Urteil des OLG Köln vom 24.04.2006

OLG Köln: wohnung, verwirkung, verjährungsfrist, beschwerdekammer, anschluss, baum, rückführung, daten, ermessen, augenschein

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 35/06
Datum:
24.04.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 35/06
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 T 37/03
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den
Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 07.02.2006 -
29 T 37/03 - wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten tragen die Antragsteller. Eine Erstattung
außergerichtlicher Kosten erfolgt nicht.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt: 3.000,-
EUR
G r ü n d e :
1
Die formell nicht zu beanstandende sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache
keinen Erfolg. Die Begründung des Landgerichts, einem möglichen - zumindest
gegenüber dem Antragsgegner zu 1) bestehenden - Anspruch auf Entfernung der vier
bzw. sechs Nadelbäume und der zwei Büsche, hilfsweise auf deren Rückschnitt auf 1
m, stehe die inzwischen eingetretene Verwirkung entgegen, ist rechtlich nicht zu
beanstanden.
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1.
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Entgegen der Meinung der Antragsgegner sind etwaige Beseitigungsansprüche noch
nicht verjährt.
4
Ein möglicher Anspruch ist noch vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des
Schuldrechts am 01.01.2002 entstanden, da ein Beseitigungsanspruch ab Entstehung
der Beeinträchtigung besteht und damit die Verjährung zu laufen beginnt
(Palandt/Heinrichs, BGB, 65.Aufl., § 199 Rdrn. 21). In Anbetracht der von den
Vorinstanzen festgestellten und im Übrigen durch Lichtbilder belegten Baumhöhen
überragten die Bäume Ende 2001 zweifelsfrei die Loggia und die Fenster der im 1.
Obergeschoss liegenden Wohnung der Antragsteller in vollem Umfang, so dass eine
Beeinträchtigung und damit ein möglicher Beseitigungsanspruch bereits deutlich vor
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dem 01.01.2002 entstanden ist, somit zunächst die 30-jährige Verjährungsfrist des § 198
BGB a.F. maßgebend war. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1, Abs. 4 EGBGB findet wegen der
kürzeren neuen Verjährungsfrist ab dem 01.01.2002 das neue Verjährungsrecht auf
einen etwaigen Beseitigungsanspruch Anwendung, mithin die Regelfrist von drei
Jahren, § 195 BGB. Diese ist allerdings durch am 31.10.2002 gestellten, am 22.11.2002
den Antragsgegnern zugestellten Antrag auf Beseitigung derzeit wegen des laufenden
Verfahrens gemäß §§ 199 Abs. 1, 204 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB gehemmt, die für den
Antrag nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG entsprechende Anwendung finden (vgl.
Bärmann/Merle, WEG, 9. Aufl., § 44 Rdnr. 28 ff).
Mithin ist ein etwaiger Beseitigungsanspruch nach §§ 1004 BGB, 14 Nr. 1 WEG noch
nicht verjährt.
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2.
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Die Antragsteller haben jedoch die Rechte aus einem möglichen Beseitigungsanspruch
verwirkt. Hierzu wird auf die zutreffenden Überlegungen des Landgerichts in dem
angegriffenen Beschluss verwiesen. Ergänzend ist zum Rechtsbeschwerdevorbringen
anzumerken:
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Die tatsächlichen Feststellungen zu dem Wuchs der Bäume und Büsche sowie der
Situation in dem zu der Wohnanlage gehörenden Garten hat die Zivilkammer anlässlich
eines Ortstermins in nicht zu beanstandender Weise getroffen. Danach überragen alle
fraglichen Bäume die Höhe der Wohnung der Antragsteller um etliche Meter, einige
Bäume erreichen ungefähr die Höhe des Hauses, das mit dem Dachgeschoß über vier
Stockwerke verfügt. Wenn die Kammer nach dem anlässlich des Ortstermins
gewonnenen Eindruck von Art und Struktur der Bäume zu der Schlussfolgerung kommt,
dass die Nadelbäume schon vor beachtlicher Zeit eine als störend empfundene Höhe
erreicht hatten und in bzw. über die Höhe des Balkons der Antragsteller gewachsen
waren, so verstößt diese Überlegung weder gegen Rechtsvorschriften noch gegen
Denkgesetze.
