Urteil des OLG Köln vom 04.12.2008

OLG Köln: gegen die guten sitten, besonders verwerflich, geschäftsführer, korrespondenz, erfüllung, kapitalanlage, unterlassen, treuhandvertrag, widerruf, einlage

Oberlandesgericht Köln, 7 U 103/08
Datum:
04.12.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 U 103/08
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 2 O 1612/07
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12. März 2008 verkündete
Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 2 O 161/07 -
abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages
abzuwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G R Ü N D E
1
I.
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Der Kläger begehrt vom Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit einer
(fehlgeschlagenen) Kapitalanlage.
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Der Kläger hat sich wie eine Vielzahl weiterer Kapitalanleger an dem N.T.G.E.W.I (NTG)
beteiligt. Bei diesem Unternehmen handelte es sich um eine im Jahre 2003 gegründete
Publikums-KG, die über die Beteiligung treuhänderischer Kommanditisten ein
Platzierungsvolumen von insgesamt ca. 200 Mio. € anlegen wollte.
Unternehmensgegenstand waren der Erwerb, das Halten und die Veräußerung von
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Wertpapieren, Fonds- und Unternehmensbeteiligungen. Allein vertretungsberechtigte
persönlich haftende Gesellschaftern der NTG war die F. Q. Management AG (FQM),
hinter der wiederum die F. B. AG als Alleinaktionärin stand.
Die Beteiligung an der NTG erfolgte über die Firma H. Beteiligungs Treuhand GmbH
(H.). Als deren Geschäftsführer wie auch als alleiniger Gesellschafter und
Geschäftsführer der Alleingesellschafterin der H., nämlich der S.U.S.Treuhand
Vermögensverwaltung GmbH, fungierte der Beklagte. Zu ihrem Aufgabenbereich
gehörte weder die Vermittlung der Beteiligungen, die der I. Finanz AG oblag, noch die
Mittelverwendungskontrolle, mit der die J & V GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
betraut war, die auch den Prospekt geprüft hatte.
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Anlässlich eines Hausbesuches durch einen Vermittler –der in keinem Verhältnis zur H.
stand – unterzeichnete der Kläger am 01.03.2005 ein Angebot zum Abschluss eines
Treuhandvertrages und eine Beitrittserklärung, wobei ungewiss ist, ob Grundlage der
Emissionsprospekt vom 17.03.2004 oder die geänderte Prospektfassung mit
ergänzenden Warnhinweisen gewesen ist, die auf der außerordentlichen
Gesellschafterversammlung der NTG, an der auch der Beklagte teilgenommen hat, am
27.10.2004 beschlossen worden war. Das Treuhandvertragsangebot wurde am
16.03.2005 durch die FQM als (auch) Abwicklungsbeauftragte der H. in deren
Vertretung angenommen. Erst danach sind die Vertragsunterlagen in die unmittelbare
Sphäre der Treuhandkommanditistin bzw. des Beklagten gelangt.
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Im September/Oktober 2004 war es zur Schließung zweier Fondsgesellschaften durch
die Bundesanstalt für K (künftig: AK) gekommen; ob diese von ihrer Konzeption her
vergleichbar ausgestaltet waren wie NTG, ist zwischen den Parteien streitig. In zeitlicher
Nähe dazu schloss NTG am 12./22.10.2004 einen Treuhandvertrag mit der
österreichischen LWXCO Bank AG betreffend die Eröffnung eines Depots für zu
erwerbende Wertpapiere; zu dem beabsichtigten Zusammenwirken dieser beiden
Beteiligten ist es letztlich nicht gekommen. Zudem wurde die vorerwähnte
außerordentliche Gesellschafterversammlung einberufen, noch bevor das als
Schließungsandrohung interpretierbare Schreiben der AK vom 26.10.2004 NTG am
28.10.2004 zuging. Ein inhaltlich davon abweichendes Schreiben selbigen Datums hat
auch die H. erhalten, in dem u.a. um die Beantwortung von Fragen und die Vorlage im
einzelnen bezeichneter Unterlagen gebeten wurde. Wegen des auszugsweise
wiedergegebenen Wortlauts dieses Schreibens, der in der Folgezeit gewechselten
Korrespondenz und der Darstellung der weiteren Geschehensabläufe wird auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
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Der Kläger hat sein an den Beklagten gestelltes Schadensersatzverlangen im
wesentlichen damit begründet, dass er es versäumt habe, seinen auf dem Inhalt des
Schreibens der AK vom 26.10.2004 basierenden Kenntnisstand an die beitrittswilligen
Anleger weiterzugeben, dass er diese nicht an der Eingehung der Vertragsbeziehung,
etwa durch Widerruf der der FQM erteilten Abschlussvollmacht, gehindert, diese
vielmehr "ins offene Messer" laufen gelassen habe, obwohl absehbar gewesen sei,
dass das Konzept, das unter Einschaltung der Treuhandkommanditistin habe realisiert
werden sollen, in dieser Form nicht mehr umsetzbar gewesen sei. Zudem wird ihm
vorgeworfen, die auf das von der H. eingerichtete Treuhandkonto geleisteten Einlagen
noch an NTG weitergeleitet zu haben, obwohl er habe erkennen können und müssen,
dass diese für die Anleger verloren sein würden.
