Urteil des OLG Köln vom 17.08.1998

OLG Köln (morbus bechterew, arzneimittel, anwendungsbereich, parteigutachten, behandlung, glaubhaftmachung, anlage, verfügung, ergebnis, gutachten)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 52/98
Datum:
17.08.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 52/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 991/97
Schlagworte:
Anwendungsbereich bei Arzneimitteln
Normen:
UWG § 1; AMG §§ 21 ff, 29, 105; AMNG Art. 3 § 7
Leitsätze:
1. Der Begriff "Anwendungsbereich" i.S. von Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr.
5 AMNG / § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG ist nicht deckungsgleich mit
den Begriffen "Anwendungsgebiet" oder "Indikation"; er umfaßt auch
eng benachbarte und verwandte Anwendungsgebiete. Als
Anwendungsbereich kann auch ein mehrere Indikationen umfassendes
übergeordnetes Krankheitsbild in Betracht kommen. 2. Die für das D-
glucosaminsulfathaltige Arzneimittel "Progona" gewählten
Anwendungsgebiete "Minderung von Schmerz und Verbesserung der
Funktion bei leichter bis mittelschwerer Kniegelenkarthrose" umfassen
grundsätzlich die für das oxphenbutazonhaltige Vorgängerprodukt
("Altpräparat") "Californit" angegebenen Indikationen "akute Schübe von
spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew), akute Schübe der
Polyarthritis und Gichtanfälle". 3. Zur Frage der Glaubhaftmachung der
Veränderung der Anwendungsbereiche eines Arzneimittels bei
Austausch des arzneilich wirksamen Bestandteils eines sog.
"Altpräparates" in Anpassung an eine Aufbereitungsmonographie.
Tenor:
Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 5. März 1998 verkündete
Urteil der 31. Zivilkam-mer des Landgerichts Köln - 31 O 991/97 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die An-
tragstellerin zu tragen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige Berufung der
Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.
2
Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil den Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung unter gleichzeitiger Aufhebung der zunächst im Beschlußweg
erlassenen einstweiligen Verfügung abgewiesen.
3
Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die gemäß § 25 UWG für den Verfügungsgrund
der Dringlichkeit sprechende Vermutung im Streitfall etwa deshalb widerlegt ist, weil die
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Antragstellerin trotz angeblicher Kenntnis der angegriffenen Verletzungshandlung mit
der Aufnahme der Rechtsverfolgung zu lange gewartet, mithin die nach Maßgabe der
vorbezeichneten Dringlichkeitsvermutung grundsätzlich anzunehmende Eilbedürftigkeit
des Rechtsschutzersuchens selbst widerlegt hat. Das kann hier deshalb offenbleiben,
weil es sich bei dem Verfügungsgrund der Dringlichkeit um eine besondere Ausprägung
des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses handelt, dessen Fehlen nur einer
zusprechenden Entscheidung entgegensteht und dessen Vorhandensein daher
unentschieden bleiben kann, wenn sich der Verfügungsantrag aus ohne weiteres
ersichtlichen anderen Gründen - auch materieller Art - als unberechtigt erweist (vgl. BGH
NJW 1978, 2032; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, 54. Kap.,
Rdn. 15 m.w.N.). So liegt der Fall hier.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist jedenfalls unbegründet. Der
Antragstellerin ist die Glaubhaftmachung der Voraussetzungen ihres unter dem
Gesichtspunkt des § 1 UWG wegen angeblichen Inverkehrbringens eines entgegen den
Bestimmungen der §§ 21 ff, 29 Abs. 3 AMG nicht zugelassenen Arzneimittels geltend
gemachten Unterlassungsbegehrens nicht in einer für den Erlaß bzw. die
Aufrechterhaltung der erstrebten einstweiligen Verfügung ausreichenden Weise
gelungen.
