Urteil des OLG Köln vom 18.09.2002

OLG Köln: wiedereinsetzung in den vorigen stand, form, verfügung, datum, gerichtsbarkeit, meinung, austritt, geburt, beteiligter, beschwerdefrist

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 165/02 u. 166/02
Datum:
18.09.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 165/02 u. 166/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 11T 100/02 u. 111/02
Tenor:
Die Verfahren 16 Wx 165/02 und 16 Wx 166/02 werden zur
gemeinsamen Entscheidung verbunden. Die Sache 16 Wx 165/02 führt.
Die weiteren Beschwerden der Beteiligten gegen die Beschlüsse der 11.
Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 12.06.2002 - 11 T 100/02 und
11 T 111/02 - werden zurückgewiesen.
G r ü n d e
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I.
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Mit notariell beglaubigten Erklärungen vom 12.12.2001 erklärten die Beteiligten ihren
Austritt aus der evangelischen Kirche. Die Erklärungen übersandte der Notar Dr. S. mit
einem am 19.12.2001 eingegangenen Anschreiben an das Amtsgericht. Mit Verfügung
vom 21.12.2001, die am 10.01.2002 kanzleimäßig bearbeitet wurde und am 23.01.2002
bei dem Notar einging, beanstandete der Rechtspfleger des Amtsgerichts, dass die
Erklärung gem. § 3 Abs. 3 des nordrhein-westfälischen Kirchenaustrittsgesetze
(KiAustrG) noch der Angabe des Ortes der Geburt bedürfe. Unter dem 24.01.2002
übersandte der Notar die entsprechend ergänzte Erklärung an das Amtsgericht und der
Rechtspfleger erteilte am 28.01.2002 den Beteiligten Austrittsbescheinigungen, welche
als Datum ihres Wirksamwerdens den 25.01.2002 ausweisen.
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Hiergegen hat der Notar namens der Beteiligten mit Schriftsatz vom 27.02.2002 primär
als Erinnerung, hilfsweise als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel eingelegt mit dem
Ziel einer Abänderung der Bescheinigungen dahingehend, dass die Austrittserklärung
bereits im Dezember des Jahres 2001 wirksam geworden sei. Der Rechtspfleger hat die
Rechtsmittel als Erinnerung behandelt, ihnen nicht abgeholfen und die Sachen dem
Richter vorgelegt. Dieser hat mit Beschlüssen vom 29.03.2002 die Erinnerungen
zurückgewiesen. Auf die hiergegen eingelegten Beschwerden hat das Landgericht die
Entscheidungen vom 29.03.2002 mangels Entscheidungskompetenz des Richters
aufgehoben und die Beschwerden der Beteiligten gegen die Bescheinigungen vom
29.01.2002 über das Wirksamwerden der Kirchenaustrittserklärungen als nicht
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begründet zurückgewiesen.
Hiergegen richten sich die weiteren Beschwerden der Beteiligten, mit der sie ihr
Begehren auf Abänderung der Bescheinigungen bezüglich des Zeitpunkts des
Wirksamwerdens der Erklärungen weiterverfolgen.
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II.
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Die Verfahren über die weiteren Beschwerden waren wegen des zwischen ihnen
bestehenden Sachzusammenhangs entsprechend § 147 ZPO miteinander zu
verbinden. Die Rechtsmittel sind zulässig, jedoch nicht begründet.
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Das Landgericht hat die Verfügung des Rechtspflegers mit Recht als eine nach dem
FGG anfechtbare Entscheidung angesehen. Die nach den §§ 1, 5 KiAustrG den
Amtsgerichten übertragene Beurkundung der Kirchenaustrittserklärung und die
Erteilung einer Bescheinigung über den vollzogenen Austritt sind landesrechtliche
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit i. S. d. § 189 FGG. Die in diesen
Angelegenheiten getroffenen Verfügungen sind gem. Art. 4 des Preußischen Gesetzes
über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 21.09.1899 (Preußisches
FGG) mit der Beschwerde anfechtbar. Ferner sind gem. Art. 6 Abs. 1 Preußisches FGG
die §§ 20 - 27, 29 FGG entsprechend anzuwenden (vgl. hierzu auch OLG Hamm JMBl
NW 1997, 139 = NJW-RR 1997, 1022; Rpfleger 1997, 302). Die Beschwer der
Beteiligten zu 1. und 2. folgt daraus, dass gem. § 3 Abs. 3 des nordrhein-westfälischen
Kirchensteuergesetzes (KiStG) die Kirchensteuerpflicht mit dem Ablauf des
Kalendermonats endet, in dem die Erklärung des Kirchenaustritts wirksam geworden ist,
es also letztlich auf den jeweils bescheinigten Monat des Wirksamwerdens ankommt.
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Die gem. Art. 6 Abs. 1, 3 Preußisches FGG i. V. m. § 27 Abs. 1 FGG ebenfalls statthafte
und auch im übrigen zulässigen, insbesondere in der Form des § 29 Abs. 1 S. 2 FGG
eingelegten Rechtsmittel haben indes in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung
des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand.
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Für die Erteilung der Kirchenaustrittsbescheinigung war gem. § 1 Nr. 1 des Gesetzes zur
Übertragung landesrechtlicher Geschäfte auf den Rechtspfleger vom 14.10.1975
(GV.NW. S. 562) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 23.06.1998 (GV.NW. S.