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Zu Recht hat die Beschwerdekammer das erforderliche Zeitmoment bejaht. Die Bäume
sind spätestens bis 1975 gepflanzt worden (so auch das bisherige Vorbringen der
Antragsteller unter Hinweis auf das Angebot Q aus 1974), inzwischen also über 30
Jahre alt sind. Die Antragsteller konnten seit dem Erwerb ihrer Wohnung in 1977 deren
Wachstum beobachten. Legt man als grobe Zeitspanne, die als Zeitmoment für eine
Verwirkung regelmäßig ausreicht, 8 bis 10 Jahre zugrunde (so Münch/Komm/Roth,
BGB, 4. Aufl., § 242, Rdnr. 320), so ist diese Voraussetzung hier gegeben. In Anbetracht
der Höhe der Bäume im Jahr der Antragstellung, die im Tatbestand der Entscheidung
des Amtsgerichts festgehalten worden ist, hatten die Bäume zu Beginn dieser
Zeitspanne jedenfalls bereits eine solche Höhe erreicht, dass die Bewohner der im
ersten Stock gelegenen Wohnung sich zumindest durch die Baumkronen, wenn nicht
durch die Bäume insgesamt in ihrer Aussicht und hinsichtlich des Lichteinfalls
beeinträchtigt fühlen konnten.
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Ebenfalls ist die Annahme eines Umstandsmoments als Voraussetzung einer
Verwirkung nicht zu beanstanden. Die bloße Untätigkeit der Antragsteller, womit die
Beschwerdekammer den Verwirkungsgedanken im Wesentlichen stützt, fällt hier
entscheidend ins Gewicht, da unter den gegebenen Umständen von den etwaigen
Berechtigten eine Geltendmachung ihrer Rechte erwartet werden konnte (vgl.
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Münch/Komm/Roth, a.a.O., Rdnr. 325). Zum einen war der Baumwuchs den
Antragstellern ständig vor Augen, zum anderen hatten sie durch das gemeinsame
Bewohnen der Wohnanlage vielfach Gelegenheit, ihre möglichen Rechte anzumelden,
was sie indes bis 2002 nicht gemacht haben. Vor allem anlässlich der jährlich
stattfindenden Wohnungseigentümerversammlungen, die sich als Forum für
Meinungsverschiedenheiten zwischen Eigentümer anbieten, hätten sie den Baumwuchs
zur Sprache bringen können. Tatsächlich wurde diese Frage lediglich bei der
Eigentümerversammlung vom 08.07.2002 aufgegriffen, und dies auf Antrag anderer
Wohnungseigentümer und in Bezug auf einen anderen Baum, der in dem der
Gemeinschaft zugeordneten Gartenteil wuchs. Erst im Anschluss an diese
Eigentümerversammlung haben die Antragsteller erstmalig schriftlich unter dem
26.07.2002 eine Rückführung der Gartenbepflanzung von der Antragsgegnerin zu 2.
verlangt. Soweit die Antragsteller nunmehr im Rechtsbeschwerdeverfahren bereits
frühere mündlich erhobene Beanstandungen behaupten, kann dieser Vortrag keine
Beachtung mehr finden. Neues Tatsachenvorbringen ist in der
Rechtsbeschwerdeinstanz nur ausnahmsweise entscheidungserheblich, wenn es
unstreitig ist, was hier nicht der Fall ist. Im Übrigen ist dieser Vortrag nicht hinreichend
konkretisiert und auch deshalb unbeachtlich. Mangels Daten, Anlass oder Inhalt der
behaupteten Beanstandungen bleibt dieses Vorbringen unschlüssig.
Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang nur von einer geringen
Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse ausgegangen ist, hat auch diese auf dem
Augenschein beruhende Feststellung Bestand.
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Mithin hat das Landgericht in dem Untätigbleiben der Antragsteller, das in Kenntnis der
tatsächlichen Situation und der Rechtslage erfolgte, zu Recht die Voraussetzungen für
das Umstandsmoment gesehen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, den
unterlegenen Antragstellern die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens
aufzuerlegen. Im Übrigen besteht keine Veranlassung, von dem in § 47 WEG
bestimmten Kostengrundsatz abzuweichen, wonach die Verfahrensbeteiligten die ihnen
entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.
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Die Wertfestsetzung für den Geschäftswert der Rechtsbeschwerde folgt aus § 48 Abs. 3
WEG und entspricht der nicht angegriffenen Festsetzung des Landgerichts.
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