Urteil des OLG Köln vom 05.03.1997

OLG Köln (mutter, wohl des kindes, persönliche anhörung, sachliche zuständigkeit, anhörung, pflegemutter, beschwerde, beweisaufnahme, eltern, pflegeeltern)

Oberlandesgericht Köln, 16 WX 40/97
Datum:
05.03.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 WX 40/97
Normen:
FGG § 15;
Leitsätze:
Beweisaufnahme durch den Berichterstatter der Zivilkammer als
beauftragten Richter
FGG § 15 Im Beschwerdeverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit kann
die Beweisaufnahme und die persönliche Anhörung der Beteiligten dem
Berichterstatter als beauftragten Richter übertragen werden, wenn der
unmittelbare persönliche Eindruck von den angehörten Personen für die
Entscheidung nicht von Bedeutung ist. Dies muß auch in der die
Beweisaufnahme bewertenden Entscheidung des Spruchkörpers zum
Ausdruck kommen.
Rechtskraft:
unanfechtbar
G r ü n d e
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Die gemäß §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG zulässige weitere Beschwerde
hat in der Sache keinen Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts jedenfalls im
Ergebnis nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).
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1. Das Landgericht hat zutreffend die sachliche Zuständigkeit des
Vormundschaftsgerichts angenommen, da die Regelung des Besuchsrechts für eine
ansonsten in vollem Umfang personensorgeberechtigte Mutter eine
vormundschaftsgerichtliche Maßnahme im Rahmen des § 1666 BGB darstellt und nicht
als Umgangsregelung im Sinne des § 1634 BGB zu behandeln ist. Die von der
Rechtsbeschwerdeführerin zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (in NJW 1984,
2824) betrifft das Umgangsrecht von Eltern, denen die Personensorge gemäß § 1666
BGB bereits entzogen war. Die Regelung des Umgangs dieser nichtsorgeberechtigten
Eltern mit ihrem Kind richtet sich nach § 1634 BGB und ist Familiensache (§ 23 b Abs. 1
Satz 2 Nr. 3 GVG). Hingegen handelt es sich bei Maßnahmen, die den Kontakt
personensorgeberechtigter Eltern mit ihren ehelichen Kindern einschränken, nicht um
die Regelung des Umgangsrechts im technischen Sinn (vgl. BGH a.a.O., S. 2825).
Diese Fälle sind nicht unter § 23 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GVG einzuordnen.
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2. Die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Waldbröl bedurfte keiner
Überprüfung, da sowohl dieses Amtsgericht als auch das von der
Rechtsbeschwerdeführerin für örtlich zuständig erachtete Amtsgericht Siegburg zum
Bezirk des Landgerichts Bonn gehören und das Beschwerdegericht daher in der Sache
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Bezirk des Landgerichts Bonn gehören und das Beschwerdegericht daher in der Sache
entscheiden durfte (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, 13. Aufl., § 7 FGG Rdz. 36 m.w.N.).
3. Die weitere Beschwerde rügt ohne Erfolg, daß die beteiligten Erwachsenen von der
Berichterstatterin als beauftragter Richterin und nicht von der vollbesetzten Kammer
angehört worden sind, daß die Kammer sich den persönlichen Eindruck der
Berichterstatterin zu eigen gemacht habe und aus dem Beschluß nicht ersichtlich sei,
daß die Anhörungen ausschließlich von der beauftragten Richterin durchgeführt worden
seien.
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Auch die Rechtsbeschwerde räumt ein, daß grundsätzlich im Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit das Beschwerdegericht die Anhörung der Beteiligten durch einen
beauftragten Richter durchführen lassen kann. Die Übertragung der Sachaufklärung auf
ein Mitglied des Spruchkörpers erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen. Allerdings darf
der Spruchkörper einen persönlichen Eindruck, den der beauftragte Richter bei der
Anhörung gewinnt, der Entscheidung nicht als eigenen zugrunde legen. Er kann
lediglich davon ausgehen, daß der beauftragte Richter wie ein Dritter diesen Eindruck
gehabt hat. Kommt es für die Entscheidung auf einen unmittelbaren persönlichen
Eindruck an, muß die Sachaufklärung insoweit vor dem gesamten Beschwerdegericht
wiederholt werden (vgl. zu allem: BGH NJW 1985, 1702, 1705).