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Der Kläger hat behauptet, er habe insgesamt 2.047,50 € auf seine Einlage bezahlt.
Steuervorteile habe er nicht erzielt.
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Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird der Tatbestand des angefochtenen
Urteils in Bezug genommen.
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Der Beklagte ist dem anspruchsbegründenden Prozessvorbringen mit Sach- und
Rechtsausführungen entgegengetreten.
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Das Landgericht hat den Beklagten für verpflichtet gehalten, gemäß § 826 BGB
Schadensersatz an den Kläger zu leisten, weil er ihn vor Abschluss von dessen Vertrag
nicht über die Bedenken der AK im Hinblick auf die Erlaubnispflichtigkeit des
Anlagekonzeptes aufgeklärt bzw. den Vertragsschluss ohne weitere Information
jedenfalls nicht verhindert habe. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf das
angefochtene Urteil verwiesen.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte und
begründete Berufung des Beklagten, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung
seines erstinstanzlichen Vorbringen sein Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt.
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Er hält an seiner Auffassung fest, weder das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit
verwirklicht noch vorsätzlich im Sinne des § 826 BGB gehandelt zu haben. Der Kläger,
der auf Zurückweisung der Berufung anträgt, verteidigt die angefochtene Entscheidung,
wozu auch er seine erstinstanzlichen Sach- und Rechtsausführungen wiederholt und
ergänzt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und der von ihnen
zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.
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II.
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Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung des Beklagten hat auch in der Sache
Erfolg und führt im Ergebnis zur Abweisung der Klage. Der Auffassung der Vorinstanz,
dass sich der Beklagte dem Kläger gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht habe,
vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Dem liegen im wesentlichen die
nachfolgend dargestellten Erwägungen zugrunde :
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Vorab gilt es zu konstatieren, dass sich das Schadensersatzverlangen gegen den
Beklagten persönlich in seiner Eigenschaft als des damaligen Geschäftsführers der
Treuhandkommanditistin richtet, zu dem keinerlei vorvertraglichen Kontakte bestanden
und mit dem auch keine Vertragsbeziehung eingegangen worden ist. Deswegen besteht
nicht ohne weiteres eine Vergleichbarkeit mit dem der herangezogenen BGH-
Entscheidung vom 29.05.2008 – III ZR 59/07 – zugrunde liegenden Sachverhalt, der
Anlass gab, sich mit den die Treuhandkommanditistin selbst treffenden Pflichten zu
befassen. Deren Erfüllung mag zwar dem Geschäftsführer obliegen, indes kann sein
Pflichtenkreis nicht über den der Gesellschaft hinausgehen. Deren Aufgabengebiet ist
im Treuhandvertrag umrissen. Sie hatte keine eigenständige Pflicht zur Überprüfung der
sachgerechten Prospektierung, erst recht war sie nicht Prospektverantwortliche. Sie war
nicht in die Vermittlung der Beteiligungen eingebunden, ebenso wenig hatte sie eine
Mittelverwendungskontrolle auszuüben. Zu ihren Aufgaben gehörte es, eine
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Kommanditbeteiligung des Treugebers zu verwalten, die geleistete Einlage bei
Erfüllung bestimmter Voraussetzungen weiterzuleiten und so auch mit schriftlichen
Informationen zu verfahren, die sie in ihrer Eigenschaft als Kommanditistin der
Gesellschaft erhielt. Diese in § 4 Abs. 1 des Treuhandvertrages formulierte Verpflichtung
ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die H. ihre Treugeber über dasjenige zu
unterrichten hatte, was ihr in ihrer Position als Sachwalterin stellvertretend für die
Vielzahl der Kommanditisten an schriftlichen Informationen zugeleitet wurde, sofern
diese in einem unmittelbaren Zusammenhang mit deren Gesellschaftsbeteiligung
standen. Nicht hingegen lässt sich diese Vertragsbestimmung ausdehnend dahin
interpretieren, die H. habe jedwede Korrespondenz zur Kenntnis bringen müssen, die
nicht für die Kommanditisten, vertreten durch ihre Treuhänderin, bestimmt war. Eine
solche schriftliche Information aber stellte das Schreiben der AK vom 26.10.2004 dar,
das seinem Inhalt nach die H. als eine der Aufsicht der AK unterstehende eigenständige
Rechtspersönlichkeit betraf, nicht hingegen an diese als
Statthalterin/Zustellungsbevollmächtigte der Gesamtheit der hinter ihr stehenden
Kommanditisten gerichtet war. Diese Zielrichtung des Schreibens lässt eine aus § 4
Abs. 1 des Treuhandvertrages abzuleitende Informationspflicht entfallen. Scheidet aber
schon ein der H. diesbezüglich vorwerfbares Verhalten aus, kann für den Beklagten
persönlich nichts Gegenteiliges angenommen werden.
Ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklich im Vertrag festgehaltenen Pflichtenbindung
kann sich eine solche aus dem einer Vertragsbeziehung immanenten bzw. einem dem
tatsächlichen Vertragsabschluss vorgelagerten Treueverhältnis herleiten lassen, das es
gebietet, nicht einen Wissensvorsprung auszunutzen, um sich selbst Vorteile zu
verschaffen, oder der deswegen weitergegeben werden muss, weil ansonsten dem
anderen erkennbar ein Schaden droht, der bei sachgerechter Information abzuwenden
wäre. Daraus folgt, dass eine Treuhandkommanditistin grundsätzlich gehalten ist,
künftige Treugeber über alle wesentlichen Punkte, insbesondere über regelwidrige
Auffälligkeiten, aufzuklären, die für die zu übernehmende Beteiligung von Bedeutung
sind (BGH a.a.O.). Da aber hier die persönliche Einstandspflicht des Beklagten in Rede
steht, der nicht selbst Vertragspartner geworden ist, ließe sich eine solche nur bejahen,
wenn ihm eine Pflichtverletzung unter gleichzeitiger Verwirklichung der Merkmale eines
deliktischen Haftungstatbestandes vorzuwerfen wäre. Dazu jedoch reicht die
Tatsachengrundlage nicht aus.
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Gemäß § 826 BGB ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer in einer gegen die guten
Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt. Um diese
Merkmale auszufüllen, genügt allein die Verletzung vertraglicher oder vorvertraglicher
Pflichten nicht. Vielmehr muss hinzutreten, dass – sofern das Unterlassen einer
Aufklärung oder Belehrung den Vorwurf ausmacht – der Aufklärungspflichtige eine
Schädigung des Anlegers zumindest bedingt vorsätzlich in Kauf genommen hat und
sein Verhalten als besonders verwerflich zu qualifizieren ist.
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Weil es nach Auffassung des erkennenden Senates jedenfalls an der Verwirklichung
dieser beiden Tatbestandsmerkmale fehlt, kann dahingestellt bleiben, ob dem
Beklagten überhaupt eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Als eine solche
kommt verständiger Weise lediglich in Betracht, dass er es unterlassen hat, die
Anlageinteressenten vor Abgabe/Annahme des Treuhandvertragsangebotes über die
von der AK mit ihren Schreiben vom 26.10.2004 angemeldeten Bedenken gegen eine
erlaubnisfreie Geschäftstätigkeit von NTG zeitnah zu unterrichten.
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Verneint man nämlich eine derartige ihn treffende Obliegenheit, hatte er keine
vertragskonforme Möglichkeit, die Weiterleitung von auf das Treuhandkonto gezahlter
Einlagegelder an NTG zu verhindern. Dies geschah in Erfüllung der der
Treuhandkommanditistin übertragenen Aufgaben, die nach § 2 Abs. 1 S. 2 des
Treuhandvertrages die Anlegergelder unverzüglich weiterzuleiten hatte, sofern
entweder ein steuerliches Gutachten oder ein Prospektprüfungsgutachten vorlag.
Letztgenannte Voraussetzung war unstreitig gegeben, so dass die Anlegergelder nicht
länger auf dem Treuhandkonto verwahrt werden durften. Die Wahrnehmung einer
vertraglichen Aufgabenstellung aber ist den Vorwurf eines zur Schadensersatzleistung
verpflichtenden Verhaltens nicht zu tragen geeignet.
