Urteil des OLG Köln vom 21.10.1993

OLG Köln (eintritt des versicherungsfalles, kläger, zpo, juristische person, kaufpreis, fahrzeug, partei, klageschrift, bild, ergebnis)

Oberlandesgericht Köln, 5 U 26/93
Datum:
21.10.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 26/93
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 O 192/92
Schlagworte:
Versicherung Kaskoversicherung Diebstahl Nachweis Parteianhörung
Beweis Beweiswürdigung Parteivernehmung von amts wegen
Voraussetzung
Normen:
ZPO § 286; ZPO § 141; ZPO § 448; AKB § 12
Leitsätze:
Die Anhörung oder Vernehmung des Versicherungsnehmers als Partei
zum Nachweis eines behaupteten KFZ-Diebstahls setzt die absolute
persönliche Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers voraus. Daran
fehlt es schon dann, wenn er zu anderen Sachverhaltskomplexen
widersprüchlich vorgetragen hat.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 6. Januar 1993 verkündete
Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 192/92 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache selbst keinen
Erfolg.
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Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Allerdings
bestehen erhebliche Beden-ken, ob der Begründung des Landgerichts gefolgt
werden kann. Wie in der mündlichen Verhandlung im einzelnen erörtert worden ist,
kann die Frage nach dem Kaufpreis im Schadensanzeigeformular, die innerhalb der
Angaben zum "versicherten Fahrzeug" steht, durchaus so verstanden werden, daß
neben dem Preis für das Fahrzeug selbst auch der Preis für die ausdrücklich
zusätzlich mitversicherte Stereoanlage anzugeben war. Für diesen Fall hätte der
Kläger aber den "Kaufpreis" für das versicher-te Fahrzeug nicht um 3.000,00 DM zu
hoch angege-ben, wie es ihm vom Landgericht vorgeworfen wird.
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Die Klageabweisung durch das Landgericht erweist sich, was ebenfalls in der
mündlichen Verhandlung erörtert wurde, auch nicht schon deshalb als zutreffend,
weil der Kläger zunächst die falsche Beklagte verklagt gehabt hätte und im Zeitpunkt
des Wechsels der beklagten Partei die seinerzeit mit Ablehnungsschreiben vom 7.
April 1992 in Gang gesetzte Ausschlußfrist des § 12 Abs. 3 VVG abgelaufen war. Die
mit der Berufungsbegründung seitens des Klägers vorgenommene Berichtigung des
Passivrubrums ist nach Auffassung des Senats auch tatsächlich der Sache nach eine
Rubrumsberichti-gung und kein Parteiwechsel. Verklagt worden ist bei zutreffender
Auslegung des Rubrums der Klage-schrift der G.; die R. G. ##blob##amp; Co GmbH
war ersicht-lich nur als Bevollmächtigte des G. in das Rubrum aufgenommen worden.
Welche juristische Person aus dem Versicherungsvertrag in Anspruch genommen
wer-den sollte, ergab sich für alle Beteiligten klar und zweifelsfrei aus den
vorprozessualen Schreiben des G., in denen die GmbH mehrfach auf ihre bloße
Rolle als Bevollmächtigte der zum G. gehörenden Allgemeinen Versicherungs-AG
hingewiesen hat (vgl. die Schreiben vom 7. April 1992, 3. Februar 1992, 22. Januar
1992 und 13. November 1991). Die Worte G. in der Klageschrift müssen daher,
insbesondere aus der Sicht der R. G. ##blob##amp; Co GmbH, als "G. Allge-meine
Versicherungs-AG" gelesen werden. Anders ist das Rubrum auch auf Beklagtenseite
offenbar nie verstanden worden, da ansonsten mit Sicherheit auf die Wahl der
falschen Beklagten hingewiesen worden wäre. Entscheidend für die Bestimmung,
wer Partei ist, ist aber auch der objektive Standpunkt des Beklagten (vgl. Thomas-
Putzo, ZPO, 17. Aufl., Vorbemerkungen zu § 50 Anm. III 1). Es konnte aber gerade
auf Seiten der R. G. ##blob##amp; Co GmbH, der die Klageschrift zugestellt worden
ist, aufgrund der eigenen Korrespondenz überhaupt kein Zweifel bestehen, daß nicht
sie Beklagte war, sondern die "G. Allgemeine Versicherungs-AG", und daß ihr die
Klageschrift lediglich als der schon vorprozessual tätig gewesenen Bevollmächtigten
der "G. Allgemei-ne Versicherungs-AG" zugestellt worden ist, recht-lich also damit
der Allgemeinen Versicherungs-AG. Mit der Berichtigung des Passivrubrums wurde
demgemäß nur die verkürzte Parteibezeichnung G. nunmehr in voller Länge
ausgeschrieben und die ge-setzlichen Vertreter anstelle der rechtsgeschäft-lichen
Bevollmächtigten aufgeführt. Darin liegt kein Parteiwechsel.