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Hiernach ergibt sich aus der Anhörung der Kindeseltern, Pflegeeltern, des
Lebensgefährten der Mutter sowie des Kindes R. durch die Berichterstatterin kein
Verfahrensfehler. Aus den Anhörungen sind im wesentlichen die Angaben der
Beteiligten verwertet worden, aus denen die Kammer in zulässiger Weise ihre Schlüsse
gezogen hat. Auf den persönlichen Eindruck kam es nach der Art der Begründung des
angefochtenen Beschlusses nicht wesentlich an. Jedenfalls trägt die Begründung auch
ohne Verwertung des persönlichen Eindrucks die Entscheidung.
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Die Feststellung im angefochtenen Beschluß: ,Seine (d.h. des Kindes) Äußerungen sind
damit nach Auffassung der Kammer geprägt von der Angst des Verlustes der bisherigen
Lebenssituation", beruht nicht auf einem persönlichen Eindruck von R., sondern auf den
zuvor geschilderten objektiven Umständen (entspannte Familiensituation in der
Pflegefamilie, materielle Absicherung, emotionale Wärme) in Verbindung mit den
Angaben des Kindes, die in dem Vermerk der Berichterstatterin über die Anhörung vom
12.12.1996 wiedergegeben sind. Die Kammer hat sich damit nicht einen persönlichen
Eindruck der Berichterstatterin zu eigen und zur Grundlage der Entscheidung gemacht.
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Die Rechtsbeschwerde beanstandet dagegen zu Recht, daß die Kammer nicht das
Verhalten des Kindesvaters im Anhörungstermin vor der Berichterstatterin
berücksichtigen durfte, da es sich hiervon - auch mangels entsprechender Angaben im
Anhörungsprotokoll - keinen persönlichen Eindruck verschafft hatte. Auf diesem Fehler
beruht jedoch die angefochtene Entscheidung nicht. Die von der Kammer geäußerte
Vermutung, daß der Kindesvater R. darin bestärke, seine Mutter nicht zu sehen und
nicht zu ihr zurückzuwollen, läßt sich allein mit den in der Sitzungsniederschrift
protokollierten Äußerungen des Kindesvaters begründen, ohne daß es eines Eingehens
auf sein Verhalten - das die Kammer nicht näher umschrieben und damit offensichtlich
selbst nicht als für die Entscheidung erheblich angesehen hat - bedurfte.
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Da die Anhörungen im übrigen nur in ihrem objektiven Ertrag und als persönlicher
Eindruck der Berichterstatterin verwertet worden sind, bestehen gegen die
Vorgehensweise des Landgerichts keine durchgreifenden Bedenken.
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4. Das Landgericht hat auch weder durch die Art und Weise der Durchführung der
Anhörungen noch im übrigen seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 12 FGG) verletzt.
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Für die Entscheidung über eine Einschränkung des Umgangsrechts der Kindesmutter
war ohne Bedeutung, ob sie drei weitere Kinder hat, die in Fremdpflege ohne Konkakt
zu ihr leben. Dieser Umstand kann als richtig unterstellt werden, besagt aber nichts
darüber, ob Besuchskontakte zu R. dessen Wohl im Sinne von § 1666 Abs. 1 BGB
gefährden. Gleiches gilt für den von Frau S. unter dem 16.12.1996 geschilderten Ablauf
der Besuchskontakte im November/Dezember 1996 zwischen der Kindesmutter und
ihrer Tochter C. (Bl. 209 ff d.A.). Die hierbei aufgetretenen Probleme und Ängste C.s
können ebenfalls als richtig unterstellt werden. Auch sie rechtfertigen jedoch nicht den
Schluß, daß Besuchskontakte zwischen der Kindesmutter und R. dessen Wohl
schaden.
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Maßgeblich für die Frage, ob ein Umgangsverbot wegen Gefährdung des Kindeswohls
anzuordnen ist, waren vielmehr die Angaben des Kindesvaters und der Pflegeeltern R.s
im Verlaufe des Jahres 1996: in einem am 30.01.1996 bei Gericht eingegangenen
Schreiben erklärt der Kindesvater, beide Kinder hätten ihm gegenüber geäußert, daß sie
Besuch auch von der Mutter haben wollten, aber in ihrer Pflegefamilie bleiben möchten.
Im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht am 27.06.1996 haben sich auch die
Pflegemütter von R. und C. für Besuchskontakte mit der Kindesmutter mit Unterstützung
der Familienhelferin L. zum Zwecke des Aufbaus neuer Beziehungen der Kinder zu
ihrer Mutter ausgesprochen. Anfang August 1996 haben die Beteiligten mit Hilfe des
Jugendamtes die Ausgestaltung der Kontaktanbahnung vereinbart. Bei der weiteren
gerichtlichen Anhörung am 16.08.1996 - zu diesem Zeitpunkt hatten bereits zwei Treffen
der Mutter mit ihren Kindern in Begleitung der Pflegemütter stattgefunden - bestand
ebenfalls Einigkeit über eine vorsichtige Zurückführung der Kinder zur Mutter. Nach dem
Bericht des Jugendamts vom 11.09.1996 (Bl. 72 d.A.) wurden die ersten vier
Begegnungen zwischen Kindesmutter und ihren Kindern von allen Beteiligten als
positiv erlebt. Dem steht nicht entgegen, daß den Kindern eine Fortdauer des Kontaktes
zu ihren Pflegemüttern auch während der Begegnungen mit der Mutter wichtig war.
