Urteil des OLG Oldenburg vom 20.06.2008

OLG Oldenburg: führung des haushalts, schmerzensgeld, aufenthalt, fahren, verdienstausfall, wohnung, vollstreckung, ausstattung, ernährung, vergütung

Gericht:
OLG Oldenburg, 11. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 11 U 3/08
Datum:
20.06.2008
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 843 Abs 1, BGB § 823 ABS 1
Leitsatz:
Bei einem stationären Aufenthalt einer alleinstehenden Person liegt kein 100 %iger
Haushaltführungsschaden vor, wenn mit der Führung des Haushalts keine Unterhaltsverpflichtungen
gegenüber anderen erfüllt werden. Dieser beträgt geschätzt ca. 15 % des von der Geschädigten für
Haushaltsführung aufgewendeten Zeitaufwandes.
Volltext:
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
Im Namen des Volkes
Urteil
11 U 3/08
8 O 422/07 Landgericht Oldenburg Verkündet am 20.06.2008
…, Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
B...,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
gegen
1. E...,
2. C... Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden …
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2:
Rechtsanwälte …
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …,
die Richterin am Amtsgericht … und die Richterin am Oberlandesgericht … auf die mündliche Verhandlung vom
30.05.2008 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 08.01.2008 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts
Oldenburg im Tenor zu Ziff. 1) und 2), unter Aufrechterhaltung des Tenors zu Ziff. 3) und unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein weiteres, über bereits gezahlte 8.000, €
hinausgehendes Schmerzensgeld in Höhe von 8.000, € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 05.09.2003 zu zahlen.
Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 10.513,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.03.2003 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster 1. Instanz haben die Klägerin 53 % und die Beklagten 47 % zu tragen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz haben die Klägerin 54 % und die Beklagten 46 % zu
tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung der gegnerischen Partei
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht die Gegenseite
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall.
Die Klägerin befuhr am 15.08.2003 mit ihrem Motorrad in Bad Zwischenahn die bevorrechtigte Landstraße in
Richtung Wiefelstede. Der Beklagte zu 1. kam mit seinem KleinLKW aus einer rechtsseitig gelegenen
Grundstückseinfahrt heraus, übersah die Klägerin, so dass es zu einem schwerwiegenden Unfall kam. Dabei wurde
die Klägerin schwer verletzt. Die Parteien streiten über die Höhe des Schmerzensgeldes und die Höhe der
Unfallschäden.
Die Klägerin erlitt schwere Schäden und Frakturen am rechten Daumen sowie am linken Unterarm, außerdem
multiple Schnittverletzungen des rechten Unterschenkels und Knies. Die Klägerin ist Linkshänderin. Nach zwei
Operationen wurde die Klägerin mit einer Unterarmgipsschiene links und einer Daumengipsschiene rechts entlassen.
Es folgte eine Heilungsverzögerung der Frakturen, so dass ein weiterer stationärer Krankenhausaufenthalt von einer
Woche Anfang Februar 2004 erforderlich wurde. Der Klägerin wurde bei einer weiteren Operation Knochenmaterial
aus dem Beckenkamm entnommen. Noch im weiteren Verlauf entwickelte sich eine Pseudoarthrose in der rechten
körperfernen Speiche. Es wurde eine weitere Knochenentnahme am linken Beckenkamm erforderlich. Insgesamt war
die Klägerin fünfmal vollstationär im Krankenhaus. Die Klägerin leidet im linken Handgelenk an
Bewegungseinschränkungen. Beim Faustschluss können der zweite und fünfte Finger der einen Hand nicht
vollständig eingeschlagen werden. Über den linken Unterarm verläuft eine 16 cm lange Operationsnarbe. Außerdem
ist der linke Unterarm zeitweise nicht zu spüren. Gelegentlich verspürt sie ein sogenanntes Ameisenlaufen.
Vorgerichtlich hatten die Beklagten ein Schmerzensgeld von 8.000, € gezahlt sowie teilweise Verdienstausfall und
Haushaltsführungsschaden.