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Der auf den vorbezeichneten Aspekt des "Rechtsbruchs" gestützte
Unterlassungsanspruch der Antragstellerin gemäß § 1 UWG setzt im Streitfall voraus,
daß das Arzneimittel "Progona" der Antragsgegnerinnen tatsächlich unter Verstoß
gegen die §§ 21 ff, 29 Abs. 3 AMG i.V. mit der der Bestimmung des § 105 Abs. 3 a Satz
2 Nr. 5 AMG wortgleichen Regelung des Artikel 3 § 7 Abs. 3 a Satz 2 Nr. 5 AMNG ohne
die erforderliche Zulassung in den Verkehr gebracht worden ist. Da das den Wirkstoff D-
Glucosaminsulfat enthaltende Monopräparat "Progona" gegen Austausch der in dem
fiktiv zugelassenen Alt-Arzneimittel "Californit" enthaltenen einzigen arzneilichen
Wirksubstanz Oxyphenbutazon unter Anpassung an die vom damaligen
Bundesgesundheitsamt am 05.06.1992 veröffentlichte Aufbereitsungsmonographie "D-
Glucosamin" entstanden ist, können die Antragsgegnerinnen für ihr solcherart aus dem
Alt-Arzneimittel "Californit" hervorgegangenes Präparat nur dann wiederum die fiktive
Zulassung von "Californit" in Anspruch nehmen, wenn die Voraussetzungen des Art. 3 §
7 Abs. 3 a Satz 2 Nr. 5 AMNG bzw. der diesem entsprechenden Bestimmung des § 105
Abs. 3 a Satz 2 Nr. 5 AMG i.d.F. des 5. ÄnderungsG vom 19.10.1994 (BGBl I, 3018 ff)
gewahrt sind.
6
Danach darf ein Fertigarzneimittel abweichend von dem in § 29 Abs. 3 Nr. 1 AMG bei
Änderung der Art oder Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile an sich
vorgesehenen Neuzulassungserfordernis u.a. mit einem der Art nach geänderten
arzneilich wirksamen Bestandteil innerhalb des gleichen Anwendungsbereichs und der
gleichen Therapierichtung auch ohne Neu- bzw. Nachzulassung in den Verkehr
gebracht werden, wenn das Arzneimittel insgesamt u.a. einer nach Maßgabe von § 25
Abs. 7 Satz 1 AMG erstellten und bekanntgemachten sog. Aufbereitungsmonographie
angepaßt und durch die Anpassung nicht verschreibungspflichtig wird. Daß das
verfahrensgegenständliche, unstreitig nicht der Verschreibungspflicht unterworfene
Arzneimittel "Progona" der Antragsgegnerinnen unter Einhaltung der formalen
Anforderungen an die oben erwähnte, unter dem Datum des 05.06.1992 im
Bundesanzeiger veröffentlichte Aufbereitungsmonographie "D-Glucosamin" des
Bundesgesundheitsamtes (BGA) angepaßt wurde, wird - nachdem die
Antragsgegnerinnen den fristgerechten Eingang der Änderungsanzeige vom 12.08.1994
7
beim damaligen BGA durch Vorlage des Rückscheins sowie der weiteren
Korrespondenz belegt haben (Anlagen 7, 8, 9 und 10 zum Schriftsatz der
Antragsgegnerinnen vom 10.02.1998) - von der Antragstellerin nicht mehr in Abrede
gestellt. Unstreitig ist ebenfalls, daß das Arzneimittel "Progona" im Hinblick auf die in
der erwähnten Aufbereitungsmonographie "D-Glucosamin" angegebenen
Anwendungsgebiete deren Vorgaben entspricht und daß das geänderte Arzneimittel
"Progona" in der "gleichen Therapierichtung" liegt, wie sein Vorgängerprodukt
"Californit", aus dem es hervorgegangen ist. Streitig ist allein die Frage, ob das
geänderte Arzneimittel "Progona" sich innerhalb des gleichen Anwendungsbereichs wie
sein - fiktiv zugelassenes - Vorgängerprodukt bewegt. Daß letzteres nicht der Fall sei
und "Progona" sich daher nicht an die fiktive Zulassung seines Vorgängerpräparates
"anhängen" kann, sondern der eigenen, jedoch unzweifelhaft nicht vorliegenden
Zulassung bedarf, vermochte die Antragstellerin jedoch auch unter Berücksichtigung der
in der Berufung ergänzend vorgelegten weiteren Unterlagen und Parteigutachten nicht
hinreichend glaubhaft zu machen.
