Urteil des OLG Köln vom 11.03.2009
OLG Köln: einstweilige verfügung, erfüllungsgehilfe, veröffentlichung, abgabe, ware, zoll, unternehmen, verbindlichkeit, obliegenheit, störer
Oberlandesgericht Köln, 6 U 222/08
Datum:
11.03.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 222/08
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 28 O 443/08
Normen:
BGB § 278; Wettbewerbsverfahrensrecht
Tenor:
1.) Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 26.11.2008
verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O
443/08 - wird zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragstellerin zu
tragen.
G R Ü N D E :
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I.
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Die Antragstellerin, die ihren Sitz auf den Kanarischen Inseln hat, vertreibt gewerblich
Kosmetikprodukte über F.. Die Antragsgegnerin erwarb bei der Antragstellerin ein
"Hermes un Jardin Sur le Nil Set Neu" zum Preis von 55,95 €. Sie bezahlte diesen Preis
sowie die Versandkosten. Als die Ware geliefert wurde, erhob der Zoll 19 % an
Einfuhrumsatzsteuer auf die gelieferte Ware. Daraufhin gab die Antragsgegnerin am
3.7.2008 folgende Bewertung bei F. ab:
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"Ware kommt NICHT aus Spanien, sondern von den Kanaren => Zoll kassiert
zusätzl. 19 %".
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Die Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin wegen dieser Bewertung durch ihren
jetzigen Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 9.7.2008 abmahnen. Die
Antragsgegnerin gab mit Schreiben vom 14.7.2008 eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung ab, die die Antragstellerin annahm.
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Mit e-mails vom 10.7., 17.7., 22.7., 23.7. und 7.8.2008 sowie mit anwaltlichem Schreiben
vom 14.7.2008 forderte die Antragsgegnerin F. auf, die fragliche Bewertung zu löschen.
Außerdem fügte sie am 19.7.2008 ihrer Bewertung folgenden Ergänzungskommentar
hinzu: "Ich nehme die Bewertung zurück". Am 10.8.2008 löschte F. die Bewertung.
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hinzu: "Ich nehme die Bewertung zurück". Am 10.8.2008 löschte F. die Bewertung.
Die Antragstellerin meint, die Antragsgegnerin habe gegen ihre vertraglich
übernommenen Pflichten verstoßen. Sie hat eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der
es der Antragsgegnerin untersagt worden ist, im Bewertungsforum von F. eine
Behauptung des Inhalts ihrer Bewertung vom 3.7.2008 aufzustellen oder aufstellen zu
lassen. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht diese
einstweilige Verfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag
zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin, mit der sie den
erneuten Erlass der einstweiligen Verfügung erstrebt. Die Antragsgegnerin verteidigt
das angefochtene Urteil.
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Im Übrigen wird von der Darstellung des Sachverhalts gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs.
1 S. 1, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
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II.
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Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat zwar einen
vertraglichen Unterlassungsanspruch, es fehlt aber an dem für den Erlass einer
einstweiligen Verfügung erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
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1. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein vertraglicher Anspruch auf
Unterlassung der fraglichen Äußerung zu. Der Unterlassungsvertrag ist nicht nichtig.
Dabei kann unterstellt werden, dass die ursprünglich abgegebene Bewertung der
Antragsgegnerin zutreffend war und die Antragstellerin die Antragsgegnerin daher zu
Unrecht abgemahnt und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung
verlangt hat. Allein der Umstand, dass die Antragstellerin einen möglicherweise nicht
bestehenden Anspruch geltend gemacht hat, kann aber entgegen der Auffassung der
Antragsgegnerin nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründen. Denn es ist zum
einen nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin das Nichtbestehen des Anspruchs
bewusst und dass deshalb ihr Verhalten vorwerfbar gewesen wäre. Zum anderen ist zu
berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin anwaltlich beraten war und sich bewusst und
frei von Zwang dafür entschieden hat, eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der
Antragstellerin über die Berechtigung der Bewertung zu vermeiden.
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Zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin sich
nicht nur – wie diese meint – verpflichtet hat, zukünftig entsprechende Bewertungen zu
unterlassen, sondern es auch übernommen hat, die Löschung der Bewertung zu
veranlassen. Denn Anlass für den Abschluss des von der Antragstellerin verlangten
Unterlassungsvertrages war die bei F. veröffentlichte Bewertung, deren sofortige
Beseitigung die Antragstellerin mit Schreiben vom 9.7.2008 verlangt hatte. Diesem
Beseitigungsverlangen hat die Antragsgegnerin nicht widersprochen, sondern erklärt,
sie wolle eine gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden und gebe daher "ohne
Anerkennung einer Rechtspflicht, aber dennoch rechtsverbindlich" eine
Unterlassungserklärung ab. Dass ein Rechtsstreit hätte vermieden werden können,
ohne dass die Antragsgegnerin jedenfalls alles für die Löschung der Bewertung
Erforderliche unternehmen würde, konnte die Antragsgegnerin nicht annehmen. Die
Antragstellerin durfte daher die Erklärung der Antragsgegnerin dahin verstehen, dass
diese ihrer Forderung nach Beseitigung der Bewertung nachkommen würde. Dieser
Auslegung entspricht das Verhalten der Antragsgegnerin nach Abgabe der
Unterlassungserklärung. Ihre Bemühungen, die Löschung der Bewertung zu erreichen,
zeigen, dass auch sie sich insoweit rechtlich verpflichtet gefühlt hat.
