Urteil des OLG Oldenburg vom 03.05.1999

OLG Oldenburg: fahrzeug, auflage, begriff, maschine, fahrrad, geschwindigkeit, gleitschirm, lenker, datum, ausnahme

Gericht:
OLG Oldenburg, unbekannt
Typ, AZ:
Beschluß, SS 105/99
Datum:
03.05.1999
Sachgebiet:
Normen:
STVG § 1 ABS 2, STVG § 21 ABS 1 ., PFVERSG § 1, 6 ABS 1
Leitsatz:
Ein durch einen auf den Rücken des Fahrers geschnallten Gleitschirm- propellermotor fortbewegtes
Herrenfahrrad gilt als Kraftfahrzeug.
Volltext:
Der Angeklagte befuhr am 26. März 1998 mit einem Herrenfahrrad die Neulandstraße in Osnabrück. Auf seinen
Rücken geschnallt trug er einen Gleitschirmpropellermotor mit einem Rahmendurchmesser von 1,09 m, einem
Hubraum von 350 ccm und einer Leistung von 14,7 kW (20 PS). Der Antrieb wurde mit einem vom Angeklagten mit
Klebeband am Lenker befestigten
Handgashebel, der über einen Bowdenzug mit dem Motor verbunden war, aktiviert und reguliert. Bei Verlassen des
Leerlaufs durch Betätigung des Handgashebels erfolgte der Vorschub durch den Propeller. Durch die Übertragung
des Vorschubs auf den Angeklagten bewegte sich das von ihm
gelenkte Fahrzeug fort, ohne dass er die Pedale betätigen musste, wobei es eine Geschwindigkeit von über 25 km/h
erreichte.
1. Bei dem vom Angeklagten gelenkten Fahrzeug handelte es sich um ein Kraftfahrzeug.Kraftfahrzeuge sind nach
der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 StVG Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft fortbewegt werden, ohne an
Bahngleise gebunden zu sein. Ähnlich heißt es im Übereinkommen über den Straßenverkehr vom 8. November 1968
(BGBl.1977 II S. 811) in Art. 1
unter Buchstabe o: " "Kraftfahrzeug" ist jedes auf der Straße mit eigener Kraft verkehrende Fahrzeug mit
Antriebsmotor... mit Ausnahme der Schienenfahrzeuge", während als "Fahrrad" nach Art. 1 Buchstabe l jenes
Übereinkommens "jedes Fahrzeug mit wenigstens zwei Rädern" definiert
wird, "das ausschließlich durch die Muskelkraft auf ihm befindlicher Personen, insbesondere mit Hilfe von Pedalen
oder Handkurbeln, angetrieben wird".
Dass es sich bei dem vom Angeklagten gelenkten Gefährt um ein nicht an Bahngleise gebundenes Landfahrzeug
handelte, bedarf keiner Vertiefung. Es wurde auch durch Maschinenkraft fortbewegt.Nach einhelliger Auffassung ist
der Begriff Maschinenkraft als Gegenstück zur Naturkraft und zur menschlichen oder tierischen Kraft zu verstehen.
Die Art des maschinellen Antriebs (Elektromotor, Verbrennungsmotor etc.) ist unerheblich. Ebenfalls ohne Belang
ist, ob die Kraft mittels Ketten,
Wellen etc. auf die Räder übertragen oder ob das Fahrzeug durch einen Propeller oder den Rückstoß eines
Raketenantriebs vorwärts getrieben wird (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Auflage, § 7 StVG Rn. 14;
Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Auflage, § 1 StVG Rn. 2 f., Rüth, Straßenverkehrsrecht, 2. Auflage,
§ 1 StVG Rn. 9). Das Fahrzeug muss sich mit eigener Kraft fortbewegen, d.h. die Maschine muss sich während der
Fahrt auf dem Fahrzeug selbst befinden. Nicht erforderlich ist, dass zwischen dem Fahrgestell und dem Antrieb eine
ständige feste Verbindung besteht. Auch nur vorübergehend mit einem
maschinellen Antrieb versehene Landfahrzeuge sind Kraftfahrzeuge im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG. Es macht ferner
keinen Unterschied, ob der Antrieb mit dem Fahrzeug direkt verbunden ist - beispielsweise durch Befestigung des
Propellermotors auf dem Gepäckträger des Zweirades - oder ob das Antriebsaggregat nur indirekt mit dem Fahrzeug
verbunden ist, weil es von dem das Zweirad lenkenden Menschen getragen wird. In beiden Fällen ist das
Antriebsaggregat während der Fahrt mit dem Fahrzeug verbunden.