Urteil des OLG Köln vom 14.06.1996
OLG Köln (berechnung, ablauf der frist, vertrag, beendigung, umsatz, kündigung, hersteller, tod, handelsvertreter, provision)
Oberlandesgericht Köln, 19 U 4/96
Datum:
14.06.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 4/96
Normen:
HGB § 89 B
Leitsätze:
Ausgleichsanspruch des Kfz. Eigenhändlers
1. Ist im Händlervertrag zwischen Lieferant und KfzEigenhändler
vereinbart, daß der Vertrag bei Tod der maßgeblichen Person nach
Ablauf von 12 Monaten ohne besondere Kündigung durch die
Gesellschaft endet, so steht es einer Eigenkündigung nicht gleich, wenn
nach Tod des maßgeblichen Geschäftsführers der verbleibende
Geschäftsführer den Vertrag zum Ablauf der Frist enden läßt. Das gilt
jedenfalls dann, wenn der Lieferant nach dem Tod noch einmal
ausdrücklich auf die automatische Beendigung hingewiesen und den
Händler lediglch aufgefordert hat, sich um den Abschluß enes neuen
Vertrages zu bewerben. 2. Zur Berechnung des Ausgleichanspruchs des
Eigenhändlers.
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
T a t b e s t a n d Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Ausgleichsansprüche
nach § 89 b HGB analog geltend. Die Klägerin war von 1932 bis zum 19.4.1990
Vertragshändlerin der Beklagten, zuletzt auf der Grundlage des Händlervertrages vom
26.9./18.11.1985. Am 19.10.1988 verstarb der Geschäftsführer Karl M. der Klägerin, der
der Vater des weiteren Geschäftsführers der Klägerin, des Herrn Klaus Christian M.,
war. Nach Art. 29 (e) des Haupthändlervertrages besteht in diesem Fall der Vertrag für
die Dauer von 12 Monaten weiter; nach Ablauf dieser Frist endet er ohne besondere
Kündigung durch die Gesellschaft. Am 4.1.1989 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß
der Haupthändlervertrag am 19.10.1989 ohne besondere Kündigung ende, sie jedoch
unter bestimmten Voraussetzungen bereit sei, einen neuen Vertrag abzuschließen. Die
Klägerin bat die Beklagte, den Vertrag wegen Erbauseinandersetzungen um 6 Monate
zu verlängern, die Beklagte erklärte sich daraufhin bereit, den Auslauftermin vom
19.10.1989 auf den 19.4.1990 zu verlegen. Unter dem 23.1.1990 teilte die Klägerin der
Beklagten mit, daß sie sich nicht länger um eine Vertragsverlängerung bewerbe. Mit
Schreiben vom 5.3.1990 meldete die Klägerin ihren Ausgleichsanspruch gegenüber der
Beklagten an, der von dieser abgelehnt wurde. Die Klägerin hat beantragt, die L zu
verurteilen, an die Klägerin 1.223.361,95 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 20.4.1990 bis
zum 15.12.1994 sowie 10,5 % seit dem 16.12.1994 zu zahlen. Die Beklagte hat
beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat den Ausgleichsanspruch dem Grund und der
Höhe nach bestritten. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und
Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 608.176,99 DM nebst 5 % Zinsen seit dem
19.1.1995 stattgegeben. Wegen der Begründung wird auch insoweit auf den Inhalt der
angefochtenen Entscheidung verwiesen. Hiergegen haben beide Parteien form- und
fristgerecht Berufung eingelegt und diese auch rechtzeitig begründet. Die Klägerin
meint, die Berechnung des Landgerichts sei nicht frei von Rechtsfehlern; es habe
wesentliche tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte nicht gewürdigt. So habe das
Landgericht F.-Händlerkollegen, die mehrfach Fahrzeuge erworben hätten, nicht als
Mehrfachkunden berücksichtigt, desgleichen Kunden, mit denen eine
Rahmenvereinbarung getroffen worden sei. Leasingfirmen hätten ebenfalls als
Mehrfachkunden berücksichtigt werden müssen wie auch die Adam-Opel AG;
Mehrfachkunde sei auch der Geschäftsführer der Klägerin. Auch habe das Landgericht
zwar Umsätze mit Stammkunden, nicht aber mit potentiellen Mehrfachkunden
berücksichtigt, was fehlerhaft sei. Bei der Berechnung selbst seien dem Landgericht
dann auch systematische Fehler unterlaufen. Die Sogwirkung der Marke sei hier im
Rahmen der Billigkeit nicht zu berücksichtigen. Die Klägerin ist der Ansicht, bei richtiger
Berechnung stünde ihr ein Ausgleichsanspruch von 1.223.361,95 DM zu. Die Klägerin
beantragt, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu
verurteilen, an die Klägerin 1.223.361,95 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 20.4.1990 bis
zum 15.12.1994 sowie 10,5 % seit dem 16.12.1994 zu zahlen ; die Berufung der
Beklagten zurückzuweisen. Die Beklagte beantragt, die gegnerische Berufung
zurückzuweisen und die Klage gänzlich abzuweisen. Sie hält die Voraussetzungen für
einen Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB analog nicht für gegeben; die Klägerin
habe keine handelsvertreterüblichen Leistungen erbracht. Sie habe sich auch freiwillig
aus dem Vertragsverhältnis gelöst, was einer Eigenkündigung gleichkomme. Bei der
Berechnung des Ausgleichsanspruch habe das Landgericht die Verwaltungskosten
nicht abgezogen; die Klägerin selbst gehe von 2,5 % aus, was aber zu niedrig sei.
