Urteil des OLG Köln vom 10.01.2003
OLG Köln: stand der technik, vorläufiger rechtsschutz, dach, firma, öffentlich, duldungspflicht, miteigentümer, telekommunikation, post, befreiung
Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 221/02
Datum:
10.01.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 221/02
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 8 T 94/02
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. wird der
Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 07.10.2002 -
8 T 94/02 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das
Landgericht zurückverwiesen.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf
19.200,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e
1
I.
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Die Beteiligten zu 1. und 2. bilden die im Rubrum bezeichnete
Wohnungseigentümergemeinschaft, die durch die Beteiligte zu 3. verwaltet wird.
3
Nach § 5 Ziff. 7 der Teilungserklärung 20.04.1998 ist jeder Sondereigentümer
berechtigt, bauliche Veränderungen innerhalb seines Sondereigentums ohne
Zustimmung der anderen Miteigentümer vorzunehmen, Einheiten zu unterteilen,
zusammenzulegen oder sonst zu verändern, soweit dadurch nicht das Sondereigentum
oder ein Sondernutzungsrecht eines anderen Sondereigentümers beeinträchtigt wird.
Bei den Teileigentumseinheiten umfasst das Veränderungrecht nach § 5 Ziff. 7 auch die
Außenfassade und Veränderungen von Einrichtungen von Gebäudeteilen und Anlagen,
welche aufgrund von eingeräumten Sondernutzungsrechten errichtet worden sind.
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Weiter heißt es in der Teilungserklärung u. a.:
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§ 7
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Sondernutzungsrechte
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1. Benutzungsregeln als Inhalt der Sondernutzungsrechte sind vorgesehen und
werden als Sondernutzungsrechte eingetragen, wie nachstehend ersichtlich.
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1. Kraftfahrzeugstellplätze:
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1. An den im beigefügten Plan - Grundriss Souterrain - eingezeichneten
oberirdischen Kraftfahrzeugstellplätzen 59 bestehen Sondernutzungsrechte, es
können im unbebauten Grundstücksteil noch bis zu 4 weitere geschaffen werden.
Jeder Sondernutzungsberechtigte hat das ausschließliche Nutzungsrecht an dem
ihm zugewiesenen Stellplatz, während die übrigen Miteigentümer von der Nutzung
ausgeschlossen sind...
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1. Der teilende Eigentümer... hat das Recht, die Lage der Sondernutzungsrechte zu
bestimmen nebst der Zuordnung der Sondernutzungsrechte zu den einzelnen
Sondereigentumseinheiten. Dieses Recht endet mit Veräußerung (Umschreibung
im Grundbuch) der letzen Sondereigentumseinheit durch ihn. Mit Veräußerung
eines Sondernutzungsrechtes an einen Wohnungs- oder Teileigentumserwerber
wird die Zuordnung gegenüber dem Erwerber und allen Miteigentümern bindend.
Der Eigentümer hat die Grundbucheintragung zu bewirken. Die dingliche
Zuordnung des Sondernutzungsrechtes zu einer Eigentumswohnung oder einer
Teileigentumseinheit geschieht durch einen dahin gerichteten Eintragungsantrag
des Eigentümers.
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1. gewerbliche Einheiten
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Der teilende Eigentümer ... ist auch berechtigt, Sondernutzungsrechte für die
jeweiligen Eigentümer einer, einzelner oder aller Teileigentumseinheiten zu
bestellen in dem Umfang und mit dem Inhalt, wie sie sich aus § 15 der
Teilungserklärung ergeben. Die Berechtigung ist im Zweifel weit auszulegen. Auch
diese Berechtigung erlischt, wenn die M. & T. Immobilien GmbH die letzte Einheit
veräußert hat.
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...
