Urteil des OLG Oldenburg vom 04.02.2002

OLG Oldenburg: hund, unfall, fraktur, schmerzensgeld, mitverschulden, haftpflichtversicherung, beitrag, form, wiedergabe, tierhalterhaftung

Gericht:
OLG Oldenburg, 11. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 11 U 79/01
Datum:
04.02.2002
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 833
Leitsatz:
1. Wenn mehrere Hunde miteinander balgend in eine Personengruppe hineinlaufen und ein Mensch zu
Fall kommt, verwirklicht sich die typische Tiergefahr, auch wenn der Sturz nur auf eine
Ausweichbewegung des Geschädigten zurückzuführen sein sollte.
2. Im Zweifel haftet ein jeder Halter der beteiligten Hunde für die Schadensfolgen, ohne dass es
entscheidend darauf ankäme, welcher Hund konkret den Sturz verursacht hat, indem er den
Geschädigten anstieß oder Anlass zu einer schadensstiftenden Ausweichbewegung gab.
Urteil des OLG Oldenburg vom 04.02.2002 - nicht rechtskräftig
Volltext:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der zweiten Zivilkammer des Landgerichts
Osnabrück vom 06. September 2001 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen
geändert:
Die Klage zu Ziff 1. und 2. ist dem Grunde nach zu 50 % gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 50 % der materiellen
und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 18.08.1998 auf der S.-allee in O. zu bezahlen, soweit sie nach dem
01.03.2001 entstehen und nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2. Wegen des Streites zur Schadenshöhe und auch wegen der Entscheidung über die Kosten des
Berufungsverfahrens wird der Rechtsstreit an das Gericht des ersten Rechtszuges
zurückverwiesen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der anderen Partei
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden.
4. (...)
Tatbestand
Die am (...) geborene Klägerin führte am 18. August 1998 auf der sogenannten S.-allee, einem befestigten
Wanderweg im Randbereich des S. Forstes, ihren Hund aus. Es handelte sich um einen weißes Tier. Gegen 17.30
Uhr traf sie dort auf den Beklagten, der seinerseits seinen Hund, einen Weimaraner ausführte. Der Hund ist
zwischenzeitlich verstorben. Nach § 3 Abs. 3 der Verordnung über die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung
im Gebiet der Stadt O. vom 30. September 1986 bestand Leinenzwang. Dennoch ließen beide Parteien zeitweise
ihre Hunde frei umherlaufen, wobei sich die Tiere auch in größerer Entfernung von den Parteien befanden. Als dann
ein oder beide Tiere zurückgelaufen kamen, kam die Klägerin zu Fall. Sie wurde kurzzeitig ohnmächtig und erlitt eine
Gehirnerschütterung und eine Verletzung im Bereich der Lendenwirbel.
Die Klägerin arbeitete im Unfallzeitpunkt als Chefsekretärin in der W.-Klinik in B.R.. Diese Tätigkeit übt sie nicht
mehr aus. Sie erhielt zunächst Krankengeld und bezieht seit dem 22. Dezember 1999 eine Erwerbsunfähigkeitsrente
in Höhe von monatlich 1.605,40 DM.
Für den Hund des Beklagten besteht eine Haftpflichtversicherung bei der V.. Vorprozessual hat diese ohne
Anerkennung einer Rechtspflicht bereits 13.000, DM Schadensersatz an die Klägerin gezahlt.
