Urteil des OLG Köln vom 29.12.2005

OLG Köln: vollstreckungsverfahren, pflichtverteidiger, bewährung, verjährungsfrist, aussetzung, anhörung, fälligkeit, anschluss, rechtskraft, auflage

Oberlandesgericht Köln, 2 ARs 229/05
Datum:
29.12.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 ARs 229/05
Schlagworte:
Verteidigung im Vollstreckungsverfahren; Verjährung
Normen:
BRAGO § 99; BGB § 195
Leitsätze:
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Vollstreckungsverfahren gilt
nur für den jeweiligen Verfahrensabschnitt. Deshalb stellt ein jedes
Überprüfungsverfahren nach § 67 e Abs. 2 StGB gebührenrechtlich ein
jeweils neues Verfahren dar.
Tenor:
Dem Pflichtverteidiger wird eine Pauschvergütung in Höhe des Betrages
der Regelgebühren zuzüglich 800,- Euro (in Worten: achthundert Euro)
bewilligt.
Gründe
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Der Antrag auf Bewilligung einer über die gesetzlichen Gebühren hinausgehenden
Pauschvergütung gemäß § 99 Abs. 1 BRAGO ist in dem beantragten und erkannten
Umfang begründet.
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Es hat sich um eine überdurchschnittlich umfangreiche Unterbringungssache gehandelt,
die für den Verteidiger besonders zeitaufwändig gewesen ist.
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Rechtsanwalt Johann ist am 10.01.1997 erstmals dem aufgrund des Urteils des
Landgerichts Bonn vom 20.04.1994 gemäß § 63 StGB Untergebrachten als
Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Er hat diesen bei den Anhörungsterminen vor der
Strafvollstreckungskammer am 28.02.1997, 27.02.1998, 19.07.2000, 26.10.2001,
30.09.2002 und 09.09.2003 vertreten. Lediglich am 06.07.1999 ist an seiner Stelle
Rechtsanwältin Schell beigeordnet worden. Zu der anwaltlichen Tätigkeit gehörte
jeweils neben der Teilnahme an der mündlichen Anhörung das Durcharbeiten des
ärztlichen Berichts nach § 67 StGB und der fachpsychiatrischen Gutachten gemäß § 14
Abs. 3 MRVG-NW. Der Umgang mit dem Untergebrachten, bei dem eine paranoid-
halluzinatorischer Schizophrenie, Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie eine
diessoziale Entwicklung seit dem Jugendalter diagnostiziert wurden, war schwierig.
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Mit ausführlich begründetem Schriftsatz vom 17.10.2003 hat Rechtsanwalt Johann die
Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung beantragt. Gegen
die ablehende Entscheidung der Strafvollstreckugnskammer hat er sofortige
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die ablehende Entscheidung der Strafvollstreckugnskammer hat er sofortige
Beschwerde eingelegt und sich mehrfach schriftsätzlich zu den für die Frage der
Aussetzung relevanten Fragen geäußert. Er hat maßgeblich dazu beigetragen , dass die
weitere Vollstreckung der Maßregel mit einer Übergangslösung und der Auflage einer
späteren Heimunterbringung zur Bewährung ausgesetzt werden konnte.
Diese Umstände rechtfertigen die Bewilligung einer Pauschvergütung, welche die in
den Überprüfungsverfahren insgesamt angefallenen Regelgebühren mehr als
verdoppelt.
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Dabei hält der Senat es im vorliegenden Fall aus Vertrauensschutzgründen nicht für
geboten, die Pauschvergütung wegen Verjährung des Anspruchs teilweise zu versagen.
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Allerdings könnte unter dem Gesichtspunkt der Verjährung die frühere Tätigkeit des
Antragstellers im Vollstreckungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Der
Vergütungsanspruch entsteht nicht nur einmal für das gesamte Vollstreckungsverfahren,
sondern nach Rechtskraft jeden einzelnen Überprüfungsverfahrens für ein weiteres
Verfahren von Neuem (vgl. Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, § 51 Rn. 99) . Die
Verjährungsfrist für den Anspruch des Pflichtverteidigers aus § 99 BRAGO hat bis zum
31.12.2001 zwei Jahre betragen (§§ 196 Abs. 1 Nr. 15, 201 BGB a.F.) und er verjährt
seit dem 1.01.2002 in drei Jahren (§ 195 BGB n.F.). Die Verjährung beginnt mit dem
Ende des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB
n.F.), d.h. mit Fälligkeit des Anspruchs, die nach §§ 16, 99 Abs. 1 Satz 1 BRAGO bei
rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens eintritt (vgl. Senat 3.05.2002 - 2 ARs 35/02 -).
Mit rechtskräftigem Abschluss des jeweiligen Überprüfungsverfahrens wird eine
angefallene Pauschvergütung fällig, auch wenn das Vollstreckungsverfahren als
solches noch nicht abgeschlossen ist.
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Der Senat hat aber erstmals mit den Entscheidungen vom 08.07.2005 (2 Ws 301/05)
und 21.10.2005 (2 Ws 513/05) klargestellt, dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers
im Vollsteckungsverfahren nur für den jeweiligen Verfahrensabschnitt gilt . Erst dadurch
ist auch klargestellt worden, dass ein jedes Überprüfungsverfahren nach § 67 e Abs. 2
StGB gebührenrechtlich als ein jeweils neues Verfahren anzusehen ist.
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Der Pflichtverteidiger konnte dieser bisher so nicht vertretenen Rechtsauffassung nicht
durch frühere Antragstellung jeweils im Anschluss an die einzelnen
Überprüfungsverfahren Rechnung tragen. Es erscheint deshalb unbillig, die frühere
Tätigkeit des Antragstellers im Vollstreckungsverfahren bei der Bemessung der
Pauschvergütung außer Betracht zu lassen.
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Bei künftiger Tätigkeit im Vollstreckungsverfahren wird allerdings durch rechtzeitige
Antragstellung vor Ablauf der sich aus dem oben Gesagten ergebenden Verjährungsfrist
Rechnung zu tragen sein.
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