Urteil des OLG Köln vom 31.01.2006
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Oberlandesgericht Köln, 2 ARs 14/06
Datum:
31.01.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 ARs 14/06
Schlagworte:
Auslieferungsverfahren
Normen:
RVG § 51
Tenor:
Dem Pflichtbeistand wird eine Pauschvergütung in Höhe des Betrages
der Regelgebühren zuzüglich 3.000,00 EUR (in Worten: dreitausend
Euro) bewilligt.
G r ü n d e :
1
I.
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Der Antragsteller wurde unmittelbar nach einer Einreise nach Deutschland am
20.07.2004 zum Pflichtbeistand des am 07.07.2004 festgenommenen Verfolgten
bestellt. Gegenstand des Verfahrens war ein Auslieferungsersuchen der Vereinigten
Staaten wegen des Verdachts des Mordes. Der Senat hat die Auslieferung durch
Beschluss vom 05.11.2004 für zulässig erklärt, obwohl dem Verfolgten in dem
ersuchenden Staat die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit
der Strafaussetzung drohte. Die deswegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde
durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.07.2005 (NJW 2005, 3483)
zurückgewiesen. Die Auslieferung in die Vereinigten Staaten erfolgte schließlich am
18.08.2005.
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Der Antragsteller hat den Verfolgten während des gesamten Auslieferungsverfahrens
vertreten. Er hat im Rahmen der Zulässigkeitsentscheidung im Hinblick auf § 10 IRG zur
Frage des Tatverdachts Stellung genommen und sich zudem zur
verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Auslieferung bei drohender lebenslanger
Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit der Strafaussetzung geäußert. Er hat den Verfolgten
mindestens 30-mal in der Haftanstalt besucht und den Kontakt zu seiner Familie und
seinen Rechtsanwälten in anderen Ländern hergestellt.
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Die Höhe der zu seinen Gunsten festgesetzten gesetzlichen Gebühren (VV Nr. 6100,
6101 RVG) beläuft sich auf (netto) 620,00 EUR. Die Höchstgebühren eines
Wahlverteidigers beläuft sich auf (netto) 1.360,00 EUR.
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II.
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Der Antrag vom 30.12.2005 auf Bewilligung einer über die gesetzlichen Gebühren
hinausgehenden Pauschvergütung (§ 51 RVG) ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang begründet. Die Umstände rechtfertigen insgesamt die Bewilligung einer
Pauschvergütung, welche nicht nur die Regelgebühren um den zugebilligten Betrag
übersteigt, sondern auch deutlich über der Höchstgebühr eines Wahlverteidigers liegt.
Die Vertretung des Verfolgten war aufgrund der langen Dauer des
Auslieferungsverfahrens und der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten mit einem so
großen Aufwand für den Antragsteller verbunden, dass eine Vervielfachung der
gesetzlichen Gebühren geboten erscheint, um dem Aufwand annähernd gerecht werden
zu können.
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Der Antragsteller hat im Hinblick auf die Regelung des § 10 Abs. 2 IRG umfangreich,
wenn auch letztlich erfolglos, zur Frage des Tatverdachts Stellung genommen. Hierzu
musste er mit den ausländischen Verteidigern des Verfolgten Kontakt aufnehmen und
die ihm von diesen überlassenen Verfahrensakten in englischer Sprache aufbereiten.
Hinzu kam die besondere rechtliche Schwierigkeit der drohenden Verhängung einer in
dieser Form in Deutschland nicht zulässigen Strafe. Diese Frage war nicht nur
Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens, sondern auch der
vorangegangenen Entscheidung des Senats. Der Antragsteller hat hierzu umfangreich
vorgetragen.
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Hinzu kommt der durch die vorstehend dargestellten Rechtsfragen, vor allem aber durch
die lange Dauer des Auslieferungsverfahrens ausgelöste deutlich erhöhte
Besprechungs- und Betreuungsaufwand. Insbesondere in Auslieferungsverfahren wie
dem vorliegenden, die Personen betreffen, die der deutschen Sprache nicht mächtig
sind und auch in Deutschland über keinerlei persönliche Bindungen verfügen, sind
neben den aus der Sache heraus gebotenen Besprechungen auch die darüber
hinausgehenden Betreuungsleistungen des Beistands für den Verfolgten bei der
Bemessung der Pauschvergütung zu berücksichtigen. Der Beistand ist in derartigen
Fällen vielfach der einzige Kontakt des Verfolgten zur Außenwelt. Nur über ihn kann er
seine Angelegenheiten regeln. Die insoweit entfalteten Bemühungen werden mit
zunehmender Dauer der Auslieferungshaft immer gewichtiger. In diesem Fall dauerte
die Auslieferungshaft insgesamt 13 Monate, was in der Praxis des Senats
außergewöhnlich lang ist. Zudem lebte die Familie des Verfolgten in den USA. In
Deutschland bestanden keinerlei Kontakte.
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