Urteil des OLG Köln vom 17.11.2008
OLG Köln: ordre public, zwangsvollstreckung, vollstreckbarerklärung, eugh, beschwerdefrist, erlass, vollstreckbarkeit, gegenpartei, täuschung, erschleichen
Oberlandesgericht Köln, 16 W 27/08
Datum:
17.11.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 W 27/08
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 11 O 247/08
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Landgerichts Aachen vom 17.07.2008 (11 O 247/08) wird
zurückgewiesen.
Gründe
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I.
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Die Antragstellerin hat Prozesskostenhilfe für eine Vollstreckungsgegenklage,
hilfsweise für eine Klage nach § 826 BGB auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung
aus einer ihrer Ansicht nach arglistig erschlichenen Entscheidung beantragt. Ihrem
Antrag, der in erster Instanz abgelehnt worden ist, liegt ein belgisches Zivilurteil des
Friedensgerichts Eupen zugrunde, mit dem sie zur Zahlung verurteilt wurde. Auf Antrag
der damaligen Klägerin hat das Landgericht Aachen diese Entscheidung für
vollstreckbar erklärt; dagegen hat die Antragstellerin keine Rechtsmittel eingelegt.
Nunmehr vollstreckt die damalige Klägerin in das Vermögen der Antragstellerin. Diese
behauptet, die Gläubigerin und frühere Klägerin habe das belgische Urteil durch falsche
Angaben über ein nicht mehr bestehendes Mietverhältnis erschlichen und sie, die
Antragstellerin, durch irreführende Erklärungen davon abgehalten, in dem Prozess ihre
Rechte geltend zu machen. Die Antragstellerin wendet sich mit der fristgemäß
eingelegten sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Prozesshilfegesuchs.
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II.
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Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolgt. Zu Recht hat das
Landgericht im Ergebnis die Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht
verweigert.
5
1.
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Soweit die Antragstellerin die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung
aus dem Urteil des Friedensgerichts Eupen vom 10.01.2007 iVm. dem Beschluss des
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Landgerichts Aachen vom 20.07.2007 begehrt, hat das Landgericht zutreffend darauf
abgestellt, dass die Antragstellerin nach Ablauf der Rechtsmittelfrist gegen den
Beschluss des Landgerichts Aachen vom 20.07.2007 zur Vollstreckbarerklärung mit
ihren Einwendungen ausgeschlossen ist, da die Gründe, auf denen ihre Einwendungen
beruhen, bereits vor Beginn des Vollstreckbarkeitsverfahrens vorlagen.
Zwar ist die von der Antragstellerin erstrebte Vollstreckungsgegenklage gemäß §§
14 AVAG, 767 ZPO grundsätzlich zulässig gegen einen Beschluss des Landgerichts zur
Vollstreckbarerklärung. Der Anwendungsbereich der EuGVVO ist auch eröffnet, weil es
sich bei der zugrunde liegenden Klage um eine Zivilsache handelte, die durch die
Wohnsitze der Parteien in zwei unterschiedlichen Mitgliedstaaten der EU, Belgien und
Deutschland, grenzüberschreitenden Bezug aufweist. Das Landgericht Aachen ist für
die Vollstreckungsgegenklage nach § 14 Abs. 2 AVAG zuständig, da es über die
Erteilung der Vollstreckungsklausel entschieden hat.
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Die von der Antragstellerin erhobenen Einwände zum arglistigen Erschleichen des
Titels vom 10.1.2007 sind jedoch nicht zuzulassen, da sie auf Gründen beruhen, die
nicht erst nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 14 Abs. 1 Nr. 1 AVAG entstanden sind.
Nach dieser Vorschrift sind für die Vollstreckungsgegenklage nur Einwände beachtlich,
die auf Gründen beruhen, die nach Ablauf der Beschwerdefrist im
Vollstreckbarerklärungsverfahren entstanden sind. Vorliegend werden indes Umstände
behauptet, die aufgrund des Verhaltens der Gegenpartei zum Erlass des
Versäumnisurteils vom 10.01.2007 geführt haben sollen. Damit kann die beabsichtigte
Vollstreckungsgegenklage wegen der Präklusionswirkung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 AVAG
keinen Erfolg haben.
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2.
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Hinsichtlich des Hilfsantrags, der auf Erhebung einer Klage nach § 826 BGB mit dem
Ziel der Unterlassung der Zwangsvollstreckung gerichtet ist, ist die Antragstellerin mit
ihrem Sachvortrag einer arglistigen Titelerschleichung in Bezug auf die Entscheidung
vom 10.1.2007 ebenfalls ausgeschlossen, weil sie diese Einwendungen nicht erst
anlässlich der Vollstreckung, sondern bereits im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen
die Zulassung der Zwangsvollstreckung hätte vorbringen müssen.