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Soweit die Beklagte der "Rubrumsberichtigung" widersprochen hat, ist dies
unbeachtlich, da rechtsmißbräuchlich; sie erleidet durch den Weg-fall einer
Tatsacheninstanz im vorliegenden Fall keinerlei Nachteile (vgl. Thomas-Putzo,
a.a.O., Anm. IV 4 b).
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Da somit von vornherein die Allgemeine Versiche-rungs-AG verklagt war, ist auch die
Ausschlußfrist des § 12 Abs. 3 VVG gewahrt worden.
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Die Klageabweisung durch das Landgericht ist aber letztlich deshalb im Ergebnis
zutreffend, weil der Kläger den Eintritt des Versicherungsfalles nicht bewiesen hat.
Allerdings kommen einem Versiche-rungsnehmer in Fällen der vorliegenden Art
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grund-sätzlich Beweiserleichterungen zu, da er in aller Regel keine Zeugen oder
sonstigen Beweismittel für die Entwendung des Fahrzeugs beibringen kann und der
Wert der Diebstahlversicherung in den häufigen Fällen fehlender Tataufklärung von
vornherein in Frage gestellt wäre. Es genügt daher in aller Regel, wenn der
Versicherungsnehmer einen Sachver-halt nachweist, der nach der Lebenserfahrung
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluß auf die in den
Versicherungsbedingungen genannte Ent-wendung zuläßt. Im Normalfall genügt
insoweit die Feststellung von Beweisanzeichen, denen hinrei-chend deutlich das
äußere Bild eines bedingungsge-mäß versicherten Diebstahls entnommen werden
kann (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, der sich der Senat angeschlossen
hat; vgl. BGH VersR 1984, 29 ff.; 1993, 571 f. = r+s 1993, 169 ff.; vgl. ferner
Prölss/Martin, VVG, 25. Aufl., Anm. 3 b zu § 12 AKB m.w.N.). Für den Nachweis eines
äußeren Bildes im vorgenannten Sinne muß zumindest feststehen, daß das
Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und später an
diesem Ort nicht mehr aufgefunden wurde. Unmittelbare Zeugen hierfür hat der
Kläger nicht benannt. Der Umstand, daß er verschiedenen Personen berichtet hat,
sein Fahrzeug sei entwen-det worden, reicht allein nicht aus; auch und ins-
besondere derjenige, der eine Fahrzeugentwendung nur vortäuscht, wird bemüht
sein, Dritten gegen-über eine glaubhaft klingende Schilderung von der angeblichen
Fahrzeugentwendung abzugeben.
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Auch eine Vernehmung des Klägers als Partei von Amts wegen gemäß § 448 ZPO
kommt als Beweismittel vorliegend nicht in Betracht. Dazu bedürfte es eines sog.
"Anfangsbeweises", d.h. einer schon bestehenden gewissen Wahrscheinlichkeit für
die Richtigkeit der Behauptungen des Klägers, die durch die Parteivernehmung
lediglich zum vollen Beweis verstärkt werden soll (vgl. BGH r+s 1992, 221 f.). Daran
fehlt es indes im vorliegenden Fall.
