Urteil des OLG Köln vom 15.04.2003
OLG Köln: bademeister, spiel, betreiber, besucher, anhörung, lebenserfahrung, unfall, schmerzensgeld, hallenbad, rechtfertigung
Oberlandesgericht Köln, 7 U 122/02
Datum:
15.04.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 U 122/02
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 4 O 308/01
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Aachen
vom 2. 9. 2002 – 4 O 308/01 – teilweise abgeändert
und wie folgt neugefasst:
1) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger
ein Schmerzensgeld von 6.817,22 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 10.
12. 2001 zu zahlen.
2) Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner
verpflichtet sind, dem Kläger aus dem Unfallereignis vom 2. 2. 2001
a) allen m a t e r i e l l e n Schaden zu einer Quote von 2/3
zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger
oder sonstige Dritte übergegangen sind,
b) den zukünftigen i m m a t e r i e l l e n Schaden unter
Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von 1/3
zu ersetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers und die Berufung
des Beklagten zu 2) werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:
I. Instanz:
Die Gerichtskosten tragen der Kläger, die Beklagte zu 1)
und der Beklagte zu 2) zu je 1/3.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten als
Gesamtschuldner zu 2/3; im Übrigen trägt der Kläger sie selbst. Die
außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt der Kläger zu 1/3; im
Übrigen tragen die Beklagten sie selbst.
II. Instanz:
Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 1/12 und die Beklagten zu 1)
und 2) zu je 11/24.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten als
Gesamtschuldner zu 11/12; im Übrigen trägt der Kläger sie selbst. Die
außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt der Kläger zu 1/12; im
Übrigen tragen die Beklagten sie selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
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Beide Berufungen sind in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. In der Sache selbst
hat jedoch nur die Berufung des Klägers teilweise Erfolg. Der Kläger kann von den
Beklagten als Gesamtschuldnern Ersatz von 2/3 des ihm durch das Unfallereignis vom
2. 2. 2001 entstandenen materiellen und immateriellen Schadens beanspruchen (§§
823, 831, 847, 426 BGB). Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:
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I.
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Berufung des Klägers:
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1. Haftung der Beklagten zu 1)
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Entgegen der Ansicht des Landgerichts haben die als Badeaufsicht eingesetzten Be-
diensteten der Beklagten zu 1) die ihnen obliegende Verkehrssicherungspflicht
schuldhaft verletzt, indem notwendige Sicherungsmaßnahmen während des
Toilettengangs des Zeugen V. unterblieben sind.
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a. Die Rechtsprechung hat sich mit dem Umfang und Inhalt der Badeaufsicht in
öffentlichen Schwimmbädern bereits verschiedentlich befasst. Danach hat
derjenige, der eine öffentliche Freizeiteinrichtung – wie hier ein Hallenbad –
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betreibt, die Benutzer vor den Gefahren zu schützen, die über das übliche Risiko
bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, vom Benutzer nicht vorhersehbar und
nicht ohne weiteres erkennbar sind (BGH VersR 1980, 863 (864) m.w.N.). Dem
Betreiber eines Schwimmbades obliegt neben seiner Verpflichtung zur Erfüllung
der von den Besuchern abgeschlossenen Benutzungsverträge insbesondere auch
die deliktische (Garanten-)Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass keiner der Besucher
beim Badebetrieb durch solche Risiken zu Schaden kommt. Zu diesem Zweck hat
er die einzelnen Schwimm- und Sprungbecken darauf überwachen zu lassen, ob
dort Gefahrensituationen für die Badegäste auftreten (BGH VersR 1990, 989 (990);
