Urteil des OLG Köln vom 29.12.2000
OLG Köln: vergütung, verwaltung, beendigung, verwalter, berechnungsgrundlage, geschäftsführung, bruchteil, gefahr, tatsachenfeststellung, rechtsnorm
Oberlandesgericht Köln, 2 W 240/00
Datum:
29.12.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 W 240/00
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 5 T 869/00
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin vom 9. November
2000 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts
Münster vom 12. Oktober 2000 - 5 T 869/00 - wird nicht zugelassen und
als unzulässig verworfen. Die Kosten des Verfahrens der weiteren
Beschwerde hat die Schuldnerin zu tragen.
Gründe
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Am 9.2.2000 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Durch
Beschluss vom 14.2.2000 wurde daraufhin der Beteiligte zu 2) zum vorläufigen
Insolvenzverwalter bestellt. Durch einen weiteren Beschluss vom 1.3.2000 wurde
sodann das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 12.5.2000 beantragte der
Beteiligte zu 2) die Festsetzung einer Vergütung für die vorläufige Verwaltertätigkeit.
Durch Beschluss vom 24.5.2000 hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts das Entgelt
des vorläufigen Insolvenzverwalters auf insgesamt 26.821,52 DM festgesetzt. Er hat
dazu u.a. ausgeführt, die Vergütung werde auf der Grundlage eines Regelsatzes
ermittelt, der vom Wert der Masse bei Beendigung der vorläufigen Verwaltung abhänge;
nach den §§ 21, 63 InsO , 11, 10, 3 InsVV könne je nach Umfang und Schwierigkeit der
Geschäftsführung der Regelsatz überschritten oder ein geringerer Satz zugrunde gelegt
werden. Dem vorläufigen Insolvenzverwalter stehe gemäß § 11 Abs. 1 InsVV ein
angemessener Bruchteil des so ermittelten Vergütungssatzes zu. Hier habe die Masse
bei Beendigung der vorläufigen Verwaltung einen Wert von 1.749.551,40 DM gehabt.
Der Regelsatz der Vergütung betrage somit nach § 2 InsVV 90.491,03 DM. Im Hinblick
auf Umfang und Schwierigkeit der Geschäftsführung sei es gerechtfertigt, den
angemessenen Bruchteil des Vergütungssatzes auf 25 Prozent des Regelsatzes und
damit auf den Betrag von 22.622,76 DM festzusetzen. Darüber hinaus stehe dem
vorläufigen Insolvenzverwalter die geltend gemachte Auslagenpauschale nach §§ 10, 8
Abs. 3 InsVV zu. Wegen der Einzelheiten werde auf die bisher erstatteten
Tätigkeitsberichte und den Vergütungsantrag vom 12.05.2000 verwiesen.
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Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin mit am 7.6.2000 bei dem Amtsgericht
eingegangenen Telefax-Schreiben gleichen Datums sofortige Beschwerde eingelegt mit
der Begründung, der Vergütung liege eine erheblich zu hoch angenommene Masse
zugrunde
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zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, als Grundlage der Vergütungsberechnung des
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vorläufigen Insolvenzverwalters sei das von diesem tatsächlich bearbeitete und bis zum
Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung verwaltete Aktivvermögen des Insolvenzschuldners
heranzuziehen. Erforderlich sei hierfür, dass der vorläufige Verwalter das
Aktivvermögen im Rahmen seiner Sicherungs- bzw. Verwaltungsbefugnisse tatsächlich
bearbeitet habe. Der Umfang der tatsächlich verwalteten Aktivmasse könne in der Regel
dem Vermögensstatus entnommen werden, der als Anlage dem Bericht beizufügen sei,
den der vorläufige Insolvenzverwalter spätestens zum Ende seiner Tätigkeit als
Grundlage für die Entscheidung über den Eröffnungsantrag zu erstatten habe. Das
Amtsgericht sei daher zutreffend von der im Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters
mit 1.749.551,00 DM angegebenen freien Masse ausgegangen. Soweit die
Beschwerdeführerin sich wegen der Höhe der angenommenen Masse auf Vorgänge
stütze, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens lägen (Grundstücksverkauf usw.),
seien diese Einwendungen für die Berechnung der Vergütung nicht von Bedeutung. Die
Festsetzung eines Bruchteils von 25 Prozent der Regelvergütung sehe auch die
Kammer im Hinblick auf die umfangreiche Inventarisierung als angemessen an.