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Das Mindestmaß an Tatsachen, aus denen sich das äußere Bild einer
bedingungsgemäß versicherten Fahrzeugentwendung erschließen läßt, kann in sol-
chen Fällen auch noch dadurch bewiesen werden, daß das Gericht allein den
Angaben des Klägers, gege-benenfalls nach seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO,
Glauben schenkt und sich im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO
die Überzeugung von einer tatsächlichen Fahrzeugentwendung verschafft (vgl. BGH
und Prölss/Martin, jeweils am zuletzt angegebenen Ort). Dem näherzutreten, hat der
Senat auch im Streitfall zunächst erwogen, sich dann jedoch nach eingehender
Abwägung aller Umstände nicht in der Lage gesehen, diese Art der Beweis-führung
im vorliegenden Fall als ausreichend an-zusehen. Voraussetzung dafür, daß allein
aufgrund der Angaben des Versicherungsnehmers das äußere Bild einer
Fahrzeugentwendung als nachgewiesen er-achtet werden kann, ist die absolute
Glaubwürdig-keit und Zuverlässigkeit des Versicherungsnehmers (vgl. Senat in r+s
1992, 114). Insoweit sind hier jedoch ernstzunehmende Zweifel angebracht. Der
Kläger hat sich gegenüber dem - objektiv mögli-cherweise nicht begründeten -
Vorwurf der Verlet-zung der Aufklärungsobliegenheit wegen falscher Angaben zum
Kaufpreis des Fahrzeugs seitens der Beklagten in einem Maße widersprüchlich
eingelas-sen, daß seinem Prozeßvortrag ingesamt nicht un-eingeschränkt geglaubt
werden kann. So hat er sich zunächst mit dem Argument verteidigt, ihm sei es darauf
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angekommen, Schadensersatz in Höhe des bei ihm eingetretenen Schadens zu
erlangen (Seite 3 der Klageschrift). Als ihm daraufhin von der Be-klagten vorgehalten
wurde, daß im Schadenanzeige-formular durch zweierlei Fragestellungen zwischen
Kaufpreis und Schadenshöhe unterschieden worden sei und er auch jeweils
unterschiedliche Beträge dazu eingesetzt habe (Seite 3/4 der Klageerwide-rung), hat
er sich dahin eingelassen, ihm sei erst aufgrund der nochmals im Schreiben der
Beklagten vom 3. Februar 1992 ausdrücklich gestellten Frage nach dem Kaufpreis
des Fahrzeugs die Bedeutung der Frage bewußt geworden, und er habe deshalb
einen Bekannten, den Zeugen H., hinzugezogen, wogegen er bedauerlicherweise
beim Ausfüllen der Schadensan-zeige keine Hilfe in Anspruch genommen habe
(Seite 2 des Schriftsatzes vom 20. November 1992 und Sei-te 2 des Schriftsatzes
vom 15. Dezember 1992). In der Berufungsbegründung wird dann aber genau das
Gegenteil vorgetragen, nämlich daß der Kläger sich mit dem ihm von der Beklagten
übersandten Scha-densanzeigeformular an den Zeugen H. gewandt habe, mit dem er
gemeinsam das Formular dann durchge-gangen sei; der Zeuge H. habe dann,
nachdem man die Angabe zum Kaufpreis diskutiert gehabt habe, gemeint, der Kläger
solle auch die neuerworbenen Teile der Stereoanlage angeben; nach Rücksprache
mit dem Zeugen H. habe der Kläger dann einen Gesamtkaufpreis von 20.000,00 DM
eingetragen (Sei-te 5/6 der Berufungsbegründung). Nach diesem neuen Vorbringen
war die Kaufpreisangabe also auf ein Gespräch mit dem Zeugen H. und auf dessen
Beratung zurückzuführen; im ersten Rechtszug dagegen auf den Umstand, daß der
Kläger sich beim Ausfüllen der Schadensanzeige gerade keiner fremden Hilfe
bedient hatte und hinsichtlich der Frage nach dem Kaufpreis einem Irrtum unterlegen
war. Dieser Widerspruch im Prozeßvortrag ist letztlich so gra-vierend, daß auch den
Angaben des Klägers zum Ent-wendungstatbestand selbst kein uneingeschränkter
Glauben geschenkt werden kann, zumal die Beklagte ihm das widersprüchliche
Vorbringen in der Beru-fungserwiderung bereits vorgehalten hat (Seite 8/9 der
Berufungserwiderung), ohne daß hierzu insoweit eine plausible Erklärung seitens
des Klägers gege-ben worden ist. Unter diesen Umständen kommt auch eine
Anhörung des Klägers gemäß § 141 ZPO zum Vor-gang der angeblichen
Fahrzeugentwendung nicht in Betracht.
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Da eine entschädigungspflichtige Fahrzeugentwen-dung mithin nicht nachgewiesen
ist, ist die Klage durch das Landgericht im Ergebnis zu Recht abge-wiesen worden.
Die Berufung war daher mit der Ko-stenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer für den Kläger:
23.200,00 DM.
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