Das Landgericht hat nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens über die Einschränkung der
Klägerin in der Haushaltsführung der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld
von 4.000, € sowie weiteren Verdienstausfall und Haushaltsführungsschaden zugesprochen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie begehrt über das vom Landgericht
zugesprochene Schmerzensgeld hinaus ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 8.000, €, demnach insgesamt
20.000, €, sowie höheren Schadensersatz hinsichtlich des Haushaltsführungsschadens. Bei der Bemessung des
Schmerzensgeldes habe das Landgericht den umfangreichen Vortrag der Klägerin zu ihren unfallbedingten
Verletzungsfolgen außer Acht gelassen. Die Klägerin leide unter Dauerbeschwerden, indem sie als Linkshänderin
den linken Unterarm zeitweise nicht spüre. Jeder Wetterwechsel sei im Bereich der Narben für die Klägerin
schmerzhaft. Auch sei die Beweglichkeit der linken Hand deutlich eingeschränkt. Nach dem vorgerichtlichen
ärztlichen Bericht sei eine dauerhafte Beeinträchtigung des linken Armes von 2/7 gegeben. Außerdem habe sie noch
heute deutlich sichtbare Narben, so am Unterarm eine 11,5 cm lange Narbe. Auch im Bereich der rechten Hand
seien noch punktförmige Narben deutlich sichtbar. Schließlich habe das Landgericht nicht berücksichtigt dass die
Klägerin ihr geliebtes Hobby nämlich Motorrad fahren aber auch Handball spielen, Rudern und Kanu fahren nicht
mehr ausüben könne. Das Landgericht habe fehlerhaft über die aktuellen Verletzungen und Beschwerden der
Klägerin keinen Beweis erhoben, sondern lediglich zur Frage der Einschränkung der Klägerin im Haushalt. Außerdem
habe das Landgericht den Haushaltsführungsschaden falsch bemessen. Es habe insbesondere in der Zeit, in der
sich die Klägerin stationär im Krankenhaus stationär befand, lediglich einen pauschalen Betrag von 15, € pro Woche
Haushaltsführungsschaden angenommen. Der Klägerin stünde aber ein Haushaltsführungsschaden für einen Ausfall
von 21,7 Stunden wöchentlich zu. Außerdem habe das Landgericht fehlerhaft die Höhe des
Haushaltsführungsschadens nach der Vergütungsgruppe BAT X bemessen. Zutreffenderweise hätte eine Einordnung
in die Vergütungsgruppe BAT VIII zugrunde gelegt werden müssen. Schließlich habe das Landgericht einen
Rechenfehler gemacht, indem es den Arbeitszeitaufwand nach der Tabelle SchulzBorck/Hoffmann von 21,7 Stunden
auf 21 Stunden abgerundet statt auf 22 Stunden aufgerundet habe.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens
8.000, € über den vom Landgericht ausgeurteilten Betrag hinaus, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 05.09.2003 zu zahlen.
2. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin über den vom Landgericht ausgeurteilten
Betrag von 8.919,22 € weitere 4.185,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 07.03.2003 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung.
II.
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.
1. Zum Schmerzensgeld
Der Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld nach §§ 7, 17, 18 StVG i.V.m. § 3 PflVerG a. F..
Das ist unstreitig.
Der Senat hält angesichts der von der Klägerin erlittenen Verletzungen und der verbliebenen Dauerbeschwerden
nebst Bewegungseinschränkungen, die die Klägerin aufgrund des Verkehrsunfalls erlitten hat, ein Schmerzensgeld
von insgesamt 16.000, € für angemessen. Das Schmerzensgeld soll dem Verletzten einen angemessenen Ausgleich
für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind und zugleich dem Gedanken Rechnung
tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet. Dabei steht die Ausgleichsfunktion im
Vordergrund. Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt dabei vom Umfang und den Auswirkungen der körperlichen und
gesundheitlichen Schädigung selbst ab. Von Bedeutung sind die erlittenen Verletzungen und Schmerzen, die der
Verletzte zu tragen hatte, die Dauer des Schadens und die verletzungsbedingten Beeinträchtigungen solcher
Funktionen, die sich ungünstig auf die Lebensführung, die Lebensqualität und damit das persönliche Schicksal des
Verletzen auswirken.