Tatsächlich betrage der ausgleichsfähige Rabattkern nur 2,49 %. Als jährliche
Abwanderungsquote seien mindestens 25 % zu berücksichtigen. Marktstudien hätten
ergeben, daß von den vermeintlichen Mehrfachkunden der Klägerin 43 % abgewandert
seien; insgesamt schieden sogar 73 % der Mehrfachkunden aus. Der Abschlag für die
Sogwirkung der Marke müsse im Rahmen der Billigkeit mindestens 75 % betragen.
Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Schriftsätze der
Parteien nebst den überreichten Unterlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e Die zulässige Berufung der Klägerin ist im Gegensatz
zu der der Beklagten teilweise begründet. 1. Daß dem Kläger grundsätzlich ein
Ausgleichsanspruch nach § 89 b Abs. 1 HGB analog zusteht, hat das Landgericht mit
zutreffenden Erwägungen bejaht. Der Kläger ist für die Beklagte zwar nicht als
Handelsvertreter, sondern als Eigenhändler tätig geworden. Nach ständiger
Rechtsprechung ist dem Eigenhändler aber ein Ausgleichsanspruch zuzubilligen, wenn
zwischen ihm und dem Lieferanten ein Rechtsverhältnis besteht, das sich nicht in einer
bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern den Eigenhändler aufgrund
vertraglicher Abmachungen so in die Absatzorganisation des Lieferanten eingliedert,
daß seine Rechte und Pflichten denen eines Handelsvertreters ähneln; ferner ist
erforderlich, daß der Eigenhändler verpflichtet ist, bei Beendigung des
Vertragsverhältnisses seinem Lieferanten seinen Kundenstamm zu überlassen, so daß
sich der Lieferant die Vorteile des Kundenstammes sofort und ohne weiteres nutzbar
machen kann (vgl. BGH NJW 1983, 2877 ff.; BGH MDR 1992, 951; BGH DB 1993,
2526; Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 84 Rn 12 m.z.w.N.). Dabei kommt es nicht
darauf an, ob diese Verpflichtung erst bei Vertragsbeendigung oder - wie hier - schon
während der Vertragszeit durch laufende Übermittlung der Kundendaten an den
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Hersteller zu erfüllen ist; entscheidend ist, daß der Hersteller dadurch tatsächlich in die
Lage kommt, sich den Kundenstamm auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses
weiter nutzbar zu machen (BGH DB 1993, 2526). Daß die Klägerin verpflichtet war, der
Beklagten die Kundendaten zur Verfügung zu stellen, kann aufgrund der Bestimmungen
des Händlervertrages und der zu den Akten gereichten Unterlagen (Bl. 102 - 108 d.A.),
bei denen es sich um Vordrucke zur Übermittlung der Daten handelt, deren Gebrauch
die Beklagte auch angemahnt hat, nicht zweifelhaft sein. Hiermit wie mit dem weiteren
Argument der Beklagten, sie habe wegen des Datenschutzes von diesen Daten keinen
Gebrauch machen können, hat sich der BGH schon in seinem den Parteien bekannten
Urteil vom 6.10.1993 - VIII ZR 172/92 - (Bl. 86 ff. d.A.) auseinandergesetzt; hiernach
kommt es nicht darauf an, zu welchem Zwecke die Übermittlung der Kundendaten
begründet worden ist (ob z.B. zu Garantie- oder Marketingzwecken), wenn nur der
Hersteller sie nach Vertragsende tatsächlich nutzen kann; das war hier der Fall. Auch
war das System der Beklagten ersichtlich darauf angelegt, daß die Übermittlung der
Kundendaten im wesentlichen lückenlos erfolgte, wie sie selbst in ihrem Rundschreiben
an alle F.-Haupthändler und Händler vom 4.2.1985 (Bl. 104 d.A.) ausgeführt hat. 2. Der
Ausgleichsanspruch des Klägers ist auch nicht nach § 89 b Abs. 3 Satz 1 HGB
ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift besteht ein Ausgleichsanspruch dann nicht,
wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, daß ein
Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlaß gegeben hat. Denn beendet
worden ist das Vertragsverhältnis nicht durch Kündigung der Klägerin, sondern durch