Mit der Klage hat die Klägerin Erstattung von Heilbehandlungskosten in Höhe von 1.308,95 DM, Ersatz des
Verdienstausfallschadens in Höhe von 27.846,47 DM für den Zeitraum bis einschließlich Februar 2001,
Schadensersatz für Ausfall im Haushalt und für eine erforderliche Haushaltshilfe bis Februar 2001 in Höhe von
15.993,92 DM beansprucht, wovon die Zahlungen der V. in Abzug gebracht worden sind. (...)Weiterhin hat die
Klägerin vom Beklagten die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes begehrt, wobei ein Betrag in Höhe von
20.000, DM als angemessen erachtet worden ist. Die Klägerin hat behauptet, in dem Zeitpunkt des
Zusammentreffens der Parteien sei ihr Hund angeleint gewesen, der des Beklagten dagegen nicht. Erst als die
Klägerin den Beklagten erkannt habe, habe sie auch ihren Hund losgelassen. Die Hunde hätten sich beschnuppert
und seien dann jedoch jeder ihre eigenen Wege gegangen. Weil sich der Hund des Beklagten wohl zu weit entfernt
habe, sei er vom Beklagten zurückgepfiffen worden. Daraufhin sei der Hund des Beklagten – allein – mit hohem
Tempo zurückgelaufen und habe die Klägerin „stumpf“ umgerannt. Diesen Geschehensablauf habe der Beklagte
unmittelbar nach dem Unfall gegenüber den von ihm herbeigerufenen Kindern der Klägerin und deren Freund
bestätigt. Der Hund der Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, die Klägerin umzulaufen, da das Tier dazu viel zu
klein gewesen sei, während der Hund des Beklagten etwa die Größe einer Dogge habe. Die Klägerin habe dabei
neben der Gehirnerschütterung nicht nur eine Prellung der Lendenwirbelsäule, sondern eine echte Fraktur erlitten.
Dieses habe sich jedoch erst später im Rahmen einer Kernspintomographie herausgestellt. Durch die Fraktur eines
Lendenwirbelkörpers sei die gesamte Motorik der Klägerin schwer in Mitleidenschaft gezogen. Nachdem sie sich
monatelang kaum habe bewegen können, leide sie immer noch unter erheblichen Schmerzen und werde einen
Dauerschaden behalten. (...)
Die Klägerin hat beantragt,
1. der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.149,34 DM nebst Zinsen gem. § 1 des
DiskontsatzÜberleitungsgesetzes v. 09.06.1998 seit dem 16.08.2000 zu zahlen,
2. an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen gem. § 1 des DiskontsatzÜberleitungsgesetzes
v. 09.06.1998 ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen
und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 18.08.1998 auf der S.-allee in O. zu bezahlen, soweit sie nach dem
01.03.2001 entstehen und nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, zum Zeitpunkt des Zusammentreffens der Parteien sei sein Hund angeleint gewesen, während der
der Klägerin nicht angeleint gewesen sei. Es sei zu einem Gespräch zwischen den Parteien gekommen. Während
dieser Zeit seien die Hunde in dem dortigen Bereich frei herumgelaufen, wobei die Hunde miteinander gespielt, in
verschiedenen Richtungen gerannt, die Richtung gewechselt und zurückgelaufen seien etc.. Anlässlich einer dieser
Vorgänge seien die Hunde nebeneinander auf die beiden Parteien zugekommen, und zwar in der Form eines
„spielerischen“ Wettlaufs. Die Klägerin habe die Hunde auf sich zukommen sehen und sei nach links ausgewichen,
und zwar in den Weg der Hunde, so dass sie dort vermutlich gestreift worden und zu Fall gekommen sei. Ob die
Klägerin tatsächlich von einem der Hunde „umgerannt“ worden sei und um welchen der Hunde es sich gehandelt
habe, könne der Beklagte nicht beurteilen. Beide Hunde seien nebeneinander auf die Hundehalter zugelaufen. Die
Klägerin habe den Unfallproblemlos dadurch vermeiden können, dass sie – ebenso wie der Beklagte – stehen
geblieben wäre.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass nicht bewiesen sei, dass die Klägerin durch das Tier des Beklagten
verletzt worden sei. Selbst bei Annahme einer Haftung sei aufgrund des objektiv überflüssigen Ausweichmannövers
der Klägerin von einem überwiegenden Verschulden der Klägerin auszugehen, so dass im Rahmen der
Haftungsabwägung gem. § 254 BGB nur eine geringfügige anteilige Haftung des Beklagten verbleibe.