und LM Nr. 118 zu § 823 (Aa)). Die hierfür erforderlichen Maßnahmen hängen,
soweit gesetzliche oder andere Vorschriften keine näheren Anforderungen
enthalten, von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls, wie etwa Größe und
Lage des Hallenbades, Anzahl der Besucher und hierdurch bedingten
Spitzenbelastungen (vgl. dazu BGH VersR 1980, 67 f.), Einsatz technischer
Hilfsmittel und vor allem auch davon ab, innerhalb welcher Zeit aus medizinischer
Sicht Maßnahmen getroffen werden müssen, um bleibende Schäden zu
verhindern. Allerdings kann und muss nicht jeder abstrakten Gefahr durch
vorbeugende Maßnahmen begegnet werden, da eine Verkehrssicherheit, die
jeden Gefährdungsfall ausschließt, nicht erreichbar ist. Vielmehr bedarf es gerade
auch hinsichtlich der Zeitdauer, innerhalb deren ein Eingreifen einer
Aufsichtsperson gewährleistet werden muss, stets nur solcher
Sicherheitsmaßnahme, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen
Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um Besucher des Bades
vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zumutbar sind (BGH
VersR 1990, 989). So muss der Betreiber unter anderem der Aufsichtsperson
einen geeigneten Standort zuweisen, von dem aus sie das gesamte Schwimmbad
überblicken und Sicht in die Schwimmerbecken haben kann; erforderlichenfalls
muss er die Aufsicht anweisen, den Standort öfters zu wechseln, um das
Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln verfolgen und nötigenfalls rechtzeitig
eingreifen zu können (BGH MDR 2000, 884 = VersR 2000, 984 = DVBl 2000,
1712 = LM BGB § 823 (Dc) Nr. 210; OLG Hamm VersR 1996, 727 und NJW-RR
2001, 318; Staudinger-Hager; BGB, 13. Bearbeitung; § 823, Rz. E 314 m.w.N.).
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Der Betreiber eines Schwimmbades hat überdies in Betracht zu ziehen, dass
insbesondere Kinder und Jugendliche dazu neigen, Vorschriften und Anordnungen
nicht zu beachten und sich unbesonnen verhalten; daher erstreckt sich die
Verkehrssicherungspflicht auch auf die Vorbeugung gegenüber solchem
missbräuchlichen Verhalten (BGH VersR 1978, 561 und VersR 1980, 863).
Andererseits besteht bei einer Gruppe von Jugendlichen nicht schlechthin die
Verpflichtung, diese beim Turmspringen ständig im Auge zu behalten und jeden
Sprung zu überwachen (OLG Hamm VersR 1979, 1064).
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b. Im Streitfall genügte die Badeaufsicht zum Unfallzeitpunkt diesen Anforderungen
nicht.
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Das von der Beklagten zu 1) betriebene Hallenbad ist 73,90 m lang. Es verfügt über
ein Nichtschwimmerbecken mit den Abmessungen von ca. 8,25 x 12,5 m, ein
Schwimmerbecken in den Abmessungen von ca. 25 x 12,5 m und über ein
Sprungbecken in den Abmessungen von ca. 14 x 17 m (vgl. Skizze Bl. 58 d. GA im
Maßstab von 1 : 200). Die jeweiligen Nutzungsbereiche sind durch ein Glaswand mit
eingeschlossener Durchgangstür voneinander getrennt (vgl. Lichtbilder Bl. 308 u. 309
d. GA). Das Sprungbecken ist an der einen Seite ausgestattet mit einem 10-m-, einem
7,5 m- und einem 5-m-Turm, einem starren und zwei elastischen 3-m-Brettern sowie
einem starren und einem elastischen 1-m-Brett, wobei das hier interessierende starre
1-m-Brett, auf das der Kläger aufgeschlagen ist, etwas zurückgesetzt unter dem 5-m-
Turm angeordnet ist (vgl. Lichtbilder Bl. 303 und 304 d. GA). An der
gegenüberliegenden Seite befinden sich vier weitere elastische 1-m-Bretter. Die
Besonderheit des Hallenbades besteht darin, dass das Bodenniveau des
Sprungbeckens (bezogen auf die Wasserfläche) wesentlich tiefer liegt als das
Bodenniveau des Schwimmerbeckens; außerdem weist es zusätzlich eine
Zuschauertribüne mit fünf Sitzreihen auf (vgl. Lichtbilder Bl. 305 und 306 d. GA).
Diese Anordnung hat zur Folge, dass vom Schwimmerbecken aus das Sprungbecken
nicht zu sehen ist. Durch die Glaswand zu erkennen sind, wenn der Bademeister, wie
im Streitfall, seine Runde um das Schwimmerbecken macht, lediglich die am
weitesten nach vorne ragenden Teile des 5-m- und 7,5-m-Turms (vgl. Lichtbild Bl. 307
d. GA).