15
§15
16
Läden/Gewerbeeinheiten
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1. Der aufteilende Eigentümer ist bzgl. der aus der Aufteilungsliste ersichtlichen
Läden bzw. Gewerbeeinheiten Nrn. 38 bis mit 43 der Aufteilungsliste berechtigt,
diese Einheiten flächenmäßig zu ändern -vergrößern/verkleinern- zu unterteilen
oder ganz oder teilweise zusammenzulegen und entsprechend dann auch
innerhalb dieser Einheiten die Miteigentumsanteile umzuverteilen. Dies betrifft nur
die genannten Gewerbeeinheiten, so dass insgesamt das Verhältnis der
Wohnungen und Läden nicht berührt wird,
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1. Dem teilenden Eigentümer ist es gestattet, zugunsten aller oder einzelner der
gewerblichen Einheiten des Gesamtobjektes den gesamten Fassadenbereich
oder einen Teil desselben einschließlich des Daches, inklusive der davor
liegenden Gehsteigflächen voll umfänglich selbst zu gestalten bzw. gestalten zu
lassen, d.h. auch möglicherweise Schaukästen aufzustellen, Arkaden zu bilden,
oder irgendwie anderweitig zu nutzen, Reklametafeln und Werbeinstallationen
anzubringen und ähnliche Maßnahmen zu treffen. Gleiches gilt für die
vorhandenen Brüstungsflächen des Gesamtobjektes. Sofern in einer der
betroffenen Gewerbeeinheiten etwa eine Gaststätte/Lokal eingerichtet wird, erhält
der jeweilige Eigentümer die Erlaubnis zum Ausschank von Getränken bzw.
insgesamt die Erlaubnis der gastwirtschaftlichen Nutzung.
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Die gesamten Fassadenflächen des Hauses, inklusive Dachflächen sind ebenso
zur Anbringung von Werbe- oder Reklametafeln, Aufstellung von leistungsstarken
Antennen nutzbar.
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Alle mit dem Vorstehenden zusammenhängende Maßnahmen sind auf Kosten des
betreffenden begünstigten Eigentümers durchzuführen; sie müssen den
baurechtlichen Vorschriften und den anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
Beeinträchtigungen der übrigen Eigentümer/Bewohner sind soweit wie möglich zu
vermeiden. Die aus der Einräumung (Veräußerung) dieser Rechte fließenden
Erlöse stehen dem teilenden Eigentümer zu.
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Mit notarieller Urkunde vom 22.03.2000 wies die teilende Eigentümerin, die Firma M. &
T. Immobilien GmbH, dem jeweiligen Eigentümer des im Aufteilungsplan mit Nr. 63
bezeichneten Teileigentums, eines Garagenplatzes, ein Sondernutzungsrecht
dergestalt zu, unter Ausschluss aller übrigen Miteigentümer die vorhandenen
Dachflächen des Gesamtobjektes zum Aufstellen von Funkantennen, sowie dazu nötige
Geräte und für werbliche Zwecke wie z.B. Lichtreklame zu nutzen Dieses
Sondernutzungsrecht wurde im Grundbuch eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom
22.03.2000 erwarb die Antragstellerin von der teilenden Eigentümerin dieses
Teileigentum an dem Garagenplatz Nr. 63 nebst zugehöriger Rechte.
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Aufgrund eines Mietvertrages mit der Firma N. Mobilfunk GmbH (jetzt Firma W. GmbH)
steht seit mehr als acht Jahren auf dem Dach der Wohnungseigentumsanlage eine
Mobilfunkantennenanlage. Im Sommer 2001 schloss die Antragstellerin mit der Firma O.
GmbH einen weiteren Vertrag, wobei die Firma O. GmbH beabsichtigt, die
aufzustellende Funkstation als Sammlerstation zu nutzen. Die Regulierungsbehörde für
Telekommunikation und Post, Außensteile E., erteilte der Firma O. GmbH am
26.02.2002 eine Standortbescheinigung, in der sie für die beabsichtigte Funkanlage
Sicherheitsabstände festlegte und erklärte, dass nach den derzeitigen wissenschaftlich
anerkannten Grenzwerten, welche den heutigen Stand von Forschung und Technik
darstellten, von einer Gesundheitsgefährdung nicht ausgegangen werden könne
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Die Antragstellerin hat beantragt,
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1. die Antragsgegnerin zu 1) zu verpflichten,
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1. alle Maßnahmen zum Aufbau der Funkstation der Firma O. GmbH auf dem Dach
des Gebäudekomplexes L.straße 22-26 in xxx U., namentlich die Aufstellung der
Antennenanlage, bestehend aus den Antennenträgern mit maximaler
Antennenbelegung von 23 Antennen incl. Parabolantennen, die Aufstellung der
Konstruktion zur Aufnahme der Antennen (Länge 6 m, Breite ca. 3 m, Höhe ca.
