Urteil des OLG Köln vom 01.06.1994
OLG Köln (bundesrepublik deutschland, verhältnis zwischen, zustellung, die post, israel, aviv, ausland, deutschland, antragsteller, beschwerde)
Oberlandesgericht Köln, 16 W 68/93
Datum:
01.06.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 W 68/93
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 3 O 509/93
Schlagworte:
Zwangsvollstreckung; Titel; Ausland; Vollstreckbarkeitserklärung;
Normen:
ZWANGSVOLLSTRECKUNG; TITEL; AUSLAND;
VOLLSTRECKBARKEITSERKLÄRUNG;
Leitsätze:
Im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel ist
Art. 10 des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher
und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und
Handelssachen vom 15.11.1965 nicht anwendbar. Die nach
israelischem Recht an sich zulässige Zustellung einer Klageschrift durch
eingeschriebenen Brief auch im Ausland führt daher, wenn der Beklagte
sich nicht auf das Verfahren einläßt, aus deutscher Sicht nicht zu einer
ordnungsgemäßen Verfahrenseinleitung. Ein in einem solchen
Verfahren ergangenes Urteil kann in der Bundesrepublik nicht nach dem
Vertrag mit Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung
gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom
13.08.1980 durch Erteilung einer Vollstreckungsklausel für vollstreckbar
erklärt werden.
Tenor:
Der Beschluß des Landgerichts Köln vom 03.11.1993 - 3 O 509/93 - und
die am 23.11.1993 erteilte Vollstreckungsklausel zu dem
Versäumnisurteil des Amtsgerichts Tel Aviv-Jaffa vom 13.05.1992 -
6437/92 - werden aufgehoben. Der Antrag der Antragsteller auf Voll-
streckbarkeitserklärung hinsichtlich des Versäumnisurteils des
Amtsgerichts Tel Aviv-Jaffa vom 13.05.1992 - 6437/92 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der
notwendigen Auslagen der Antragsgeg- nerin tragen die Antragsteller.
G r ü n d e :
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Die Antragsteller verklagten im Jahre 1992 unter anderem die Antragsgegner vor dem
Amtsgericht Tel Aviv-Jaffa zur Zahlung von NIS 40.657 nebst Zinsen. Der das Verfahren
einleitende Schriftsatz, nämlich die Klageschrift nebst Aufforderung zur Vorlage einer
Verteidigungsschrift innerhalb von 60 Tagen sandte der Verfahrensbevollmächtigte der
Antrag- steller mit Erlaubnis des Amtsgerichts Tel Aviv- Jaffa durch Einschreiben mit
Empfangsbestätigung an die Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin verteidig- te sich
gegen die Klage nicht. Daraufhin erging das im Tenor näher bezeichnete
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Versäumnisurteil, wel- ches der Antragsgegnerin auf dem gleichen Weg po- stalisch
zugeleitet wurde.
Das Landgericht Köln hat antragsgemäß die Ertei- lung der Vollstreckungsklausel zum
bezeichneten Versäumnisurteil mit Beschluß vom 03.11.1993 ange- ordnet. Die
Vollstreckungsklausel wurde sodann am 23.11.1993 durch den Urkundsbeamten der
Geschäfts- stelle erteilt.
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Gegen diesen Beschluß und die erteilte Vollstrek- kungsklausel richtet sich die am
09.12.1993 beim Landgericht Köln eingegangene Beschwerde die damit begründet
wird, daß der Antragsgegnerin weder eine Klageschrift noch andere gerichtliche
Verfügungen aus dem Verfahren vor dem Amtsgericht Tel Aviv-Jaf- fa zugestellt worden
seien.
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Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere innerhalb der einmonatigen Rechtsmittelfrist
des § 11 des Ge- setzes zur Ausführung des Vertrages vom 20.07.1977 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung
und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidung in Zivil- und Handelssachen eingelegt.
Daß die Beschwerde- schrift beim Landgericht einging, hindert nach § 12 des oben
bezeichneten Gesetzes die Zulässigkeit nicht.
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Die Beschwerde ist auch begründet. Das Versäum- nisurteil des Amtsgerichts Tel Aviv-
Jaffa vom 13.05.1992 kann gemäß Art. 16 und Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 a und b des Vertrages
zwischen der Bundes- republik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige
Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidung in Zivil- und Handels-
sachen vom 13.08.1980 (BGBl II, 925 ff) nicht mit der Vollstreckungsklausel versehen
werden, weil der Antragsgegnerin, die sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das
dieses Verfahren einleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist.