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Um gleichwohl eine ungestörte Aufsicht sowohl über das Sprung- als auch über das
Schwimmerbecken zu ermöglichen, ist an der Stirnseite des dem Sprungbecken
zuzuordnenden Gebäudeteils eine Art Loge angeordnet worden (vgl. Lichtbild Bl. 305
d. GA).
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Aus dieser Anordnung des Sprungbeckens sowie der räumlichen Ausdehnung und
Ausstattung des Hallenbades folgt, dass bei Öffnung aller drei Nutzungsbereiche in
Abweichung vom Regelfall ein sicherer Badebetrieb nur gewährleistet ist, wenn
(mindestens) zwei Aufsichtspersonen, etwa wie hier ein Schwimmmeister und ein
Schwimmmeistergehilfe, durchgängig anwesend sind. Angesichts der örtlichen
Gegebenheiten ist es nur auf diese Weise bei entsprechender Positionierung der
Bademeister möglich, den Badebetrieb auf sich anbahnende Risikolagen, mit denen
stets zu rechnen ist, rundum im Auge zu behalten und sofort zu reagieren, falls etwas
passiert. Für den Fall, dass einer der Bademeister bei vollem Badebetrieb in den drei
Nutzungsbereichen den Hallenbereich verlässt, entsteht deshalb eine Lücke in dem
zu überwachenden Bereich, die im Interesse eines sicheren Badebetriebes
vermieden werden muss. Dies gilt auch bei schwachem Badebetrieb. Denn die sich
im Badebetrieb entwickelnden Gefahren entstehen nicht nur bei einer intensiven
Nutzung. Wenn es daher aus organisatorischen oder sonstigen Gründen überhaupt
zwingend geboten ist, dass einer der Bademeister den Hallenbereich verlässt, so
sind für diesen Fall geeignete Vorkehrungen zu treffen, die auch mit einer nur
eingeschränkten Aufsicht einen sicheren Badebetrieb gewährleisten. Dies kann etwa
in der Weise erfolgen, dass die Nutzung des Bades für Teilbereiche vorübergehend
eingeschränkt oder notfalls sogar ausgeschlossen wird. Entgegen der Ansicht der
Beklagten zu 1) ist dies nicht lebensfremd, sondern entspricht sogar, wie der Zeuge
N. bekundet hat, der gewöhnlichen Handhabung in dem betroffenen Bad.
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c. Im Streitfall hat sich die Gefahrenlage auch verwirklicht. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme hat sich der zur Aufsicht eingeteilte Zeuge V. – er ist
ausgebildeter Schwimmmeister mit langjähriger Berufserfahrung – den
Hallenbereich für einen Toilettengang verlassen. Nach seiner Einschätzung waren
zwischen dem Verlassen des Hallenbereichs und dem nach dem Unfall
einsetzenden lauten Geschrei bereits vier bis fünf Minuten vergangen. Während
dieser Zeit machte der Zeuge N., wie er bekundet hat, seine Runde um das
Schwimmerbecken. Danach blieb aber das Sprungbecken und das dort
ablaufende Geschehen zumindest für mehrere Minuten unbeaufsichtigt. Auch
wenn zuvor, wie der Zeuge V. bekundet hat, keine Auffälligkeiten beobachtet
worden waren und sich auch nur wenige Jugendliche im Bereich des
Sprungbeckens aufhielten, so hätte dennoch ein umsichtiges Verhalten erfordert,
den Sprungbetrieb für die Zeit der Abwesenheit des Zeugen V. einzustellen. Denn
gerade bei Jugendlichen ist, wie oben bereits dargelegt, mit unerwarteten,
unbesonnenen Verhaltensweisen zu rechnen, und zwar gerade auch dann, wenn
sie unbeaufsichtigt sind. Dazu gehört auch das gegenseitige Hinunterschubsen
vom Sprungturm.