Die Klägerin hat schwere Verletzungen und Frakturen am rechten Daumen und linken Unterarm erlitten. Zur Heilung
waren 6 stationäre Krankenhausaufenthalte erforderlich mit zum Teil schwereren Eingriffen zur Entnahme von
Knochenmaterial. Daneben war bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen, dass die Klägerin
weiterhin unter Dauerbeschwerden leidet. Das geht aus dem medizinischen Sachverständigengutachten des
Sachverständigen Dr. H... vom 13.08.2007, welches das Landgericht zum Haushaltsführungsschaden eingeholt hat,
hervor. Es befindet sich am rechten Daumensattelgelenk eine punktförmige Narbe, welche dauerhaft verbleibt.
Darüber hinaus besteht eine Funktionsbeeinträchtigung beim Abspreizen des rechten Daumens in der
Größenordnung von 10 Grad. Am linken Handgelenk bestehen in allen Bewegungsebenen
Bewegungseinschränkungen, die der Sachverständige allerdings als geringgradig bezeichnet hat. Am linken
Unterarm verläuft eine 16 cm lange OPNarbe, wobei das Narbengebiet berührungsempfindlich ist. Nach
Einschätzung des Sachverständigen ist die Einordnung des vorgerichtlichen ärztlichen Berichtes des Herrn Dr. K...,
der eine Funktionsbeeinträchtigung des linken Armes mit 2/7 eingeschätzt hat, als zu großzügig eingeschätzt.
Jedoch kann die Klägerin beim Faustschluss der linken Hand den zweiten und fünften Finger nicht vollständig aktiv
eingeschlagen. Allerdings konnte sich der Senat von den verbliebenen Bewegungseinschränkungen in der linken
Hand der Klägerin selbst überzeugen. So ist es der Klägerin nicht mehr möglich ein Blatt Papier vom Tisch
aufzunehmen, ohne dieses zuvor über die Tischkante zu schieben oder mit der rechten Hand nachzuhelfen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Klägerin Linkshänderin ist. Der Einholung eines weiteren
Sachverständigengutachtens bedurfte es insoweit nicht. Aufgrund der Bewegungseinschränkung in der linken Hand
ergibt sich eine entsprechende Beeinträchtigung der Lebensführung und auch der Lebensqualität, da die Klägerin
weder weiter Motorrad fahren, noch andere, die linke Hand benötigende Sportarten ausüben kann. Der Senat hält
auch unter Berücksichtigung der Entscheidungen anderer Gerichte, die über vergleichbare Fälle zu entscheiden
hatten, ein Schmerzensgeld von 16.000, € für erforderlich aber auch ausreichend. Unter Berücksichtigung von
vorgerichtlich gezahlten 8.000, € verbleibt daher ein noch zu zahlender Betrag von weiteren 8.000, €.
2. Haushaltsführungsschaden
Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Haushaltsführungsschadens gemäß §§ 843 Abs. 1, 823
Abs. 1 BGB i. V. m. § 7, 11 StVG. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der Vermehrung
der Bedürfnisse i. S. v. § 843 Abs. 1 2. Alt. BGB. Das bedeutet, die Beklagten haben einen Ausgleich zu leisten, für
die unfallbedingt entstandenen vermehrten Bedürfnisse der Geschädigten. Der nach § 843 BGB zu ersetzende
Schaden bemisst sich nach dem Nettolohn, der für die verletzungsbedingt nicht mehr ausführbaren oder nicht mehr
zumutbaren Hausarbeiten an eine Hilfskraft hätte gezahlt werden müssen. Der Umfang der zugrunde zu legenden
Arbeiten ist gemäß § 287 ZPO im Schätzungsweg zu ermitteln. Dabei ist die Anwendung der Tabellen von
SchulzBorck/Hofmann, Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl. von der
Rechtsprechung anerkannt (vgl. nur BGH, BGHZ 104,113 ff). Das Landgericht hat zum ausfallbedingten
Haushaltsführungsschaden und der Beeinträchtigung der Klägerin ein Sachverständigengutachten eingeholt. Das
Ergebnis wird von der Berufung nicht angegriffen.
Die Schadenshöhe bemisst sich nach den vor dem Unfall tatsächlich im Haushalt erbrachten Arbeitsleistungen der
Geschädigten. Unter Zugrundelegung der Tabelle 9 von SchulzBorck/Hofmann ist bei einer erwerbstätigen Frau mit
einem Einpersonenhaushalt von einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 21,7 Stunden pro Woche auszugehen.