Gegen diesen ihr am 27.10.2000 zugestellten Beschluss des Landgerichts wendet sich
die Schuldnerin mit der am 9.11.2000 bei dem Landgericht eingegangenen sofortigen
weiteren Beschwerde gleichen Datums, verbunden mit dem Antrag auf Zulassung des
Rechtsmittels. Sie beantragt, "den Rechtstreit unter Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses und des vorangegangenen Beschlusses des Amtsgerichts Münster vom
24.05.2000 an das Amtsgericht Münster zwecks weiterer Aufklärung und Entscheidung
über den Antrag des vorläufigen Insolvenzverwalters auf Festsetzung des Entgelts
zurückzuverweisen". Die Schuldnerin führt dazu aus, es sei die Klärung der Rechtsfrage
erforderlich, auf welcher rechtlichen Grundlage das Entgelt für die Tätigkeit eines
vorläufigen Insolvenzverwalters zu ermitteln ist. Sie habe den Ansatz einer freien Masse
mit 1,7 Mio. DM substantiiert angegriffen. Die Auseinandersetzung des Landgerichts mit
diesen Einwendungen sei unzulänglich geblieben. Die "Ansprüche gegen
Gesellschafter" existierten bei genauer Betrachtung nicht. Die für die Vergütung
verwendete Berechnungsgrundlage sei daher um 1,7 Mio. DM zu hoch.
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Soweit das Landgericht die festgesetzte Vergütung als angemessen angesehen habe,
seien die Gesichtspunkte, die für diese Beurteilung maßgeblich seien, unerwähnt
blieben. So bleibt u. a. unberücksichtigt, dass die Tätigkeit des vorläufigen
Insolvenzverwalters lediglich für den Zeitraum von zwei Wochen, d. h. vom 14.02.2000
bis zum 01.03.2000, angedauert habe. Die regelmäßig zeitaufwendige Inventarisierung
der vorhandenen Vermögensgegenstände habe der vorläufige Insolvenzverwalter
einem externen Dienstleister übertragen, dessen Kosten die Masse zusätzlich
belasteten. Von einer arbeitsintensiven Inanspruchnahme des vorläufigen
Insolvenzverwalters in diesem kurzen Zeitabschnitt könne daher keine Rede sein.
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2.
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Das Oberlandesgericht Köln ist gemäß § 7 Abs. 3 InsO in Verbindung mit § 1 der
Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen über die Zusammenfassung der
Entscheidungen über die weiteren Beschwerden in Insolvenzsachen vom 6. November
1998 (GVBl. NW 1998, 550; NZI 1999, 66) zur Entscheidung über das von der
Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Münster vom 12.10.2000
eingelegte Rechtsmittel berufen.
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3.
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Das Rechtsmittel der Schuldnerin ist unzulässig.
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Die sofortige weitere Beschwerde ist zwar form- und fristgerecht eingereicht worden (§§
4, 7 InsO, 569, 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auch liegt eine dem Rechtsmittel der sofortigen
weiteren Beschwerde grundsätzlich zugängliche Ausgangsent-scheidung des
Landgerichts im Sinne des § 7 Abs. 1 InsO vor (vgl. Senat, NJW-RR 1999, 198 = NZI
1999, 198; Senat, NZI 2000, 80; Senat, NZI 2000, 317 [318]; Senat, Rpfleger 2000, 293).