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Soweit es darum geht, dass der Beklagte nichts unternommen hat, um Beitrittswillige
davon abzuhalten, sich für diese Kapitalanlage zu entscheiden, sei es etwa durch
unverzüglichen Widerruf der der FQM erteilten Abschlussvollmacht, sei es durch
Versendung von Informationsbroschüren an eine von ihm erst noch zu ermittelnde, für
ihn bis dahin anonyme Personenmehrheit, trifft ihn wegen dieses Untätigbleibens nicht
das Verdikt einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung, das ein schwerwiegendes
Unwerturteil beinhaltet.
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Selbst unterstellt, der Beklagte hätte vom Inhalt des an NTG adressierten Schreibens
der AK seinem exakten Wortlaut nach Kenntnis gehabt, erhellt daraus nicht ohne
weiteres, dass er allein aufgrund dessen mindestens billigend in Kauf genommen hat,
den Neu-Anlegern werde ein Schaden in Form des vorhersehbaren Verlustes ihrer
Einlagegelder entstehen. Bis zu der sich erst mit Schreiben der AK vom 27.05.2005 an
die H. abzeichnenden Zuspitzung der Situation, die sodann in die
Untersagungsverfügung vom 15.06.2005 einmündete, hatte es über Monate hinweg
Schriftwechsel und Verhandlungen gegeben, in denen über die rechtliche Bewertung
des Geschäftsmodells als eines unerlaubten Finanzkommissionsgeschäftes durch die
AK gestritten worden war – und die einer späteren gerichtlichen Überprüfung nicht
standgehalten hat – und während deren in wechselseitiger Abstimmung Lösungswege
erörtert worden waren, mit deren Hilfe die jedenfalls seitens der AK gesehenen Zweifel
an einer erlaubnisfreien Tätigkeit sollten überwunden werden können. In diese
Korrespondenz/Gespräche war der Beklagte als Geschäftsführer der
Treuhandkommanditistin nicht funktional eingebunden, somit selbst auf ihm zufließende
Informationen angewiesen. Gesicherte Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund dieser
Fremdinformationen einen Kenntnisstand erlangt hatte, der ihn nicht mehr darauf
vertrauen lassen durfte, die – ohnedies rechtlich nicht zweifelsfreie – Sichtweise der AK
werde noch im Sinne von NTG und entsprechend der Interessenlage der Anleger
verändert werden können, lassen sich dem klägerischen Sachvortrag nicht entnehmen.
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Die Berufung darauf, dass im September/Oktober 2004 zwei anderen
Fondsgesellschaften die Fortführung des Betriebs durch die AK untersagt worden sei,
liefert kein aussagekräftiges Indiz für eine gegenteilige Annahme. Dies mag bei
weiteren Fondsgesellschaften Unruhe ausgelöst und Anlass gegeben haben,
vorsorglich über Umstrukturierungsmöglichkeiten nachzudenken, gibt aber keinen
Aufschluss darüber, mit welchem Grad an Gewissheit davon ausgegangen werden
musste, dass den vorangegangenen Untersagungsverfügungen eine Signalwirkung
auch für das von NTG betriebene Geschäftsmodell beizumessen war, dies schon
deswegen nicht, weil es an Vortrag dazu fehlt, dass und wieso die zur Beurteilung
anstehenden Sachverhalte als vergleichbar zu bewerten sein sollten, erst recht dazu,
aus welchen Gründen dies dem Beklagten hätte bekannt sein müssen.
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Bei dieser Sachlage aber lässt sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen,
dass der Beklagte damit rechnete oder zumindest damit hätte rechnen müssen, das
Geschäftskonzept von NTG sei in seiner bisher praktizierten Form endgültig zum
Scheitern verurteilt, künftig noch geleistete Einlagen würden zwangsläufig "verloren"
sein. Dies lässt einen ihm anzulastenden Schädigungsvorsatz entfallen.
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Zudem setzt eine Anwendbarkeit von § 826 BGB, der einzigen hier ernstlich ins Auge zu
fassenden Anspruchsnorm, ein sittenwidriges Verhalten, das ist ein Handeln, das gegen
das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, voraus. Die insoweit zu
fordernde besondere Verwerflichkeit muss sich aus dem verfolgten Ziel, den
eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen
ergeben (vgl. nur BGH NJW 2004, 2668, 2670). Misst man das hier behandelte
Untätigbleiben des Beklagten trotz – unterstellter – Kenntnis vom Inhalt beider
Schreiben der AK vom 26.10.2004 an diesen Bewertungskriterien, darf zu seinen
Gunsten nicht unberücksichtigt bleiben, dass er sich in einem Interessenkonflikt befand.
