Urteil des OLG Köln vom 20.03.1996

OLG Köln (eintragung, dingliches recht, beschwerde, abgrenzung zu, grundbuch, 1995, bedingung, inhaber, person, zwischenverfügung)

Oberlandesgericht Köln, 2 Wx 3/96
Datum:
20.03.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Wx 3/96
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 11 T 298/95
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weite-ren
Beschwerde werden den Beschwerdeführern auferlegt.
G r ü n d e
1
I.
2
Die Beteiligten zu 1) sind die Eltern des Beteiligten zu 2). Sie sind im Grundbuch als
Inhaber des vorbezeichneten Erbbaurechts eingetragen, und zwar als
Bruchteilsberechtigte zu je 1/2. Auf dem Grundstück, das mit dem Erbbaurecht belastet
ist, steht ein mehrgeschossiges Haus. Am 9. März 1995 haben sich die Beteiligten in
einem von dem amtlich bestellten Vertreter des verfahrensbevollmächtigten Notars
beurkundeten Vertrag (UR.-Nr. xxx/1995) dahin geeinigt, daß das Erbbaurecht auf den
Beteiligten zu 2) als neuen Inhaber übergehen und im Gegenzug den Beteiligten zu 1)
an den Erdgeschoßräumen des Hauses ein Wohnungsrecht in Form einer beschränkten
persönlichen Dienstbarkeit bestellt werden soll. Dieses Wohnungsrecht soll mit dem
Tode des Erstversterbenden erlöschen.
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Unter Nr. (5) des Vertrages heißt es weiter:
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"Der Erwerber räumt dem Längstlebenden der Veräußerer ab dem Tode des
Erstversterbenden an dem eingangs zu Ziffer (1) bezeichneten Grundbesitz eine
beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsrecht) ein mit dem Inhalt, daß
dieser berechtigt ist, die gesamte 1. Etage des Hauses O.-straße 28 unter
Ausschluß des Eigentümers als Wohnung zu benutzen und alle dem
gemeinschaftlichen Gebrauch dienenden Einrichtungen und Anlagen
einschließlich Hof und Garten unentgeltlich mitzubenutzen.
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Das Wohnungsrecht soll dem Berechtigten auf seine Lebenszeit zustehen."
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Der Antrag auf Eintragung des zweiten Wohnungsrechts ist von dem Rechtspfleger
beanstandet worden, weil die Regelung unter Nr. (5) des Vertrages eine
Alternativberechtigung vorsehe, für die die Eintragung eines einheitlichen Rechts nicht
zulässig sei. Der Alternativität müsse in der Weise Rechnung getragen werden, daß für
jeden der beiden Veräußerer ein selbständiges, durch den Tod des anderen
Veräußerers bedingtes Recht begründet werde. Der Rechtspfleger hat den Beteiligten
zu 1) deshalb mit Zwischenverfügung vom 17. August 1995 aufgegeben, Antrag und
Bewilligung diesem Erfordernis anzupassen.
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Die Beteiligten zu 1) haben gegen die Zwischenverfügung Erinnerung eingelegt. Sie
haben die Auffassung vertreten, es handele sich nicht um eine Alternativberechtigung.
Berechtigter sei vielmehr ausschließlich der Längstlebende von ihnen. Da das Recht
aufschiebend bedingt erst mit dem Tode des Erstversterbenden entstehe und nur dem
Überlebenden zustehe, handele es sich um ein einheitliches Recht, das auch als
solches einzutragen sei.
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Der Richter des Amtsgerichts hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem
Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
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Das Landgericht hat sich der Auffassung des Amtsgerichts angeschlossen und die
gegen die Zwischenverfügung gerichtete, als Beschwerde geltende Erinnerung mit dem
angefochtenen und hiermit in Bezug genommenen Beschluß vom 11. Dezember 1995
zurückgewiesen.
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Mit der weiteren Beschwerde tragen die Beteiligten zu 1) vor, die Rechtsauffassung des
Landgerichts führe nicht nur zu einer Belastung der Beteiligten mit doppelten
Eintragungs- und Löschungsgebühren, sondern habe auch zur Konsequenz, daß durch
die Eintragung zweier bedingter, sich gegenseitig ausschließender Wohnungsrechte an
denselben Räumen die Übersichtlichkeit des Grundbuchs beeinträchtigt werden könne.
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Zwar sei dem Landgericht darin zu folgen, daß für die hier gegebene Fallgestaltung
gemeinhin eine Alternativberechtigung angenommen werde. Weshalb jedoch im Falle
einer Alternativberechtigung im Unterschied zu den Fällen einer Sukzessivberechtigung
die Möglichkeit der Eintragung eines einheitlichen Rechtes verneint und statt dessen die
Eintragung zweier aufschiebend bedingter Rechte gefordert werde, gehe weder aus der
angefochtenen Entscheidung noch aus den dort zitierten Beschlüssen und auch nicht
aus der einschlägigen Kommentarliteratur hervor. Es leuchte nicht ein, daß Fälle der
vorliegenden Art nur in der beschriebenen Weise geregelt werden könnten.
