Urteil des OLG Köln vom 01.09.2000
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Oberlandesgericht Köln, 6 U 43/00
Datum:
01.09.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 43/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 28 0 263/99
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.11.1999 verkündete Urteil
der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 0 263/99 - wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass der Urteilstenor wie folgt neu gefasst
wird: I. Die Beklagte wird verurteilt, 1. es bei Vermeidung eines vom
Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder
der Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, zu unterlassen, die von
dem Kläger herausgegebene "List of Presses - Publication Gravure
Europe American & Japan" (Stand: August 1998) wie nachstehend
wiedergegeben zu bearbeiten und/oder bearbeiten zu lassen und/oder
zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen: 2. die in ihrem - der
Beklagten - Besitz befindlichen, vorstehend wiedergegebenen
Bearbeitungen der "List of Presses - Publication Gravure Europe,
America & Japan" (Stand: August 1998) zu vernichten, 3. dem Kläger
Auskunft zu erteilen über den Umfang der in Ziffer I. 1. bezeichneten
Handlungen, und zwar ab dem 04.02.1999 und unter Angabe der Anzahl
der vorstehend wiedergegebenen, bearbeiteten Exemplare sowie der
Namen und Adressen der Lieferanten und Abnehmer dieser Exemplare.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflich-tet ist, dem Kläger ab
dem 04.02.1999 jeden Schaden zu ersetzen, der ihm aus den in Ziffer I.
1. be-zeichneten Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen
wird. III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. IV. Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen
Erfolg. Vielmehr hat das Landgericht die Beklagte zu Recht zur Unterlassung, zur
Vernichtung und zur Auskunftserteilung verurteilt und darüber hinaus dem
Schadenersatzfeststellungsbegehren des Klägers entsprochen. Auch der Begründung
der angefochtenen Entscheidung schließt sich der Senat an und sieht von einer
erneuten Darstellung der die Entscheidung tragenden Gründe ab, § 543 Abs. 1 ZPO.
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Die von der Beklagten mit ihrer Berufung gegen das angefochtene Urteil vorgebrachten
Einwände geben dem Senat keinen Anlass, den zur Entscheidung stehenden
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Lebenssachverhalt einer anderen tatsächlichen oder rechtlichen Würdigung zu
unterziehen, als das Landgericht es getan hat. Vielmehr teilt der Senat vollumfänglich
die Auffassung des Landgerichts, dass zum einen das Werk des Klägers, die List of
Presses - Publication Gravure Europe, America ##blob##amp; Japan", Stand: August
1998, (im folgenden: "List of Presses") Datenbankherstellerschutz nach §§ 87a, 87b
UrhG genießt, zum anderen, dass die Beklagte wesentliche Teile dieser Datenbank
übernommen hat und deshalb gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG zur Unterlassung und
gemäß 98 Abs. 1 UrhG verpflichtet ist, die in ihrem Besitz befindlichen, rechtswidrig
vorgenommenen Bearbeitungen der List of Presses zu vernichten.