Der Beklagte hat den unfallbedingten Umfang der Verletzungen und den geltend gemachten materiellen und
immateriellen Schaden dem Grund und der Höhe nach bestritten.
Das erstinstanzliche Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A., B. und C.. (...)
Die zweite Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat die Klage abgewiesen, da die Klägerin nicht den Beweis
dafür erbracht habe, dass der Hund des Beklagten sie zu Fall gebracht habe.
(...)
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel in unveränderter Form weiter. (...)
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und der Klage nach Schlußanträgen erster Instanz stattzugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens die angefochtene
Entscheidung. Das Landgericht habe zu Recht und mit einer zutreffenden Begründung die Klage abgewiesen. Es sei
nicht bewiesen, dass die Klägerin durch den Hund des Beklagten zu Fall gebracht worden sei. Zeugen hätten den
Vorfall nicht beachtet. Der Beklagte habe nicht eingeräumt, dass die Klägerin durch seinen Hund umgerannt oder
sonst zu Fall gebracht worden sei. Auf Wunsch der Klägein habe er seinen Hund zurückgepfiffen. Beide Hunde seien
dann nebeneinanderlaufend auf die Parteien zugerannt, wobei die Klägerin plötzlich ausgewichen und sich in den
Lauf der Hunde gestellt habe, sodann auch gleich gestürzt sei. Über welchen Hund nun die Klägerin gefallen sei,
lasse sich nicht ermitteln. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin über ihren eigenen Hund gestürzt sei. In
keinem Fall habe der Hund des Beklagten die Klägerin angesprungen oder gar „stumpf“ umgerannt. Selbst bei
Annahme einerVerantwortlichkeit des Beklagten im Rahmen der Tierhalterhaftung sei eine mitwirkende Verursachung
durch den Hund des Beklagten zu berücksichtigen, da sie ihren Hund habe herumtoben und - jagen lassen. Wenn
überhaupt der Hund des Beklagten die Klägerin berührt haben sollte, sei ein solches Mitverschulden mindestens mit
50 % anzusetzen. (...)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin erweist sich als teilweise begründet. Sie führt gemäß § 304 ZPO zur
Verurteilung des Beklagten dem Grunde nach zu 50 %, soweit mit den Anträgen zu Ziff. 1. und Ziff. 2. bezifferter
materieller Schadensersatz und Schmerzengeld begehrt wird. Wegen der Höhe des Betrages ist die Sache noch
nicht zur Entscheidung reif. Sie ist daher gemäß § 538 ZPO zur weiteren Verhandlung an das Landgericht
zurückzuverweisen. Hinsichtlich des Feststellungsantrages ist die Klage in Höhe von 50 % begründet und
entscheidungsreif, so dass insoweit ein Teilurteil ergehen kann.
Im Übrigen erweist sich die Berufung als unbegründet.
I.
1. Soweit die Klägerin mit ihrem Antrag zu Ziff 1. materiellen Schadensersatzes und mit ihrem Antrag zu Ziff. 2.
Schmerzensgeld für die bis einschließlich Februar 2001 eingetretenen Schäden beansprucht, ist die Klage gemäß §§
833, 847 BGB dem Grunde nach zu 50 % begründet.
a.) Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin allerdings dagegen, dass die zweite Zivilkammer des Landgerichts
Osnabrück es als nicht bewiesen angesehen hat, dass gerade der Hund des Beklagten sie zu Fall gebracht habe.