467) der Rechtspfleger zuständig. Die Meinung des OLG Hamm (a.a.O.), es bestehe ein
Richterzuständigkeit, bezieht sich auf die frühere Rechtslage und ist durch das
Änderungsgesetz vom 23.06.1998 gegenstandlos geworden.
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Der Rechtspfleger hat mit Recht ein Wirksamwerden der Kirchenaustrittserklärungen
erst ab dem 25.01.2002 bescheinigt.
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Gem. § 4 Abs. 2 KiAustrG wird die Austrittserklärung mit dem Ablauf des Tages
wirksam, an dem die Niederschrift der Erklärung unterzeichnet worden oder die
schriftliche Erklärung bei dem Amtsgericht eingegangen ist. Welchen Inhalt die
Austritterklärung haben muss und welche Form bei ihrer Abgabe zu beachten ist, ist in §
3 KiAustrG geregelt. Hierzu gehört gem. § 3 Abs. 3 KiAustrG u. a. die Angabe des
Familiennamens, der Vornamen, des Tages und Ortes der Geburt, der Wohnung und
des Familienstandes. Im Hinblick darauf, dass nach § 4 Abs. 1, 3 KiAustrG i. V. m. § 3
Abs. 3 KiStG von dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Austrittserklärung der Fortfall von
Rechten und Pflichten für den Bereich des staatlichen Rechts abhängt, hieran also
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weitreichende Folgen geknüpft sind, die eine exakte zeitliche Fixierung erforderlich
machen, setzt der Eintritt dieser Folgen, eine Erklärung voraus, die inhaltlich und von
der Form her den Anforderungen des § 3 KiAustrG entspricht und bei der deshalb kein
Streit um deren Wirksamkeit mehr entstehen kann. Es ist also aus Gründen der
Rechtsklarheit ähnlich wie bei einer Rechtsmittelschrift eine strikte Formenstrenge
geboten, die nicht mit einzelfallbezogenen Erwägungen, etwa dass die Angabe des
Geburtsortes im vorliegenden Fall nicht zur Identifizierung der Beteiligten notwendig
gewesen sei, unterlaufen werden kann. Mit der gleichen Erwägung könnte man dann
auch beispielsweise in der Regel die Angabe des Familienstandes als überflüssig
ansehen. Dem steht aber die Bindung des Richters - entsprechendes gilt für den
Rechtspfleger - an das Gesetz entgegen. Das, was vom Gesetzgeber als notwendiger
Inhalt einer Erklärung angesehen wird, kann von den Gerichten nicht mit der
Begründung ignoriert werden, die entsprechende gesetzliche Voraussetzung sei im
Einzelfall nicht notwendig. Allenfalls dann, wenn sich eine fehlende Angabe zweifelsfrei
aus einem anderen eingereichtem Schriftstück, etwa einem Anschreiben des Notars, der
die Austrittserklärung beglaubigt hat, ergibt, könnte in Anwendung der zu
Rechtsmittelschriften entwickelten Grundsätze (vgl. hierzu z. B. Zöller/Gummer, ZPO 23.
Auflage, § 511 Rdn. 30) ein Wirksamwerden bereits mit Eingang der (unvollständigen)
Erklärung in Erwägung gezogen werden, was aber hier nicht zu entscheiden ist. Zum
Geburtsort der Beteiligten konnte der Rechtspfleger den ihm vorliegenden
Schriftstücken keinerlei Anhaltspunkte entnehmen.
Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass entgegen der Meinung der Beteiligten
schon mangels Bestehens einer Regelungslücke eine entsprechende Anwendung des
§ 18 GBO ausscheidet. Im übrigen handelt es sich hierbei ohnehin um eine Norm, die -
wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - als Ausnahmevorschrift für das
Grundbuchrecht einer Anwendung auf andere Regelungsbereiche, bei denen es keine
konkurrierenden Anträge verschiedener Beteiligter gibt, entzogen ist.
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Die von den Beteiligten begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 22
Abs. 2 FGG scheidet aus, da sie keine Beschwerdefrist i. S. d. § 22 Abs. 1 FGG oder
eine vergleichbare Frist versäumt haben. Auch wäre ihnen nach § 22 Abs. 2 S. 2 FGG
das Verschulden ihres mit der Einreichung der Erklärung beauftragten
Verfahrensbevollmächtigten, der die gesetzlichen Voraussetzungen für den Inhalt einer
Austrittserklärung kennen musste bzw. sich hierüber kundig machen konnte,
zuzurechnen.
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Der Umstand schließlich, dass aus Gründen, die jedenfalls weitgehend im
Einflussbereich des Amtsgerichts liegen, die Beanstandung des Rechtspflegers erst ca.
einen Monat später bei dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten einging, ist
vorliegend ohne Belang. Verfahrensmäßig könnte dies im Hinblick auf eine
entsprechende Anwendung des § 167 ZPO (§ 270 Abs. 3 ZPO a.F. ) nur dann relevant
werden, wenn es um die Einhaltung einer Frist gegangen wäre, für deren Wahrung es
auf den Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung bei Gericht angekommen wäre. Da es
aber Fristen für die Austrittserklärung nicht gibt, ist der Zeitraum zwischen der Verfügung
des Rechtspflegers und ihrer Ausführung allenfalls für einen - schon wegen § 839 Abs.
1 S. 2 BGB ohnehin kaum in Betracht kommenden - Amtshaftungsanspruch gegen den
Justizfiskus von Bedeutung.
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Geschäftswert sowohl vor wie auch nach Verbindung: bis 1000,00 EUR
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