Auszugehen sei von dem Willen der Parteien, der auf die Schaffung eines einzigen,
unbedingten Rechtes gerichtet sei, das "dem Überlebenden der Eheleute I. Q. und N. Q.
geb. U." zustehen solle. Diese Regelung, die die Identifizierbarkeit des Berechtigten von
dem Zeitpunkt der Eintragung auf den der Vollendung des Rechtserwerbs (Eintritt der
Überlebensbedingung) verlege, müsse zulässig sein. Sie verstoße insbesondere nicht
gegen den das Sachenrecht beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatz, weil ihm Genüge
getan sei, wenn mit der endgültigen Entstehung des Rechtes feststehe, wer dessen
Inhaber sei. Andere Gründe, die die Vorverlegung des Zeitpunktes der Identifizierbarkeit
auf den der Eintragung erforderten, seien nicht ersichtlich.
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In der Rechtsprechung sei im übrigen anerkannt, daß der Berechtigte nicht einmal im
Zeitpunkt der Vollendung des Erwerbstatbestandes identifizierbar sein müsse und daß
bloße Bestimmbarkeit ausreiche, wenn zwingende praktische Gründe dies erforderten.
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Auch bei der Bestellung einer Hypothek verlange die Rechtsprechung nicht schlechthin
in jedem Fall die Angabe eines bestimmten Berechtigten. So sei es zulässig, die
Hypothek für die künftigen Abkömmlinge oder für die unbekannten Erben einer
namentlich bezeichneten Person zu bestellen.
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Wegen weiterer Einzelheiten der Beschwerdevorbringens wird auf den Schriftsatz vom
5. Februar 1996 (Bl. 91 ff d.A.) verwiesen.
15
II.
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Die gemäß § 78 GBO statthafte und auch im übrigen zulässige weitere Beschwerde ist
in der Sache nicht begründet.
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Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des
Gesetzes. Mit der Charakterisierung der vorliegenden Fallgestaltung als
Alternativberechtigung in Abgrenzung zu den beiden Varianten der
Sukzessivberechtigung hat das Gericht der Erstbeschwerde das entscheidende
Argument für die Erforderlichkeit der Eintragung zweier selbständiger Rechte
herausgearbeitet. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer war diese
abgrenzende Darstellung auch schon wegen der von ihnen in der Erinnerung
vertretenen Auffassung geboten, es handele sich vorliegend weder um eine Sukzessiv-
noch um eine Alternativberechtigung, sondern es gehe schlicht um die Eintragung eines
Wohnrechtes zugunsten des Längstlebenden der Beteiligten zu 1). In der Begründung
der weiteren Beschwerde wird zwar nunmehr auch von den Beschwerdeführern die
Auffassung des Landgerichts geteilt, es liege ein Fall vor, der gemeinhin mit dem Begriff
der Alternativberechtigung umschrieben werde. Sie meinen jetzt allerdings, es sei
dennoch nicht einzusehen, weshalb die Alternativberechtigung im Hinblick auf die
Grundbucheintragung anders zu behandeln sei als die Sukzessivberechtigung, bei
deren Vorliegen die Eintragung nur eines einzigen Rechtes als ausreichend angesehen
werde.
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Die von den Beschwerdeführern weiterhin angestrebte Eintragung eines einheitlichen
Wohnungsrechtes zugunsten nur des Überlebenden der Beteiligten zu 1) ist aber aus
Gründen der Rechtssicherheit und der Grundbuchwahrheit nicht möglich. Das
Grundbuch soll nach Möglichkeit die materielle Rechtslage unverfälscht wiedergeben.
Die materielle Rechtslage unterscheidet sich aber bei der Alternativberechtigung
grundsätzlich von derjenigen, die einer Sukzessivberechtigung zugrundeliegt. Eine
Alternativberechtigung besteht, wenn ein Recht verschiedenen Personen zusteht (ohne
daß sie in einem Gemeinschaftsverhältnis verbunden sind),jedoch nur entweder für den
einen oder den anderen. Es handelt sich also um zwei selbständige Rechtspositionen
verschiedener Inhaber. Diese können deshalb nicht im Grundbuch zusammen
eingetragen oder vorgemerkt werden, sondern es sind getrennte Eintragungen unter
zwei laufenden Nummern erforderlich (vgl. Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht,
10. Aufl., Rn 261 a; BayObLG Rpfl. 1985, 55).
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Während also bei der Alternativberechtigung von vornherein zwei (aufschiebend
bedingte) Rechte entstehen und demzufolge auch zwei Eintragungen erforderlich sind,
läßt man bei der sogenannten Sukzessivberechtigung eine Eintragung genügen, weil
entweder zunächst nur ein Recht entsteht, das bei Bestehenbleiben des Anspruchs
später von einem anderen ausgeübt wird, oder weil - in dem hier eher vergleichbaren
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Falle - von Anfang an ein den Berechtigten gemeinsam zustehendes Recht entsteht,
das beispielsweise mit dem Tode eines der Ehegatten als Bedingung lediglich eine
inhaltliche Änderung in der Person des Berechtigten erfährt, aber nicht zu einem
völligen Auswechseln der Berechtigten in Verbindung mit dem Erlöschen des
bisherigen gemeinsamen Anspruchs und dem Entstehen eines neuen Anspruchs führen
darf (vgl. BayObLG BayNot 1995, 204).
