Urteil des OLG Köln vom 07.05.2007

OLG Köln: verkehrsgeltung, internet, anbieter, unternehmen, dienstleistung, verkehrsdurchsetzung, werbung, markenschutz, verfügung, restaurant

Oberlandesgericht Köln, 6 W 54/07
Datum:
07.05.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 54/07
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 33 O 96/07
Normen:
MarkenG §§ 4 Nr. 2, 8 Abs. 3, 14 Abs. 2; UWG §§ 4 Nr. 9 u. 10
Tenor:
1.) Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss
der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 33 O 96/07 – vom
29.3.2007, durch den ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
zurückgewiesen worden ist, wird zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu
tragen.
G R Ü N D E
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I
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Die Parteien stehen sich als Internetprovider gegenüber. Die Antragstellerin bietet seit
dem Jahre 2003 unter der nicht als Marke eingetragenen Bezeichnung "4E" u.a. einen
Internetzugang an. Sie ist nach eigenem Vortrag vornehmlich in den Regionen des P
und des S.-C. Kreises sowie in der Stadt M. tätig und bewirbt ihr Angebot u.a. unter der
Domain "www.4e.de" im Internet. Die Antragsgegnerin bietet neuerdings ebenfalls unter
der Bezeichnung "4E" im Internet einen Internetzugang an.
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Die Antragstellerin nimmt für sich unter Hinweis auf den Umfang ihrer Nutzung des
Zeichens eine Benutzungsmarke im Sinne des § 4 Nr. 2 MarkenG in Anspruch und
begehrt aus dieser sowie aus §§ 3, 4 Nr. 9 und 10 UWG die Unterlassung der
Bezeichnung "4E" durch die Antragsgegnerin. Das Landgericht hat den Erlass einer
hierauf gerichteten einstweiligen Verfügung im Beschlusswege mit der Begründung
abgelehnt, die Antragstellerin habe eine Benutzungsmarke nicht erlangt. Hiergegen
richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.
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II
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Die gem. § 567 Abs.1 Ziff.2 statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nicht
begründet. Der geltendgemachte Verfügungsanspruch besteht aus keinem in Betracht
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kommenden Gesichtspunkt.
1.) Der Antragstellerin stehen markenrechtliche Ansprüche aus §§ 4 Nr. 2, 14 Abs.2 Ziff.
1 bzw. 2 MarkenG nicht zu, weil sie eine Benutzungsmarke an dem Zeichen 4E nicht
erworben hat. Das Zeichen 4E hat nicht für die Antragstellerin im Sinne des § 4 Nr. 2
MarkenG innerhalb beteiligter Verkehrskreise Verkehrsgeltung erlangt.
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Ein Zeichen hat dann als Marke Verkehrsgeltung erlangt, wenn ein nicht unerheblicher
Teil der angesprochenen Verkehrskreise es für bestimmte Waren oder Dienstleistungen
einem bestimmten Unternehmen als Herkunftshinweis zuordnet (vgl. Ingerl/Rohnke
MarkenG § 4 Rz 17; Hacker in Ströbele/Hacker, § 4 Rz 17). Im Ausgangspunkt zu Recht
stellt die Antragstellerin darauf ab, dass die Verkehrsgeltung – anders als die gem. § 8
Abs.3 MarkenG zur Überwindung von Eintragungshindernissen führende
Verkehrsdurchsetzung – nicht in allen Fällen im gesamten Bundesgebiet erreicht sein
muss. Es kann vielmehr – allerdings nur für einen entsprechend regional begrenzten
Schutz, weswegen der unbeschränkte Verfügungsantrag aus Markenrecht auf dieser
Grundlage von vornherein nur zum Teil Erfolg haben könnte - genügen, wenn die
hinreichende Zuordnung des Zeichens zu einem Unternehmen in einem bestimmten
abgegrenzten Wirtschaftgebiet erreicht worden ist (BGH GRUR 57, 93 - "Ihr
Funkberater"; GRUR 67, 482, 485 – "WKS Möbel II"; GRUR 79, 470, 472 – "RBB/RBT";
GRUR 92, 865 – "Volksbank", sämtlich noch zum Warenzeichengesetz; OLG Dresden
GRUR-RR 02, 257 – "Halberstädter Würstchen"; Ingerl/Rohnke a.a.O. Rz 22; Hacker,
a.a.O. Rz 32). Die Voraussetzungen hierfür liegen aber nicht vor, weswegen auf die
Zuordnung im gesamten Bundesgebiet abzustellen ist.