Dass und aus welchen Gründen es sich bei der List of Presses des Klägers um eine
Datenbank im Sinne des § 87 a Abs. 1 UrhG handelt, hat das Landgericht in dem
angefochtenen Urteil im einzelnen dargelegt. Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung die
richtigen und überzeugenden Ausführungen des Landgerichts mit der Begründung
angreift, der Bundesgerichtshof habe in seiner Tele-Info-CD-Entscheidung (WRP 1999,
931 ff.) entschieden, der Datenbankherstellerschutz sei auf elektronische Datenbanken
beschränkt, § 87a und auch § 87b UrhG seien auf Printmedien nicht anwendbar, hat der
Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung vom 06.05.1999 die Richtigkeit des
Gegenteils ausdrücklich festgestellt. Da die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen
der §§ 87a und b UrhG, namentlich die systematische und methodische Anordnung der
Daten oder auch das Erfordernis wesentlicher Investitionen für Beschaffung,
Überprüfung oder Darstellung, nach dem Sachvorbringen beider Parteien
unproblematisch sind, verlangt der Kläger von der Beklagten zu Recht Unterlassung,
weil nämlich deren Einlassung, sie habe alle im Urteilstenor in der konkreten
Verletzungsform wiedergegeben Daten, die sich auf mit dem Tiefdruck befasste
Unternehmen beziehen, selbständig recherchiert, als wiederlegt angesehen werden
muss. Denn die vom Kläger vorgetragenen, von der Beklagten nicht substantiiert
bestrittenen und damit zugestandenen Indiztatsachen lassen nur eine Schlussfolgerung
zu, nämlich die, dass die Beklagte wesentliche Teile ihrer zugestellten Daten aus dem
als Datenbank geschützten Werk "List of Presses" des Klägers übernommen hat. Dass
die Beklagte die von ihr zusammengestellten Daten entgegen ihrem ausdrücklichen
Sachvortrag keinesfalls selbst recherchiert, sich bei der Zusammenstellung ihrer Daten
vielmehr weitestgehend an dem Werk des Klägers orientiert und die Daten abgekupfert
hat, ergibt sich aus folgenden, überwiegend bereits vom Landgericht zutreffend
bewerteten Umständen:
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Die Beklagte hat nach ihrem eigenen Sachvortrag verschiedene Firmen unter dem
Betreff "Übersicht Druckmaschinen in Europa" angeschrieben und um Überprüfung
bestimmter, von ihr vorgegebenen Daten gebeten. Dabei fällt schon auf, dass die
Beklagte zum Teil natürliche Personen in den Gesellschaften mit Namen benennen
konnte, die sich auch in der List of Presses des Klägers wiederfinden. Das allein mag
zwar durchgreifenden Anlass zu Argwohn noch nicht geben. Augenfällig ist aber, dass
die Beklagte z.B. wusste, dass die Firma B. Druck K. KG über 8 bestimmte
Druckmaschinen unterschiedlichen Typs verfügt, und nicht nur in der Lage war, die
genaue Maschinenbezeichnung wiederzugeben, sondern überdies gegenüber der
Firma B. Druck K. KG exakt vorgeben konnte, wann die einzelnen Maschinen erstmals
in Betrieb genommen worden sind. Schon das Wissen der Beklagten um diese
firmeninternen Einzelheiten kann nur bedeuten, dass die Beklagte diese Daten der List
of Presses des Klägers entnommen hat und ihre Beteuerung, sie habe das Werk des
Klägers nicht gekannt, unrichtig ist. Hinzu kommt, dass der Kläger in seiner Klageschrift
und auch in seiner Berufungserwiderung weitere Indiztatsachen vorgetragen hat, denen
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die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten ist und die einzig den Plagiatsvorwurf
zulassen. So hat der Kläger auf Seiten 65 und 66 der List of Presses insgesamt 4 mal
die Firma R. AG in Z. /Schweiz erwähnt. Die maximalen Papierbahnbreiten ("max. web.
width") sind mit "2.000", "1.520", "1.920" und 2 mal "2.500" angegeben. Nach dem
unstreitigen Vortrag des Klägers sind diese Angaben unrichtig, weil die maximalen
Papierbahnbreiten in Wirklichkeit zwischen 5 und 20 mm breiter als in der Liste des
Klägers angegeben sind. Träfe demgegenüber die Behauptung der Beklagten zu, sie
habe alle von ihr zusammengefassten Daten selbst recherchiert, gibt es keine
vernünftige und nachvollziehbare und vor allem auch keine von der Beklagten
unterbreitete Erklärung dafür, warum auch ihr Werk die in der List of Presses des
Klägers enthaltenen fehlerhaften Daten nennt.
