Urteil des OLG Köln vom 02.01.2009
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Oberlandesgericht Köln, 19 U 130/08
Datum:
02.01.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 U 130/08
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 41 O 156/07
Tenor:
1.
Der Antrag der Klägerin vom 06.11.2008 auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
wird zurückgewiesen.
2.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 02.09.2008 verkündete Urteil
der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 41 O
156/07 - wird als unzulässig verworfen.
3.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
G r ü n d e:
1
I.
2
Die Klägerin, die in N., V., eine Großbäckerei betreibt, hat die Beklagte auf
Rückerstattung des gezahlten Kaufpreises aus der Lieferung von Hard- und Software
sowie von Lizenzen und auf Schadensersatz gerichtlich in Anspruch genommen.
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Das Landgericht Aachen hat mit dem am 02.09.2008 verkündeten und der Klägerin am
03.09.2008 zugestellten Urteil die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die
Klägerin mit Schriftsatz vom 01.10.2008 form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Mit
Schriftsatz vom 06.11.2008, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, hat die Klägerin
Wiedereinsetzung in vorigen Stand gegen die Versäumung der
Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich die eingelegte Berufung gegen das
landgerichtliche Urteil begründet. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages
macht die Klägerin geltend, ihr sachbearbeitender Prozessbevollmächtigter, Herr
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Rechtsanwalt D. G. , sei allein deshalb an der fristgerechten Einreichung der
Berufungsbegründungsschrift bei Gericht am 03.11.2008 gehindert gewesen, weil die
stets zuverlässig arbeitende Sekretärin ihres Prozessbevollmächtigten, Frau O. L.,
versehentlich den 06.11.2008 als das Fristende für die Einreichung der
Berufungsbegründung in den Outlook-Kalender eingetragen habe. Zuvor habe die
erfahrene Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte, Frau B. P., entsprechend der
Büroorganisation und der Anweisung in der Kanzlei den Ablauf der
Berufungsbegründungsfrist zutreffend auf den 03.11.2008 berechnet und das Datum auf
der Rückseite der letzten Seite der geklammerten Ausfertigung des Urteils mit dem
Kürzel "not. AM" notiert. Die Handakte mit der Urteilsausfertigung habe Frau P.
entsprechend der Anordnung in der Kanzlei der Sekretärin des
Prozessbevollmächtigten, Frau L., übergeben, damit diese die Fristen in den
elektronischen Kalender des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten übertrage.
Dabei sei es zu dem Übertragungsfehler gekommen. Dieser Übertragungsfehler habe
auch dazu geführt, dass die von Outlook automatisch generierte einwöchige Vorfrist als
Erinnerungsfunktion auf den 30.10.2008 gesetzt worden sei. Mit Schriftsatz vom
04.12.2008 hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, dass der ständige Vertreter ihres
seinerzeit urlaubsbedingt abwesenden Prozessbevollmächtigten in der Kanzlei,
Rechtsanwalt J. E. , am 04.09.2008 nach Zuleitung der Handakte die –zutreffende-
Berechnung der Frist für die Berufungsbegründung durch Frau P. überprüft habe. Nach
Rückkehr aus dem Urlaub habe ihr Prozessbevollmächtigter am 17.10.2008 mit der
Bearbeitung der Berufungsbegründung begonnen. Weder am 17.10.2008 noch am Tag
der im Outlook-Kalender angezeigten Vorfrist am 30.10.2008 sei ihrem
Prozessbevollmächtigten aufgefallen, dass die Frist zur Einreichung der
Berufungsbegründung am 03.11.2008, wie auf der Urteilausfertigung vermerkt, und
nicht, wie in Outlook eingetragen, am 06.11.2008 endete. Erst am 04.11.2008 sei ihrem
Prozessbevollmächtigten, der die Berufungsbegründung fertig stellen und bei Gericht
einreichen wollte, der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist aufgefallen.
II.
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1)
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Die Berufung der Klägerin ist unzulässig. Sie war daher gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als
unzulässig zu verwerfen. Die rechtzeitig mit Schriftsatz vom 01.10.2008 eingelegte, bei
Gericht unter dem gleichen Datum eingegangene Berufung der Klägerin ist nicht
innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO begründet worden.
Nach Zustellung des landgerichtlichen Urteils am 03.09.2008 (Bl. 344 GA) lief die
Begründungsfrist am 03.11.2008 ab. Die Berufungsbegründung ging jedoch erst am
06.11.2008 (Bl. 365 GA) und damit verspätet ein.