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Eine regional begrenzte Verkehrgeltung bzw. nach früherer unter dem WZG
verwendeter Terminologie Verkehrsdurchsetzung kommt zunächst in Betracht, wenn der
Gewerbetreibende seine gekennzeichneten Waren ausschließlich in einem bestimmten
räumlich begrenzten Bezirk absetzt und dort bei den beteiligten Verkehrskreisen einen
ausreichend hohen Zuordnungsgrad des Zeichens zu seinem Unternehmen erreicht hat
(BGH a.a.O. "Ihr Funkberater" und "WKS Möbel II"). Diese Fallgestaltung liegt indes
nicht vor: die Antragstellerin vertreibt schon nach ihrem eigenen Vortrag die
aufgeführten Dienstleistungen nicht ausschließlich, sondern nur "vornehmlich" in den
angegebenen Regionen. Überdies bewirbt sie ihre Angebote im Internet und damit
bundesweit. Die angebotenen Dienstleistungen können ihrer Natur nach auch von
jedem Interessenten im gesamten Bundesgebiet in Anspruch genommen werden. Die
Fallgestaltung unterscheidet sich damit von derjenigen, dass ein ausschließlich
stationär tätiger Anbieter - wie etwa ein (bekanntes) Restaurant – für sein Angebot
(auch) im Internet wirbt: Mögen diesen Internetauftritt auch in entfernten Teilen
Deutschlands lebende Interessierte zur Kenntnis nehmen, so kommt es zur
Inanspruchnahme der angebotenen Dienstleistungen doch ausschließlich in dem
Restaurant. Demgegenüber stellt die Versorgung eines in anderen Teilen der
Bundesrepublik ansässigen Kunden mit einem Internetzugang ein Tätigwerden der
Antragstellerin außerhalb der von ihr angegebenen Region dar. Es muss der
Entscheidung zugrundegelegt werden, dass die Antragstellerin auch Aufträge von
auswärtigen Kunden annimmt, zumal dies technisch ohne persönlichen Kontakt zu dem
Kunden ohne weiteres möglich und deswegen wirtschaftlich sinnvoll ist. Ihr
Internetauftritt enthält eine entsprechende Beschränkung nicht und die Antragstellerin
trägt auch nicht etwa vor, dass sie Interessenten aus anderen Regionen ablehne. Im
Gegenteil ergibt sich aus der Antragsbegründung, wonach die Antragstellerin
"vornehmlich" regional tätig ist, dass sie Kunden aus anderen Gegenden nicht
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zurückweist.
Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BGH zum früheren Warenzeichengesetz
das Entstehen einer Benutzungsmarke - bzw. einer Ausstattung gem. dem damaligen §
25 WZG – nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn das Zeichen nicht nur in dem
angegebenen räumlichen Bereich, wo es einen ausreichend hohen Bekanntheitsgrad
als Marke erlangt hat, sondern darüber hinaus auch in ganz Deutschland verwendet
wird, wo diese Bekanntheit nicht erreicht worden ist (a.a.O. "RBB/RBT", S. 472). Der
Senat hat Zweifel, ob diese Rechtsprechung im Geltungsbereich des Markengesetzes
ihre Fortsetzung finden kann. Die Zubilligung von Verkehrsgeltung für einen
abgegrenzten Wirtschaftsraum zu Gunsten eines auch bundesweit tätigen Anbieters
würde dazu führen können, dass für dasselbe Zeichen und dieselben Waren bzw.
Dienstleistungen in der einen Region Deutschlands dem einen und in anderen
Regionen dem anderen Anbieter ausschließliche Nutzungsrechte zustünden. Wird das
Zeichen – wie im Streitfall – nur von zwei Anbietern verwendet, könnte eine Aufteilung
der gesamten Bundesrepublik in verschiedene Gebiete zu Gunsten dieser beiden
Anbieter entstehen. Eine klare Zuordnung des Zeichens und seine Funktion als Marke,
auf einen bestimmten Anbieter hinzuweisen, wäre so kaum noch gewährleistet.
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Die Frage kann aber dahinstehen, weil auch auf der Grundlage der früheren
Rechtsprechung des BGH ein regional beschränkter Markenschutz der Antragstellerin
nicht besteht. Nach Auffassung des BGH ("RBB/RBT", S. 472) ist in diesen Fällen auf
die konkrete Ware, ihre übliche Vertriebsform, ihr Vertriebsgebiet und die
Betriebsstruktur abzustellen. Komme danach dem rein örtlichen Vertrieb am Sitz des im
gesamten Bundesgebiet tätigen Unternehmens eine nur untergeordnete Bedeutung zu
und beruhe die räumlich beschränkte Verkehrsgeltung letztlich darauf, dass das
fragliche Unternehmen in diesem Raum seien Sitz und dort ganz allgemein eine
gewisse Bedeutung als Herstellungs- und/oder Vertriebsunternehmen erlangt habe, so
könne dieser enge räumliche Bereich noch nicht als ein zur Zubilligung eines
Kennzeichenschutzes kraft Verkehrsgeltung ausreichender einheitlicher
Wirtschaftsraum angesehen werden. Auch unter Zugrundelegung dieser Kriterien kann
der Antragstellerin Markenschutz gem. § 4 Nr. 2 MarkenG für den von ihr in Anspruch
genommenen räumlichen Bereich nicht zuerkannt werden. Die angebotene
Dienstleistung hat keinen Bezug zu der Region, in der die Antragstellerin tätig ist.