Zu Recht weist die Antragstellerin im Ansatz allerdings darauf hin, daß die Frage, ob
das geänderte Arzneimittel sich innerhalb des "gleichen Anwendungsbereichs" bewegt,
nicht an das ursprüngliche, im Jahre 1976 registrierte Vorgängerprodukt "Imbun"
anzuknüpfen hat, welches als Anwendungsgebiete u.a. "entzündlicher und
degenerativer Rheumatismus wie primär chronische Polyarthritis, Arthrosen,
Spondylosen, Myalgien ..." aufwies. Gegenüberzustellen und im Hinblick auf die
Anwendungsbereiche zu beurteilen sind vielmehr das Arzneimittel im Zeitpunkt der
Vornahme der Änderung, hier konkret der Änderungsanzeige vom 12.08.1994, sowie
das sodann hieraus hervorgegangene geänderte Arzneimittel. Im Streitfall bedeutet dies
aber, daß der Anwendungsbereich des für die Anwendungsgebiete "akute Schübe von
Morbus Bechterew, akute Schübe der Polyarthritis und Gichtanfälle" indizierten, die
arzneiliche Wirksubstanz Oxyphenbutazon aufweisenden Arzneimittels "Californit" zu
vergleichen ist mit dem Anwendungsbereich des die Anwendungsgebiete "zur
Minderung von Schmerz und Verbesserung der Funktion bei leichter bis mittelschwerer
Kniegelenksarthrose" angebenden D-glucosaminsulfathaltigen Monopräparats
"Progona". Daß die Anwendungsgebiete dieser beiden Arzneimittel nicht im "gleichen
Anwendungsbereich" i.S. von Art. 3 § 7 Abs. 3 a Satz 2 Nr. 5 AMNG/§ 105 Abs. 3 a Satz
2 Nr. 5 AMG liegen, ist im vorliegenden summarischen Verfahren der einstweiligen
Verfügung jedoch nicht in einer zur Überzeugung des erkennenden Senats
ausreichenden Weise glaubhaft gemacht.
8
Der in der erwähnten gesetzlichen Bestimmung gebrauchte Begriff
"Anwendungsbereich" deckt sich nicht mit den Begriffen "Anwendungsgebiet" oder
"Indikation". Er ist vielmehr weiter gefaßt und soll nicht nur ein einzelnes konkret
formuliertes Anwendungsgebiet, sondern auch eng benachbarte und verwandte
Anwendungsgebiete mitumfassen. Als Anwendungsbereich kann daher auch ein
mehrere Indikationen umfassendes übergeordnetes Krankheitsbild verstanden werden
(Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Anm. 33 und 26 zu § 105 AMG m.w.N.). Folgerichtig
heißt es daher in der u.a. zu Art. 3 § 7 Abs. 3 a Satz 2 Nr. 5 AMNG erlassenen 6.
Bekanntmachung des damaligen BGA vom 23.10.1990, daß bei der Beurteilung, ob
eine Änderung i.S. der vorbezeichneten Vorschrift im bisherigen Anwendungsbereich
des Arzneimittels erfolgt, darauf abzustellen ist, ob die gewählten Indikationsangaben
mit den bisherigen Indikationsangaben nahe verwandt sind und ob das Arzneimittel
weiterhin im wesentlichen der Behandlung der gleichen Grunderkrankung dient (vgl.
Abschnitt A. Ziff. 3 lit. b) aa) der Bekanntmachung).
9
Weder nach den in erster Instanz vorgelegten, noch nach den mit ihrer Berufung sodann
zu den Akten gereichten weiteren gutachterlichen Stellungnahmen und Unterlagen hat
die Antragstellerin jedoch glaubhaft machen können, daß für die das D-
glucosaminsulfathaltige Arzneimittel "Progona" gewählten Anwendungsgebiete "zur
Minderung von Schmerz und Verbesserung der Funktion bei leichter bis mittelschwerer
Kniegelenksarthrose" mit den bisherigen Indikationsangaben des
oxyphenbutazonhaltigen Vorgängerprodukts "Californit", nämlich zuletzt "akute Schübe
von spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew), akute Schübe der Polyarthritis und
Gichtanfälle" nicht i.S. der vorstehenden Definitionen zumindest nahe verwandt sind
und nicht weiterhin im wesentlichen der Behandlung der gleichen Grunderkrankung
dienen.