den in Ziffer 29 e des Händlervertrages vom 26.9.1985 geregelten Automatismus,
wonach der Vertrag bei Tod des Haupthändlers bzw. bei einer Gesellschaft bei Tod der
,maßgeblichen" Person nach Ablauf von 12 Monaten ohne besondere Kündigung durch
die Gesellschaft endet, worauf auch die Beklagte in ihrem Schreiben vom 4.1.1989 noch
einmal ausdrücklich hingewiesen hat. Daß die Klägerin das Angebot der Beklagten,
sich um einen neuen Vertrag zu bewerben, schließlich nicht angenommen hat, ändert
hieran nichts. Dieser Fall ist nicht der Ablehnung der Verlängerung eines
Handelsvertreter-Vertrages mit Verlängerungsoption gleichzusetzen, die einer
Kündigung gleich stehen soll, anders als die Ablehnung eines späteren
Verlängerungsangebots des Unternehmers (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 89 b
Rn 54); offensichtlich wollte die Beklagte den Händlervertrag bei entsprechendem
Wunsch der Klägerin nicht einfach verlängern, sondern ihn mit abweichenden, für die
Klägerin nachteiligen Inhalten versehen, von deren Annahme sie ihre Bereitschaft zur
Verlängerung abhängig gemacht hat, wie sich aus den Formulierungen im Schreiben
der Beklagten vom 4.1.1989 (Bl. 75 d.A.) entnehmen läßt und wie die Klägerin
substantiiert und insoweit unwidersprochen vorgetragen hat (Bl. 378 d.A.); hiernach hat
die Beklagte der Klägerin durch ihren Regionaldirektor Görgen immer wieder erklärt,
daß ihre Verkaufsleistungen unzureichend seien, man müsse sich gründlich überlegen,
ob man der Bewerbung näher treten könne. Schon deshalb betrifft die von der Beklagten
zitierte Entscheidung des BGH (BB 1996, 235 f.) einen anders gelagerten Sachverhalt,
abgesehen davon, daß es dort um de Fortsetzung eines durch Kettenverträge
begründeten Handelsvertreterverhältnisses ging. 3. Wie der Ausgleichsanspruch des
Eigenhändlers zu berechnen ist, hat der Senat in seiner Entscheidung vom 23.2.1996 -
19 U 114/95 - bereits ausführlich dargelegt; die Berechnung des Landgerichts, das als
Gewinn die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis betrachtet, weicht hiervon
ab. a) Der Ausgleichsanspruch des § 89 b HGB soll dem Handelsvertreter eine
Gegenleistung dafür gewähren, daß er mit der Schaffung des Kundenstammes dem
Unternehmer eine Leistung erbracht hat, die während der bisherigen Vertragszeit noch
nicht abgegolten ist und wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht mehr
vergütet wird (Horn, ZIP 1988, 137 ff. [138] m.w.N.). Abgeltungsfähig sind nur
entgehende Abschlüsse mit dem bei Vertragsende vorhandenen, neu geworbenen
Kundenstamm, die hierauf bezogene Chance besteht in den Nachbestellungen und
Folgeaufträgen, mit denen hätte gerechnet werden können, namentlich soweit sie sich
in der Vergangenheit bereits verwirklicht haben (Staub/Brüggemann, HGB, 4. Aufl., § 89
b Rn 57). Deshalb können in die Berechnung nur solche Kunden einbezogen werden,
von denen auch künftig Umsätze erwartet werden können. Von der Zahl der
geworbenen Kunden ist bei der Prognose daher ein Abschlag zu machen, der sich nach
der Erwartung richtet, daß nicht alle geworbenen Kunden sich als Stammkunden
erweisen und in Zukunft wieder Umsätze tätigen werden; es kommt allein auf die
geworbenen künftigen Mehrfachkunden an (Horn a.a.O. S. 142). Das sind die Kunden,
die im letzten Vertragsjahr mehr als ein Neufahrzeug oder die im letzten Vertragsjahr
und in den 4 Jahren vor dem letzten Vertragsjahr ein Neufahrzeug gekauft haben. b) Der
Eigenhändler bezieht keine vertraglich mit dem Unternehmer (Hersteller/Lieferanten)
vereinbarte Provision wie der Handelsvertreter, sondern ein vergleichbares Entgelt
durch seine Handelsspanne, den Händlerrabatt, nach Abzug seiner Kosten.
