Urteil des OLG Köln vom 05.09.2008
OLG Köln: schmerzensgeld, vergleich, gebühr, zustand, nahrungsaufnahme, versicherer, datum
Oberlandesgericht Köln, 5 W 44/08
Datum:
05.09.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 W 44/08
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 15 O 178/08
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der
15. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 14.07.2008 - 15 O 178/08 -
unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Übrigen
teilweise abgeändert:
Der Antragstellerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
von Rechtsanwalt A. in F. auch insoweit bewilligt, als sie mit dem Antrag
zu 1) Schadensersatz wegen eines entgangenen
Schmerzensgeldanspruchs in Höhe bis zu 25.000,00 € begehrt.
G r ü n d e
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Die zulässige Beschwerde ist in der Sache teilweise gerechtfertigt. Die beabsichtigte
Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit die Antragstellerin
über den von dem Versicherer des Schädigers gezahlten Betrag von 50.000,00 € hinaus
im Wege des Schadensersatzes ein weiteres Schmerzensgeld von bis zu 25.000,00 €
begehrt. Der weitergehende Antrag ist unbegründet.
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Das Schmerzensgeld will dem Verletzten in erster Linie Ausgleich für erlittene
Schmerzen und Leiden verschaffen. Maßgebend für die Bemessung sind vor allem
Intensität und Dauer der erlittenen Schmerzen und das Ausmaß des Leidens, wobei
insbesondere irreversible Schäden an Gliedmaßen ins Gewicht fallen, die den
Verletzten zeitlebens behindern und ihn ständig an sein Leid erinnern.
3
Nach ihrem durch ärztliche Atteste belegten Vortrag hat die Antragstellerin als Folge der
behaupteten unsachgemäßen Bewältigung der Schulterdystokie eine Schädigung des
Plexus brachialis und des Nervus phrenicus verbunden mit einem Wurzelausriss
erlitten. Durch die späteren Versuche, die Folgen der Schädigung in Grenzen zu halten,
hat die Antragstellerin mehrere schmerzhafte Operationen mit langdauernden
Krankenhausaufenthalten durchlitten. Die Nahrungsaufnahme war längerfristig gestört,
was zu Verzögerungen bei der körperlichen Entwicklung führte und das Wohlbefinden
der Antragstellerin erheblich beeinträchtigte. Als Dauerfolgen sind behauptetermaßen
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eine vollständige Funktionsuntüchtigkeit des rechten Arms mit einer nur in ganz
geringem Umfang gebrauchstüchtigen Hand zu beklagen, ein Zustand, der neben
psychischen Beeinträchtigungen sich ganz sicher nachteilig auf die künftige
Lebensführung auswirkt. Darüber hinaus soll es wegen der durch die Schädigung des
Nervus phrenicus verursachten Zwergfellschädigung zu Behinderungen der Atmung
gekommen sein, die auf Dauer die Funktion des rechten Lungenflügels um 50 %
reduziert. Bei diesem Schadensbild ist ein deutlich höheres Schmerzensgeld als
50.000,00 € angemessen. Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 06.03.2002 – 5 U
178/01 – im Falle einer vollständigen Armlähmung sowie Gebrauchsunfähigkeit der
Hand infolge einer Plexusschädigung nach Schulterdystokie 50.000,00 € zuerkannt, das
OLG Hamm sogar 62.500,00 € (vgl. VersR 2003, 1312). Auch der vom
Oberlandesgericht Frankfurt zuerkannte Betrag von 50.000,00 € (vgl. OLGR Frankfurt
2003, 55) hält sich in diesem Rahmen, wenngleich
in dem dort entschiedenen Fall zusätzlich eine Wirbelsäulenskoliose zu beklagen war.
Soweit andere Gerichte für Plexusschädigungen weniger zuerkannt haben, folgt der
Senat dem nicht, zumal sich das genaue Schadensbild nicht immer zuverlässig den
Veröffentlichungen entnehmen lässt. Da sich im Streitfall der Leidensweg der
Antragsteller und der Umfang der Dauerfolgen deutlich schwerwiegender von den zum
Vergleich herangezogenen Fällen abheben, erscheint es angemessen, für das PKH-
Verfahren ein Schmerzensgeld bis zu insgesamt 75.000,00 € zuzubilligen. Die
endgültige Höhe wird nach entsprechenden Feststellungen im Hauptverfahren zu
bemessen sein.
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Von der Erhebung einer Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.
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