Ähnliches gilt für das Beispiel der Firma B. Druck K. KG. In der Liste des Klägers sind
die technischen Daten auf den Seiten 26 - 28 beschrieben. Bei der letzten Maschine,
der Maschine Nr. 8, hat der Kläger nach seinem unstreitigen Sachvorbringen
versehentlich vergessen, den Hinweis "Al" in der Rubrik "Stitcher" zu geben, was
bedeutet hätte, dass auch die Maschine Nr. 8 über einen sogenannten "Hefter" der
Firma "KBA" verfügt. Letzteres folgt aus Seite 13 der List of Presses, wonach das Kürzel
"Al" als Codierung für die Firma "KBA" steht. Die Tatsache, dass auch die Beklagte bei
den ersten 7 Maschinen den Hinwies auf die Firma "KBA" angegeben hat, nicht
hingegen bei der Maschine Nr. 8, spricht ebenfalls nachhaltig dafür, dass die Beklagte
ihre Daten nicht selbst recherchiert, sondern aus der Datenbank des Klägers
übernommen hat.
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Weitere, den Plagiatsvorwurf verfestigende Indiztatsachen der vorbezeichneten Art
kommen hinzu: So hat der Kläger auf den Seiten 111 - 119 der List of Presses die
einzelnen Firmen nach Name, Anschrift, Telefon und Telefax bezeichnet, außerdem hat
er dort teilweise Ansprechpartner in diesen Firmen namentlich benannt. Bezogen auf
die Firma Br. in M. hat der Kläger unbestritten vorgetragen, die Benennung des Dr. J. S.
als Kontaktperson beruhe auf einem Versehen, in Wirklichkeit sei der für die Firma Br.
tätige Herr St. derjenige, der richtigerweise in die List of Presses hätte aufgenommen
werden müssen. Dass auch in der Liste der Beklagten nicht etwa der zuständige Herr
St., sondern Dr. J. S. als Ansprechpartner benannt wird, kann nicht auf Zufall beruhen
und widerlegt die Richtigkeit der Sachdarstellung der Beklagten.
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Ähnliches gilt für das Beispiel, zu dem der Kläger schon in seiner Klageschrift
unwidersprochen vorgetragen hat: In seiner Liste ist nämlich auf Seite 117 bei der Firma
Roto S. E. als Ansprechpartner Herr B. benannt, obwohl Herr B. unstreitig bereits seit
Anfang 1997 aus Altersgründen bei der Firma Roto S. E. ausgeschieden war. Wenn die
Beklagte dann in ihrer 1999 herausgegebenen Liste ebenfalls Herrn B. als
Ansprechpartner benennt, obschon dieser zu diesem Zeitpunkt schon seit 2 Jahren nicht
mehr für die Roto S. E. tätig war, kann auch das nur bedeuten, dass die Beklagte ihre
Angaben nicht selbständig eruiert, sondern sich an den vom Kläger
zusammengestellten Daten orientiert hat.
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Auch die weiteren vom Kläger ins Feld geführten Beispiele sprechen für sich: Auf Seite
113 der List of Presses hat der Kläger die Adresse der Firma Bur. Druck GmbH mit
"Hauptstr. " in O. bezeichnet und dabei das Postfach "11 26" und die Postleitzahl "77
601" angegeben, wobei sich die Postleitzahl unstreitig auf das Postfach und nicht auf
die Straße bezog. Die Datensammlung der Beklagten enthält demgegenüber keine
Postfachadresse, vielmehr wird die Straße mit "Hauptstraße" bezeichnet, alsdann wird
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die Postleitzahl für das Postfach übernommen, obschon die richtige Postleitzahl für die
Hauptstraße nicht "77 601", sondern "77 652" lautet. Auch das spricht nachhaltig dafür,
dass der Beklagten entgegen ihrer Sachdarstellung das ihr angeblich unbekannte Werk
des Klägers vorgelegen hat, zumal dem Senat in diesem Zusammenhang, worauf es für
die Entscheidung des Rechtsstreits aber nicht entscheidend ankommt, aufgefallen ist,
dass die Beklagte bei der Adressenbezeichnung "Hauptstraße" offenbar aufgrund eines
Versehens nicht die richtige Nummer "130", sondern die Nummer "1126" und damit statt
der Straßennummer die in der List of Presses des Klägers enthaltene Postfachnummer
angegeben hat.