Für die Höhe der Vergütung einer fiktiven Ersatzkraft im Haushalt ist eine abstrakte Schadensberechnung
vorzunehmen. Dabei ist im vorliegenden Fall von der Nettovergütung nach BAT VIII und BAT X auszugehen. Die
Zuordnung der adäquaten Vergütungsgruppe erfolgt nach ständiger Rechtsprechung unter Zuhilfenahme der Tabellen
von SchulzBorck/Hofmann nach der für die Einstufung maßgeblichen Anforderungen im Haushalt, die wiederum von
dem jeweiligen Haushaltstyp abgeleitet werden. Bei dem Haushalt der Klägerin ist von einem einfachen Haushalt
auszugehen. Die Merkmale eines einfachen Haushaltes sind einfache Wohnverhältnissen mit geringer technischer
Ausstattung und einem unterdurchschnittlichen Haushaltseinkommen. Um einen Durchschnittshaushalt handelt es
sich wiederum bei mittleren bis großen Wohnverhältnissen mit größeren Wohnflächen, durchschnittlicher technischer
Ausstattung und einem Haushaltsnettoeinkommen ab ca. 2.000, € bis ca. 2.500, €. Die Klägerin bewohnt eine 65 qm
große Wohnung mit drei Räumen und verfügt über ein unterdurchschnittliches Einkommen. Für die Annahme eines
durchschnittlichen Haushaltes fehlen weitere Anhaltspunkte, so dass von einem einfachen Haushalt auszugehen
war.
Für die weitere Einordnung in die Vergütungsgruppen nach BAT ist entscheidend, ob ein zeitweiliger oder dauernder
überwiegender oder völliger Ausfall oder nur ein zeitweiliger oder dauernder teilweiser Ausfall der Haushaltsführenden
vorliegt. Weiter ist entscheidend, ob die Geschädigte trotz ihrer Einschränkung die Leitungsfunktion im Haushalt
wahrnehmen kann, oder ob die Schädigung eine Leitungsfunktion nicht zulässt. Für die Zeit, in der nach dem
Sachverständigengutachten des Dr. H... die haushaltsspezifische Einschränkung der Klägerin mit über 50 %
anzunehmen ist, ist von einem zeitweiligen, überwiegenden Ausfall der Haushaltsführenden auszugehen und damit
von der Anwendung der Vergütungsgruppe BAT VIII. Für die übrige Zeit gelangt BAT X zur Anwendung, da nur ein
zeitweiliger teilweiser Ausfall der Haushaltsführenden vorlag und die Klägerin aufgrund der Einschränkung in den
Armen und Händen nicht in der Wahrnehmung ihrer Leitungsfunktion eingeschränkt war.
Entgegen der Ansicht der Berufung ist für die Zeit der stationären Aufenthalte der Klägerin nicht von einem
Haushaltsführungsschaden von 100 % dergestalt auszugehen, dass der Klägerin ein Schadensersatz für eine fiktive
Haushaltskraft von 21,7 Stunden zusteht. Alleinstehende, die nicht anderen Personen unterhaltspflichtig sind,
können ihren Haushaltsführungsschaden nur unter dem Gesichtspunkt der Vermehrung eigener Bedürfnisse ersetzt
verlangen (§ 843 BGB). Voraussetzung ist daher das Vorliegen vermehrter Bedürfnisse. Bei vermehrten
Bedürfnissen handelt es sich um unfallbedingte Aufwendungen zum Ausgleich von Nachteilen, welche aufgrund
einer dauerhaften Beeinträchtigung des Wohlbefindens erforderlich werden (BGH VersR 1974, 162). Vorausgesetzt
sind demnach unfallbedingte Nachteile. Während des stationären Aufenthaltes der Klägerin sind Nachteile, aufgrund
der Tatsache, dass sie ihren Haushalt in der Zeit nicht führt, jedoch nur in geringem Umfang erkennbar. Zu
berücksichtigen ist, worauf die Klägerin unter Bezugnahme von OLG Dresden vom 10.03.2005 Az. : 1 U 2154/04
zutreffend hinweist, dass der Geschädigte durch das schädigende Ereignis nicht schlechter, aber auch nicht besser
