Urteil des OLG Köln vom 10.07.2001

OLG Köln: fahrzeug, raststätte, versicherungsnehmer, entwendung, wagen, unterschlagung, stillschweigend, polizei, besuch, vollstreckbarkeit

Oberlandesgericht Köln, 9 U 3/99
Datum:
10.07.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 3/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 0 298/96
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 03.12.1998 verkündete Urteil
der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 0 298/96 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin ist unbegründet.
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Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die
Beklagte ein Entschädigungsanspruch wegen des von ihr behaupteten Diebstahls vom
11.07.1995 des bei der Beklagten kaskoversicherten Kraftfahrzeugs Audi 100 TDI mit
dem amtlichen Kennzeichen .. - .. .. aus §§ 1, 49 VVG, § 12 Nr. 1 I b AKB nicht zu.
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1. Allerdings ist die Frist des § 12 Abs. 3 VVG gewahrt.
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Die Beklagte hatte nach Zugang der Ablehnung am 19.01.1996 die Frist um einen
Monat verlängert. Die Klage ist am 19.08.1996 bei Gericht eingegangen, so dass sich
die Beklagte nicht auf den Fristablauf berufen kann (vgl. Prölss in Prölss/Martin, VVG,
26. Aufl., § 12, Rn 46, 49).
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2. Die Klägerin hat jedoch eine Entwendung des Fahrzeugs nach § 12 Nr. 1 I b AKB
nicht bewiesen.
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a) Entwendung in diesem Sinne ist eine widerrechtliche Sachentziehung, die zur
wirtschaftlichen Entrechtung des Eigentümers führt. Für die tatsächlichen
Voraussetzungen der Entwendung, sei es in der Form des Diebstahls oder der
Unterschlagung, ist der Versicherungsnehmer beweisbelastet.
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Bei einem behaupteten Diebstahl eines Kraftfahrzeugs gewährt die Rechtsprechung
dem Versicherungsnehmer gewisse Beweiserleichterungen, weil er sich regelmäßig in
Beweisnot befindet, wenn ihm das Fahrzeug gestohlen wurde. Der
Versicherungsnehmer kann nur in seltenen Fällen, etwa wenn der Täter gefaßt wurde,
beweisen, daß ihm das Fahrzeug gegen seinen Willen rechtswidrig abhanden
gekommen ist. Nach dem Inhalt des Versicherungsvertrages ist davon auszugehen, daß
die Vertragsparteien den versicherten Entwendungsfall schon dann als nachgewiesen
anssehen, wenn ein Sachverhalt feststeht, der nach dem äußeren Bild mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit den Schluß auf die Fahrzeugentwendung zuläßt (vgl. BGH, r+s
1984, 24 = VersR 1984, 29).
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Steht die Gebrauchsüberlassung an einen Dritten fest, muss der Versicherungsnehmer -
entsprechend dem Sinn des § 12 Nr. 1 I b S. 2 AKB - nachweisen, dass das Fahrzeug
dem Dritten entwendet oder aber durch eine andere Person als diesen Dritten
unterschlagen worden ist (vgl. BGH, r+s 1993, 169 = VersR 1993, 472; anders OLG
Hamm, r+s 2000, 228, wenn als weitere Entwendungsmöglichkeit eine versicherte
Unterschlagung ernsthaft in Betracht kommt). Überlässt der Dritte den Gebrauch
wiederum einer anderen Person, so ist der Versicherungsschutz nur dann
ausgeschlossen, wenn der VN mit der Weiterüberlassung einverstanden ist, also ihr
ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat (vgl. OLG Hamm, r+s 1995, 127;
Stiefel/Hofmann, AKB, 17. Aufl., § 12, Rn 50). So liegt der Fall hier.
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b) Die Klägerin hatte vorliegend den Gebrauch des Wagens an den Zeugen W.
überlassen. Dieser hatte das Fahrzeug an den Zeugen L. G. vermietet, womit die
Klägerin jedenfalls stillschweigend einverstanden war. Zudem konnte die Klägerin nicht
nachweisen, dass dem Zeugen L. G. das Fahrzeug entwendet oder von einer anderen
Person unterschlagen worden ist.
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Dass die Klägerin mit der Weitergabe des Fahrzeugs an L. G. einverstanden war, ergibt
sich aus den Angaben des Zeugen W. vor dem Landgericht und den gesamten näheren
Umständen. Das Fahrzeug ist mit Willen der Klägerin von dem gewerblichen
Autovermieter W. , mit dem sie seit Jahren gut bekannt ist, als Mietfahrzeug eingesetzt
worden. Die Klägerin besaß nämlich für eigene Zwecke einen VW Golf, den sie noch
heute fährt. Nach ihrem Vortrag in der Klageschrift hat sie den hier betroffenen Audi 100
TDI im April 1995, also drei Monate vor dem behaupteten Schadenereignis, dem
Zeugen W. , auf den das Fahrzeug auch seit November 1994 zugelassen ist,
übergeben. Von dem Zeitpunkt des Erwerbs des Kraftwagens hat dieser ausweislich der
Angaben der Klägerin zur Laufleistung in der Klageschrift circa 22.000 km zurückgelegt.
