Urteil des OLG Köln vom 09.02.1994
OLG Köln (gesellschaft, glaubhaftmachung, löschung, beschwerde, betrag, frist, annahme, meinung, gläubiger, gerichtskosten)
Oberlandesgericht Köln, 2 Wx 48/93
Datum:
09.02.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Wx 48/93
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 87 T 47/93
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den
Beschluß der
7. Kammer für Handelssachen des
Landgerichts Köln vom 05.11.1993 - 87 T 47/93 - wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Gründe:
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Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 Abs. 1 FGG) und auch im übrigen
zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt worden (§§ 22 Abs. 1, 29, 141 Abs. 3 FGG,
§ 2 Abs. 2 Satz 3 LöschG).
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In der Sache hat das Rechtmittel keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluß des
Amtsgerichts, durch den der Widerspruch der Betroffenen gegen die Bekanntmachung
der Löschungsabsicht gemäß § 2 Abs. 1, 2 LöschG zurückgewiesen worden ist, zu
Recht für unbegründet gehalten.
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1) Das Verfahren des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Löschungsabsicht ist
der Gesellschaft, nachdem diese in drei aufeinanderfolgenden Jahren (1989, 1990,
1991) der Pflicht aus den §§ 325 Abs. 2, 326 HGB, die Bilanzen nebst Anhang beim
Handelsregister einzureichen, nicht nachgekommen war, ordnungsgemäß durch
Zustellung an den Geschäftsführer bekannt gemacht worden. Zugleich ist sie auf die
Frist von sechs Monaten (§ 2 Abs. 1 Satz 2 LöschG) zur Einreichung der Unterlagen
oder zur Glaubhaftmachung, daß die Gesellschaft Vermögen besitzt, hingewiesen
worden. Zur Geltendmachung des Widerspruchs ist eine Frist von sieben Monaten
gesetzt worden.
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2) Die Bilanzen sind innerhalb der Frist von sechs Monaten nicht vorgelegt worden. Ihre
Nachreichung im Verfahren der weiteren Beschwerde ist schon deshalb unbeachtlich,
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weil dies als Rechtsbeschwerdeverfahren ausgestaltet, mithin auf die Überprüfung der
vom Landgericht festgestellten Tatsachen beschränkt ist; auf neue Tatsachen kann die
weitere Beschwerde nicht gestützt werden (§§ 27 FGG, 550, 561 ZPO). Im übrigen kann
die Löschung nach Fristablauf nicht mehr durch bloße Vorlage der Bilanzen verhindert
werden, sondern nur noch dadurch, daß glaubhaft gemacht wird, daß die Gesellschaft
Vermögen besitzt (Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., Anh § 60 Rn. 23;
Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 7. Aufl., Anh. § 60 Rn. 12; abweichend
Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 15. Aufl., Anh § 60 Rn. 8 e;
Keidel/Schmitz/Stöber, Registerrecht, 5. Aufl., Rn. 86).
3) Die Annahme des Landgerichts, es sei nicht glaubhaft gemacht, daß die Gesellschaft
Vermögen besitzt, ist aus Rechtsgründen im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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a) Allerdings kann der Ansicht des Landgerichts nicht gefolgt werden, nach Ablauf der
Sechsmonatsfrist sei eine Glaubhaftmachung, daß die Gesellschaft Vermögen besitzt,
nicht mehr möglich. Die gegenteilige Meinung, daß die Glaubhaftmachung bis zur
Eintragung der Löschung nachgeholt werden kann, wird nicht nur von einigen Autoren
vertreten, sondern entspricht ganz herrschender Meinung (vgl. etwa OLG Celle NJW-RR
1992, 545 = GmbHR 1992, 53; LG Arnsberg GmbHR 1991, 426; LG Aurich GmbHR
1992, 679; LG Gießen GmbHR 1992, 54; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh a.a.O.;
Hachenburg/Ulmer a.a.O.; Keidel/Schmitz/Stöber a.a.O.; Scholz/Karsten Schmidt a.a.O).
Dem ist zu folgen. Zweck der mit § 2 Abs. 1 LöschG geschaffenen Möglichkeit der
Löschung vermögensloser Kapitalgesellschaften ist nämlich lediglich, lebensunfähige
Unternehmungen aus dem Rechtsleben auszuschalten und den Rechtsverkehr vor
Geschäftsbeziehungen zu Scheinfirmen zu schützen. An diesem Gesetzeszweck hat
sich durch § 2 Abs. 1 Satz 2 LöschG in der Fassung des Art. 9 des
Bilanzrichtliniengesetzes vom 19.12.1985 (BGBl. I 2355) nichts geändert. Hier ist die
Verletzung der Publizitätspflichten nicht Grund der Amtslöschung, sondern nur ihr Anlaß
("Aufgreiftatbestand"), weil nunmehr die Vermögenslosigkeit vermutet wird (vgl. OLG
Celle a.a.O.; LG Arnsberg a.a.O.; LG Aurich a.a.O.; LG Gießen a.a.O.;
Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh a.a.O.; Hachenburg/Ulmer a.a.O.;
Keidel/Schmitz/Stöber a.a.O.; Scholz/Karsten Schmidt a.a.O). Deshalb muß von der
Löschung abgesehen werden, wenn noch rechtzeitig glaubhaft gemacht wird, daß die
Gesellschaft nicht vermögenslos ist.