gestellt werden darf, als er ohne dessen Eintritt gestanden hätte. Ohne den Unfall hätte die Klägerin ihren Haushalt
zwar mit 21,7 Stunden wöchentlich geführt. Allerdings hat sie mit der Führung des Haushalts keine
Unterhaltsverpflichtungen gegenüber anderen erfüllt, so dass der Arbeitsausfall nicht als Erwerbsschaden zu
qualifizieren ist. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass zahlreiche der Haushaltsarbeiten der Klägerin durch ihren
stationären Aufenthalt gar nicht erst angefallen bzw. weggefallen sind. Nach der Tabelle 9 von
SchulzBorck/Hoffmann entfallen bei einer erwerbstätigen Frau, die einen 1 Personenhaushalt führt, ca. 18 % auf
Einkaufen, 21 % auf Ernährung, 7 % auf Geschirrreinigung, 9 % auf Haushaltsführung und Organisation, 18 % auf
Reinigung des Hauses bzw. der Wohnung, 4 % auf Pflege und Betreuung von Personen, 5 % auf Gartenarbeit, 14 %
auf Wäschepflege und 4 % auf häusliche Kleinarbeiten. Die meisten dieser Arbeiten fallen während eines stationären
Aufenthaltes der Haushaltsführenden gar nicht an. So werden Einkäufe zur Deckung des täglichen Bedarfs zur
Ernährung und das Kochen vom Krankenhaus übernommen. Hierfür kann die Klägerin keinen Ersatz beanspruchen.
Außerdem ist im Haus weniger zu reinigen, da sich niemand in der Wohnung aufhält. Durch den
Krankenhausaufenthalt ist auch wesentlich weniger Wäsche zu waschen. Der Senat schätzt daher die von einer
Ersatzkraft zu verrichtende Tätigkeit während des stationären Aufenthalts der Klägerin auf ca. 15 %. Bei 21,7
Stunden entspricht dies einem Stundenaufwand von ca. 3 Stunden wöchentlich. Soweit die Klägerin in der
mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass sie für die ersten 10 Tagen stationären Aufenthaltes pro Kalenderjahr
eine Zuzahlung von ca. 14, € leisten musste, führt dies nicht zu einem höheren Schadensersatz. Zum einen hat sie
die geleisteten Beträge nicht belegt. Zum anderen hatte sie anrechenbare ersparte eigene Aufwendungen für
Lebensmittel in der Zeit des stationären Aufenthaltes.
Zur Berechnung des konkreten Haushaltsführungsschadens ist zunächst vom Umfang der zeitlichen Einschränkung
in der Haushaltsführung der Geschädigten auszugehen. Das bedeutet, dass der objektiv erforderliche Zeitaufwand –
im vorliegenden Fall von 21,7 Stunden - mit dem Prozentsatz der Beeinträchtigung in der Haushaltsführung zu
multiplizieren ist. Dann ist die für diesen Zeitaufwand erforderliche Vergütung anhand der Tabelle 5 bei
SchulzBorck/Hofmann zu ermitteln Die Berechnung erfolgt daher nach folgender Formel: Zeitaufwand x Prozentsatz
konkrete Beeinträchtigung Haushaltsführung x Nettostundenlohn einer erforderlichen Haushaltshilfe (vgl. auch OLG
Oldenburg, ZfS 1989, 340, VersR 1993, 1491, OLG Hamm NZV 2004, 631. OLG Dresden v.10.03.2005 1 U 2154/04.
Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 9. Auflage. Rd. 369). Bei Anwendung von VIII BAT bzw. X
BAT ergeben sich daher folgende anzusetzende Tagesbeträge:
2003: 21,7 Std., gerundet 22 Std., VIII BAT 2003: 817,88 € = 27,26 € pro Tag
2003: 21,7 Std., gerundet 22 Std., X BAT 2003: 753,58 € = 25,11 € pro Tag
2003: stationärer Aufenthalt: 15 % x 21,7 Std. = 3,2 Std., gerundet 3 Std.
3 Std., VIII BAT 2003: 148,68 € = 4,95 € pro Tag
2003: 60 % MdE x 21,7 Std. = 13,02 Std. gerundet 13 Std.
13 Std., VIII BAT 2003: 508,35 € = 16,95 € pro Tag
2003: 50 % MdE x 21,7 Std. = 10,85 Std. gerundet 11 Std.