Zugang zum Internet, wie er von der Antragstellerin angeboten wird, wird im gesamten
Bundesgebiet nachgefragt und in Anspruch genommen. Ein irgendwie gearteter Bezug
zur der Region des Anbieters besteht insoweit nicht. Dasselbe gilt für die übliche und
auch von der Antragstellerin gewählte Vertriebsform, nämlich das Anbieten im Internet.
Die Antragstellerin tritt unter einer Mehrzahl von Domains im Internet auf und wendet im
übrigen nur einen relativ bescheidenen Etat von 12.000 € im Jahr für Werbung auf. Aus
ihrem Vortrag ergibt sich auch keine besondere Absatzstrategie, die nur auf den
örtlichen Bereich beschränkt wäre. Nach alledem muss davon ausgegangen werden,
dass eine verstärkte Auftragserteilung durch Kunden, die in der angegebenen Region
ihren Sitz haben, auf dem bloßen Umstand beruht, dass die Antragstellerin von dort aus
ihre Dienstleistungen anbietet und in dem genannten Umfang auch regional Werbung
betreibt. Dies reicht indes für die Zubilligung einer Verkehrsgeltung in dem räumlich
beschränkten Raum auch nach der früheren Auffassung des BGH nicht aus.
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Ist damit auf das gesamte Bundesgebiet abzustellen, so sind die Voraussetzungen einer
Verkehrsgeltung nicht glaubhaft gemacht. Es kann bei einem Werbeetat von nur 12.000
€ pro Jahr und einem Jahresumsatz von nur 100.000 € im Jahr 2006, der zudem
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schwerpunktmäßig in der genannten Region erzielt worden ist, allein aus dem
Internetauftritt nicht abgeleitet werden, dass in Deutschland vor dem Auftritt der
Antragsgegnerin in ausreichendem Umfange die Angabe "4E" bekannt gewesen wäre,
zumal wegen des deutlich beschreibenden Charakters der Bezeichnung ein hoher Grad
der Bekanntheit zu fordern wäre.
2.) Der Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 5 Abs. 2, 15 Abs.2
MarkenG. Die von der Antragstellerin vorgetragene und glaubhaft gemachte
Verwendung des Zeichens als Domainname - www.4e.de – hat keinen Schutz als
Geschäftsabzeichen erlangt. Dies scheidet schon deswegen aus, weil der Verkehr die
second-level-domain allenfalls als Hinweis auf die ebenso bezeichnete Dienstleistung
der Antragstellerin auffassen wird; nachdem die unter der Domain abrufbaren
Internetseiten daneben das Unternehmensschlagwort "P." als Hinweis auf den
Firmennamen ausweisen. Außerdem würde der Schutz der beschreibenden Angabe
ebenfalls die Erlangung von Verkehrsgeltung voraussetzen (vgl. Hacker a.a.O., § 5 Rz
48 a.E.), an der es aus den dargestellten Gründen fehlt. Der Senat sieht insoweit von
weiteren Ausführungen ab, weil die Antragstellerin selbst sich auf einen etwaigen
Anspruch aus §§ 5 Abs.2, 15 Abs.2 MarkenG nicht stützt.
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3.) Der Unterlassungsanspruch besteht auch nicht aus §§ 3, 4 Nr. 9 oder 10, 8 Abs.1, 3
Nr.1 UWG.
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Soweit sich die Antragstellerin ohne nähere Begründung und Differenzierung zwischen
den drei Alternativen der Bestimmung auf § 4 Nr. 9 UWG stützt, scheidet deren
Anwendung ersichtlich aus. Die Bestimmung schützt nach ihrem eindeutigen Wortlaut
gegen die Nachahmung von Waren und Dienstleistungen. Indes hat die
Antragsgegnerin nicht die Dienstleistung, sondern allenfalls die für ihre Dienstleistung
von der Antragstellerin verwendete Bezeichnung "4E" nachgeahmt.
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Vergeblich führt die Antragstellerin schließlich auch die Bestimmung des § 4 Nr. 10
UWG an: die Verwendung eines nicht geschützten Kennzeichens durch einen
Wettbewerber ist auch dann nicht als gezielte Behinderung unlauter sondern stellt sich
als hinzunehmende Auswirkung des Wettbewerbs dar, wenn dem in Anspruch
Genommenen die Kollision der Zeichen bekannt ist. Das gilt auch im Hinblick auf die
mehrfache Auflistung der Antragsgegnerin in der Suchmaschine "Google": dass dort bei
Eingabe des Suchbegriffes "4E" nicht mehr die Antragstellerin allein, sondern nunmehr
auch die Antragsgegnerin aufgeführt wird, ist Folge der berechtigten Verwendung
dieses Zeichens. Sollte die Anzahl der "Treffer" zu beanstanden sein, so läge dies nicht
an der Verwendung der Bezeichnung "4E" durch die Antragsgegnerin, die allein
Verfahrensgegenstand ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
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Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 50.000 €
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