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b) Nicht zu beanstanden ist aber die hilfsweise vom Landgericht angestellte Erwägung,
daß jedenfalls nicht glaubhaft gemacht sei, daß die Gesellschaft Vermögen besitzt.
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Für die Glaubhaftmachung kommt es zeitlich auf den jeweiligen Vermögensstand bis
zur tatsächlichen Löschung an (vgl. Hachenburg/Ulmer a.a.O. Rn. 19). Denn die aus § 2
Abs. 1 Satz 2 LöschG folgende Vermutung der Vermögenslosigkeit kann nur entkräftet
sein, wenn glaubhaft gemacht ist, daß die Gesellschaft zum Jetztzeitpunkt Vermögen
besitzt und die Löschung deshalb nicht gerechtfertigt ist. Darauf, ob die Gesellschaft in
dem Zeitraum, für den die Publizitätspflicht verletzt worden ist, Vermögen hatte, kann es
nicht ankommen. Auf diesen Gesichtspunkt ist die Beschwerdeführerin auch schon in
dem angefochtenen Beschluß des Amtsgerichts hingewiesen worden. Ohne
Rechtsfehler hat das Landgericht deshalb die zu den Akten gereichten Erklärungen,
welche die Vermögenslage der Gesellschaft bis einschließlich 1991 betreffen, als zur
Glaubhaftmachung ungeeignet angesehen.
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Allerdings hat das Landgericht den mit Schreiben der Gesellschaft vom 26.08.1993
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vorgelegten Kontoauszug vom 19.08.1993 und die Saldoanzeige vom 24.08.1993,
welche beide einen Habensaldo per 18.08.1993 von 523,80 DM ausweisen, bei der
Würdigung des Vorbringens der Beschwerdeführerin mit der Begründung
unberücksichtigt gelassen, die Angaben bezögen sich auf einen Zeitpunkt nach Ablauf
der Sechsmonatsfrist. Dies ist, wie oben unter a) ausgeführt, rechtsfehlerhaft.
Gleichwohl muß die angefochtene Entscheidung nicht aufgehoben werden. Da das
Landgericht aufgrund seiner rechtlichen Sicht eine Würdigung des Beweiswertes der
Kontoauszüge unterlassen hat, kann der Senat diese selbst nachholen.
Nach Ansicht des Senats ist ein ohne nähere Erläuterungen vorgelegter Bankauszug,
der einen Habensaldo von 523,80 DM ausweist, zur Glaubhaftmachung, daß die
Gesellschaft über Vermögen verfügt, offensichtlich ungeeignet. Vermögen im Sinne des
Löschungsgesetzes sind Werte, die ein ordentlicher Kaufmann noch als Aktiva in die
Bilanz einstellt, wobei jeder zugunsten der Gläubiger verwertbare Aktivposten ausreicht
und bereits das Vorhandensein von Vermögen in geringem Umfang der Annahme der
Vermögenslosigkeit entgegensteht (vgl. etwa OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 1451, 1452
= GmbHR 1992, 618, 619; OLG Hamm GmbHR 1993, 295, 298; Baumbach/Hueck
a.a.O. Rn. 2; Scholz/Karsten Schmidt a.a.O. Rn. 11 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Für die Glaubhaftmachung eines solchen Sachverhalts kann die Vorlage eines
Bankauszuges über ein nicht völlig unbedeutendes Gesellschaftsguthaben (vgl. OLG
Frankfurt a.a.O.; OLG Düsseldorf Rpfleger 1994, 69; Baumbach/Hueck a.a.O. Rn. 8 f;
vgl. auch LG Lüneburg GmbHR 1992, 312) oder die Vorlage eines aktuellen
Verrechnungsschecks über einen nicht unerheblichen Betrag (vgl. LG Aurich GmbHR
1992, 679) ausreichend sein. Die kommentarlose Vorlage eines Bankauszuges über
einen Betrag von etwa 500,00 DM ist indes zur Glaubhaftmachung ersichtlich
ungeeignet, weil es sich weder um einen im Geschäftsleben bedeutsamen Betrag
handelt, noch ersichtlich ist, ob der Betrag zu aktivieren wäre und gegebenenfalls als
Zugriffs- und Verteilungsmasse für die Gläubiger zur Verfügung stünde. Es sind
zahlreiche Möglichkeiten denkbar, warum das Konto einer vermögenslosen
Gesellschaft kurzfristig einen geringen Habenbetrag ausweisen kann (insbesondere
durch kurzfristige Umbuchungen der Gesellschafter o.a.).
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4) Die weitere Beschwerde muß dem gemäß zurückgewiesen werden. Die
Beschwerdeführerin kann die Löschung nur dann verhindern, wenn sie die bisher
fehlende Glaubhaftmachung bis dahin nachholt. Dies müßte vom Registergericht auch
noch nach rechtskräftiger Zurückweisung des Widerspruchs berücksichtigt werden (vgl.
OLG Celle a.a.O. und die weiteren Nachweise oben 3 a).
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt, da ein Beschwerdegegner nicht
vorhanden ist und die Gerichtskosten von Gesetzes wegen zu erheben sind (§ 131
KostO).
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Beschwerdewert: 3.000,00 DM (vgl. §§ 26 Abs. 3, 88 KostO).
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