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Die vom Jugendamt unter dem 13.09.1996 (Bl. 78 d.A.) geschilderte Äußerung der
Pflegemutter, R. werde keinen Besuch bei oder mit der Kindesmutter durchführen, der
nicht von ihr begleitet werde, es sei denn, ein Gutachter komme zu dem Ergebnis, daß
die Besuche dem Wohle des Kindes dienten, oder daß ein richterlicher Beschluß sie
dazu zwinge, läßt nicht erkennen, daß das Kindeswohl durch Besuchskontakte R.s mit
seiner Mutter gefährdet ist. Der im Anschluß daran gestellte Antrag vom 30.09.1996 auf
Erlaß einer Verbleibensanordnung gemäß § 1632 Abs. 4 BGB enthält Angaben über
Probleme des Kindes nach den Besuchskontakten (konnte oft nicht einschlafen, wurde
nachts immer wieder wach, weinte und rief nach der Pflegemutter, begann wieder
nachts einzunässen, aß schlecht, klagte über Bauchschmerzen), die von den
Pflegeeltern bei der Anhörung vor der Berichterstatterin der Beschwerdekammer
bestätigt worden sind. Weitergehender Aufklärungsmaßnahmen bedurfte es nicht.
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5. Trotz der vorgenannten Probleme und der infolge des ,Überfalls" vom 19.10.1996
hinzugetretenen Verstörung R.s sieht der Senat derzeit keinen Anlaß, die vom
Amtsgericht getroffene vorläufige Besuchsregelung aufzuheben. Ein völliges
Umgangsverbot ist allein unter den Voraussetzungen des § 1666 BGB gerechtfertigt,
solange eine das elterliche Sorgerecht einschränkende Verbleibensanordnung nach §
15
1632 Abs. 4 BGB - die Vorschrift stellt gegenüber §§ 1666, 1666 a BGB
verfahrensrechtlich eine Sonderregelung dar - nicht ergangen ist.
Auch dem Vorbringen der Pflegemutter kann nicht entnommen werden, daß eine
Weiterführung der gerade erst begonnenen Besuchskontakte in dem vom Amtsgericht
festgesetzten Rahmen in Begleitung der Familienpflegerin L. und - soweit von R.
erwünscht - jedenfalls zunächst auch in Begleitung der Pflegemutter das seelische Wohl
des Kindes gefährdet. Eine solche Gefährdung dürfte sich nicht aus einer behutsamen
Wiederannäherung des Kindes an seine Mutter und umgekehrt ergeben, sondern
vielmehr darin begründet sein, daß R. Verlustängste in Bezug auf seine Pflegefamilie
erleidet und in der Annäherung an die Mutter von der Pflegefamilie keine hinreichende
Unterstützung erfährt. Darin ist jedoch keine mißbräuchliche Ausübung der elterlichen
Sorge oder sonstiges Versagen der Mutter zu sehen, die weitere Voraussetzung für ein
Eingreifen des Vormundschaftsgerichts gemäß § 1666 BGB wäre. Immerhin hatte R.
selbst im Januar 1996 gegenüber seinem Vater den Wunsch geäußert,
Besuchskontakte zu seiner Mutter zu haben. Ob solche Kontakte zu seelischen
Schädigungen des Kindes führen, wird das Amtsgericht zu beurteilen haben, wenn
kontinuierlich eine Mehrzahl von Besuchen stattgefunden hat.
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Die weitere Beschwerde war daher als unbegründet zurückzuweisen. Dies gilt auch
hinsichtlich der Kostenentscheidung des Landgerichts. Nach § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG
sind einem Beteiligten die Kosten aufzuerlegen, die er durch ein unbegründetes
Rechtsmittel veranlaßt hat.
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Für das Rechtsbeschwerdeverfahren war eine Kostenentscheidung entbehrlich, da die
anwaltlich vertretene Kindesmutter hier nicht beteiligt zu werden brauchte, weil sie durch
die Entscheidung des Senats nicht in ihren Rechten beeinträchtigt wird.
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Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren: 5.000,00 DM.
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