Der Beschluss des Amtsgerichts über die Festsetzung der Vergütung eines
Insolvenzverwalters einschließlich der zu erstattenden Auslagen unterliegt gemäß den
§§ 6 Abs. 1, 64 Abs. 3 InsO, 11 Abs. 1 RPflG der sofortigen Beschwerde, wenn der
Mindestbeschwerdewert der §§ 64 Abs. 2 Satz 2 InsO, 567 Abs. 2 ZPO erreicht ist (vgl.
Senat, Rpfleger 2000, 293). Nichts anderes gilt für die Festsetzung der Vergütung des
vorläufigen Verwalters. Nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO gelten für ihn die Vorschriften der §§
63 bis 65 InsO entsprechend, so dass auch die Entscheidung des Insolvenzgerichts
über seine Vergütung mit der Erstbeschwerde anfechtbar ist (vgl. Senat, Rpfleger 2000,
293; LG Frankfurt, ZIP 1999, 1686 = InVo 1999, 276; LG Göttingen, ZInsO 2000, 46),
wenn - wie hier - der genannte Mindestbeschwerdewert erreicht ist.
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Jedoch sind die Voraussetzungen für eine Zulassung der weiteren Beschwerde nicht
erfüllt. Gemäß § 7 Abs. 1 InsO lässt das Oberlandesgericht gegen die Entscheidung des
Landgerichts auf Antrag die sofortige weitere Beschwerde zu, wenn diese darauf
gestützt wird, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, und die
Nachprüfung der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
geboten ist. Die Nachprüfung der Beschwerdeentscheidung ist zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung geboten, wenn die ernsthafte Gefahr voneinander
abweichender Entscheidungen im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung besteht.
Dies kann auch ohne eine bereits vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung der Fall
sein, wenn abweichende Entscheidungen von Land- und Amtsgerichten oder
ernstzunehmende Ansichten im Schrifttum zu bedeutsamen Rechtsfragen der
Insolvenzordnung die Notwendigkeit einer einheitlichen Ausrichtung begründen. Bloße
Subsumtionsfehler des Landgerichts bei der Anwendung einer - an sich zweifelsfreien
und unumstrittenen - Rechtsnorm oder eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung im
konkreten Einzelfall begründen dagegen keine generelle, durch das Oberlandesgericht
zu korrigierende Divergenz-Gefahr (Senat, NZI 2000, 224, 225; Senat Beschluss vom 3.
März 2000, 2 W 31/00; Senat, Beschluss vom 3. April 2000, 2 W 69/00; Senat,
Beschluss vom 6. September 2000, 2 W 184/00; OLG Naumburg, Beschluss vom
31.03.2000, 5 W 25/00; OLG Zweibrücken, ZInsO 2000, 398; OLG Zweibrücken, NZI
2000, 271, 272; HK-Kirchhof, a.a.O., § 7 Rdnr. 23 f.; Kübler/Prütting, InsO, Stand 7.
Lieferung 2000, § 7 Rdnr. 3 ff.; Becker in Nerlich/Römermann, InsO, § 7 Rdnr. 19 ff.;
Hoffmann, NZI 1999 425, 430).
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Im vorliegenden Fall bedarf die angefochtene Beschwerdeentscheidung des
Landgerichts Münster vom 12.10.2000 keiner inhaltlichen Überprüfung zur Sicherung
einer einheitlichen insolvenzrechtlichen Rechtsprechung. Die Entscheidung des
Landgerichts steht im Einklang mit der, soweit ersichtlich, einhelligen Auffassung,
wonach als Grundlage der Vergütungsberechnung des vorläufigen Insolvenzverwalters
das von diesem im Rahmen seiner Sicherungs- bzw. Verwaltungsbefugnisse tatsächlich
bearbeitete und bis zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung verwaltete Aktivvermögen
des Insolvenz-schuldners heranzuziehen ist.