Er bzw. die durch ihn vertretene Treuhandkommanditistin hatte nicht allein das Wohl
und Wehe der noch nicht beigetretenen Anlageinteressenten im Auge zu behalten,
sondern es galt für
alle
sie auch darauf bedacht sein, die Realisierung des Anlageprojektes nicht leichtfertig
dadurch zu gefährden, dass sie vorschnell und ohne eine ausreichend gefestigte
Tatsachengrundlage Bedenken gegen eine erfolgreiche Umsetzbarkeit publizierte, die
dazu geeignet waren, Nervosität in den für "schlechte Nachrichten" überaus sensiblen
Kapitalanlagemarkt hineinzutragen. Die zu befürchtende Folge davon wäre gewesen,
dass der Fonds nicht mehr hätte geschlossen werden können, was das endgültige
Scheitern des Projektes zwangsläufig nach sich gezogen hätte. Dann aber wäre der
Verlust der Anlagegelder bei den schon beigetretenen Kommanditisten zu verzeichnen
gewesen, auf deren Interessenwahrung die H. gleichermaßen Bedacht zu nehmen
hatte. Diese Pflichtenkollision war zu einem Zeitpunkt nicht mehr zu vermeiden, als
Beitritte schon erfolgt waren, bevor die AK erst mit den von ihr geäußerten Bedenken
hervorgetreten ist. In dieser Situation einseitig die Belange der Neu-Anleger als höher
schutzwürdig in den Vordergrund zu rücken, wäre gleichbedeutend damit gewesen, das
Gleichbehandlungsgebot zum Nachteil der bereits beigetretenen Kommanditisten zu
verletzen. Erstere mussten ihr aber nicht unbedingt bevorzugungswürdig erscheinen,
weil – wie schon früher dargelegt – die Dinge "im Fluss" waren und das endgültige
Scheitern des Geschäftsmodells noch keineswegs als sicher prognostiziert werden
konnte. Übertragen auf das persönliche Verhalten des Beklagten, lässt sich nach
alledem nicht sagen, dass wegen des verfolgten Ziels, der eingesetzten Mittel, der
zutage getretenen Gesinnung oder der eingetretenen Folgen sein Schweigen
gegenüber den Anlageinteressenten das Unwerturteil der besonderen Verwerflichkeit
verdient. Er hat sich nicht zum eigenen Nutzen so verhalten, sondern ist einem
Spannungsfeld, einem Interessenwiderstreit ausgesetzt gewesen, den er nicht durch
aktives Tun herbeigeführt, sondern der sich durch das Dazwischentreten der AK
sozusagen "ergeben" hat. Hätte er unter den obwaltenden Umständen dem Schutz der
Interessen der noch Außenstehenden den Vorrang eingeräumt, wäre es später aber zu
keinem endgültigen Einschreiten der AK gekommen, die Realisierung des
Anlagemodells dann aus ex-post-Sicht "umsonst" verhindert worden, hätte er
Schadensersatzforderungen der Alt-Anleger oder auch der in die Insolvenz geratenen
Gesellschaften mit vergleichbarer Wahrscheinlichkeit zu gewärtigen gehabt wie sie
dafür bestand, dass die Neu-Anleger wegen ihrer fehlgeschlagenen Kapitalanlage an
ihn herantreten würden. Eine in einem unausweichlichen, nicht selbst verursachten
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Interessenwiderstreit getroffene Entscheidung ist – mindestens bei der hier gegebenen
unsicheren Tatsachengrundlage – kein Ausdruck einer verwerflichen Gesinnung.
Scheitert aber ein an § 826 BGB festgemachter Schadensersatzanspruch, lässt sich das
Klagebegehren nicht mit Erfolg auf andere Rechtsnormen gründen. Somit hat auf die
Berufung des Beklagten das angefochtene Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen
werden müssen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da die
Vielzahl gleichgelagerter Verfahren vor diversen Gerichten in verschiedenen OLG-
Bezirken nach einer Entscheidung des Revisionsgerichts verlangt.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf den Betrag der bezifferten
Klageforderung festgesetzt.
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