Urteil des OLG Köln vom 03.07.2001
OLG Köln: umkehr der beweislast, wagen, polizei, anschlussberufung, fahrzeug, entwendung, feuerwehr, kennzeichen, brandstiftung, erwerb
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 9 U 210/00
03.07.2001
Oberlandesgericht Köln
9. Zivilsenat
Urteil
9 U 210/00
Landgericht Köln, 24 0 34/00
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 16.11.2000 verkündete
Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 0 34/00 - unter
Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Beklagten ist begründet, die
zulässige Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Entschädigung nach § 12 Nr. 1 I a bzw. Nr. 1 I b AKB
gegen die Beklagte wegen des Schadenereignisses vom 15.12.1998 betreffend den
Mercedes 230 E mit dem amtlichen Kennzeichen .. - .. .. auf Grund der zwischen den
Parteien bestehenden Teilkaskoversicherung nicht zu.
Nach der Überzeugung des Senats ist die Brandstiftung an dem Wagen mit Wissen und
Wollen des Klägers erfolgt, so dass die Beklagte nach § 61 VVG leistungsfrei ist.
Die Gesamtheit aller Umstände und Indizien ergibt, dass eine vorsätzliche Herbeiführung
des Brandes, wenn nicht durch den Kläger selbst, dann jedenfalls auf seine Veranlassung
geschehen ist.
Die Tatbestände des Verlusts durch Entwendung und des Verlusts durch Brand stehen
selbständig und gleichwertig nebeneinander. Liegt eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für
die Vortäuschung des Diebstahls vor, so führt dies nicht zur Umkehr der Beweislast im
Rahmen des § 61 VVG. Diesem Gesichtspunkt kommt allerdings eine nicht unerhebliche
indizielle Bedeutung für den Nachweis der vorsätzlichen Herbeiführung des der
Entwendung nachfolgenden Brandes zu (vgl. BGH, r+s 1996, 410 zu VHB 84; VersR 1985,
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78; Senat, VersR 1997, 444; OLG Hamm, r+s 1999, 144; OLG Celle, ZfS 1999, 158;
Knappmann in Prölss/Martin, 26. Aufl., § 12 AKB, Rn 12 mit weiteren Nachweisen). So liegt
es hier.
Der vorliegende Fall ist gekennzeichnet von außergewöhnlichen Umständen, die in ihrer
Gesamtschau belegen, dass nur
eine Brandstiftung mit Wissen und Wollen des Klägers in Betracht kommt, um die
Entschädigungsleistung des Beklagten zu erhalten.
Der nach den Angaben des Klägers am 15.12.1998 um 17.00 Uhr in der K. in D.
ordungsgemäß verschlossen abgestellte PKW wurde an demselben Tage gegen 21.00 Uhr
von der Polizei nach einem Hinweis der Feuerwehr in P. / Belgien, G. .., auf freiem Gelände
brennend aufgefunden. Die Diebstahlanzeige des Klägers wurde um 20.20 Uhr von der
Polizeiinspektion D. aufgenommen. An dem brennenden Fahrzeug befanden sich keine
Kennzeichen mehr. Der ausgebrannte PKW war ausweislich der Angaben der belgischen
Gendarmerie ordnungsgemäß verschlossen und mußte von der Polizei aufgebrochen
werden, um die Fahrgestellnummer zu erfahren (vgl. Bl. 4 der beigezogenen
Ermittlungsakte StA Aachen 30 Js 244/99).
Wie sich aus dem zwischen den Parteien unstreitigen Inhalt des von der Beklagten
eingeholten Gutachtens des Sachverständigen B. ergibt, ist der Wagen bei letztmaliger
Benutzung mit einem zur Schließcodierung des PKW passenden Schlüssel bei
gleichzeitiger Entsperrung der elektronischen Wegfahrsperre in Betrieb gesetzt worden.
Die Untersuchung des Brandschuttes hat ergeben, dass die vorsätzliche Inbrandsetzung
des Fahrzeugs unter Verwendung einer brennbaren Flüssigkeit, welche zumindest
teilweise im Bereich des Fußraums vorne rechts verteilt wurde, erfolgt ist.
Die Demontage, Freilegung und Reinigung der Sperrnutkanten der Lenkspindel sowie die
Sperrflächen des Lenksperrbolzens haben nach den weiteren Ausführungen des
Gutachters gezeigt, dass mechanische Belastungsmerkmale, wie sie im Falle der
erfolgreichen Überwindung und/oder Überwindungsversuche typischerweise auftreten
müssten, auch nicht ansatzweise vorhanden waren. Es haben sich keine Merkmale dafür
ergeben, dass mittels Nachschließwerkzeug und/oder gewaltsamer Einleitung von
Drehmoment über das verriegelte Lenkrad versucht worden sein könnte, die Lenkfähigkeit
des Fahrzeugs herzustellen.
