Urteil des OLG Köln vom 26.02.2008

OLG Köln: selbständige erwerbstätigkeit, einkünfte, trennung, alter, pensionierung, unterhalt, obliegenheit, krankenversicherung, prozess, deckung

Oberlandesgericht Köln, 4 UF 63/07
Datum:
26.02.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 UF 63/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Eschweiler, 12 F 432/06
Tenor:
I.
Die Berufung des Beklagten gegen das am 14. März 2007 verkündete
Schlussurteil des Amtsgerichts Eschweiler – 12 F 432/06 – wird
zurückgewiesen.
II.
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14. März 2007 verkündete
Schlussurteil des Amtsgerichts Eschweiler – 12 F 432/06 – teilweise
abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Trennungsunterhalt zu
zahlen, und zwar
a) für die Zeit von Januar bis Dezember 2006 einen Betrag von
10.217,29 €
b) und ab Januar 2007 monatlich 1.784,49 €,
davon 211,49 € Krankenvorsorgeunterhalt.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen, die weitergehende
Klage wird abgewiesen.
III.
Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin
ein Fünftel und der Beklagte vier Fünftel; die Kosten des
Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1
Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet, die Berufung des Beklagten ist nicht
begründet. Der Klägerin steht nach § 1361 BGB höherer Trennungsunterhalt zu als
erstinstanzlich zugesprochen worden ist.
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Für das Jahr 2006 schuldete der Beklagte monatlichen Elementarunterhalt – wie von
der Klägerin im vorliegenden Prozess geltend gemacht – in Höhe von 2.300 €, das sind
insgesamt 12 * 2.300 € = 27.600,00 €.
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Nach Berücksichtigung der in erster Instanz unstreitig gestellten Zahlungen des
Beklagten auf den Elementarunterhalt in Höhe von - 17.382,71 €
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verbleibt ein offener Rückstand an Elementarunterhalt von 10.217,29 €.
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Die vom Beklagten geleisteten Zahlungen für die Krankenversicherung der Klägerin
können hier unberücksichtigt bleiben. Denn der Beklagte schuldet den – von der
Klägerin im vorliegenden Prozess nur hilfsweise geltend gemachten –
Krankenvorsorgeunterhalt zusätzlich neben dem Elementarunterhalt. Ebenfalls nicht
abzusetzen sind die Vorauszahlungen auf die Steuererstattung, denn die
Steuererstattung ist in dem nachstehend dem Beklagten zugerechneten Einkommen
nicht enthalten.
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Das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Beklagten im Jahr 2006 ist mit mehr
als 6.000 € netto monatlich anzusetzen. Die Höhe seiner Pension ist belegt mit der
Lohnsteuerbescheinigung (Bl. 93 d.A.), aus der sich eine monatliche Nettopension in
Höhe von 3.132,90 € ergibt. Abzusetzen ist die Krankenversicherung des Beklagten mit
einem Monatsbeitrag von 180,14 €. Hinzu kommt der Vorteil aus der Inanspruchnahme
des begrenzten Realsplittings, der im angefochtenen Urteil zutreffend – und von den
Parteien übereinstimmend übernommen – mit 465 € angesetzt ist. Abzusetzen ist der
vom Beklagten an die Klägerin zu erstattende Nachteilsausgleich, der durch die
Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings entsteht. Jedenfalls für das
abgelaufene Jahr 2006 lässt sich der Betrag errechnen, der Steuerbescheid der
Klägerin liegt auch schon vor (Bl. 241). Mangels eigener Einkünfte ist die Klägerin nur
wegen der vom Beklagten steuerlich geltend gemachten Unterhaltszahlungen
steuerpflichtig. Nach dem Steuerbescheid ergeben sich 746,65 €, das sind monatlich
62,22 €. Das bereinigte Pensionseinkommen beträgt dann
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3.132,90 € - 180,14 € + 465 € - 62,22 € = 3.355,54 €.
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Hinzu kommt das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit. Denn die – grundsätzlich bis
zur Rechtkraft der Ehescheidung reichenden – ehelichen Lebensverhältnisse waren
bereits zum Zeitpunkt der Trennung geprägt sowohl durch die Pensionseinkünfte des
Beklagten als auch durch seine Einkünfte aus selbständiger Ingenieurstätigkeit. Nach
den Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils, die insoweit der
Beurteilung des Senats zugrunde zu legen sind, ist die Trennung der Parteien am 2.
August 1999 erfolgt, die selbständige Tätigkeit hatte der Beklagte aber bereits am 8.