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d. Im Streitfall spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Unfall für den
Fall, dass die Bademeister ihren Aufsichtspflichten im erforderlichen Umfang
nachgekommen wären, vermieden worden wäre.
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Die Anwendung der Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins im
Zusammenhang mit der Frage, ob ein Handeln oder Unterlassen für den
eingetretenen Erfolg kausal geworden ist, ist immer dann geboten, wenn das
Schadensereignis nach allgemeiner Lebenserfahrung eine typische Folge der
Pflichtverletzung darstellt. Diese Voraussetzungen sind in der Regel nicht nur bei
Verletzung von Schutzgesetzen (vgl. etwa: BGH NJW-RR 1986, 1350 = LM § 823
BGB (Ef) Nr. 17 = VersR 1986, 916 (917)) und bei Verstößen gegen
Unfallverhütungsvorschriften (vgl. etwa: BGH LM § 640 RVO Nr. 20 = VersR 1984,
775 (776)), sondern auch bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten
anzunehmen (vgl. etwa: Senat, Urteil vom 20. 7. 2000 – 7 U 201/97 -). Diese sollen
wie Schutzgesetze und Unfallverhütungsvorschriften durch genaue
Verhaltensanweisungen typischen Gefährdungen entgegenwirken. Hinzutreten muss,
dass sich in dem Schadensereignis gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, der
durch die Auferlegung der konkreten Verhaltenspflichten begegnet werden sollte (so
ausdrücklich: BGH NJW 1994, 945 (946); RGRK-Steffen, BGB, 12. Aufl., § 823, Rz.
520).
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Nach der allgemeinen Lebenserfahrung wäre das Schadensereignis nicht
eingetreten, wenn das Sprungbetrieb in dem zu fordernden Umfang überwacht
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worden wäre. Richtig ist zwar die Annahme des Landgerichts, dass ein einmaliges
ohne Vorankündigung erfolgtes Schubsen nicht hätte verhindert werden können. Wie
oben bereits ausgeführt, ist der Bademeister schon nicht verpflichtet, das Verhalten
der Springer durchgehend daraufhin zu kontrollieren, ob sie die Regeln einhalten.
Stellt der Bademeister allerdings fest, dass einzelne Turmspringer sich regelwidrig
verhalten, so hat er sie zu ermahnen und ihnen für den Fall, dass sie seine
Ermahnungen in den Wind schlagen, das Springen zu verbieten.
Auf der Grundlage der Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 2) stellt sich der
Ablauf unmittelbar vor dem Unfallereignis so dar, dass der Kläger sich am Geländer
des Turms festgehalten hat, um zu verhindern, dass der Beklagte zu 2) ihn vom Turm
schubst. Um gleichwohl zu seinem Ziel zu kommen, hat der Beklagte zu 2) den
Kläger zunächst in Richtung auf das Turmende zu gezogen und ihn schließlich kurz
vor Erreichen des Turmendes hinunter geschubst. Dieser Vorgang hat nach den
übereinstimmenden Erklärungen des Klägers und des Beklagten zu 2) ca. 15
Sekunden gedauert. Er wäre deshalb kaum unbemerkt geblieben, wenn einer der
Bademeister sich im Bereich des Sprungbeckens aufgehalten und den Sprungbetrieb
beobachtet hätte. Sein Eingreifen – der Zeuge V. hat bekundet, dass er in einem
solchen Fall sofort gepfiffen hätte – hätte alsdann den Sturz des Klägers vom 5-m-
Turm verhindert. Möglich ist überdies, dass für den Fall, dass sich einer der
Bademeister im Bereich des Sprungbeckens aufgehalten hätte, der Beklagte zu 2)
erst gar nicht versucht hätte, den Kläger vom Turm zu schubsen, weil er damit
rechnen musste, mit dem Bademeister Ärger zu bekommen.
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Der danach bestehende Beweis des ersten Anscheins kann nur durch feststehende
Tatsachen entkräftet werden, die die Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs
ernsthaft in Betracht kommen lassen. Solche Umstände sind nicht ersichtlich.
Vielmehr kann mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der
Beklagte zu 1) auf ein Pfeifen des Bademeisters von seinem Vorhaben, den Kläger
vom Turm zu schubsen, abgelassen hätte.
