bewirtschaftung des Hofes
eine Tätigkeit als angestellter Milchleistungsprüfer ausübte, bei der Bewirtschaftung des Hofes offenbar ein
besonderes Geschick an den Tag legte und auch die Antragstellerin ganztägig anderweitig berufstätig war.
Im Ergebnis ist bei der gebotenen Gesamtschau festzustellen, dass es sich bei dem Hof zwar um einen Kleinbetrieb
handelte. Dieser Kleinbetrieb wurde jedoch von dem mit offensichtlich besonders gut ausgeprägten
Bewirtschaftungsfähigkeiten ausgestatteten Erblasser im Nebenerwerb erfolgreich betrieben. Dass dieser
Kleinbetrieb von den Fähigkeiten des verstorbenen Landwirts abhängig war, ändert nichts an der Feststellung, dass
der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes über eine funktionierende Betriebseinheit, einen Hof im Sinne der HöfeO
verfügte.
b)
Kein Hindernis für die Erteilung des Hoffolgezeugnisses an die Antragstellerin ist die Existenz ihres Sohnes, des
Beteiligten zu 2) als kraft Gesetzes vorrangigem Hoferbe. Denn der Beteiligte zu 2) war nicht wirtschaftsfähig.
aa) Der am …2005 geborene R… F… war beim Erbfall am 10.12.2007 erst zwei Jahre alt und deshalb nicht in der
Lage, den Erbhof selbständig und eigenverantwortlich zu bewirtschaften.
Allerdings ist nach § 6 Abs. 6 Satz 2 HöfeO allein die mangelnde Altersreife dann kein Hindernis für die Erbschaft
eines Hofes, wenn zum Zeitpunkt des Erbfalls die Wirtschaftsfähigkeit allein aus Altersgründen (noch) nicht
vorhanden ist.
§ 6 Abs. 6 Satz 2 HöfeO spiegelt die Auffassung früherer Zeiten wider, dass das Ererben eines leistungsfähigen
Hofes eine lebenslange Existenz sichernde Grundlage bot und deshalb ein hoferbenberechtigtes Kind in aller Regel
auch später von dieser Möglichkeit Gebrauch machte/machen wollte. Angesichts der Existenzsorgen in der
Landwirtschaft gilt dies heute nur noch eingeschränkt. Auch an sich zum Hoferben berufene Kinder orientieren sich
heute beruflich häufig anderweitig.
Um dem Kind die Position als Hoferbe zu erhalten, bestimmt § 6 Abs. 6 Satz 2 HöfeO, dass Kinder allein aufgrund
des Alters nicht aus der Hoferbfolge ausscheiden. Das ist keine Ausnahme, sondern eine sachgerechte
Einschränkung des Prinzips der zum Zeitpunkt des Erbfalls notwendigen Wirtschaftsfähigkeit (Wöhrmann, Das
Landwirtschaftsrebrecht, 9. Aufl., § 6 Rn. 128). Denn die Wirtschaftsfähigkeit soll eine ordnungsgemäße künftige
Bewirtschaftung sicherstellen und damit letztlich die erbrechtliche Bevorzugung des Erben eines Hofes rechtfertigen.
Zweck der genannten Bestimmung ist daher eine Gleichstellung der minderjährigen mit den volljährigen
Erbprätendenten, allerdings nur unter Voraussetzung der positiven Prognose einer Entwicklung des minderjährigen
Erbprätendenten zur Wirtschaftsfähigkeit (v. Jeinsen in Faßbender/ Hötzel/ v. Jeinsen/ Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 6
Rn. 41, 44).
Es kommt daher grundsätzlich auch bei Kindern auf die Wirtschaftsfähigkeit an. Dabei muss zwangsläufig die noch
nicht existente Wirtschaftsfähigkeit ersetzt werden durch die künftige Erwartung, dass das Kind nach Neigung und
Einfluss durch die Umwelt in die landwirtschaftliche Berufstätigkeit hineinwachsen wird (Wöhrmann a.a.O. Rn. 129.