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2. Die Antragstellerin hat jedoch kein berechtigtes Interesse, um diesen Anspruch
gerichtlich geltend zu machen. Der vertragliche Unterlassungsanspruch besteht
unabhängig davon, ob die Antragsgegnerin gegen ihre Unterlassungsverpflichtung
verstoßen hat. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht aber nur dann, wenn die
Antragstellerin ein berechtigtes Interesse daran hat, einen Titel über diesen Anspruch zu
erlangen, wenn also zu besorgen ist, dass die die Antragstellerin ihren
Unterlassungsanspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen muss (vgl.
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26. Aufl., § 12 Rdn. 1. 135). Dies setzt voraus, dass der
Schuldner durch sein Verhalten Anlass für die Befürchtung gegeben hat, er werde die
von ihm übernommene Unterlassungsverpflichtung nicht erfüllen. Daran fehlt es.
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a) Die Antragsgegnerin hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht bereits
deshalb gegen die Beseitigungsverpflichtung verstoßen, weil die Bewertung auch nach
dem Abschluss des Unterlassungsvertrages noch bei F. einsehbar war. Denn die
Antragsgegnerin hat nicht eine Löschungsgarantie übernommen; vielmehr ergibt eine
verständige Auslegung des Vertrages lediglich, dass sich die Antragsgegnerin
verpflichtet hat, alles Erforderliche zu tun, um F. möglichst zeitnah zu einer Löschung
der Bewertung zu veranlassen.
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Den Parteien war bekannt, dass die Antragsgegnerin die Löschung nicht selbst
vornehmen konnte und dass F. Bewertungen nicht ohne weiteres löscht. Die
Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin selbst haben zur damaligen Zeit im
Rahmen des Internetauftritts ihrer Kanzlei darauf hingewiesen, dass F. sich weigere,
Kommentare zu löschen. Dass ein Schuldner eine Verpflichtung zu übernehmen bereit
ist, deren Erfüllung außerhalb seines Einflussbereichs liegt, ist jedoch ganz
ungewöhnlich. Es hätte daher besonderer Umstände bedurft, damit die Antragstellerin
hätte annehmen können, die Antragsgegnerin sei eine solche Verpflichtung
eingegangen. Zu solchen Umständen hat die Antragstellerin nichts vorgetragen.
Vielmehr zeigt die Korrespondenz nach Abgabe der Unterlassungserklärung, dass die
Antragsgegnerin eine solch weitgehende Verpflichtung nicht eingehen wollte. Denn die
Antragstellerin hat die Antragsgegnerin mehrfach aufgefordert, sie müsse sicherstellen,
dass die fragliche Bewertung bei F. bis zum 23.7.2008 gelöscht sei. Dies hat die
Antragsgegnerin stets abgelehnt und lediglich angeboten, dass sie von F. die Löschung
der Bewertung "verlangt".
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b) Die Antragsgegnerin hat die so verstandene Beseitigungsverpflichtung erfüllt, indem
sie mit fünf (elektronischen) Schreiben und einem Schreiben ihres Rechtsanwalts bei F.
um die Löschung der Bewertung nachgesucht, dabei auf die ihr drohenden
Konsequenzen hingewiesen und auch das anwaltliche Schreiben der Antragstellerin
vorgelegt hat.
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Soweit die Antragstellerin meint, die Aufforderungen hätten durch eingeschriebenen
Brief erfolgen müssen, ist dem nicht zu folgen. E-Mails sind eine heute übliche
Kommunikationsform, auch für wichtige Mitteilungen; dies gilt insbesondere gegenüber
Unternehmen, die vorwiegend über das Internet tätig sind. Die Antragstellerin hat nicht
glaubhaft gemacht, dass dies im konkreten Fall anders zu beurteilen wäre. Dass dem
nicht so ist, zeigt sich vielmehr darin, dass F. auch das Schreiben des Rechtsanwalts
der Antragsgegnerin vom 14.7.2008, das dieser in Papierform an F. gesandt hat,
(zunächst) ebenso unbeachtet gelassen hat wie die von der Antragsgegnerin
versandten e-mails. Dass ein Einschreiben mit Rückschein F. zu einer schnelleren
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Löschung veranlasst hätte, ist ebenfalls nicht erkennbar.
Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe
nach einer Entscheidung des Landgerichts Berlin (MMR 2000, 495) ihre an F. gerichtete
Bitte mit der Androhung verbinden müssen, bei F. Regress zu nehmen, wenn die
Bewertung nicht alsbald gelöscht würde. Die Antragsgegnerin kann nur darauf
verwiesen werden, die ihr rechtlich zustehenden Möglichkeiten ausnutzen. Eine
Obliegenheit der Antragsgegnerin, eine Inanspruchnahme von F. anzudrohen, setzt
daher voraus, dass der Antragsgegnerin ein entsprechender Anspruch gegen F.
zugestanden hätte. An einem solchen Anspruch fehlt es jedoch. Ein Regressanspruch
gegen F. könnte nur dann bestehen, wenn F. der Antragsgegnerin gegenüber zur
Löschung der Bewertung verpflichtet gewesen wäre. Für einen entsprechenden
gesetzlichen Anspruch der Antragsgegnerin ist jedoch nichts ersichtlich, denn sie hat
die fragliche Bewertung freiwillig veröffentlicht. Ein solcher Anspruch ergibt sich –
entgegen der Auffassung der Antragstellerin – insbesondere auch nicht daraus, dass F.
möglicherweise selbst Störer ist. Denn auch in diesem Fall stünden allein dem
Verletzten Rechte gegen F. zu, nicht aber demjenigen, der die fragliche Bewertung
verfasst hat. Für einen vertraglichen Anspruch der Antragsgegnerin gegen F. ist nichts
vorgetragen. Dies geht zu Lasten der insoweit darlegungsbelasteten Antragstellerin.
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Unerheblich ist es insoweit, dass F. die Bewertung gelöscht hat, nachdem die
Antragsgegnerin auf eine Veröffentlichung des Prozessbevollmächtigten der
Antragstellerin hingewiesen hat, in der dieser die Auffassung vertreten hat, F. mache
sich schadensersatzpflichtig, wenn es eine Bewertung nicht lösche. Denn dies kann
eine Obliegenheit der Antragsgegnerin, mit einem nicht bestehenden Regressanspruch
zu drohen, nicht begründen.
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c) Die Antragsgegnerin muss sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin ein
Verschulden von F., das im Übrigen nicht ersichtlich ist, nicht gemäß § 278 BGB
zurechnen lassen, denn F. war nicht Erfüllungsgehilfe der Antragsgegnerin hinsichtlich
ihrer Beseitigungspflicht.
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Erfüllungsgehilfe ist, wessen sich der Schuldner zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit
bedient (§ 278 BGB). Der Grund für die Zurechnung der fremden Handlung beruht
darauf, dass der Erfüllungsgehilfe objektiv auf Veranlassung des Schuldners eine
Aufgabe übernimmt, deren Erfüllung im Verhältnis zum Gläubiger dem Schuldner selbst
obliegt (BGH NJW-RR 2001, 396, 398). Der Dritte muss also vom Schuldner in die
Erfüllung der Beseitigungsverpflichtung einbezogen worden sein (vgl.
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26. Aufl., § 12 Rdn. 1.153). Dagegen ist § 278 BGB
unanwendbar auf Verbindlichkeiten, die den Schuldner lediglich zur Beauftragung eines
Dritten verpflichten, sich aber nicht auf die Tätigkeit des Dritten erstrecken
(Palandt/Heinrichs, 67. Aufl. § 278 Rdn. 17).
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Nach diesen Maßstäben kann F. nicht als Erfüllungsgehilfe der Antragsgegnerin
angesehen werden, denn sie hat F. nicht in die Erfüllung ihrer Beseitigungsverpflichtung
einbezogen. Diese beschränkte sich darauf, alles Erforderliche zu tun, um F. möglichst
zeitnah zu einer Löschung der Bewertung zu veranlassen (siehe oben a). Die Löschung
schuldete die Antragsgegnerin nicht; nur insoweit hat die Antragsgegnerin aber F.
einbezogen, so dass F. Adressat der Bemühungen der Antragsgegnerin war, nicht aber
eine Aufgabe übernommen hat, deren Erfüllung der Antragsgegnerin selbst oblegen
hätte.
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Aus den von der Antragstellerin angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs
(GRUR 1988, 561 und 1998, 963 - Verlagsverschulden I und II) ergibt sich nichts
anderes. In diesen Entscheidungen ging es nicht um den Vorwurf, der Schuldner habe
eine Beseitigungspflicht verletzt, sondern um einen Verstoß gegen die
Unterlassungsverpflichtung durch die Veröffentlichung einer dieser Verpflichtung
widersprechenden neuerlichen Werbung. Da der Unterlassungsschuldner sich für die
Veröffentlichung eines Verlagsunternehmens bedient, handelt dieses in Erfüllung einer
dem Schuldner obliegenden Verbindlichkeit und ist damit dessen Erfüllungsgehilfe
(BGH, GRUR 1998, 963, 965 – Verlagsverschulden II). Hier dagegen beschränkte sich
der Pflichtenkreis der Schuldnerin im Rahmen ihrer Beseitigungsverpflichtung auf ihre
eigene Person; eine Verantwortlichkeit für das Verhalten von F. hat sie gerade nicht
übernommen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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4. Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
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5. Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 10.000 €.
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