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e. Haben sich danach die mit der Aufsicht betrauten Bademeister objektiv
pflichtwidrig verhalten und einen offensichtlich gefährlichen Zustand
hingenommen, so spricht ein Anscheinsbeweis für ihr Verschulden (BGH NJW
1986, 2757; OLG Köln VersR 1999, 861).
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f. Es entlastet die Beklagte zu 1) nicht, wenn sie lediglich darauf verweist, dass die
mit der Aufsicht betrauten Bademeister ordnungsgemäß ausgebildet worden seien
und ihrem Beruf seit Jahren unbeanstandet ausübten. Vielmehr kann der
Entlastungsbeweis nach herrschender, auch vom Senat geteilter Ansicht in
Rechtsprechung und Literatur nur geführt werden, wenn der
Schwimmbadbetreiber darlegt und gegebenenfalls beweist, dass er die
Arbeitsweise seines Aufsichtspersonals fortlaufend durch unauffällige, unerwartete
Kontrollen überprüft hat (Senat, Urteil vom 16. 3. 1995 – 7 U 19/94 – in: RuS 1996,
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353 = VersR 1996, 1290; BGH LM § 823 (Dc) Nr. 23; OLG Hamm NJW-RR 1998,
1430; OLG Karlsruhe VersR 2000, 863; Palandt, a.a.O., § 831, Rz. 14). Dass dies
geschehen ist, behauptet die Beklagte zu 1) nicht einmal.
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2. Haftung des Beklagten zu 2)
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Insoweit hat die Kammer mit Recht die Haftung des Beklagten zu 2) bejaht. Zur
Vermeidung von Wiederholungen wird insofern auf die zutreffenden Gründe der
angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
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Zu dem Berufungsvorbringen, soweit es sich auf den Grund der Haftung bezieht, ist
lediglich ergänzend anzumerken:
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Selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger und der Beklagte zu 2) sich schon zu- vor
gegenseitig vom 5-m-Brett gestoßen haben, so ist ein solcher Vorgang haftungsrechtlich
nicht nach den Grundsätzen über die Teilnahme an sportlichen Kampfspielen zu
beurteilen (vgl. dazu nur: BGHZ 63, 140 (142 ff) und BGH VersR 1975, 155 (156) und
VersR 1976, 591 ff.). Bei sportlichen Kampfspielen findet die entschädigungslose
Inkaufnahme von Verletzungen ihre innere Rechtfertigung darin, das dem Spiel
bestimmte, für jeden Teilnehmer verbindliche Regeln zugrunde liegen, die von
vornherein feststehen, unter denen somit die Teilnehmer zum Spiel antreten und die
insbesondere durch das Verbot des "fouls" auch auf den Schutz der körperlichen
Unversehrtheit der Spieler selbst ausgerichtet sind (BGH a. a. O. und BGH VersR 1995,
583 = MDR 1995, 802 = LM BGB (Aa) § 823, Nr. 160). Der Beklagte zu 2) behauptet
aber selbst nicht, dass derart feste und anerkannte Regeln dem "Spiel" der Parteien
zugrunde lagen.
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Nicht gefolgt werden kann ferner der Ansicht des Beklagten zu 2), dass der
Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr zu seiner gänzlichen
Haftungsfreistellung
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führt. Nur ganz ausnahmsweise, wie etwa bei Boxkämpfen, kann im Hinblick auf die
Gefahrexponierung von einer Einwilligung des Geschädigten in die als möglich
vorgestellte Rechtsgutverletzung mit der Folge, dass der Schädiger hierfür nicht haftet,
ausgegangen werden (BGHZ 34, 355 (363); 39, 156 (161); 63, 140 (144)). Hier steht
schon nicht fest, dass sich die Parteien überhaupt vorgestellt haben, der Kläger könne
bei ihrem "Spiel" auf das 1-m-Brett aufschlagen.