2,80 m), die Aufstellung der Sende- und Empfangseinrichtungen uneingeschränkt
zu dulden.
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1. alle Maßnahmen, die zur Herstellung des Energieversorgungsanschlusses der
unter 1. genannten Funkstation erforderlich sind, u. a. die Verlegung des
Stromkabels von dem Dach bis in den Kellerraum und die Montage der
erforderlichen Zählerkästen (Größe des ersten Zählerkastens 90 cm x 30 cm,
zweiter Zählerkasten 60 cm x 60 Gm) in dem für die Zählerkästen vorgesehenen
Kellerraum zu dulden, wobei die Kabelführung zum Dach durch den
Aufzugsschacht erfolgen soll,
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1. die Antragsgegnerin zu 2. zu verpflichten,
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die Duldungserklärung nach § 27 Nr. 2 WEG mit die Inhalt abzugeben, dass
die vorab genannten Maßnahmen durch die
Wohnungseigentümergemeinschaft zugelassen werden,
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1. festzustellen, dass die ihr, der Antragstellerin, durch die Verzögerung des Aufbaus
der Funkstation entstandenen Schäden durch die
Wohnungseigentümergemeinschaft zu tragen sind.
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Das Amtsgericht hat unter Zurückweisung des Feststellungsantrags die Antragsgegner
im übrigen antragsgemäß zur Duldung verpflichtet, die Antragsgegnerin zu 1. jedoch nur
mit der Maßgabe, dass die im Antrag zu 1. genannten Maßnahmen öffentlich-rechtlich
genehmigt sind oder einer derartigen Genehmigung nicht bedürfen und zu dem Antrag
zu 2. die Kabelführung zum Dach durch den Aufzugsschacht erfolgen soll, soweit nach
den anerkannten Regeln der Technik zulässig.
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Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht als nicht begründet
zurückgewiesen. Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsgegner
zu 1. ihr Begehren auf gänzliche Abweisung der Anträge weiter.
34
II.
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Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. In der
Sache hat sie einen vorläufigen Teilerfolg.
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Die Entscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung gem. den §§ 27 FGG,
550 ZPO nicht in allen Punkten stand. Ob und inwieweit der Antragstellerin der geltend
gemachte Duldungsanspruch gegen die Antragsgegner zu 1. zusteht, ist derzeit noch
offen. Die Sache ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur
weiteren Sachaufklärung an das Landgericht zurückzuverweisen.
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1.
38
Die Antragstellerin ist als Gesellschaft bürgerlichen Rechts verfahrensfähig, da die vom
Bundesgerichtshof für den Zivilprozess entwickelten Grundsätze zur Prozessfähigkeit
einer GbR (vgl. BGH NJW 2001, 1056 u. NJW 2002, 1207) im WEG-Verfahren als
echtem Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anzuwenden sind.
39
2.
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Rechtlich zutreffend ist die Auffassung des Landgerichts, dass das
Sondernutzungsrecht, aus dem die Antragstellerin ihre Befugnis zur Aufstellung der
Mobilfunkantennenanlage herleitet, wirksam begründet worden ist. Dem steht nicht
entgegen, dass sie Teileigentümerin eines Garagenplatzes ist, also eines Miteigentums,
der zwar im Wege einer Vermietung gewerblich genutzt werden kann, aber auch einer
Eigennutzung offen steht.