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Mit ihrem Vorbringen, das Urteil des belgischen Gerichts sei erschlichen, macht die
Antragstellerin in der Sache einen Verstoß gegen den ordre public des deutschen
Rechts in Zusammenhang mit der Entscheidung zur Vollstreckbarerklärung geltend.
Dieser Einwand ist allerdings in dem jetzigen Verfahrenstand, in dem bereits eine
bestandskräftige Vollstreckbarkeitsentscheidung gegen die Antragstellerin vorliegt, nicht
mehr zulässig. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 36 EuGVÜ (Brüssler
Übereinkommen vom 27. September 1968), der dem inzwischen für fast alle EU-Staaten
maßgeblichen Art. 43 EuGVVO (VO (EG) Nr. 44/2001) entspricht, kann eine Partei einen
stichhaltigen Grund, den sie im Rahmen der Beschwerde gegen die Zulassung der
Vollstreckung nach Art. 43 EuGVVO hätte vorbringen können, nicht mehr im Stadium
der Vollsteckung der Entscheidung geltend machen (vgl. EuGH v. 4.2.1988, NJW 1989,
663; zustimmend Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl.,
Art. 43 EuGVVO Rz.10,11). Der EuGH hat ausdrücklich entschieden, dass diese Regel
von den Gerichten des Vollstreckungsstaats von Amts wegen zu beachten ist. Auf dieser
Linie liegt auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Frage, ob der
Einwand des Verstosses gegen den deutschen ordre public wegen behaupteter
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Titelerschleichtung
noch
werden darf, wenn sich der Beschwerdeführer in dem Ausgangsverfahren nicht
eingelassen hat und seine Einwände erst mit dem Rechtsmittel gegen die
Vollstreckungszulassung geltend macht. Bei dieser Konstellation ist es nicht
unumstritten, ob der Schuldner mit der Beschwerde im Exequaturverfahren noch den
Einwand des Prozessbetrugs erheben kann oder ob er sich damit nicht schon gegen die
Erstentscheidung im Ausland hätte wehren müssen (vgl. zB. Hau, IPRax 2006, 20 ff).
Der BGH hat die Verteidigung des Rechtsmittelführers mit dem Hinweis auf einen
Prozessbetrug in diesen Fällen zugelassen (BGH v. 6.5.2004, NJW 2004, 2386). Dem
Gesamtzusammenhang der Entscheidung ist allerdings zu entnehmen, dass der
Beschwerdeführer/Schuldner seine Einwände gegen den ausländischen Titel, soweit
sie bei dessen Erlass schon vorlagen, dann auch
spätestens
Zulassung der Vollstreckung nach Art. 38 ff EuGVVO vorzubringen hat (so auch
Geimer,a.a.O.). Auf die – auch wegen § 12 Abs. 1 AVAG bisher ungeklärte – Frage, ob
nur sog. liquide Einwendungen im Verfahren der Vollstreckbarerklärung zuzulassen
sind (dazu zusammenfassend Thomas-Putzo/ Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., Art. 45 EuGVVO
Rz. 3), kommt es hier nicht an. Der Einwand der Titelerschleichung (als
Anerkennungshindernis nach Art. 34 Nr. 1 EuGVVO) ist im
Vollstreckbarerklärungsverfahren grundsätzlich zulässig und vom Beschwerdegericht zu
beachten (vgl. BGH v. 6.2.2004, a.a.O.; OLG Zweibrücken v. 19.9.2005, NJW-RR 2006,
207). Die Antragstellerin hat indes diesen an sich zulässigen Einwand gegen die
Zulassung der Vollstreckung nicht erhoben, vielmehr keinen Rechtsbehelf eingelegt und
ist nunmehr nach bestandskräftiger Entscheidung zur Vollstreckbarkeit des
ausländischen Titels mit ihrem Vorbringen ausgeschlossen.
Sofern daneben auch ein arglistiges Titelerschleichen hinsichtlich des Beschlusses des
Landgerichts Aachen vom 20.7.2007 in Betracht kommen könnte, fehlt hierzu ein
konkreter Sachvortrag. Aus dem Vorbringen der Antragstellerin sind keine
Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die frühere Klägerin sich ihr gegenüber auch im
Verfahren der Zulassung der Zwangsvollstreckung arglistig verhalten haben könnte. Der
Sachvortrag zu einer etwaigen vorsätzlichen Täuschung bezieht sich ausschließlich auf
das Verfahren vor dem Friedensgericht Eupen.
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Nach alledem können die beabsichtigte Vollstreckungsgegenklage sowie die hilfsweise
erstrebte Klage wegen Titelerschleichung aus rechtlichen Gründen keinen Erfolg haben.
Damit bleibt es bei der Ablehnung der beantragten Prozesskostenhilfe.
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Eine Kostenentscheidung ist wegen § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.
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