Urteil des OLG Köln vom 27.02.2009
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Oberlandesgericht Köln, 6 U 193/08
Datum:
27.02.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 193/08
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 28 O 368/08
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 17.09.2008
verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O
368/08 - wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu
tragen.
G r ü n d e
1
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§
540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die gegen dieses Urteil gerichtete, zulässige Berufung der
Antragsgegnerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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1. Der Verfügungsgrund der Dringlichkeit (§§ 935, 940 ZPO) wird in
Urheberrechtssachen nicht vermutet, ergibt sich hier aber daraus, dass der Antragsteller
den Verfügungsantrag schon etwa zwei Wochen nach erstmaliger Kenntnis von den
angegriffenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Antragsgegnerin bei
Gericht anbrachte.
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2. Die für das Bestehen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs erforderliche
Wiederholungsgefahr (§ 97 Abs. 1 S. 1 UrhG) wird durch die einmal begangene
Rechtsverletzung indiziert, zumal wenn diese weiter verteidigt wird; eine Änderung des
Verhaltens – hier der verwendeten AGB durch die Antragsgegnerin – reicht nicht aus,
solange keine ernsthafte, strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben ist (Dreier /
Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 97 Abs. 41 f. m.w.N.).
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3. Eine den Unterlassungsanspruch auslösende Urheberrechtsverletzung liegt vor, denn
indem die Antragsgegnerin – was unstreitig ist – die AGB der T. Wellness GmbH bis auf
Firma und Adresse identisch übernahm, verletzte sie das ausschließliche
Verwertungsrecht des Antragstellers als des Urhebers dieser AGB (§§ 2, 7, 15 ff. UrhG).
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a) Allgemeine Geschäftsbedingungen können als (wissenschaftliches Gebrauchs-)
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Sprachwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) eine persönliche geistige Schöpfung darstellen und
damit urheberrechtsfähig sein (§ 2 Abs. 2 UrhG), wenn sie sich wegen ihres
gedanklichen Konzepts oder ihrer sprachlichen Fassung von gebräuchlichen
juristischen Standardformulierungen abheben, wobei knappe und zutreffende rechtliche
Formulierungen, die durch Rechtslage und sachliche Regelungsanforderungen geprägt
sind, freilich nicht monopolisiert werden dürfen (Senat, Beschluss vom 07.08.2006 – 6
W 92/06, LG München I, GRUR 1991, 50; Schricker / Loewenheim, UrhR, 3. Aufl., § 2
Rn. 90; Dreier / Schulze, a.a.O. § 2 Rn. 93; Wandtke / Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 2 Rn.
59). Ausgehend von diesen Grundsätzen (vgl. für andere Gebrauchssprachwerke auch
BGHZ 116, 136 – Leitsätze; BGH, GRUR 2002, 958 – Technische Lieferbedingungen)
ist es Tatfrage, ob ein Klauselwerk insgesamt hinreichend individuell konzipiert und
formuliert ist. Mit der von der Berufung angeführten (Kosten-) Entscheidung (LG
Stuttgart, ZUM-RD 2008, 501; OLG Stuttgart, BeckRS 2008, 11966), wo es um einen
nicht näher bekannten sechsseitigen Dienstleistungsvertrag für die Vermittlung von
Seniorenpflegekräften ging, hatte sich der Senat nicht zu befassen.
Zutreffend hat das Landgericht hier angenommen, dass sich die streitbefangenen AGB
insgesamt wegen der Art ihrer Gedankenführung und einzelner um Verständlichkeit
bemühter Formulierungen vom allgemein Üblichen – wenn auch nur geringfügig –
abheben und damit trotz geringen Schutzumfangs jedenfalls gegen praktisch identische
Übernahmen geschützt sind, wie sie die Antragsgegnerin vorgenommen hat. Die von
der Berufung vorgelegte Kopie aus dem Münchener Vertragshandbuch macht deutlich,
welche anderen Formulierungen schon bei der im angefochtenen Urteil angeführten
Klausel Nr. 9 möglich gewesen wären, so dass die Antragsgegnerin keineswegs
gezwungen war, die gesamten AGB im Verhältnis 1:1 zu übernehmen. Die Klausel Nr. 6
hat das Landgericht ebenfalls zu Recht als spezifische, an Interessen des Auftraggebers
und eigenständigem Sprachgebrauch orientierte Formulierung angesehen. Sogar bei
der Widerrufsbelehrung zu Nr. 7 finden sich im Detail von dem Vorschlag des
Verordnungsgebers (Anlage 2 zu § 2 BGB-InfoV) abweichende individuelle Passagen.
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b) Spricht mithin der Inhalt der AGB für eine insgesamt bereits hinreichende
Individualität, so hätte die Antragsgegnerin – wie vom Landgericht zu Recht
angenommen – dartun müssen, dass diese AGB keine eigene Schöpfung des
Antragstellers, sondern ihrerseits aus fremden oder allgemein zugänglichen Quellen
übernommen sind. Dass die Berufung den nach der Widerspruchsverhandlung erfolgten
erstinstanzlichen Vortrag des Antragstellers zur Entstehung des Klauselwerks schlicht
bestreitet, kann in diese Richtung um so weniger genügen, als seine Urheberschaft
durch Vorlage einer Kopie der an seine Mandantin gerichteten Kostennote und durch
seine anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht ist, was ein geeignetes
Glaubhaftmachungsmittel darstellt (Senat, GRUR 1986, 196 = WRP 1986, 170; Zöller /
Geimer / Greger, ZPO, 27. Aufl., § 294 Rn. 5).
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Als unerheblich erweist sich, dass die Berufung – ohne im Verfügungsverfahren mit
diesem Vorbringen nach § 531 ZPO ausgeschlossen zu sein – mehrere im Internet
veröffentlichte gleichlautende Klauselwerke vorgelegt hat. Dass es sich dabei um
Schöpfungen Dritter handelt, die der Antragsteller entgegen seiner Behauptung gekannt
haben muss, bevor er die Entwicklung neuer AGB gegenüber der T. Wellness GmbH
abrechnete, ergibt sich aus dieser Darlegung nämlich gerade nicht. Glaubhaft gemacht
ist im Gegenteil, dass ein Informant der Beklagten seine AGB vom Antragsteller erhalten
haben will; das spricht nicht gegen, sondern für dessen Urheberschaft, da es die
Verwendung der AGB durch weitere Mandanten des Antragstellers belegt und es – nur
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– ihm als Urheber freistand, einfache Lizenzen für eine Nutzung der streitbefangenen
AGB zu erteilen.
4. Der einzig sachdienliche und zuletzt nur noch geltend gemachte Berufungsantrag zu
Nr. 2 war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Dieses Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
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