Das Landgericht hat die erhobenen Beweise zutreffend und erschöpfend gewürdigt. Zwar haben die Zeugen A., B.
und C. übereinstimmend bekundet, der Beklagte habe an der Unfallstelle geäußert, sein Hund habe die Klägerin
umgerannt. In der aufgeregten Situation nach dem Unfall können aber einzelne Worte des Beklagten, die von den
Zeugen wiedergegeben werden, nicht auf die Goldwaage gelegt werden. Es ging den Beteiligten vor Ort nicht um
eine „gerichtsfeste“ Unfallaufnahme. Deshalb können auch Wahrnehmungsfehler der Zeugen in dem Sinne, dass der
Beklagte von „einem“ Hund gesprochen und die Zeugen „meinem“ Hund verstanden haben, nicht ausgeschlossen
werden. Auch die Glaubwürdigkeit der Zeugen wird vom erstinstanzlichen Gericht zu Recht angezweifelt. Der
Umstand, dass die Haftpflichtversicherung des Beklagten Zahlungen geleistet hat, ist nicht überzubewerten, da sie
unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolgt sind. Sie können auch vor dem Hintergrund einer Mitverursachung
des Hundes des Beklagten gesehen werden, sind jedenfalls kein Beleg für die ausschließliche Verursachung des
Sturzes der Klägerin gerade durch den Hund des Beklagten.
Auch der Inhalt der vorliegenden Schadensanzeige durch den Beklagten belegt nicht die Darstellung der Klägerin,
der Hund des Beklagten sei allein auf die Parteien zurückgelaufen. Der Beklagte hat in der Schadensanzeige
vielmehr mitgeteilt, die Hunde „kamen auf uns zugerannt“. Dies bestätigt das Vorbringen des Beklagten, nicht sein
Hund alleine, sondern beide Hunde seien gemeinsam zurückgelaufen.
Die in das Wissen der weiteren Zeugen gestellten Behauptungen, die Klägerin habe unmittelbar nach dem Unfall
anderen Personen gegenüber den Unfall so mitgeteilt, wie im anhängigen Verfahren behauptet und der Hund des
Beklagten sei bereits einmal auf eine andere Person zugelaufen, sind nicht entscheidungsrelevant. Dass Hunde auf
Personen zulaufen ist nichts außergewöhnliches und ist im vorliegenden Verfahren auch nicht streitig. Die
Wiedergabe der Erklärung der Klägerin zum Unfallgeschehen gegenüber anderen Beteiligten ist ebenfalls nicht
entscheidungserheblich. Die Beweisaufnahme liefe auf die Bestätigung von Parteivorbringen hinaus. Das Interesse
der Klägerin daran, eine für evtl. Haftpflichtansprüche günstige Sachverhaltsschilderung abzugeben, bestand für sie
von vornherein, auch gegenüber anderen Personen. Eine unbefangene Äußerung kann von den Zeugen nicht
wiedergeben werden.
Die Voraussetzungen für eine Vernehmung der Klägerin als Partei liegen nicht vor.
(...)
Die Voraussetzungen für eine Vernehmung der Klägerin als Partei gemäß § 448 ZPO liegen ebenfalls nicht vor. (...)
b.) Der Beklagte haftet gemäß §§ 833, 847 BGB jedoch dem Grunde nach zu 50 % bereits unter Zugrundelegung
seiner eigenen Darstellung des Unfallherganges, die sich die Klägerin hilfsweise zu eigen gemacht hat.
aa) Die Tierhaltereigenschaft des Beklagten ist unstreitig. Ebenso unstreitig ist, dass der Hund des Beklagten ein
Haustier ist, das nicht dem Berufe, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalte des Beklagten zu dienen bestimmt ist.
bb) Dadurch, dass, ausgehend von der Darstellung des Beklagten, beide Hunde der Parteien auf den Pfiff des
Beklagten auf die Parteien zugelaufen sind, hat sich eine vom Hund des Beklagten ausgehende typische Tiergefahr
verwirklicht.
