Urteil des OLG Köln vom 20.05.1998

OLG Köln (treu und glauben, fenster, veränderung, beschwerde, wohnung, zustimmung, einbau, verwirkung, annahme, funktion)

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 8o/98
Datum:
20.05.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 8o/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 T 34o/97
Tenor:
Die weitere sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den
Beschluß des Landgerichts Köln vom 1o.3.98 - 29 T 34o/97 - wird
zurückgewiesen. Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfah- rens
und auch die den Beteiligten zu 1) darin erwachsenen
außergerichtlichen Kosten werden den Beteiligten zu 2) auferlegt. Der
Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdever- fahren wird auf 3.ooo,--
DM festgesetzt.
GRÜNDE
1
Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer der eingangs genannten und 18 Wohnungen
umfassenden Wohnanlage. Die von den Antragsgegnern im Jahre 1995 erworbene
Eigentumswohnung (1-Zimmerappartement) verfügt über ein Küchenfenster, das
undurchsichtig verglast ist und ursprünglich feststehend war, nunmehr aber mit einer
Kipp- und Drehfunktion ausgestattet ist. Der Voreigentümerin der Antragsgegner war in
der Eigentümerversammlung vom 16.5.84 durch einstimmigen Be-schluß gestattet
worden, das feststehende Küchenfenster in ein "Kippfenster" umzubauen (Bl. 43 GA).
Der Umbau erfolgte 1984/1985, und zwar wurde das Fenster gegen ein solches nicht
nur mit Kipp- sondern mit Kipp- und Drehfunktion ausgewechselt. Das hat zur Folge,
daß die gegenüberliegenden Terrassenwohnungen und insbesondere die Terrasse der
Wohnung der Antragstellerin einsehbar werden, wenn das Fenster nicht nur gekippt,
sondern mit der Drehfunktion geöffnet wird.
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Im Jahre 1996 beantragte die Beteiligte zu 1) die Verpflichtung der Beteiligten zu 2), das
Küchenfenster so umzubauen, daß die Drehfunktion entfällt und es mithin lediglich die
Kippfunktion hat, hilfsweise den Beteiligten zu 2) zu untersagen, das Fenster über die
Kippfunktion hinaus zu öffnen. Das Amtsgericht hat nach Beweisaufnahme dem dann
nur noch gestellten Hilfsantrag entsprochen. Das Landgericht hat durch den
angefochtenen Beschluß die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) mit der
Maßgabe zurückgewiesen, daß das Fenster auch mit der Drehfunktion, aber nur zum
Zwecke des Putzens geöffnet werden dürfe. Gegen den fehlerhaft dem - im
Beschwerdeverfahren nicht mandatierten - Verfahrensbevollmächtigten I. Instanz
zugestellten Beschluß richtet sich die weitere sofortige Beschwerde der Beteiligten zu
2), mit der sie nach wie vor die Abweisung des Antrags verfolgen.
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Die form- und fristgerecht eingelegte weitere sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 43
Abs.1 Nr. 1, 45 Abs.1 WEG, 2o, 22 Abs.1, 27, 29 FGG). In der Sache hat sie keinen
Erfolg.
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Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind aus Rechtsgründen - was allein Gegenstand
der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren sein kann (§ 27 FGG) - nicht zu
beanstanden.
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1) Mit Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die seinerzeitige
Auswechselung des Fensters eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen
Eigentums i.S. des § 22 Abs. 1 WEG darstellt, die nur mit der Zustimmung der übrigen
Wohnungseigentümer zulässig war.
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a) Entgegen der Ansicht der Antragsgegner ist für die Beurteilung der Frage, ob die
vorgenannte bauliche Veränderung vorliegt, nicht zu prüfen, ob die veränderte
Ausführung, d.h. der Einbau des Dreh- und Kippfensters anstelle des genehmigten
Kippfensters eine bauliche Veränderung darstellt. Die die bauliche Veränderung
darstellende Baumaßnahme ist ersichtlich die Auswechselung des unstreitig zum
gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Außenfensters, ganz unabhängig davon, ob
ein Kipp- oder ein Kipp-/Dreh-Fenster eingebaut wurde. Unter einer baulichen
Veränderung ist jede Veränderung des Gemeinschaftseigentums zu verstehen, die von
dem im Aufteilungsplan vorgesehenen oder früheren Bauzustand des Gebäudes nach
Fertigstellung abweicht und über eine ordnungsgemäße Instandhaltung oder
Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht (vgl.