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Der Klägerin kann gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden. Der Antrag auf
Wiedereinsetzung ist zwar zulässig. Die Klägerin hat binnen eines Monats nach Wegfall
des behaupteten Hindernisses frist- und formgerecht gemäß §§ 234 Abs. 1 Satz 2, 236
ZPO die Wiedereinsetzung beantragt. Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch
unbegründet.
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Die Begründetheit eines Wiedereinsetzungsantrags setzt gemäß § 233 ZPO voraus,
dass die Partei ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung
einzuhalten. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor. Denn der
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Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat schuldhaft die Frist zur Berufungsbegründung
versäumt. Dieses Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht gemäß § 85 Abs. 2
ZPO dem Verschulden der Klägerin gleich.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat in einer
früheren Entscheidung bereits angeschlossen hat, obliegt einem Rechtsanwalt die
Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt
und
eingetragen worden ist, wenn ihm die Akten –etwa auf Vorfrist- zur Bearbeitung
vorgelegt werden. Die Überprüfung der korrekten Fristberechnung und Eintragung muss
zwar nicht sofort erfolgen, weil die Vorfrist gerade den Sinn hat, dem
Prozessbevollmächtigten einen gewissen Spielraum zur Bearbeitung bis zum
endgültigen Ablauf der Frist zu verschaffen. Sie kann daher auch noch am folgenden
Tag vorgenommen werden (BGH, NJW 2008, 3439 m.w.Nachw., NJW 2000, 202
m.w.Nachw., Senat im Urteil vom 18.12.2008 –19 U 31/08-). Diese
Sorgfaltsanforderungen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin schuldhaft nicht
eingehalten. Die Klägerin hat zwar dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die
Berufungsbegründungsfrist von der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten P.
zutreffend berechnet, auf der zur Handakte gelangten Ausfertigung des Urteils notiert
und von dem ständigen Vertreter ihres Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt J. E. ,
überprüft worden ist. Jedoch ist die Richtigkeit der Eintragung der zutreffend ermittelten
Berufungsbegründungsfrist in den Outlook-Kalender durch die Sekretärin des
sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten auch nach dem Vorbringen der Klägerin
nicht überprüft worden. Zur eigenverantwortlichen Prüfung der korrekten Übertragung
der Berufungsbegründungsfrist in den elektronischen Kalender bestand für den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin wenn nicht schon bei Vorlage der Handakte zur
Bearbeitung der Berufungsbegründung am 17.10.2008 so jedenfalls zu dem Zeitpunkt
Anlass, als dieser durch die Erinnerungsfunktion von Outlook am 30.10.2008, dem Tag
der Vorfrist, auf den bevorstehenden, unzutreffend eingetragenen Fristablauf am
06.11.2008 aufmerksam gemacht worden ist. Der Bundesgerichtshof hat in diesem
Zusammenhang ausgeführt, dass diese Prüfungspflicht im Hinblick auf die Warnfunktion
der Vorfrist selbstverständlich und ohne nähere Darlegung auch und gerade dann
bestehe, wenn dem Rechtsanwalt die Akten auf Vorfrist vorgelegt werden (BGH,
Beschluss vom 29.09.1998 –VI ZB 16/98- juris Rn. 5). Hinzu kommt im Streitfall, dass
die Berechnung des Fristendes und die maßgebliche Eintragung der Frist in den
Outlook-Kalender nicht in einer Hand liegen. Mit Rücksicht hierauf stellt es keine
Überspannung der Sorgfaltsanforderungen dar, von dem Prozessbevollmächtigten der
Klägerin zu verlangen, die ordnungsgemäße Übertragung der berechneten
Berufungsbegründungsfrist in den Outlook-Kalender, der für die Fristenkontrolle in der
Kanzlei das maßgebliche Instrumentarium darstellt, zu überprüfen. Wäre der
Prozessbevollmächtigte dieser Prüfungspflicht nachgekommen, hätte er schon anhand
der auf der Urteilsausfertigung notierten Frist unschwer feststellen können, dass die
Vorfrist und das Fristende falsch eingetragen worden waren. Die Überprüfung auch
noch am Tag nach der Vorfrist, also am Freitag, dem 31.10.2008, hätte ausgereicht,
entweder die bereits weitestgehend erstellte Berufungsbegründung fertig zustellen und
bei Gericht bis zum 03.11.2008 einzureichen oder ggf. die erstmalige Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist zu beantragen.
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Da nach alledem dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht
stattzugeben war, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
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2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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3) Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 450.000,00 €
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