Auch der Sachvortrag des Klägers zu bestimmten Typenbezeichnungen und ihrer
Übernahme durch die Beklagte spricht eindeutig gegen die Richtigkeit der Darstellung
der Beklagten, sie habe alle Daten selbst recherchiert: Aus Seite 13 der List of Presses
des Klägers ergibt sich, dass das Kürzel "Ce" für die Firma "Z. " und das Kürzel "Wi" für
die Firma "W. " steht. Unstreitig sind in der List of Presses des Klägers bei der Firma R.
AG in der Schweiz die Hersteller zum Teil mit dem für "Z. " stehenden Kürzel, einmal
aber mit "Wi/Ce" bezeichnet, was seinen Grund darin hat, dass es sich bei dieser
Maschine um eine nicht typisierte Eigenkonstruktion gehandelt hat. Der Kläger hat in
diesem Zusammenhang unbestritten vorgetragen, er habe diese Maschine aus diesem
Grund weder der Firma Z. noch der Firma W. zugeordnet, sondern willkürlich das
Buchstabenkürzel "Wi/Ce" gewählt. Dass unstreitig auch die Datenbank der Beklagten
die willkürlich gewählte Buchstabenkombination enthält, lässt ihren Vortrag, sie habe
die Datenbank des Klägers nicht gekannt und sich folglich auch nicht an ihr orientieren
können, als unglaubhaft und widerlegt erscheinen.
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Letztlich spricht folgender weiterer Umstand gegen die Richtigkeit der
Sachverhaltsdarstellung der Beklagten: Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich
die Beklagte bereits im September 1998 an die Firma R. AG in der Schweiz mit der Bitte
gewandt hat, bestimmte Daten zu übermitteln, die sie nicht kannte. Wenn die Beklagte
dann wenige Monate später dennoch über diese Daten verfügte, obwohl die Firma R.
AG ihr unstreitig keine Auskunft erteilt und auch keinerlei Informationen übermittelt und
die Beklagte auch nicht vorgetragen hat, wie sie ihren Kenntnisstand denn erreicht
haben will, dann lässt auch dieser Umstand, jedenfalls im Zusammenwirken mit den
übrigen genannten Umständen, bei vernünftiger und lebensnaher Betrachtungsweise
einzig den Schluss zu, dass sich die Beklagte diese Daten anderweitig beschafft hat,
und zwar aus der Liste des Klägers.
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Ist die Beklagte demgemäß auf Antrag des Klägers gemäß § 97 Abs. 1 UrhG an der
weiteren Verwendung der rechtswidrig übernommenen, im Tenor dieses Urteils durch
die konkrete Verletzungsform näher bezeichneten Daten zu hindern, und ist sie gemäß
§ 98 Abs. 1 UrhG zur Vernichtung vorhandener Plagiate verpflichtet, ist das Landgericht
im übrigen mit zutreffenden (§ 543 Abs. 1 ZPO) Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt,
dass die Beklagte schuldhaft gehandelt hat und deshalb auch zur Auskunftserteilung
und im Grundsatz auch zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet ist.
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Die Kosten des Rechtsstreits hat die unterlegene Beklagte gemäß § 91 ZPO zu tragen.
Soweit in der im Berufungsverfahren vorgenommenen Änderung des Klageantrags, die
im übrigen die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 22.05.2000 gegen den den
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens 6 W 55/00 OLG Köln bildenden
Berichtigungsbeschluss des Landgerichts vom 05.05.2000 obsolet erscheinen lässt,
eine teilweise Klagerücknahme erblickt werden könnte, war die etwaige Zuvielforderung
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verhältnismäßig geringfügig und hat keine besonderen Kosten veranlasst.
Entsprechend dem in § 92 Abs. 2 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken war
es deshalb nicht veranlasst, dem Kläger einen Teil der entstandenen Kosten
aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
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Die gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festzusetzende Beschwer der Beklagten beträgt
60.000,-- DM.
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