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Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, die äußere Gestaltung der der teilenden
Eigentümerin in der Teilungserklärung eingeräumten Befugnis zur Bestellung von
Sondernutzungsrechten unter der Überschrift "gewerbliche Einheiten" könne für sich
genommen dafür sprechen, dass lediglich (Teil-)Eigentümern von gewerblichen
Einheiten ein derartiges Sondernutzungsrecht eingeräumt oder übertragen werden
könne. Indes zielten die Bestimmungen der Teilungserklärung insgesamt darauf ab, der
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teilenden Eigentümerin ein möglichst weites und umfassendes Gestaltungsrecht
einzuräumen, wie sich aus verschiedenen - vom Landgericht im Einzelnen aufgeführten
Regelungen - in den §§ 7 und 15 der Teilungserklärung ergebe. Der Senat, der auch als
Rechtsbeschwerdegericht die Teilungserklärung eigenständig auslegen kann, schließt
sich dem an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden
Ausführungen des Landgerichts Bezug. Bei der Überschrift "gewerbliche Einheiten" zu
§ 7 Ziff. 3 der Teilungserklärung handelt es sich um eine sprachlich ungenaue
schlagwortartige Abgrenzung, mit der deutlich gemacht werde sollte, dass lediglich - wie
es sodann auch im eigentlichen Text heißt - Teileigentum i. S. d. § 1 Abs. 3 WEG zur
Bestellung von Sondernutzungsrechten berechtigen sollte, nicht aber auch
Wohnungseigentum i. S. d. § 1 Abs. 2 WEG.
3.
43
Potentielle, nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht
feststellbare, aber auch nicht auszuschließende gesundheitliche Risiken einer
Mobilfunkantennenanlage auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses für deren Bewohner
stehen einer etwaigen Duldungspflicht der Antragsgegner zu 1. nicht entgegen.
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Wegen der nach der Teilungserklärung ausdrücklich dem Sondernutzungsberechtigten
eingeräumten Möglichkeit die Dachfläche für "leistungsstarke Antennen" zu nutzen,
stellt sich vorliegend nicht die von dem OLG Hamm entschiedene Frage, ob für die
Errichtung einer Mobilfunkanlage die Zustimmung aller Wohnungseigentümer nach § 22
Abs. 1 WEG erforderlich ist, weil sich die Ungewissheit möglicher gesundheitlicher
Risiken als ein nach § 14 Nr. 1 WEG nicht hinzunehmender Nachteil darstellt (vgl. OLG
Hamm NZM 2002, 456 = ZMR 2002, 622 = OLGReport 2002, 317). Vielmehr ist durch
Auslegung zu ermitteln, ob die in der Teilungserklärung getroffene Regelung lediglich
eine Befreiung von der Zustimmungspflicht der Wohnungseigentümer für die in der
Errichtung der Anlage liegende optisch nachteilige bauliche Veränderung nach § 22
Abs. 1 WEG enthält oder ob von dem Ausschluss des Zustimmungserfordernisses auch
die mit dem Betrieb der Anlage verbundenen möglichern gesundheitlichen Nachteile
erfasst sind (vgl. BayObLG NZM 2002, 441 = ZMR 2002, 610; Senat NZM 2002, 612 =
ZMR 2002, 702). Letzteres ist vorliegend der Fall, so dass sich auch die Frage erübrigt,
wer die Feststellungslast dafür trägt, dass etwaige gesundheitliche Restrisiken einer
Mobilfunkantennenanlage, welche die in Anhang 1 zu § 2 der 26. BImSchV (Verordnung
über elektromagnetische Felder vom 16.12.1996 - BGBl I 1966 -) enthaltenen
Grenzwerte einhält, nach dem heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand mit den
Mitteln einer gerichtlichen Beweisaufnahme nicht aufklärbar sind (vgl. zu letzterem
BVerfG NZM 2002, 496 = ZMR 2002, 578).