10
Was das von der Antragstellerin bereits in erster Instanz als Mittel der
Glaubhaftmachung vorgelegte Schreiben des BfArM vom 19.12.1996 (Bl. 51 d.A.)
angeht, so gilt das bereits deshalb, weil der genaue Anlaß und Hintergrund dieser sich
nicht mit den streitgegenständlichen Arzneimitteln, sondern mit Drittprodukten
befassenden Mitteilung unklar geblieben ist. Bei der durch die Antragstellerin
vorgenommenen Bewertung dieses Schreibens, wonach dieses angeblich die
Einschätzung des BfArM belege, daß die dem arzneilichen Wirkstoff Oxyphenbutazon
stoffidentische Substanz Phenylbutazon bzw. ein diese arzneilich wirksamen
Bestandteile aufweisendes Monopräparat nicht im gleichen Anwendungsbereich liege
wie ein die Substanz D-Glucosamin enthaltendes Arzneimittel, handelt es sich daher
letztlich um Schlußfolgerungen, deren tatsächliche Grundlagen sich der zuverlässigen
Beurteilungsmöglichkeit des Senats entziehen.
11
Das ferner erstinstanzlich von der Antragstellerin vorgelegte Parteigutachten des
Priv.Doz. Dr. Med. B. (AS 26 = 133 - 136 d.A.) gelangt zwar zu dem Ergebnis, daß die
Anwendungsbereiche von Oxyphenbutazon und D-Glucosamin nicht gleich seien und
daß das geänderte Arzneimittel auch nicht der Behandlung der gleichen
Grunderkrankung diene. Aus den vom Landgericht in den Entscheidungsgründen des
angefochtenen Urteils im einzelnen dargestellten überzeugenden Gründen, auf die der
erkennende Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 543 Abs. 1 ZPO
Bezug nimmt, stehen dem jedoch die von den Antragsgegnerinnen vorgelegten
Parteigutachten der Prof.´es Dr.´es W. (Anlage AG 18) vom 02.02.1998, Sch. (Anlage
AG 19) vom 29.01.1998 und P. (Anlage AG 20) vom 02.02.1998 entgegen, wonach im
Ergebnis sowohl Oxyphenbutazon als auch D-Glucosamnisulfat als chemisch definierte
Therapeutika nichtsteroidaler Struktur allein der symptomatischen Behandlung der
gleichermaßen bei degenerativen Arthrosen wie bei primär entzündlichen arthritischen
Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises auftretenden, u.a. mit entzündlichen
Prozessen einhergehenden Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen dienten. Alle
drei von den Antragsgegnerinnen eingereichten Parteigutachten betonen dabei, daß
Schmerzen bei Gonarthrosen leichter bis mittelschwerer Ausprägung in aller Regel auf
entzündliche Vorgänge im Gelenk zurückgingen. Diese gutachterliche Aussage stimmt
wiederum überein mit den eigenen Angaben der Antragstellerin in ihrer dem
Arzneimittel DONA 200 S beigefügten Packungsbeilage, wonach es beim
Krankheitsbild der Arthrose "... häufig zu entzündlichen Reaktionen im Gelenk ... und
damit letztlich zu mehr oder weniger ausgeprägten schmerzhaften Beschwerden
kommen" könne (vgl. Anlage AG 16). Gleiches gilt hinsichtlich der Angaben der
Antragstellerin in ihrer Informationsbroschüre "emotions" (Anlage AG 17), in der sie
mehrfach gerade für das Krankheitsbild der - degenerativen - Kniegelenksarthrose auf
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eine damit einhergehende akute "schmerzhafte Entzündung der Gelenkinnenhaut, die
jede Bewegung zur Qual werden läßt" hinweist (vgl. S. 7, 8, 9, 10, 15 der Broschüre).
Jedenfalls in diesen Fällen entzündlich aktivierter Arthrose liegt danach aber das D-
glucosaminhaltige Präparat "Progona" der Antragsgegnerinnen im gleichen
Anwendungsbereich wie Oxyphenbutazon bzw. das diesen Wirkstoff aufweisende
Vorgängerpräparat "Californit", welches für akute Schübe - primär - entzündlicher
Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises indiziert war. Zu Recht hat daher das
Landgericht in dem angefochtenen Urteil diesen Parteigutachten einen der
Überzeugungskraft wiederum des von der Antragstellerin vorgelegten Gutachtens
entgegenstehenden Stellenwert beigemessen.