Februar 1999 aufgenommen. Die prägenden Einkünfte sind der Unterhaltsberechnung
zugrunde zu legen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beklagte
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inzwischen ein Alter von mehr als 65 Jahren erreicht hat. Zwar besteht keine
Obliegenheit zur Aufrechterhaltung dieser Tätigkeit. Der Umstand, dass die
Erwerbstätigkeit auch bei Fortdauer der Ehe fortgesetzt worden wäre, rechtfertigt aber
die unterhaltsrechtliche Zurechnung des daraus tatsächlich erzielten Einkommens (vgl.
Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9.
Auflage, Rdn. 749 mit weiteren Nachweisen). Für die Annahme, dass der Beklagte die
selbständige Tätigkeit auch bei Fortbestand der Ehe weiter geführt hätte, spricht –
neben der Aufnahme schon vor Trennung der Parteien – der Umstand der frühen
Pensionierung in einem Alter von gerade erst 58 Jahren. Unwidersprochen hat auch der
Vorgänger im Amt des Beklagten seine im Dienst erworbenen Kenntnisse zu einer
Erwerbstätigkeit nach seiner Pensionierung genutzt. Dass der Beklagte vorliegend die
Einkünfte aus dieser Tätigkeit auch zur Deckung von trennungsbedingtem Bedarf
genutzt hat, spricht bei dieser Sachlage deshalb nicht dagegen, dass der Beklagte die
selbständige Erwerbstätigkeit auch bei weiterem Bestand der Ehe fortgesetzt hätte.
Die Klägerin hat den vom Beklagten erzielten Nettoverdienst aus seiner selbständigen
Tätigkeit mit jährlich 40.000 € beziffert, das sind monatlich 3.333,33 €. Dem ist der
Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert entgegen
getreten. Nach dem Steuerbescheid für das Jahr 2005 (Bl. 222 d.A.) erscheint der
vorgetragene Betrag auch plausibel. Denn dort sind die Einkünfte aus selbständiger
Arbeit mit knapp 89.000 € aufgeführt und die Steuernachzahlung auf rund 40.000 €
festgesetzt.
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Der insoweit nicht nachgelassene Schriftsatz vom 18. Januar 2008 gibt keine
Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Denn auch mit dem dort
genannten Nettobetrag von 35.648,37 € (= monatlich 2.970,70 €) ist der für 2006 von der
Klägerin verlangte Unterhalt gerechtfertigt. Es kann auch offen bleiben, ob das
Einkommen aus selbständiger Tätigkeit mit Rücksicht auf das Alter des Beklagten nur in
verringertem Umfang anzusetzen ist. Denn es verbliebe auch dann jedenfalls ein für den
Unterhalt einzusetzendes Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit von mehr als
1.700 €. Abzusetzen ist von diesem Einkommen der Erwerbstätigenbonus von einem
Siebtel.
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Zusammen mit den Pensionseinkünften von 3.355,54 €
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ergeben sich dann 1.700 € * 6/7 = 1.457,14 €
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4.812,68 €.
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Davon ist noch der Krankenvorsorgeunterhalt der Klägerin abzusetzen. Im
Jahresdurchschnitt 2006 ergeben sich (7 * 202,20 € + 5 * 211,49 €) / 12 =
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- 206,07 €.
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Es verbleiben 4.606,61 €.
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Der Elementarbedarf der Klägerin beläuft sich auf die Hälfte davon; die verlangten 2.300
€ sind danach gerechtfertigt.
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Ab dem Jahr 2007 schuldet der Beklagte Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich
1.784,49 €, davon 211,49 € Krankenvorsorgeunterhalt. Einkünfte aus selbständiger
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Tätigkeit sind dem Beklagten nicht mehr zuzurechnen. Er hat glaubhaft dargelegt, dass
er die Erwerbstätigkeit aufgegeben hat. Angesichts des erreichten Alters besteht auch
keine Obliegenheit zur Fortsetzung der Tätigkeit.
Von dem Pensionseinkommen in Höhe von (s.o.) 3.355,54 €
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ist der im Jahr 2007 auf - 211,49 €
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gestiegene Krankenvorsorgeunterhalt der Klägerin abzusetzen.
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Es verbleiben 3.144,05 €.
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Der Elementarbedarf der Klägerin beträgt die Hälfte davon,
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das sind 1.572,03 €,
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aufgerundet 1.573,00 €.
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Zusammen mit der Krankenvorsorge 211,49 €
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ergibt sich der Gesamtunterhalt von monatlich 1.784,49 €.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Absatz 1, 708 Ziffer 10, 713 ZPO.
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Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weder hat die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder
die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts (§ 543 Absatz 2 ZPO).
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Streitwert:
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Berufung der Klägerin: 14.607,87 €
32
Berufung des Beklagten : 4.994,29 €
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insgesamt 19.602,16 €
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