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Unter Außerachtlassung des Umstandes, dass sich bereits vor der Begründung von
Wohnungseigentums auf dem Dach der Anlage eine Mobilfunkantennenanlage
befunden hat, und bei der aus Gründen der Grundbuchsicherheit gebotenen Auslegung
der Teilungserklärung "aus sich heraus" haben die Antragsgegner unabhängig von den
derzeit nicht aufklärbaren potentiellen gesundheitlichen Risiken elektromagnetischer
Felder die Anlage bereits dann zu dulden, wenn die Grenzwerte der 26. BImSchV
eingehalten sind. Vorliegend unterscheiden sich die in § 15 Ziff. 2 Abs. 2, 3 der
Teilungserklärung getroffenen Regelungen erheblich von denen, welche der
Entscheidung des BayObLG a. a. O. zugrunde lagen. Der sondernutzungsberechtigten
Antragstellerin ist nicht lediglich allgemein die Aufstellung von Antennen erlaubt.
Vielmehr kann sie "leistungsstarke" Anlagen aufbauen. Mit dieser Formulierung wurde
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zugleich eine Verknüpfung zum Betrieb der Anlage hergestellt, die mit deren äußerem
Erscheinungsbild, also dem Maßstab des § 22 Abs. 1 WEG nichts zu tun hat, sondern
deutlich macht, dass dem Berechtigten bezüglich der Leistungsfähigkeit der Anlage die
Möglichkeit eröffnet werden sollte, technische Potentiale auszuschöpfen. Des Weiteren
wurden für die Anlagen Maßstäbe und Grenzen vorgegeben, die sich nicht alleine im
baurechtlichen Beeich erschöpfen, sondern auch den Betrieb der Anlage mit
einbeziehen; denn sie hat neben den baurechtlichen Vorschriften allgemein den
anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen. Auch sollten Beeinträchtigungen der
übrigen Eigentümer/Bewohner nicht gänzlich, sondern nur "soweit wie möglich" zu
vermeiden sein. Damit sind Maßstab für eine etwaige Duldungspflicht nicht etwa nur die
allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen
Rechts (so etwa im Falle BayObLG a. a. O. u. NJW-RR 2001, 1456) bzw. § 14 Nr. 1
WEG (so im Falle OLG Hamm a. a. O.), sondern Regelungen in der Teilungserklärung
selbst. Das hierin enthaltene Abstellen auf den Stand der Technik und auf eine
Minimierung von Beeinträchtigungen für Miteigentümer bzw. Bewohner der Anlage, das
Restrisiken impliziert, erlaubt vorliegend den Schluss, dass sich die Befreiung von der
Zustimmungspflicht nicht nur auf die Errichtung von Antennenanlagen, sondern auch auf
deren Betrieb bezieht, sofern die öffentlich-rechtlichen Grenzwerte eingehalten sind und
die Anlage allgemein dem Stand der Technik entspricht.
4.
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Ob und inwieweit allerdings die Vorgaben eingehalten werden, ist nur in einem Punkt
zwischen den Parteien nicht im Streit, nämlich wegen der Einhaltung der Grenzwerte für
elektromagnetische Felder, wozu die Richtigkeit der insoweit von der
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post erteilten Standortbescheinigung
von den Antragsgegnern zu 1. nicht in Frage gestellt wird. Höchst streitig war es
indessen, bereits in erster Instanz und ist es weiterhin, ob die baurechtlichen
Vorschriften eingehalten sind, insbesondere ob es für die Erteilung der Anlage einer
Baugenehmigung bedarf und ob die vorgesehene Verlegung der Leitungen für die
Elektroversorgung der Anlage durch den Aufzugsschacht nach öffentlich-rechtlichen
Vorschriften (§ 39 BauONW, § 11 GSG, § 3 AufzugsVO Ziff. 208.1 Aufzugsrichtlinie)
nicht zulässig ist.