Dies alles spricht für den - jedenfalls gelegentlichen - Einsatz des Fahrzeugs im Betrieb
des Zeugen W. . Soweit die Klägerin dies
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in Abrede gestellt hat, ist dieser Vortrag angesichts der geschilderten Umstände nicht
glaubhaft. Dass die Klägerin beabsichtigt habe, den Audi - PKW später mit Gewinn zu
verkaufen, was schon schwer nachzuvollziehen ist, hat der Zeuge W. in seiner
Vernehmung vor dem Landgericht zudem nicht bestätigt. Er konnte sich an einzelne
Vereinbarungen nicht erinnern.
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Den erforderlichen Nachweis des äußeren Bildes eines Diebstahls hat die Klägerin
nicht erbracht. Das äußere Bild ist im allgemeinen schon dann gegeben, wenn der
Kraftwagen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt worden und
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später dort nicht mehr vorgefunden worden ist (vgl. BGH, r+s 1995, 288 = VersR
1995,909; BGH r+s 1993,169 = VersR 1993,571; Prölss/Martin- Knappmann, VVG, 26.
Aufl. § 12 AKB, Rn 19 ).
Die Aussagen der Zeugen L. G. und P. vor dem Senat waren von zahlreichen
Ungereimtheiten und Widersprüchen gekennzeichnet, so dass das äußere Bild nicht
nachgewiesen ist. So haben sich insbesondere Unklarheiten bezüglich der Zeitabläufe,
der Anzahl der beteiligten Personen beim Besuch der Raststätte und des Abstellortes
des Fahrzeugs ergeben. Der Zeuge L. G. hat geschildert, er sei zusammen mit den
Zeugen P. und A. von D. aus zu der Raststätte P. Wald gefahren. Man habe den Wagen
"direkt vor dem Eingang zur Raststätte" abgestellt, "zwanzig oder höchstens dreißig
Meter vom Eingang". Es sei am Nachmittag gewesen und man habe sich eine Stunde
oder über eine Stunde dort aufgehalten; jedenfalls habe man spätnachmittags den
Rasthof verlassen. Bei der Anzeigenaufnahme durch die Polizei am 11.07.1995 (Bl. 52
BA) hat der Zeuge im Gegensatz dazu angegeben, er sei "heute Nacht alleine für ca.
eine Stunde" in der Raststätte gewesen und habe dort gegessen sowie am Automaten
gespielt. Als er gegen 0.45 Uhr zum Wagen gegangen sei, sei dieser weg gewesen. Bei
der Vernehmung durch die Polizei am 21.08.1995 (Bl. 68 ff BA) hat der Zeuge
ausgesagt, er sei "mit Freunden" zur Raststätte gefahren. Man habe zu essen bestellt
und er habe am Automaten gespielt. Ein Freund habe die Rechnung bezahlt. Es sei
kurz vor 24.00 Uhr gewesen.
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Der Zeuge P. konnte über den Zeitpunkt der Fahrt zur Raststätte nichts Konkretes
sagen. Er hat insoweit bekundet, ob dies "morgens, mittags, nachmittags, abends oder
nachts" gewesen sei, wisse er nicht mehr. Auch den genauen Abstellort des
Fahrzeuges, links oder rechts vom Eingang, hat der Zeuge nicht beschreiben können.
Schließlich gab er - im Widerspruch zu dem Inhalt der Bekundung des Zeugen L. G. -
eine Entfernung von "hundert oder zweihundert Metern" an. Der Zeuge L. G. hat zudem
über den Aufenthalt in dem Raststätten - Gebäude bekundet, alle hätten am Automaten
gespielt, er wisse genau, dass P. gespielt habe. Dies hat der Zeuge P. nicht bestätigt. Er
hat ausgesagt, nur L. G. habe gespielt. Insgesamt gesehen waren die Bekundungen der
Zeugen unklar und widersprüchlich.
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Der Zeuge A. konnte zu den Umständen nicht vernommen werden. Er war für das
Gericht unerreichbar, so dass insoweit eine weitere Aufklärung nicht erfolgen konnte.
Bei einem Zeugen ist Unerreichbarkeit in diesem Sinne anzunehmen, wenn er auf
unabsehbare Zeit nicht erreicht werden kann (vgl. Senat, OLGR 2000, 428; Thomas-
Putzo, ZPO, 22.Aufl., § 284, Rn 7). Davon musste hier ausgegangen werden. Der Zeuge
ist zunächst im Termin zur Beweisaufnahme vor dem Senat am 25.01.2000 und
30.05.2000 nicht erschienen. Die angeordneten Vorführungen am 12.09. 2000,
13.03.2001 und 29.05.2001 konnten nicht durchgeführt werden, weil der Zeuge an
diesen Tagen durch den Gerichtsvollzieher nicht angetroffen worden ist. Damit war
endgültige Unerreicbarkeit anzunehmen.
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Nach alledem hat die Klägerin den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht.
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3. Auf die Frage, ob Leistungsfreiheit wegen Verstoßes gegen die Verwendungsklausel,
§ 2 Nr. 2 a AKB in der damaligen Fassung, anzunehmen ist und die Voraussetzungen
des
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§ 6 Abs. 1 und 2 VVG geben sind, kam es nicht mehr an.
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4. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Wert der
Beschwer ist nach § 546
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Abs. 2 ZPO festzusetzen.
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Streitwert für das Berufungsverfahren
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und Wert der Beschwer der Klägerin: 50.000,00 DM
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