Die seitens der Antragstellerin gegen die vom Landgericht vorgenommene Würdigung
der erwähnten Parteigutachten, wonach diese letztlich der Glaubhaftmachung der
Voraussetzungen des geltend gemachten Unterlassungstatbestandes durch die
Antragstellerin entgegenstehen, vorgebrachten Bedenken und Einwände überzeugen
demgegenüber nicht.
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Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang beanstandet, das Landgericht
habe zu Unrecht dem von ihr - der Antragstellerin - vorgelegten Parteigutachten des
nach der Behauptung der Antragstellerin fachlich besonders qualifizierten Dr. B. keinen
höheren Stellenwert als den gegnerischen Parteigutachten zugemessen, greift das
nicht. Denn selbst wenn dem Verfasser Priv. Doz. Dr. B. eine besondere Sachkunde
und hohe fachliche Qualifikation beizumessen sein sollte, die sich u.a. in der Mitarbeit in
der Kommission B 2 auf dem Gebiet der Rheumatologie und damit auch für die
Aufbereitungsmonografien zu Oxyphenbutazon und D-Glucosaminsulfat
niedergeschlagen hat, disqualifiziert dies nicht zwangsläufig die Parteigutachter der
Antragsgegnerinnen, die ausweislich der ihren Gutachten jeweils beigefügten
beruflichen Lebensläufe sämtlich im Bereich der Rheumatologie langjährig tätig waren
und fachspezifische Erfahrungen erwerben konnten. Entsprechendes gilt im Hinblick auf
die weiter von der Antragstellerin angeführte, in dem landgerichtlichen Urteil angeblich
zu verzeichnende Überbewertung der Übereinstimmung der 3. Ebene des ATC-Codes.
Das Landgericht hat die genannte Übereinstimmung in dem angefochtenen Urteil
erkennbar nur als einen weiteren Umstand herangezogen, der zusätzlich zu den
übrigen, bereits für die Einhaltung des "gleichen Anwendungsbereichs" sprechenden
Umstände herangezogen worden ist.
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Die in der Berufung eingereichten weiteren Unterlagen vermögen im Ergebnis ebenfalls
eine von der des Landgerichts abweichende Würdigung nicht zu rechtfertigen.
15
Zwar belegen die von der Antragstellerin ergänzend eingereichten Parteigutachten des
Prof. Dr. M., Prof. Dr. Pf. und Prof. Dr. Ba. im Ergebnis den prozessualen Standpunkt der
Antragstellerin, wonach die für die arzneilichen Wirkstoffe Oxyphenbutazon und D-
Glucosaminsulfat jeweils angegebenen Anwendungsgebiete u.a. wegen der
unterschiedlichen therapeutischen Wirkdauer (akut einsetzende schmerz- und
entzündungshemmende Wirksamkeit vs. erst längerfristig einsetzender
schmerzlindernder und entzündungshemmender Wirkung) der genannten Substanzen
nicht im gleichen Anwendungsbereich lägen und die Arzneimittel auch nicht im
wesentlichen der gleichen Grunderkrankung dienten. Zumindest die Parteigutachten Pf.
und Ba. offenbaren dabei jedoch einen zu engen Beurteilungsmaßstab bei der Frage,
ob die angegebenen Anwendungsgebiete sich im gleichen Anwendungsbereich
bewegen. Denn beide Gutachten gehen offenkundig vom Erfordernis einer
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Austauschbarkeit der Wirksubstanzen unter Beibehalt der jeweiligen "ursprünglichen"
Anwendungsgebiete bzw. davon aus, daß der eine Stoff durch den anderen bei
identischem Beibehalt des Anwendungsbereichs zu ersetzen ist (vgl. Gutachten Ba.