Ausgangspunkt für die Berechnung des Händlerrabatts sind die unverbindlichen
Preisempfehlungen (UPE) der Beklagten. Soweit die Klägerin seinen Kunden Rabatte
gewährt hat, minderte dies zwar seinen Gewinn, nicht aber den Vorteil, den die Beklagte
aus dem übertragenen Kundenstamm hatte. Allerdings können seine Gewinneinbußen
durch gewährte Rabatte im Rahmen der Billigkeitserwägungen (§ 89 b Abs. 1 Nr. 3
HGB) zu einer Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs führen (BGH NJW 1961, 120,
121; OLG Köln - 22. Senat - MDR 1996 (2), 129 f. mit Anm. von Westphalen). Bei der
Berechnung der Provisionsverluste ist auf den Umsatz des Klägers im
Neuwagengeschäft im letzten Vertragsjahr abzustellen, und zwar beschränkt auf den
Umsatz mit Mehrfachkunden (vgl. BGH NJW 1983, 2877 [2879]; BGH NJW-RR 1988, 42
[44]. Die Klägerin hat eine Aufstellung über ihre im letzten Vertragsjahr getätigten
Umsätze gefertigt (Bl. 21 ff. d.A.) und behauptet, sie habe einen Umsatz mit
Neufahrzeugen von 9.287.965,-- DM erzielt; hiervon entfielen auf Mehrfachkunden
4.246.106,-- DM, was einem Prozentsatz von 45,72 % entspricht. Diese Aufstellung hat
sie im Schriftsatz vom 14.8.1995 (Bl. 170 ff. d.A.) ergänzt und ist so zu einem
Mehrfachkundensatz von 48,32 % gelangt und will diesen Prozentsatz auf die
nachfolgenden Jahre übertragen wissen. Das begegnet in der Methode keinen
Bedenken; hat sich nämlich in der zurückliegenden Vertragszeit gezeigt, daß nur etwa
45,72 % der Käufer Mehrfachkäufer und damit Stammkunden sind, wäre es nicht
gerechtfertigt, auch die Umsätze mit den Kunden, die nicht zu diesem Kreis gehören, für
die Berechnung des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen (so BGH NJW-RR 1988,
42 [44]). Anders liegt es dagegen, soweit die Klägerin meint, zu dem so ermittelten
Prozentsatz am Umsatz mit Mehrfachkunden müsse der gleiche Umsatz mit
Nichtmehrfachkunden im letzten Vertragsjahr hinzugesetzt werden, da diese
möglicherweise Mehrfachkunden in Zukunft geworden wären. Diese Ansicht ist
methodisch verfehlt und verfälschte die im Rahmen des § 89b Abs. 1 S. 1 HGB zu
stellenden Umsatzprognose; deshalb geht auch die von Westphalen an der
Entscheidung des 22. Senats geübte Kritik (MDR 1996, 130 f.) fehl; auch die von ihm
zum Beleg angeführte Entscheidung des BGH (NJW-RR 1988, 42 ff.) billigt als Maßstab
für die Zukunftsprognose nur den ermittelten Prozentsatz der Mehrfachkunden. Schon
aus den von der Klägerin vorgetragenen Zahlen ergibt sich, daß seit 1986 jedes Jahr
nur etwa 45,72 % der neu gewonnenen Kunden zu Mehrfachkunden geworden sind;
von nur 45,72 % können Folgeumsätze in der Zukunft erwartet werden, weshalb auch
nur dieser prozentuale Anteil am Umsatz in die Zukunft projiziert werden kann. Ein
einleuchtender Grund, zusätzlich einen gleich hohen Prozentanteil von
Nichtmehrfachkunden der Umsatzprognose hinzuzuschlagen, besteht demnach nicht,
vielmehr führte dies zu einer Verfälschung, wie die vom Kläger vorgetragenen Zahlen
zeigen und schon das Landgericht näher ausgeführt hat. Allerdings kann es auch nicht
