Urteil des OLG Oldenburg vom 11.05.1990

OLG Oldenburg: geschwindigkeit, verschulden, unfall, überholen, gerät, bestürzung, glatteis, sorgfalt, fahrzeug, gefahr

Gericht:
OLG Oldenburg, 11. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 11 U 15/90
Datum:
11.05.1990
Sachgebiet:
Normen:
STVG § 18, BGB § 823 ABS 1, ZPO § 286
Leitsatz:
Gerät ein PKW auf der Gegenfahrbahn bei Glatteis ins Schleudern, weil der Hänger des zu
überholenden LKW wg. Glatteises ausbricht, spricht ein Anscheinsbeweis für e.Verschulden d.PKW-
Fahrers, wenn Glatteisgefahr war
Volltext:
(Der Kläger war Beifahrer im PKW des Beklagten zu 1, den letzterer steuerte. Nach einem Glatteisunfall nimmt der
Kläger den Halter und Fahrer und dessen Haftpflichtversicherung gemäß § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz in
Anspruch. Eine StVG-Haftung greift gemäß § 8a Abs. 1 S. 1 StVG nicht ein.)
Aus den Gründen:
Der Beweis der ersten Anscheins spricht für das ... Verschulden des Bekl. zu 1) ..., weil er ... auf eisglatter Straße
ins Schleudern geraten und von der Fahrbahn abgekommen ist (Jagusch-Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 30. Aufl.,
§ 3 StVO Rdnr. 21; OLG Hamm VersR 1976, 950; vgl. auch BGH VersR 1971, 842 und VersR 1963, 585 = VRS 25,
245 sowie OLG Frankfurt VersR 1987, 469). Die Eisglätte traf den Beklagten zu 1) nicht unvorbereitet - in einem
solchen Fall kommt ein Beweis des ersten Anscheins nicht in Betracht -, weil nach dem eigenen Vortrag der
Beklagten ... schon vor der Unfallstelle (jedenfalls) stellenweise Glatteis geherrscht hatte.
Diesen Anscheinsbeweis ... haben die Beklagten nicht ausgeräumt. Dafür wäre der Nachweis von Tatsachen
erforderlich gewesen, die auf die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des nach der Lebenserfahrung zunächst
anzunehmenden Geschehensablaufs - hier einer für den Unfall ursächlichen Vernachlässigung der gebotenen
Sorgfalt - hinweisen würden (BGH VersR 1971, 842). Solche Tatsachen haben die Beklagten schon nicht dargetan:
Die Eisglätte vermag den Anscheinsbeweis nicht zu entkräften, weil sie - wie bereits ausgeführt- für den Bekl. zu 1)
nicht überraschend kam (vgl. OLG Hamm VersR 1978, 950).
Das von den Beklagten geltend gemachte Ausbrechen des Anhängers des Lastzuges, den der Beklagte zu 1) im
Unfallzeitpunkt überholen wollte, ist ebenfalls nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu entkräften. Das käme nur
dann in Betracht, wenn damit ein Sachverhalt gegeben wäre, der auch bei Beobachtung der zu fordernden Sorgfalt
zum Unfall geführt hätte. Das haben die Beklagten jedoch nicht hinreichend dargelegt.
Bei einem Glatteisunfall, wie er hier vorliegt, spricht der Anschein insbesondere dafür, daß der Fahrer, dessen
Fahrzeug infolge der Eisglätte ins Schleudern gerät, seine Geschwindigkeit nicht oder nicht genügend den
besonderen Straßen- und Witterungsverhältnissen angepaßt hat (OLG Hamm VersR 1978, 950; KG VersR 1987,
469). Der Bekl. zu 1), der zuvor eine Geschwindigkeit von 40 - 50 km/h eingehalten hatte, hat mit 60 - 75 km/h
überholt ... Die Beklagten haben nicht dargelegt, daß der Unfall sich auch bei Einhaltung einer niedrigeren
Geschwindigkeit ... ereignet hätte. ...
Ebensowenig ist die Möglichkeit einer dem Bekl. zu 1) vorzuwerfenden Fehlreaktion ausgeräumt (vgl. OLG Frankfurt
VersR 1987, 469). Die Beklagten machen .. ohne Erfolg geltend, einem Kfz-Fahrer, der unverschuldet in Gefahr,
Schrecken und Bestürzung geraten sei, könne ein Verschulden (Fahrlässigkeit) regelmäßig nicht vorgeworfen
werden (OLG Frankfurt, Verkehrsrechtl. Mitteilungen 1976 S. 59). Denn der Bekl. zu 1) durfte durch das Ausbrechen
des Anhängers nicht in Schrecken und Bestürzung kommen. Er wußte, daß die Straße jedenfalls stellenweise
eisglatt war. Mit Rücksicht darauf mußte er damit rechnen, daß der Anhänger des Lastzuges, den er überholen
wollte, infolge Eisglätte ausbrechen könnte. ...