Dieser Sachverhalt spricht für Eigenbrandstiftung. Eine Zerstörungswut eines Fremden als
Tatmotiv ist äußerst unwahrscheinlich. Bei einer bei einem unbekannten Dritten
vorhandenen Lust an der Zerstörung des Wagens hätte sich der Täter nicht die Mühe
machen müssen, die Lenkradsperre, ohne Spuren zu hinterlassen, zu überwinden (vgl.
dazu OLG Hamm, r+s 1999, 144) und den Wagen wenige Kilometer entfernt zu verbrennen.
Das Abschrauben der Kennzeichenschilder und das Verschließen des in Brand gesetzten
Fahrzeuges deuten zudem auf den Versuch hin, die Feststellung des Halters durch die
Polizei oder Feuerwehr zu verzögern, woran ein etwaiger - außenstehender - Dieb eher
kein Interesse haben konnte, wohl aber der Kläger, wenn er selbst das Verschwinden des
Wagens und den Brand veranlasst hatte (vgl. den Sachverhalt OLG Celle, ZfS 1999, 158).
Wenn es ein Dieb nur auf die Nummernschilder abgesehen hätte, würde er sich nicht die
Mühe machen, den Wagen zu entwenden und nach kurzer Fahrt anschließend von innen in
Brand zu setzen und dann wieder zu verschließen.
Dafür, dass das Fahrzeug etwa zur Begehung einer Straftat von einem Unbekannten
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benutzt worden ist oder dass ein Racheakt vorliegt, ergeben sich keine Hinweise. Ein
irgendwie gearteter Gebrauchsvorteil für einen unbekannten Dieb ist, insbesondere wenn
man den kurzen Zeitraum bis zum Auffinden des brennenden Wagens und die Entfernung
betrachtet, nicht erkennbar.
Es ist auch auszuschließen, dass der Wagen mit den möglicherweise noch im Umlauf
befindlichen zwei weiteren Originalschlüsseln von einer unbekannten Person angezündet
worden ist. Aus dem von der Beklagten eingeholten Gutachten des TÜV in München ergibt
sich, dass nach den Werksangaben zu Fahrzeugen der Baureihe E 230 ab Serienbeginn
12/94 bis April 1996 zwei Infrarotschlüssel sowie ein Reserveschlüssel mit Infrarotcard
werkseitig ausgeliefert worden sind. Die vorgelegten Schlüssel haben nach dem Gutachten
der Beschreibung und den Werksangaben entsprochen. Es fehle der mit der Ziffer "2"
versehene Infrarotschlüssel und die mit der Ziffer "3" gekennzeichnete Infrarot-Card mit
dem dazugehörigen Reserveschlüssel. Stattdessen seien der mit einem Körnerpunkt
versehene Infrarotschlüssel-Nr. 4 und der Reserveschlüssel mit Scheckkarte (Nr.5) als
Ersatzschlüssel vorhanden, die laut Schreiben der Daimler-Chrysler AG am 19.02.1997 an
den Vertragshändler in Bergheim ausgeliefert seien.
Es kann nach Lage der Dinge ausgeschlossen werden, dass ein unbekannter Besitzer der
Schlüssel "2" und "3" den Wagen entwendet und anschließend in Brand gesetzt hat. Er
hätte den genauen Abstellort des Fahrzeugs, der sich nicht am Wohnort des Klägers in K.
befindet, an dem Schadentag kennen oder den Wagen verfolgen müssen. Hinzukommt der
lange Zeitabstand seit dem Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger. Der Wagen ist im
Dezember 1996 als gebrauchtes Fahrzeug aus Frankreich nach Deutschland eingeführt
worden und im Juni 1997 vom Kläger zugelassen worden.
Die vom TÜV angedeutete theoretische Möglichkeit, dass ein Unbekannter das
Infrarotsignal beim Abschließen des Wagens mit einem Scanner bzw. einer lernbaren
Fernbedienung aufgezeichnet hat, ist ebenfalls auszuschließen. Diese Methode
funktioniert nur, wenn der Betreffende beim Schließvorgang in unmittelbarer Nähe des
Fahrzeugs steht. Wenn sich ein Dieb diese Mühe gemacht hätte, so wäre nicht zu erklären,
warum er den Wagen unmittelbar danach in Brand gesetzt habe sollte. Es wäre nicht
nachvollziehbar, dass ein Täter, der sich mit derartigem Aufwand Zugang zu dem
Kraftwagen verschafft, diesen nicht verwertet, sondern anzündet.
Die Frage, ob das äußere Bild einer Entwendung nachgewiesen ist, konnte dahinstehen.
Weil auf Grund der objektiven Umstände anzunehmen ist, dass der Brand mit Wissen und
Wollen des Klägers gelegt worden ist, kam auch eine Anhörung des Klägers nicht in
Betracht. Ob sich der Kläger in einer besonderen wirtschaftlichen Notlage befunden hat,
war im Hinblick auf die Gesamtumstände nicht von Bedeutung.
Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Wert der
Beschwer ist nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.
Streitwert für das Berufungsverfahren (Berufung und Anschlussberufung)
und Wert der Beschwer des Klägers: 49.650,00 DM