bei den von der Klägerin vorgetragenen Prozentzahlen verbleiben. Das Landgericht hat
die Aufstellung der Klägerin bereinigt und nicht als Mehrfachkunden angesehen die F.-
Händlerkollegen, die Kunden aus Rahmenvereinbarungen, Mehrfachverkäufe an
Leasingfirmen, die Adam-Opel AG, den Geschäftsführer der Klägerin,
Familienmitglieder und Erwerber von zwei oder mehreren Fahrzeugen unter einem
Datum. Das beanstandet die Klägerin mit ihrer Berufung zu Unrecht, wobei auf die
Ausführungen des Landgerichts, denen sich der Senat vollinhaltlich anschließt,
verwiesen werden kann; sie sind auch durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet
worden. Das Landgericht ist so zutreffend zu einem durchschnittlichen Umsatz mit
Mehrfachkunden von 2.233.687,-- DM gelangt (Seite 8 -11 UG). Setzt man diese Zahl in
Beziehung zum Gesamtumsatz im letzten Jahr von 9.287.965,-- DM, so beträgt der
Anteil der Mehrfachkunden 24 %. c) Bei einem Eigenhändlervertrag ist die der Provision
des Handelsvertreters vergleichbare Händlervergütung in dem vom Hersteller
gewährten Händlerrabatt enthalten. Der durchschnittliche Händlerrabatt der Beklagten,
nämlich die Differenz zwischen ihren unverbindlichen Preisempfehlungen und dem
Einkaufspreis des Händlers, ist von der Klägerin erstinstanzlich, bezogen auf zwei
Fremdmarken, mit 15.5 % angegeben worden, dagegen schweigt sie sich darüber aus,
wie hoch die Provision konkret bei der Beklagten war, obwohl diese Zahlen
aussagekräftiger gewesen wären, wie auch ihre Aufstellung keine Angaben über die
UPE enthält. Hierzu hätte Veranlassung bestanden, nachdem die Beklagte bestritten
hat, daß die von der Klägerin vorgetragenen Prozentzahlen übertragbar seien. Der
Senat vermag allerdings auch nicht der typisierten Berechnung der Beklagten zu folgen,
in der sie nach Abzug aller Kosten zu einem ausgleichsfähigen ,Rabattkern" von 2,49 %
gelangt. Diese Berechnung berücksichtigt nicht hinreichend, daß maßgebend für den
Ausgleichsanspruch die zu erwartende Bruttoprovision ist (vgl. Baumbach/Hopt, HGB,
29. Aufl., § 89 b Rn 29 m.w.N.). Immerhin geht auch diese Aufstellung, allerdings mit
anderen Ausgangszahlen, von einem Bruttoertrag von 11,58 % aus. Mangels anderer
konkreter Anhaltspunkte erscheint es deshalb gerechtfertigt, die tatsächlichen Einkaufs-
und Verkaufszahlungen gegenüberzustellen und die Differenz als Bruttoprovision zu
werten; dann ergibt sich ein Prozentsatz von 10,8 %, der auch angesichts der
Aufstellung der Beklagten nicht zu hoch gegriffen erscheint. Hiervon kann für den
Ausgleich nach § 89 b Abs. 1 HGB nur der Anteil berücksichtigt werden, mit dem die
werbende Tätigkeit des Händlers abgegolten wird (st. Rspr., vgl. u.a. BGH NJW 1985,
860 [861]; BGH NJW-RR 1988, 40 [44]). Deshalb sind zunächst die Verwaltungskosten
abzuziehen. Wie hoch diese zu bewerten sind, ist zwischen den Parteien streitig; die
Klägerin will sich 2,5 % anrechnen lassen, die Beklagte hält diesen Betrag für zu
niedrig. Was sie allerdings in ihrer bereits zitierten Berechnung abziehen will
(Lohnkosten pp.), geht über die bloßen Verwaltungskosten (Abschlußkosten, vgl.