Typische Gefährdungssituationen sind das Anspringen und Beißen der Hunde und beispielsweise auch ein
Ausweichen eines Radfahrers vor einem Pferd, das den Weg versperrt (Düsseldorf NJWRR 92, 475). Soweit die
Klägerin durch den Hund des Beklagten umgerannt worden ist, ist dieses Verhalten vergleichbar mit dem Anspringen
durch einen Hund, also Ausdruck der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens.
cc) Die typische Gefahr hätte sich aber auch dann verwirklicht, wenn die Klägerin einem Tier ausgewichen wäre.
Denn die Laufrichtung eines heran bzw. vorbeistürzenden Hundes kann nicht sicher vorhergesagt werden. Eine
falsche Einschätzung der Laufrichtung des Hundes ändert nichts daran, dass gerade das nichtvorhersehbare Vorbei
bzw. Heranrasen eines Hundes typischer Ausdruck der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens ist. Das tierische
Verhalten muß dabei nicht die einzige Ursache des eingetretenen Unfallerfolges gewesen sein; Mitverursachung
genügt (BGH DB 71, 333, 334). Der Zusammenhang zwischen der Tiergefahr und dem Verletzungserfolg kann durch
Zwischenursachen vermittelt sein, insbesondere durch eine schreckhafte Reaktion auf die Begegnung mit dem Tier
(Münchener Kommentar, 3. Auflage, Bearbeiter Stein, § 833 Rdnr. 17).
c.) Die zweite Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat den so definierten Zusammenhang zwischen der
Tiergefahr und dem Verletzungserfolg zu eng gesehen, wenn ausschließlich die Frage danach gestellt worden ist, ob
die Klägerin durch den Hund des Beklagten umgeworfen worden ist. Denn die typische Tiergefahr verwirklicht sich
gerade dann, wenn mehrere Hunde miteinander balgend und spielend in eine Personengruppe hineinlaufen. Die
Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens erhöht sich dadurch, dass mehrere Hunde miteinander spielend und
balgend umherlaufen. Die Hunde wirken dann gegenseitig so aufeinander ein, dass sie entsprechend ihrer Natur
unkontrolliert umherlaufen. In einer derartigen Fallkonstellation sind alle beteiligten Hundehalter nach § 833 Satz 1
BGB für Schäden ersatzpflichtig, die die Hunde einem Dritten oder, wie bei dieser Fallkonstellation, einem Halter
selbst zufügen, wobei die Halter nach § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner zu haften hätten (vgl. OLG
Düsseldorf VersR 1993, 1496).
d.) Da nicht geklärt werden kann, welcher Hund die Klägerin umgelaufen hat, haften beide Tierhalter zur Hälfte, d. h.
die Klägerin kann vom Beklagten dem Grunde nach Erstattung von 50 % ihres Schadens beanspruchen.
Eine andere Quotierung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Größe der Tiere ist nicht sachgerecht. Denn
wenn zwei Tiere auf die Geschädigte zulaufen, ist es Zufall und im vorliegenden Fall auch nicht mehr aufklärbar,
welchem Tier ausgewichen werden sollte bzw. welches Tier die verletzte Person berührt hat.
Es ist der Klägerin auch nicht als Mitverschulden anzurechnen, dass sie ggfls. eine im nachhinein betrachtet
unnötige seitliche Bewegung in die Laufrichtung eines der Hunde gemacht hat. Denn im Rahmen einer schreckhaften
Reaktion auf heranlaufende Hunde kann nicht erwartet werden, dass unter Berechnung der voraussichtlichen
Laufrichtung der Tiere eine genau abgestimmte Reaktion der Klägerin erfolgt.