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Soweit insoweit in den Tatsacheninstanzen dieser Streit ausgeklammert und mit
Formulierungen im Tenor der ausgesprochenen Duldungsverpflichtungen wie "...soweit
diese öffentlich rechtlich genehmigt sind oder einer derartigen Genehmigung nicht
bedürfen" oder "soweit nach den anerkannten Regeln der Technik zulässig", sind die
Entscheidungen rechtsfehlerhaft. Zum einen geht es bei der Verlegung der Leitungen in
den Aufzugsschacht nicht darum, ob dies dem Stand der Technik entspricht, sondern
darum, ob dem öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Zum anderen und vor
allem haben die Antragsgegner zu 1. sich schon im Erstbeschwerdeverfahren zutreffend
darauf berufen, dass mit der "Soweit-Verpflichtung" eigentlich im Erkenntnisverfahren zu
prüfende und aufzuklärende Streitpunkte offen geblieben sind mit der Folge, dass der
Titel zu unbestimmt ist und keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Die Feststellung, ob
ein Anspruch besteht, hat im Erkenntnis- und nicht erst im Vollstreckungsverfahren zu
erfolgen (Zöller/Stöber, ZPO 23. Auflage, vor § 704 Rdn. 14). Aus dem Titel selbst
müssen sich daher unzweideutig Inhalt und Umfang des zu vollstreckenden Anspruchs
entnehmen lassen. Dies gilt insbesondere in dem hier gegebenen Fall eines
Duldungstitels, der gem. § 45 Abs. 3 WEG nach § 890 ZPO zu vollstrecken ist (vgl.
Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Auflage, vor §§ 704-
49
707 Rdn. 6, 8 u. § 890 Rdn. 12).
Die Antragsgegner zu 1. haben den Aufbau und den Betrieb der Anlage nur unter den in
der Teilungserklärung enthaltenen Voraussetzungen zu dulden. Sie muss also den
baurechtlichen Vorschriften und dem Stand der Technik entsprechen. Ob und inwieweit
der Fall ist, ist bereits im Erkenntnisverfahren festzustellen; denn ohne eine
entsprechende Feststellung besteht gerade keine Duldungspflicht und es kann
deswegen kein entsprechender Anspruch tituliert werden. Eine Verurteilung zur
Kaufpreiszahlung kann z. B. auch nicht unter Ausklammerung des entsprechenden
Streits der Parteien mit dem Zusatz erfolgen, "sofern zwischen den Parteien ein
Kaufvertrag zustande gekommen sein sollte", oder eine Verurteilung zur Zahlung von
Unterhalt nicht ergehen, sofern die Zahlung nur bei "ernsthaftem zielstrebigem Studium"
zu erfolgen hat (vgl. zu letzterem OLG Karlsruhe OLGReport 2002, 200 = IPrax 2002,
527 für einen entsprechenden ausländischem Titel).
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Solange also z. B. nicht festgestellt ist, ob die Kabelverlegung durch den
Aufzugsschacht zulässig ist oder nicht, können die Antragsgegner zu 1. nicht zur
Duldung verpflichtet werden. Die gleichwohl ergangene Verpflichtung ist nicht
vollstreckbar, weil im Verfahren nach § 890 ZPO nur schuldhafte Verstöße eines
Schuldners mit Ordnungsmitteln durchgesetzt werden können, er also vorwerfbar seiner
Duldungspflicht nicht nachgekommen sein muss (vgl. Schuschke a. a. O. § 890 Rdn.
25). Wenn aber nicht bereits im Erkenntnisverfahren festgestellt ist, ob die Anlage
baurechtlich zulässig ist bzw. dem Stand der Technik entspricht, kann den
Antragsgegnern auch kein Schuldvorwurf gemacht werden, wenn sie sich ihrer
Errichtung widersetzen. Der ergangene Titel hat deshalb wegen der fehlenden
Vollstreckbarkeit letztlich auch für die Antragstellerin keinen Wert.
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Die Sache war daher zur Klärung der bisher noch offenen Voraussetzungen für eine
Duldungspflicht der Antragsgegner zu 1. an das Landgericht zurückzuverweisen.
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III.
53
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens war wegen des
derzeit noch nicht absehbaren Verfahrensausgangs dem Landgericht vorzubehalten.
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Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 WEG und entspricht der
unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung des Landgerichts.
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