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Gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO i.V.m. den §§ 63 ff InsO hat der vorläufige
Insolvenzverwalter Anspruch auf Vergütung für seine Geschäftsführung und auf
Erstattung angemessener Auslagen. Für den endgültig eingesetzten Insolvenzverwalter
bestimmt § 1 Abs. 1 InsVV, dass sich die Berechnungsgrundlage für seinen Anspruch
auf Vergütung am Wert der Insolvenzmasse ausrichtet, auf die sich die
Schlussrechnung bezieht. Bei der in § 10 InsVV angeordneten entsprechenden
Anwendung dieser Vorschrift auf den Vergütungsanspruch des vorläufigen Verwalters
muss indes berücksichtigt werden, dass eine Teilungsmasse bei der Beendigung der
vorläufigen Verwaltung noch nicht feststeht. Andererseits ist der Vergütungsanspruch
des vorläufigen Verwalters bereits bei der Beendigung der vorläufigen Verwaltung fällig,
und der vorläufige Verwalter, der mit dem endgültigen Verwalter nicht identisch sein
muss, kann seinen Anspruch vor dem Abschluss des Verfahrens und unabhängig von
dem Vergütungsanspruch des endgültigen Verwalters geltend machen. Die in § 10
InsVV angeordnete entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 1 InsVV ist daher so zu
verstehen, dass die Berechnungsgrundlage hier nach dem Wert des Vermögens
bestimmt wird, das der Insolvenzverwalter im Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen
Verwaltung verwaltet hat (vgl. Senat, NZI 2000, 585 [586] = InVo 2000, 416 [417]; OLG
Zweibrücken, NZI 2000, 314 [316] = ZInsO 2000, 398 [400] mit weit. Nachw.; LG
Düsseldorf, NZI 2000, 182; AG Regensburg, ZInsO 2000, 344;
Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV/VergVO, 2. Aufl. 1999, § 10 InsVV Rn. 5; Eickmann,
in: Kübler/Prütting, InSO, Sonderband 5 "Vergütungsrecht", 1999, § 11 InsVV Rn. 7;
Haarmeyer, ZInsO 2000, 317 f). Von diesem rechtlichen Ansatz ist auch das Landgericht
in der angefochtenen Entscheidung in Übereinstimmung mit dem amtsgerichtlichen
Beschluss über die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters
ausgegangen.
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Das Beschwerdevorbringen der Schuldnerin betrifft somit nur die Beurteilung der
tatsächlichen Gegebenheiten ihres Einzelfalles durch das Landgericht. Eine solche
Würdigung von Tatsachen, die jeweils auf den Einzelfall bezogen ist, ist indessen nur
einer eingeschränkten Überprüfung im Rahmen einer weiteren (Rechts-)Beschwerde
zugänglich, wobei selbst eine im Einzelfall fehlerhafte Tatsachenfeststellung für sich
allein noch nicht die Zulassung der weiteren Beschwerde rechtfertigt (HK-Kirchhof,
a.a.O., § 7 Rdnr. 24). Es kann daher hier auch dahingestellt bleiben, ob - wie die
Schuldnerin meint - dem Aufwand des vorläufigen Insolvenzverwalters im
Zusammenhang mit der Inventarisierung u.U. ein zu hoher Stellenwert bei der
Festsetzung der Vergütung beigemessen worden ist. Das gilt zumal, da es sich hierbei
um nur einen Aspekt unter vielen bei der Beurteilung des dem vorläufigen
Insolvenzverwalter zuzubilligenden angemessenen Bruchteils von der Regelvergütung
handelt. In dem Festsetzungsbeschluss hat das Amtsgericht in diesem Zusammenhang
ausdrücklich auf "die bisher erstatteten Tätigkeitsberichte und den Vergütungsantrag
vom 12.05.2000" verwiesen.
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Da es der Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung nicht bedarf, ist das Rechtsmittel als unzulässig zu
verwerfen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO.
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Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde : 26.821,52 DM (wie Vorinstanz)
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Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 35 GKG, 3 ZPO.
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