Baumbach a.a.O. Rn 41) hinaus; insbesondere mindern ersparte Geschäftsunkosten
den Provisionsverlust nicht (Staub/Brüggemann, HGB, 4. Aufl., 1. Bd., § 89 b Rn 87).
Gründend auf den Erfahrungswerten aus bereits entschiedenen Fällen erscheint dem
Senat deshalb der von der Klägerin angeführte Satz von 2,5 % angemessen. Damit
verbleibt ein der Provision des Handelsvertreters entsprechender Gewinnanteil der
Klägerin von (10,8 - 2,5 =) 8,3 %. Ausgehend von dem vom Landgericht errechneten
Mehrfachkundenumsatz von 2.233.687,-- DM errechnet sich hieraus eine Provision von
185.396,02 DM. d) Der 22. Senat (a.a.O.) hat von dem verbleibenden Gewinnanteil,
bezogen auf den Stammkundenumsatz, eine jährliche Abwanderungsquote von 25 %
abgezogen, wie dies auch die Klägerin in ihrer Berechnung getan hat. Das trägt dem
Gedanken Rechnung, daß der Kundenstamm grundsätzlich einer Fluktuation unterliegt,
daß zwar bei langlebigen Wirtschaftsgütern mit Folgeumsätzen, aber auch mit
Fluktuation gerechnet werden muß; auch Stammkunden werden nicht in alle Ewigkeit
Folgebestellungen aufgeben. Der Bundesgerichtshof (NJW-RR 1988, S. 44) hat diese
Methode grundsätzlich gebilligt. Auch der Senat folgt dem grundsätzlich, wenn auch
nicht der Art der Berechnung. Nach Auffassung des Senats führt es nämlich zu einem
Berechnungsfehler zum Nachteil des Eigenhändlers, wenn die Mehrfachkunden-Quote
und die Abwanderungs-Quote für den gleichen Zeitraum angewendet wird, wie dies der
22. Senat getan hat. Diese Kumulation erscheint deshalb nicht zulässig, weil in der
statistisch ermittelten Mehrfachkundenquote bereits eine Abwanderungs-Quote für das
nächste Kaufzeitintervall von 5 Jahren liegt; denn in der Mehrfachkundenquote von ca.
24 % (s.o.) steckt bereits eine Abwanderungsquote von 76 %. Deshalb ist diese
Mehrfachkundenquote für den Prognosezeitraum von 5 Jahren zunächst unverändert
anzunehmen; erst im Anschluß daran kann jeweils gestaffelt eine Abwanderungsquote
angenommen werden (so schon Horn, ZIP 1988, 137 [142]; Staub/Brüggemann a.a.O. §
89b Rn 86). Gerade weil es sich insoweit um summarische, aus der Vergangenheit
übertragene Werte handelt, kommt es auch nicht entscheidend auf die von der
Beklagten behaupteten Erhebungen durch die Fa. MIL Marktforschung GmbH an, aus
denen sich konkret ein noch geringerer Mehrfachkundenanteil ergeben soll. Sie sind
auch deshalb nicht aussagekräftig, weil sie nur einen Teil der Mehrfachkunden
auswerten konnten, was zudem Jahre nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses
mit der Klägerin geschehen ist; in einem solchen Fall ist nicht auszuschließen, daß
Mehrfachkunden auch deshalb abgewandert sind, weil die Beklagte den ihr mitgeteilten
Kundenstamm nicht ausreichend gepflegt hat. Derartige ungewollte oder gewollte, den
Ausgleichsanspruch mindernde Einflüsse wären nie auszuschließen, wenn man auf
Erhebungen abstellte, die erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses
vorgenommen werden, statt auf Erfahrungswerte, die sich während des laufenden
Vertragsverhältnisses herausgebildet haben. e) Von dem nach Abzug der
Verwaltungskosten ermittelten Betrag kann im Rahmen der Billigkeitserwägungen
weiter ein Abzug wegen der ,Sogwirkung" der Marke vorgenommen werden (BGH NJW
1983, 2877 [2879]; BGH NJW-RR 1988, 44). Hierunter versteht man den Umstand, daß
ein Markenartikel vermöge seines besonderen Bekanntheitsgrades geringerer
Vermittlungsbemühungen eines Handelsvertreters bedarf, als dies bei weniger
bekannten Produkten der Fall sein mag (Küstner/v. Manteuffel/Evers, a.a.O., Rn 986; für