vom 02.05.1998, Bl. 268 d.A.; Gutachten Pf. vom 16.04.1998, Bl. 262 d.A.). Damit wird
aber der Begriff des "gleichen Anwendungsbereichs", der nach den obigen
Ausführungen weder Identität der Anwendungsgebiete, noch deren teilweises
Überlappen bzw. eine gemeinsame Schnittmenge notwendig voraussetzt, zu eng
verstanden. Ungeachtet dieser, gegenüber den erwähnten Parteigutachten der
Antragstellerin vorzubringenden Bedenken, haben aber auch hier die
Antragsgegnerinnen durch die ergänzenden Gutachten Parham und Schattenkircher
ihren bereits in erster Instanz belegten Standpunkt, wonach beide Anwedungsgebiete
im gleichen Anwendungsbereich liegen und das "neue" Arzneimittel im wesentlichen
der Behandlung der gleichen Grunderkrankung, nämlich von primär oder sekundär
entzündlichen schmerzhaften Gelenkerkrankungen des rheumatischen Formenkreises
diene, erhärten und ausbauen können. Haben die Antragsgegnerinnen danach aber
zumindest wahrscheinlich machen können, daß die für ihr Medikament "Progona"
aufgeführten Wirkstoffangaben trotz des Wirkstoffaustauschs den Indikationsangaben
des Medikaments "Californit" zumindest nahe verwandt sind und das neue Arzneimittel
weiterhin der Behandlung der im wesentlichen gleichen Grunderkrankung dient, ist der
Antragstellerin die ihr obliegende Glaubhaftmachung eines Verstoßes gegen die
eingangs genannten Zulassungsvorschriften insgesamt mißlungen.
Daran ändert auch das Schreiben des BfArM vom 20.02.1998 nichts. Die hierin zum
Ausdruck gebrachte Auffassung, daß "nach gegenwärtiger Beurteilung" die Anpassung
an die D-Glucosaminsulfat-Monographie des BGA's durch Austausch des Wirkstoffs
Oxyphenbutazon gegen D-Glucosaminsulfat nicht auf § 105 Abs. 3 a Satz 2 Nr. 5 AMG
gestützt werden könne, läßt keine endgültige und verbindliche, im Ergebnis
feststehende Konklusion des BfArM erkennen, sondern allenfalls eine "vorläufige",
Einschätzung der Situation, die jedoch von weiteren - u.a. durch im
Verwaltungsverfahren bei den Antragsgegnerinnen einzuholende - Stellungnahmen
noch beeinflußbar ist.
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Können sich die Parteien nach alledem auf gutachterliche Stellungnahmen und
Unterlagen berufen, die ihre jeweiligen unterschiedlichen und widersprüchlichen
prozessualen Standpunkte belegen, ohne daß den Glaubhaftmachungsmitteln der
Antragstellerin in bezug auf die methodische und inhaltliche Aussagekraft der Vorzug
vor denjenigen der Antragsgegnerinnen zu geben ist, wirkt die sich hieraus ergebende
Verfahrenssituation des non liquet zu Lasten der Antragstellerin aus. Denn sie trifft als
diejenige, die aus der angeblichen arzneimittelrechtlichen Unzulässigkeit des unter
Einhaltung der formalen Anforderungen an die Aufbereitungsmonographie angepaßten
Arzneimittels einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch herleiten will, die
Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für die tatsächlichen Voraussetzungen des
dafür vorauszusetzenden Unlauterkeitstatbestands. Dem widerspricht es nicht, daß die
Antragsgegnerinnen im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ggf. die
Voraussetzungen des zu § 29 Abs. 3 AMG für fiktiv zugelassene Alt-Arzneimittel
geschaffenen Ausnahmetatbestands des § 105 Abs. 3 a Satz 2 Nr. 5 AMG im einzelnen
vorzutragen und zu beweisen hätten. Für den zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch
der Antragstellerin, der wiederum als materielles Erfordernis einen Verstoß gegen die
erwähnten arzneimittelrechtlichen Bestimmungen anspruchsbegründend voraussetzt,
sind diese Darlegungs- und Beweislastgrundsätze des Verwaltungsverfahrens
jedenfalls im Streitfall nicht übertragbar und gelten daher die allgemeinen Darlegungs-
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und Beweislastregeln, wonach grundsätzlich der Anspruchsteller die Voraussetzungen
des geltend gemachten Anspruchs zu beweisen hat.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig (§ 545 Abs. 2 ZPO).
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