e.) Die Haftungsquote würde sich im übrigen auch dann nicht zugunsten der Klägerin verändern, wenn anzunehmen
wäre, dass letztlich der Hund des Beklagten – als einer der beiden heranlaufenden Hunde – die Klägerin umgeworfen
hätte. Allein deshalb, weil aus einer Gruppe von mehreren (hier: zwei) miteinander spielenden und laufenden Hunden
einem der letzte, unmittelbar zum Schaden führende Beitrag zuzurechnen ist, kann diesem Verursachungsbeitrag
kein größeres Gewicht als dem Beitrag der anderen Hunde (hier: des anderen Hundes) beigemessen werden. Denn
der Schaden beruht hier – wie ausgeführt – auf der spezifischen Tiergefahr, die von einer Mehrheit von Hunden
ausgeht, wobei es letztlich eher zufällig ist, in der rechtlichen Bewertung jedenfalls unerheblich ist, welcher konkrete
Hund die Klägerin umgelaufen hat (ebenso OLG Düsseldorf a.a.O.).
Eine andere Bewertung käme nur dann in Betracht, wenn die Klägerin einen Sachverhalt bewiesen hätte, aus dem
sich ein vom unstreitigen vorherigen Geschehen (gemeinsames Spielen der Hunde in etwa 50 – 100 m Entfernung)
abtrennbarer singulärer Verursachungsbeitrag des Hundes des Beklagten ergäbe. Die Klägerin behauptet zwar, dass
der Hund des Beklagten auf dessen Pfiff hin allein zurückgelaufen sei. Der Beklagte behauptet demgegenüber, er
habe seinen Hund, der seinen Pfiff kenne, zurückgepfiffen; dies sei aber auf Wunsch der Klägerin geschehen, damit
der Hund der Klägerin zusammen mit seinem Hund zurückkomme. So sei es dann geschehen; auf seinen Pfiff hin
sei sein Hund, wie beabsichtigt, zurückgelaufen; gleichzeitig sei aber, wie es es der natürlichen Reaktion zuvor
gemeinsam spielender Hunde entspreche, auch der Hund der Klägerin zurückgelaufen; beide Hunde seien folglich
gemeinsam angelaufen gekommen. Nach Auffassung des Senats ist es insoweit Sache der Klägerin, den
behaupteten singulärenVerursachungsbeitrag (Zurücklaufen nur des Hundes des Beklagten) zu beweisen. Es ist
nicht angängig, aus dem gesamten dem Schaden vorhergehenden Geschehensablauf einzelne für die Klägerin
möglicherweise günstige Teile (vorheriges gemeinsames Spielen der Hunde in ausreichender Entfernung, Pfiff des
Beklagten mit der vom Beklagten eingeräumten Folge, dass jedenfalls auch sein Hund zurücklief) isoliert zu
betrachten; vielmehr muss die Klägerin den gesamten einheitlichen Geschehensablauf beweisen, jedenfalls soweit
es darum geht, einen mindestens gleichwahrscheinlichen für sie ungünstigen Geschehensablauf (gemeinsames
Zurücklaufen der Hunde, wenn auch verursacht durch den Pfiff des Beklagten) auszuschließen.
2. Der Sachverhalt ist hinsichtlich der Ursächlichkeit des Sturzes und hinsichtlich der Schadenshöhe im Hinblick auf
den Umfang der geltend gemachten Verletzungsfolgen noch nicht hinreichend geklärt. Insbesondere kann derzeit
noch nicht die Frage beantwortet werden, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin auch auf eine
vorhandene Vorerkrankung zurückzuführen sind. Eine Beweisaufnahme hat hierzu bislang nicht stattgefunden. Die
Sache ist deshalb gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das Gericht des erstinstanzlichen Rechtszuges
zurückzuweisen.
3. Der Feststellungsantrag der Klägerin zu Ziff. 3. ist in Höhe von 50 % begründet. Der Beklagte ist gemäß §§ 833,
847 BGB verpflichtet, der Klägerin auch den ab dem 01. März 2001 noch entstehenden materiellen und immateriellen
Schaden zu erstatten, soweit er aus dem Unfall vom 18.08.1998 herrührt. Wegen der grundsätzlichen hälftige
Verantwortlichkeit des Beklagten wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.
(...)