den Eigenhändler vgl. BGH NJW 1983, 2877 = MDR 1984, 311). Angesichts der
Tatsache, daß es sich bei den Produkten der Fa. F. um Massenprodukte mit hohem
Bekanntheitsgrad handelt, andererseits das Image der Marke auch so hoch bewertet
werden kann, daß sich die Fahrzeuge ,von selbst verkaufen", erscheinen die von der
Beklagten behaupteten 75 % als weit überhöht. Sie stehen zudem im Widerspruch zu
den Ausführungen der Beklagten, was den Anteil der Mehrfachkunden betrifft; wäre die
Sogwirkung der Marke ,F." tatsächlich so hoch, wie die Beklagte glauben machen
möchte, so bleibt unerklärt, warum nach ihren Behauptungen so viele Mehrfachkunden
abgesprungen sind. Der Senat hält deshalb eine Quote von 25 % als durchaus
angemessen. Damit ergibt sich ein jährlicher Provisionsverlust des Klägers von
139.047,02 DM, der wegen der bei Kraftfahrzeugen zu unterstellenden
durchschnittlichen Kaufintervalle von 5 Jahren auf einen fünfjährigen Zeitraum ab
Vertragsbeendigung zu beziehen ist; der Gesamtverlust beträgt danach gerundet
695.235,-- DM. f) Schließlich ist die Ausgleichssumme abzuzinsen, da der Kläger mit
dem Ausgleich, der an die Stelle künftiger, mit der Vertragsbeendigung aber entfallender
Provisionseinnahmen tritt, eine Zahlung erhält, die sich bei der Fortsetzung des
Vertrages auf einen längeren Zeitraum verteilt hätte. Diese Abzinsung ist nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig davon vorzunehmen, zu welchem
Zeitpunkt die Zahlung des Ausgleichs bewirkt wird oder daß sie erst nach langer
Prozeßdauer erfolgt; denn der mit der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses
entstehende Ausgleichsbetrag kann regelmäßig keine Veränderung dadurch erfahren,
daß die tatsächliche Leistung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt (so BGH MDR
1991, 502 = VersR 1991, 463; ablehnend Küstner/v. Manteuffel/Evers, Handbuch des
gesamten Außendienstrechts, Bd. II, 6. Aufl. 1995, Rn 661). Das ergibt nach der
Methode Gillardon (695.235 : 60 x 52,9907) einen Betrag von 614.016,49 DM. g) Hierauf
sind 15 % MWSt aufzuschlagen, da für den Ausgleichsanspruch die Bruttoprovisionen
maßgeblich sind und die Klägerin Ihren Stammkundenumsatz auf der Basis der
Nettopreise errechnet hat (vgl. Küstner u.a., a.a.O., Rn 693). Damit beträgt der
Ausgleichsanspruch insgesamt 706.118,96 DM. h) Gemäß § 89 b Abs. 2 HGB ist der so
errechnete Provisionsbetrag der Höhe nach begrenzt; er beträgt höchstens eine nach
dem Durchschnitt der letzten 5 Jahre der Tätigkeit des Vertragshändlers errechnete
Jahresprovision. Ausgehend von dem von der Klägerin behaupteten Nettoumsatz der
letzten 5 Jahre vom 40.915.115,62 DM errechnet sich ein jährlicher
Durchschnittsumsatz von 8.183.023,12 DM. Hieraus ergibt sich ein Provisionssatz von (*
8,3 %) 679.190,92 DM zzgl. 15 % MWSt, also insgesamt 781.069,56 DM. Die unter lit. g)
errechnete Summe liegt unter diesem Betrag, so daß der Ausgleichsanspruch nicht zu
reduzieren ist. i) Einen höheren Zinssatz als 5 % hat die Klägerin zwar behauptet,
mangels Vorlage der angekündigten Zinsbescheinigung aber nicht nachgewiesen, so
daß ihr gem. § 352 HGB auch nur 5 % zugebilligt werden können. Allerdings kann sie
diese Zinsen bereits ab 16.12.1994 verlangen, da die Beklagte zu diesem Zeitpunkt
bereits jegliche Zahlungen abgelehnt hatte. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92
Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§
708 Nr. 10, 711 ZPO. Beschwer : a. für die Klägerin 517.242,99 DM b. für die Beklagte
706.118,96 DM