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Die Frage nach der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung ist, wie die Antragsteller
zutreffend haben ausfüh- ren lassen, gemäß Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 a des oben bezeichneten
Vertrages vom 13.08.1980 ausschließ- lich nach dem Recht des Staates zu beurteilen,
in dem die Entscheidung ergangen ist, deren Vollstrek- kung im Inland erstrebt wird. Das
bedeutet indes nicht, daß im gegebenen Fall nur das innerstaatli- che israelische
Zivilprozeßrecht zu berücksichtigen wäre. Vielmehr finden hierbei auch die
Bestimmungen von internationalen Verträgen, die zwischen den be- teiligten Staaten
bestehen, Anwendung. Dies ist in Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 b des Vertrags vom 20.08.1988
ausdrücklich normiert, ergibt sich im übrigen aber auch aus dem Rechtsgrundsatz, daß
zu dem Recht ei- nes jeden Staates auch das internationale Recht der von ihm in Kraft
gesetzten Staatsverträge gehört.
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Nach Art. 2 ff des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und
außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handels- sachen vom
15.11.1965 (BGBl 77 II S. 1452), das in Deutschland am 26.06.1979 und in Israel am
13.10.1972 in Kraft getreten ist, wird in Zivilsa- chen die Zustellung gerichtlicher
Schriftstücke, die von einem der beiden Staaten ausgehen, in der Weise bewirkt, daß
die nach dem Recht des Ursprungsstaates zuständige Behörde - in Israel The Director
of Courts, Directorate of Courts - einen Antrag an die zentrale Behörde des ersuchten
Staa- tes - in der Bundesrepublik die jeweiligen Justiz- ministerien der Länder - richtet
und diese sodann die Zustellung in der Form, die dem Recht des er- suchten Landes
entspricht oder in einer besonderen von der ersuchenden Stelle gewünschten Form,
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soweit diese mit dem Recht des ersuchten Staates vereinbar ist, bewirkt bzw. veranlaßt.
Gemäß § 6 des Haager Übereinkommens stellt die zentrale Behörde des
Ursprungsstaates sodann ein Zustellungszeugnis aus. Die hier vorgenommene
postalische Übersendung der verfahrenseinleitenden Schriftstücke und im übrigen auch
des Versäumnisurteils durch Einschreiben mit Rückschein genügt diesen
Anforderungen nicht.
Die Zustellung durch Einschreibesendung war auch nicht durch Art. 10 des Haager
Übereinkommens gedeckt. Nach dieser Vorschrift wird durch das Übereinkommen,
soweit der Bestimmungsstaat keinen Widerspruch erklärt, nicht ausgeschlossen, daß
gerichtliche Schriftstücke im Ausland befindlichen Personen unmittelbar durch die Post
übersandt werden dürfen. Im Verhältnis zwischen der Bun- desrepublik und Israel findet
Art. 10 des Haager Übereinkommens allerdings keine Anwendung, weil die
Bundesrepublik Deutschland durch ausdrückliche Er- klärungen vom 27.04.1979 bei
Hinterlegung der Rati- fikationsurkunde der Benutzung der in Art. 8 und 10 des
Übereinkommens vorgesehenen Übermittlungswege ausdrücklich widersprochen hat
(BGBl 79 II S. 779).
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Schließlich wird die ordnungsgemäße Zustellung auch nicht durch den Zugang der
Schriftstücke gemäß § 187 ZPO ersetzt. Diese Vorschrift ist nämlich auf Fälle der in
Rede stehenden Art des internationalen Rechtsverkehrs nicht anwendbar. Eine Heilung
von Zustellungsmängeln durch tatsächlichen Zugang kommt im internationalen
Rechtsverkehr nicht in Betracht, wenn dies, wie hier, in den entsprechenden Verträ- gen
nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Eine ver- klagte Partei, der von einem ausländischen
Gericht in unzulässiger Weise Klage und Ladung zugestellt worden sind, muß nach
einem Blick in die einschlä- gigen Vorschriften davon ausgehen und sich darauf
verlassen können, daß ein gegen sie ergehendes Urteil im Inland weder anerkannt noch
vollstreckt wird, wenn sie sich auf das Verfahren nicht einläßt (OLG Hamm, IPRspr 79,
657, 660); im übrigen ist mit der förmlichen Zustellung nach deutschem Recht auch eine
Warnung des Empfängers vor den Folgen eventu- ellen Untätigbleibens verbunden.
Eine solche Warn- funktion kommt einer Einschreibesendung nicht zu. Sofern ein
verfahrenseinleitendes Schriftstück un- ter Mitwirkung einer deutschen gerichtlichen
Stelle zugestellt wird, bildet dies auch aus der Sicht eines juristischen Laien ein
Anzeichen dafür, daß im weiteren Verlauf mit Maßnahmen im Inland, insbe- sondere
einer Zwangsvollstreckung, zu rechnen ist (OLG Köln IPRspr 80, 528, 530).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Streit- und Beschwerwert: 29.800,-- DM
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