Bärmann/Pick/Merle WEG Rdnr.6 mwN; Weitnauer/Lüke WEG § 22 Rdnr. 6 mwN). Da
das streitige Fenster ursprünglich als feststehendes, nicht zu öffnendes Küchenfenster
geplant und erstellt worden war, liegt mithin im Austausch gegen das nun bewegliche
Fenster eine bauliche Umgestaltung des Gemeinschaftseigentums, die nicht zugleich
eine Instandsetzungsmaßnahme darstellt.
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b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer haben die Vorinstanzen auch mit
Recht angenommen, daß die konkrete Umgestaltungsmaßnahme die Antragstellerin
nicht nur unerheblich beeinträcht und deshalb ihrer Zustimmung bedurft hätte.
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Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 S. 2 WEG liegen nicht vor. Nach dieser
Bestimmung müssen einzelne Wohnungseigentümer baulich verändernde Maßnahmen
nur dulden, wenn ihnen dadurch kein Nachteil erwächst, der über das bei einem
geordneten Zusammenleben unvermeidlichen Maß hinausgeht (§ 14 Nr.1 WEG).
Maßgebend ist danach, ob dem Wohnungseigentümer durch die Maßnahme in
vermeidbarer Weise ein Nachteil erwächst, worunter jede nicht ganz unerhebliche
Beeinträchtigung fällt (vgl. BGH NJW 92, 979 mwN). Im Streitfall liegt auf der Hand, daß
der Einbau des Dreh-/Kippfensters die Antragstellerin - wie die Vorinstanzen zutreffend
ausgeführt haben - nicht unerheblich benachteiligen kann, weil nunmehr das Fenster so
zu öffnen ist, daß ihre Wohnung und insbesondere die Terrasse einzusehen ist. Das
feststehende, undurchsichtig verglaste Küchenfenster hatte ersichtlich die Funktion,
solches von vorneherein auszuschließen und die gegenüberliegenden
Terrassenwohnungen vor der Einsichtnahme aus dieser Wohnung zu schützen. Die
Aufhebung dieser Funktion des Fensters begründet mithin eine nicht hinzunehmende
Benachteiligung der Antragstellerin. Ob und inwieweit eine Belüftung der Wohnung nur
durch ein Kippfenster - wie die Antragsgegner geltend machen - unzureichend ist, kann
dahinstehen, denn es bleibt in diesem Zusammenhang unerheblich.
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2) Rechtsfehlerfrei ist ferner die Feststellung der Vorinstanzen, daß die übrigen
Wohnungseigentümer der Rechtsvorgängerin der Antragsgegner ihre Zustimmung zum
Einbau nur eines Kipp- und nicht des Dreh-/Kippfensters erteilt hatten. Dagegen wendet
sich die Rechtsbeschwerde auch nicht mehr.
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3) Ebensowenig aus Rechtsgründen zu beanstanden ist die Annahme der Voristanzen,
daß dem Verlangen der Antragstellerin gemäß §§ 1oo4 BGB i.V.m. § 22 Abs. 1 WEG
nicht mit Erfolg der Einwand der Verwirkung entgegengehalten werden kann.
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Der Störungsbeseitigungsanspruch ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer
nicht im Hinblick darauf, daß er nach mehr als 1o Jahren erstmals geltend gemacht wird,
wegen Verwirkung oder Rechtsmißbrauchs ausgeschlossen. Damit ein Anspruch
verwirkt ist, müssen zu dem "Zeitmoment" anerkanntermaßen besondere Umstände
hinzutreten, aufgrund derer die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben
verstößt, so wenn der Anspruchsgegner nach den positiven Handlungen und
Äußerungen des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dieser werde seinen Anspruch
auch in Zukunft nicht mehr geltendmachen (vgl. etwa Senat in WE 97, 431; BayObLG
WuM 97, 19o). Den Nachweis solcher Umstände hat das Landgericht rechtsirrtumsfrei
verneint. Auf die diesbezüglichen Feststellungen wird verwiesen, gegen die Einwände
nicht erhoben sind. Damit fehlen auch begründete Anhaltspunkte für die Annahme eines
Rechtsmißbrauchs.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, den
unterlegenen Beteiligten zu 2) die Gerichtskosten des Verfahrens dritter Instanz
aufzuerlegen. Darüberhinaus ist auch die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher
Kosten gerechtfertigt, denn angesichts der bereits von den Vorinstanzen aufgezeigten
eindeutigen Sach- und Rechtslage wäre es unbillig, die Rechtsbeschwerdegegnerin
insoweit mit Kosten zu belasten.
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Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.
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