11 Std., X BAT 2003: 386,54 € = 12,88 € pro Tag
2004: stationärer Aufenthalt: 15 % x 21,7 Std. = 3,2 Std., gerundet 3 Std.
3 Std., VIII BAT 01 04.2004: 149,89 € = 5,00 € pro Tag
2004: 50 % MdE x 21,7 Std. = 10,85 Std. gerundet 11 Std.
11 Std., X BAT 0104.2004: 389,68 € = 12,98 € pro Tag
2004: stationärer Aufenthalt: 15 % x 21,7 Std. = 3,2 Std., gerundet 3 Std.
3 Std., VIII BAT 01.05.04 09.2005: 151,42 € = 5,05 € pro Tag
2004: 50 % MdE x 21,7 Std. = 10,85 Std. gerundet 11 Std.
11 Std., X BAT 01.05.04 09.2005: 393,71 € = 13,12 € pro Tag
2005: stationärer Aufenthalt: 15 % x 21,7 Std. = 3,2 Std., gerundet 3 Std.
3 Std., VIII BAT – 31.09.2005: 151,42 € = 5,05 € pro Tag
2005: 50 % MdE x 21,7 Std. = 10,85 Std. gerundet 11 Std.
11 Std., X BAT – 31.09.2005: 393,71 € = 13,12 € pro Tag
2005: 30 % MdE x 21,7 Std. = 6,51 Std. gerundet 7 Std.
7 Std., X BAT – 31.09.2005: 317,55 € = 10,58 € pro Tag
2005: 30 % MdE x 21,7 Std. = 6,51 Std. gerundet 7,0 Std.
7,0 Std., X BAT ab 01.10.2005: 256,41 € = 8,54 € pro Tag
2007: stationärer Aufenthalt: 15 % x 21,7 Std. = 3,2 Std., gerundet 3 Std.
3 Std., X BAT: 148,92 € = 4,96 € pro Tag
Zeitraum MdE Berechnung Gesamt
15.08.03 – 03.09.03 stationär 4,95 x 20 = 99, €
04.09.03 – 09.10.03 100 % 27,26 x 36 = 981,36 €
10.10.03 – 30.11.03 60 % 16,95 x 51 = 864,45 €
01.12.03 – 31.12.03 50 % 12,88 x 30 = 386,54 €
01.01.04 – 28.01.03 50 % 12,98 x 28 = 363,44 €
29.01.04 – 07.02.04 stationär 5,00 x 10 = 50,00 €
08.02.04 – 19.02.04 50 % 12,98 x 11 = 142,78 €
20.02.04 – 27.02.04 stationär 5,00 x 8 = 40,00 €
28.02.04 – 01.05.04 50 % 393,71 x 2 Mo. = 779,32 €
02.05.04 – 20.05.04 stationär 5,05 x 18 = 90,90 € 21.05.04 – 31.12.04 50 % 393,71 x 7 Mo. = 2755,97 €
13,12 x 11 = 144,32 €
01.01.05 – 01.08.05 50 % 393,71 x 8 Mo = 3149,68 €
02.08.05 – 13.08.05 stationär 5,05 x 12 = 60,60 €
14.08.05 – 31.09.05 30 % 317,55 x 1,5 Mo = 476,32 €
01.10.05 – 31.12.05 30 % 256,41 x 3 Mo. = 769,23 €
13.06.07 – 30.06.07 stationär 4,96 x 18 = 89,35 €
______
11.243,26 €
Es errechnet sich daher ein von den Beklagten zu ersetzender Haushaltsführungsschaden in Höhe von insgesamt
11.243,26 €.
Hinzuzuaddieren sind nicht angegriffene Attestkosten + 42,70 €
sowie Verdienstausfall + 2.727,52 €
__________
14.013,48 €
abzüglich – entsprechend Urteil des Landgerichts - anzurechnender 3.500,00 €
__________
10.513,48 €
Der von den Beklagten insgesamt noch zu leistende Schadensersatz beträgt somit 10.513,48 €.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Da der Senat im Hinblick auf die Entscheidung über den Haushaltsführungsschaden von der zitierten Entscheidung
des OLG Dresden abgewichen ist, war die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
… … …