Aus Vorstehendem erhellt bereits, daß nicht die Entstehung zweier aufschiebend
bedingter Rechte im Falle der Alternativberechtigung und die sich daraus unmittelbar
ergebende Notwendigkeit der Eintragung dieser beiden selbständigen Rechte im
Grundbuch unter zwei Nummern die zu begründende Besonderheit ist, sondern daß die
Gestattung der Eintragung einer einzigen Vormerkung zur gleichzeitigen Absicherung
eines zunächst den Ehegatten gemeinsam zustehenden Rechtes und der bei Eintreten
der Bedingung des Todes eines Ehepartners eintretenden Berechtigung zur alleinigen
Ausübung durch den Überlebenden eine besonders zu begründende Ausnahme von
der Regel ist, nach der jedes Recht selbständig einzutragen ist. Dies wird besonders
deutlich in der Entscheidung des BayObLG in MittBayNot 1990, 243. Dort ist der
zunächst beiden Ehegatten in Gütergemeinschaft zustehende Anspruch als durch den
Tod des Ehemannes erloschen angesehen und deshalb der für den überlebenden
Ehepartner entstehende aufschiebend bedingte Anspruch als nicht durch die
eingetragene Vormerkung gesichert angesehen worden, weil nach Auffassung des
Gerichtes der weiteren Beschwerde wegen der "alternativen" (und "sukzessiven")
Berechtigung von Anfang an zwei Vormerkungen erforderlich gewesen sind (vgl. zu
generellen Bedenken gegen die Anerkennung von Sukzessivberechtigungen als
Rechtfertigung für die Eintragung von einheitlichen Ansprüchen im Grundbuch auch
Haegele/Schöner/Stöber, a.a.O. Rn 261 b).
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Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer verhält es sich hier auch nicht etwa
deshalb anders als gewöhnlich bei Alternativberechtigungen, weil der Wille der
Vertragsparteien auf die Schaffung eines einzigen, unbedingten, dem Überlebenden der
Eheleute Q. zustehenden Rechtes gerichtet gewesen sein soll. Denn das
Wohnungsrecht (§ 1093 BGB), das bei Bedingungseintritt dem Längstlebenden
zustehen soll, kann gegenwärtig nur durch die Vereinbarung je eines aufschiebend
bedingten Rechtes mit jedem Elternteil begründet werden (§§ 873, 158 BGB). Ein
subjektiv dingliches Recht entsteht mit Einigung und Eintragung. Also müssen zwei
aufschiebend bedingte Rechte eingetragen werden. Ein aufschiebend bedingtes Recht
ist auch ein vollendetes Recht, bei dem lediglich die Rechtswirkungen ohne weiteren
Rechtsakt unabhängig vom Parteiwillen und ohne dingliche Rückwirkung (§ 159 BGB)
erst mit dem Eintritt der Bedingung eintreten (Staudinger/Ertl, BGB, 12. Aufl., § 873 Rn
68).
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Nur durch die Eintragung der beiden jetzt begründeten selbständigen Rechte ist im
übrigen gewährleistet, daß ihre künftige selbständige Entwicklung im Grundbuch
darstellbar bleibt. Zwar ist das Wohnungsrecht aufgrund seines höchstpersönlichen
Charakters weder abtretbar noch pfändbar (§§ 1093, 1092, 1274, 1069 BGB), es ist
jedoch denkbar, daß einer der aufschiebend bedingt Berechtigten nachträglich eine
Aufhebungserklärung bezüglich seines aufschiebend bedingten Wohnungsrechtes
abgibt (§ 875 BGB) und daher trotz Eintrittes der Bedingung (Tod des anderen
Ehepartners) die Rechtswirkungen des Wohnungsrechtes in seiner Person nicht
entstehen.
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Es besteht auch keine Veranlassung, durch die Eintragung eines nur bestimmbaren
Berechtigten gegen § 15 Abs. 1 a GBVerf zu verstoßen. Wenn es sich auch bei dieser
Norm nur um eine Ordnungsvorschrift handelt, darf von der durch sie angeordneten Art
und Weise möglichst genauer Eintragung der Berechtigten (getrennt nach Personen,
bestimmt und namentlich bezeichnet) nicht ohne Notwendigkeit abgewichen werden.
Die genaue Bezeichnung des Berechtigten ist hier durch die Eintragung zweier
aufschiebend bedingter Rechte ohne weiters erreichbar und muß deshalb auch
vorgenommen werden. Der Gesichtspunkt der Kostenersparnis muß demgegenüber
zurücktreten.
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Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 13 a Abs. 1 Satz 2
FGG.
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Die Tragung der Gerichtskosten bestimmt sich unmittelbar nach dem Gesetz (§ 2
KostO).
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Wert der weiteren Beschwerde: 5.000,- DM (§ 30 Abs. 2, 3 KostO)
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