Urteil des OLG Köln vom 15.02.2002
OLG Köln: beratungsstelle, abtreibung, gespräch, rechtsschutz, rechtsgrundlage, behandlung, zwischenverfügung, anhörung, druck, beeinflussung
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 14 UF 30/02
15.02.2002
Oberlandesgericht Köln
14. Zivilsenat
Beschluss
14 UF 30/02
Amtsgericht Bergisch Gladbach, 28 F 62/02
Die Beschwerde der Frau M. gegen die Untätigkeit des Amtsgerichts -
Familiengericht - Bergisch Gladbach auf ihren Antrag vom 14./15.2.2002
betreffend das ungeborene Kind der Eheleute S. wird auf ihre Kosten als
unzulässig verworfen. Der weitergehende Antrag auf unmittelbares
Eingreifen des Senats als Beschwerdegericht wird zurückgewiesen.
G R Ü N D E
I.
Die Beschwerde richtet sich gegen eine "Entscheidung" des Amtsgerichts Bergisch
Gladbach vom 15.2.2002 über den Antrag, den Eheleuten S. die Durchführung einer
Abtreibung ihres ungeborenen Kindes bis vorläufig 1.3.2002 zu untersagen und
sicherzustellen, dass Frau F. S. in persönlichem Gespräch und ohne Beeinflussung des
Herrn G. S. das Beratungsgespräch mit der Beschwerdeführerin abschließen oder
fortsetzen kann.
Dazu wird vorgetragen, dass Frau F. S. am 29.1.2002 mit der Bitte um Beratungshilfe bei
der Schwangerenberatung Sch. e.V. (i.G.) erschienen sei. Sie sei mit dem 2. Kind in der
3.Woche schwanger und wolle das Kind behalten, ihr Ehemann, demnächst Referendar im
Fach Biologie, verlange jedoch die Abtreibung, da sie bereits ein Kind hätten. Der später
ebenfalls in der Beratungsstelle erschienene Ehemann habe sich lautstark in den
Beratungsraum gedrängt und seine Frau gezwungen, die Beratungsstelle zu verlassen.
Alle Versuche der Beratungsstelle, wieder Kontakt mit Frau F. S. aufzunehmen, seien
gescheitert, da die Telefongespräche jeweils von Herrn S. entgegengenommen worden
seien, der ein Gespräch mit seiner Frau nicht zugelassen habe. Trotz eines mit Hilfe des
Gerichtsvollziehers zugestellten Schreibens vom 30.1.2002 sei Frau S. dann bis zum
14./15. 2. 2002 nicht mehr bei der Beratungsstelle erschienen, so dass befürchtet werden
müsse, sie werde von ihrem Mann unter Druck gesetzt, die Abtreibung doch vornehmen zu
lassen. Am 13.2.2002 habe ferner eine unbekannte Person - vielleicht von P.F. - bei der
Beratungsstelle angerufen und habe in scharfem Ton gerügt, dass die Beratungsstelle Sch.
keine Beratungsbescheinigungen ausstelle. Daraus sei zu schließen, dass am 13.2.2002
ein Beratungsgespräch bei einer anderen Beratungsstelle geführt worden sei, dass mit der
Ausstellung einer Beratungsbescheinigung geendet habe. Am 16.2. (Samstag) oder
spätestens 18.2. 2002 sei mit der Durchführung der Abtreibung zu rechnen.
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Gemäß § 1666 BGB habe das Familiengericht sofort von amtswegen einzuschreiten, da
davon auszugehen sei, dass Frau F. S. von ihrem Mann zur Abtreibung gedrängt werde.
Das sei eine mißbräuchliche Ausnutzung der elterlichen Sorge durch den Ehemann.
Ein solches sofortiges Tätigwerden habe das Amtsgericht Bergisch Gladbach am
15.2.2002 abgelehnt, da die Sache weiterer Prüfung bedürfe.
In der Untätigkeit des Amtsgerichts sei eine Zwischenverfügung im Sinne des
§ 19 FGG zu sehen, die mit der Beschwerde angefochten werden könne. Bei dieser
Sachlage sei der Senat zu einer unverzüglichen eigenen Entscheidung verpflichtet, die bis
15.30 Uhr (Beschwerdeeingang gegen 13.15 Uhr) am 15.2.2002 ergehen müsse. Soweit
sich die Rechtsgrundlage dafür nicht aus § 1666 BGB ergebe, sei sie in Art. 1, 2 GG zu
finden.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig, da eine Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts noch
nicht vorliegt, eine solche Entscheidung setzt § 19 FGG aber voraus. Da dieses
Zulässigkeitsmerkmal schon fehlt, kann dahinstehen, ob eine Beschwerdeberechtigung der
Antragstellerin (§ 20 I FGG) gegeben ist.
Im bloßen Nichterlass einer Entscheidung am Tage des Antragseingangs oder am Tag
danach kann eine stillschweigende ablehnende Entscheidung nicht gesehen werden, denn
das Gericht hat ausweislich des vorgelegten Vermerks eine weitere Prüfung des Antrags
für erforderlich gehalten. Jedenfalls wenn - wie im Streitfall - die Rechtslage unklar und
zweifelhaft ist, kann dem Gericht die Möglichkeit der Überprüfung in angemessener Zeit
nicht abgeschnitten werden. Das gilt auch dann, wenn Eilbedürftigkeit einer Entscheidung
vorgetragen wird, denn mit der Entscheidung wird in Rechte Dritter eingegriffen. Zwar kann
im Einstweiligen Rechtsschutz von der Anhörung des Gegners abgesehen werden, wenn
andernfalls der Zweck des Verfahrens gefährdet würde, das ändert aber nichts daran, dass
das Gericht Gelegenheit haben muss, die Sach- und Rechtslage vor seiner Entscheidung
zu überprüfen.
Es kann dahinstehen, ob auch im FGG-Verfahren eine Untätigkeitsbeschwerde möglich ist
(dazu Keidel/Kuntze/Kahl, FGG, 14. Aufl. (1999) § 19 Rn. 8 m.w.N.), denn eine solche setzt
jedenfalls voraus, dass ein Gericht die Behandlung einer Angelegenheit nachhaltig
ablehnt, davon kann bei der ausdrücklichen Erklärung, vor der Entscheidung müsse die
Sach- und Rechtslage geprüft werden, keine Rede sein.
Der Senat kann auch nicht selbst an Stelle des Amtsgerichts entscheiden. Er ist ein
Beschwerdegericht, dessen Tätigkeit voraussetzt, das eine Entscheidung angegriffen wird.
Eine ganz andere Frage ist, ob und wann der Senat die Entscheidung von
Angelegenheiten, die in Zusammenhang mit einer angefochtenen Entscheidung stehen ,
an sich ziehen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a I FGG.
Beschwerdewert: 3000,- EUR (Regelwert nach §§ 131 II, 30 II KostO)