OGH RdL 1950, 92). Die funktionelle Gleichsetzung der Wirtschaftsfähigkeit des Volljährigen mit der
vorbeschriebenen Erwartung künftiger Wirtschaftsfähigkeit gebietet die Folge, dass auch die Erwartung des
„Hineinwachsens“ mit zumindest einer gewissen Wahrscheinlichkeit positiv festzustellen ist und es daher nicht
ausreicht, wenn das „Hineinwachsen“ nicht auszuschließen ist.
bb) Bezogen auf den Streitfall folgt daraus, dass der zu 2) beteiligte Sohn R… des Erblassers nicht als Hoferbe in
Betracht kommt:
Der Ergänzungspfleger hat vorgetragen, dass es bei dem geistig und körperlich normal entwickelten Kind „überhaupt
nicht ausgeschlossen“ ist, dass es einmal einen landwirtschaftlichen Beruf erlernt und ausübt. Darauf kann es
jedoch nach den vorstehenden Ausführungen nicht ankommen. aus § 6 Abs. 2 Satz 2 HöfeO lässt sich eine
Vermutung für eine spätere Wirtschaftsfähigkeit nicht ableiten.
In einer späteren Stellungnahme verweist der Pfleger zutreffend darauf, dass sich bei dem gegebenen Alter des R…
F… eine Prognose über den künftigen Lebensweg nur sehr schwer stellen lasse. auch die Frage nach dem weiteren
Lebensweg der Mutter sei unklar und ungeeignet. Letzteres ist vom Ansatz her richtig. Es kann andererseits aber
nicht zweifelhaft sein, dass der Lebensweg der Mutter eher von der Landwirtschaft weg tendiert und davon auch der
Lebensweg für ein Kleinkind mindestens bis einschließlich der Pubertät geprägt wird.
Wenn die Antragstellerin vorträgt, dass sie nicht landwirtschaftlich tätig sein wolle und deshalb ihren Sohn nicht an
die Landwirtschaft heranführen könne, ist das glaubhaft. Denn sie ist nach Fortbildung zur Rechtsanwalts und
Notarfachwirtin seit nunmehr 12 Jahren als Rechtsanwalts und Notargehilfin tätig.
Auch Größe und Ausstattung des Hofes rechtfertigen hier keine positive Prognose, dass der Beteiligte zu 2 später
eine landwirtschaftliche Ausbildung anstreben wird. Fehlt es heute auch bei großen und leistungsfähigen Höfen
häufig an einem Nachfolger, spricht die Lebenserfahrung hier sogar eher dagegen, dass R… wirtschaftsfähig werden
wird. In einer Zeit zunehmender Nachwuchssorgen in der Landwirtschaft mit dem daraus resultierenden ´Höfesterben
´ erscheint es nicht eben wahrscheinlich, dass R… eine landwirtschaftliche Ausbildung macht, um in etwa 15 Jahren
einen schon jetzt nur im Nebenerwerb zu betreibenden Hof zu übernehmen, dessen Rentabilität im Wesentlichen auf
überdurchschnittlichen Fähigkeit seines Vaters beruhte.
Die am Verfahren beteiligte Schwester des Erblassers geht von der (künftigen) Wirtschaftsfähigkeit des Beteiligten
zu 2) aus. Sie betont in ihren Stellungnahmen zunächst die landwirtschaftsnahe Lebensweise ihrer Schwägerin (der
Antragstellerin), die wahrscheinlich den Hof ihrer (groß)Eltern übernehmen werde, auf dem sie bereits (mit R…)
überwiegend lebt.
Aber auch das reicht nicht aus. Das Leben in ländlichen Bereichen zu vorschulischen Zeiten wurde bislang in
Rechtsprechung und Literatur vorsichtig und mit der Maßgabe gewertet, dass dies die Erwartung einer künftigen
Wirtschaftsfähigkeit jedenfalls dann nicht rechtfertigt, wenn die Mutter eines Kleinkindes als Hauptbezugsperson
gerade kein Interesse an der Landwirtschaft hat. Es gibt, wie bereits dargelegt, nach den Erfahrungen des Senats
heutzutage keinen verlässlichen Erfahrungssatz mehr, dass alle Landwirtskinder auch Landwirte werden und sich
danach drängen, den elterlichen Hof zu übernehmen.
3.
Es entspricht bei der gegebenen Fallgestaltung der Billigkeit, dass die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten in
beiden Instanzen selbst und die Gerichtskosten jeweils zu einem Drittel tragen (§§ 44, 45 LwVG).
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird nach § 34 LwVG, § 20 Satz 1 a, Satz 2 HöfeVfO, § 19 Abs. 2
KostO auf die Summe aus dem Vierfachen des mit 28.581 € angegebenen Einheitswerts (= rd. 115.000 €)
festgesetzt
… … …