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Soweit der Beklagte zu 2) darauf verweist, dass ein ihm etwa anzulastendes
mitwirkendes Verschulden völlig hinter dem gravierenden Verschulden der Beklagten
zu 1) zurücktritt, verkennt er, dass die nach § 254 BGB zu treffende Abwägung sich auf
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das Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger bezieht, nicht jedoch auf das
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Verhältnis der Schädiger untereinander. Dieser Gesichtspunkt kann allenfalls im
Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 BGB Bedeutung gewinnen, über
den jedoch im Rahmen des vorstehenden Rechtsstreits nicht zu entscheiden ist.
3. Mitverschulden des Klägers
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Richtig ist der Einwand des Klägers, dass außerhalb von Haftungstatbeständen, die
eine Sach- oder Betriebsgefahr begründen, die bloße Mitverursachung für die
Anwendung des § 254 BGB nicht genügt. Hier ist aber zu berücksichtigen, dass der
Kläger, wie die Anhörung ergeben hat, sich bis zuletzt am Geländer des Turms fest-
gehalten hat und er damit rechnen musste, dass sein Griff zum Geländer dazu führt,
dass er seitlich vom Turm stürzt und erst dadurch in eine gefährliche Lage gerät. Dies
hätte er verhindern können, indem er sich erst gar nicht in die gefährliche Lage gebracht
hätte und bei der Annäherung des Beklagten zu 2) vom Turm gesprungen wäre. Zu dem
"Gezerre" und "Geschubse" am Geländer wäre es in diesem Fall erst gar nicht
gekommen. Was aber letztlich zu einer abweichenden Haftungsquotierung
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führt, ist der Umstand, dass der Beklagte zu 2) von seinem Vorhaben, den Kläger vom
Turm zu schubsen, nicht abließ, obschon sich der – damals körperlich unterlegene –
Kläger am Geländer festklammerte und damit zu erkennen gab, das begonnene "Spiel"
des Vom-Turm-Schubsens nicht fortsetzen zu wollen. Dies rechtfertigt es, den
Haftungsanteil des Klägers – geringer als vom Landgericht angenommen und höher als
vom Kläger in der Rechtsmittelinstanz bereits berücksichtigt - mit 1/3 zu bemessen.
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Diese Haftungsquotierung gilt auch im Verhältnis zu der Beklagten zu 1). Die zeitweilig
unterlassene Badeaufsicht hat maßgeblich dazu beigetragen, dass es zu dem
Unfallereignis überhaupt kommen konnte.
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4. Schmerzensgeldhöhe
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Der Kläger hat durch den Badeunfall erhebliche Verletzungen erlitten, die auch heute
teilweise noch nicht ausgeheilt sind. Zu den Einzelheiten wird dazu auf das
angefochtene Urteil und insbesondere auf die zu den Akten gereichten Lichtbilder,
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Arztbriefe und ärztlichen Atteste verwiesen. Mit Recht hat das Landgericht darauf
verwiesen, dass das pauschale Bestreiten der Beklagten zu 1) zu den Verletzungen und
ihren Folgen angesichts der vorgelegten Belege unbeachtlich ist. Sie hätte dazu
angesichts des unstreitigen Badeunfalls ihr Vorbringen schon konkretisieren und etwa
auf bestehende Widersprüche und Ungereimtheiten hinweisen müssen.
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Hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldes folgt der Senat dem Berufungsvorbringen
des Klägers, wonach dieses angesichts der Schwere und des Umfangs der
Verletzungen mit 20.000 DM zu bemessen ist. Unter Berücksichtigung der
Haftungsbeteiligung des Klägers steht ihm danach ein Schmerzensgeld von 13.333,33
DM (= 6.817,22 Euro) zu.
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5) Die geltend gemachten Zinsen sind unter dem Gesichtspunkt des Verzuges
gerechtfertigt (§§ 284, 286, 288 BGB).
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Berufung des Beklagten zu 2)
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Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Berufung des Beklagten zu 2) keinen Erfolg
hat.
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert des Berufungsverfahrens:
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Berufung des Klägers: 9.786,42 Euro
Berufung des Beklagten zu 2): 4.278,23 Euro
insgesamt wegen der teilweise sich überlagernder Streitgegenstände für beide
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Instanzen nur: 10.225,84 Euro.
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Der Wert der Beschwer liegt für alle Parteien unter 20.000 Euro
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