Urteil des OLG Köln vom 25.10.2007
OLG Köln: ausländisches recht, gerichtliche gütertrennung, vorfrage, errungenschaftsgemeinschaft, zwangsversteigerung, vollstreckungsverfahren, auflösung, gütergemeinschaft, güterrecht, meinung
Oberlandesgericht Köln, 16 W 30/07
Datum:
25.10.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 W 30/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Leverkusen, 42 K 114/06
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Leverkusen vom 06.08.2007 – 42 K 114/06 – wird
zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1
I.
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Antragstellerin und Antragsgegner sind italienische Staatsangehörige, die in Italien die
Ehe geschlossen haben und nunmehr die Scheidung betreiben. Bereits am 29.09.2003
hat das Amtsgericht Leverkusen die "Trennung der Parteien von Tisch und Bett"
ausgesprochen. Ein im Bundesgebiet Deutschland gelegenes Wohnhaus, das der
Antragsgegner sowie die gemeinsame volljährige Tochter bewohnen, steht im Eigentum
beider Parteien.
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Die Antragstellerin will die Zwangsversteigerung des Grundstücks betreiben und hat
einen dementsprechenden Antrag zum Amtsgericht Leverkusen gestellt. Dieser blieb
ebenso wie ein Prozesskostenhilfegesuch erfolglos. Das Amtsgericht begründet seine
Ablehnung mit der fehlenden Beischreibung des Trennungsurteils auf der
Heiratsurkunde sowie der Unzulässigkeit der Zwangsversteigerung in einzelne
Vermögenswerte der Errungenschaftsgemeinschaft. Hiergegen wendet sich die
Antragstellerin mit ihrem rechtzeitig eingelegten Rechtsmittel.
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Die innerhalb des Senats zuständige Einzelrichterin hat die Sache dem Senat wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Zuständigkeitsfrage gem. § 568 ZPO übertragen.
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II.
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1.
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Das grundsätzlich statthafte Rechtsmittel ist zulässig. Das Oberlandesgericht ist für die
sofortige Beschwerde gegen Entscheidung des Amtsgerichts als Vollstreckungsgericht
funktionell gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c GVG zuständig, da das Amtsgericht
ausländisches Recht angewandt und dies ausdrücklich festgestellt hat.
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Die nach allgemeiner Meinung eng auszulegende Vorschrift des § 119 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. c GVG (vgl. Zöllner/Gummer, 27. Aufl., § 119 GVG Rdnr. 16; Thomas-Putzo,
ZPO, 27. Aufl., § 119 GVG Rdnr. 11) ist nach Ansicht des Senats ist auch auf
Vollstreckungsverfahren anzuwenden.
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Anders als § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG verlangt die Alternative unter Buchst. c
lediglich eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, hingegen nicht eine Streitigkeit über
Ansprüche gegen eine Person. Eine solche Streitigkeit nach bürgerlichem Recht ist hier
gegeben.
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Ferner muss das Erstgericht ausländisches Recht angewandt haben. Vorliegend hat
das Amtsgericht bei der Entscheidung der Vorfrage, ob überhaupt ein
Zwangsversteigerungsverfahren zulässig ist, auf das italienische Recht abgestellt.
Dabei spielt es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keine Rolle, an welcher Stelle
der rechtlichen Prüfung das ausländische Recht relevant wird. Die Anwendung
ausländischen Rechts allein bei der Prüfung einer Vorfrage ist schon ausreichend (BGH
vom 18.01.2007, NJW 2007, 354).
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Welche Anforderungen darüber hinaus an eine ausdrückliche Feststellung der
Anwendung ausländischen Rechts zu stellen sind, kann offen bleiben (dazu BGH,
a.a.O.). Denn das Amtsgericht hat ausdrücklich festgehalten, dass sich die Frage nach
dem Auseinandersetzungsanspruch nach materiellem ausländischen Recht beurteilt, so
dass das weitere Erfordernis des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c GVG erfüllt ist.
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Der somit aus dem Wortlaut der Vorschrift folgenden Zuständigkeit des
Oberlandesgerichts steht nicht entgegen, dass das Amtsgericht als
Vollstreckungsgericht tätig geworden ist. Allein deshalb entfällt nach dem Sinn der
Regelung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG nicht die besondere Rechtsmittelzuständigkeit
des Oberlandesgerichts. Zwar hat der Bundesgerichtshof in diesem Sinne die
Zuständigkeitsfrage zu § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG entschieden (BGH vom
19.03.2004 – IX a ZB 23/03 - ; BGH vom 25.10.2006 - VII ZB 24/06 -, BGHReport 2007,
362). Doch hat er in den beiden Entscheidungen ausdrücklich darauf abgestellt, dass in
diesen Fällen allein wegen des – zufälligen – allgemeinen Gerichtsstandes einer Partei
im Ausland die Rechtsmittelzuständigkeit in Vollstreckungsverfahren nicht auf die sonst
nicht mit dieser Materie befassten Oberlandesgerichte übertragen werde. Der
vorliegende Fall ist jedoch mit Blick auf den Wortlaut der Vorschrift abweichend zu
beurteilen. Auch wenn für das Zwangsversteigerungsverfahren selbst ausschließlich
deutsches Recht gilt, stellt sich hier eine wesentliche Vorfrage nach ausländischem
Recht, was nach der erwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.01.2007
(a.a.O.) für die Anwendbarkeit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c GVG für allgemeine
zivilrechtliche Streitigkeiten ausreichend ist. Der Senat sieht im übrigen in Anbetracht
des Wortlauts und der Systematik der Vorschrift keine konkreten Anhaltspunkte für eine
einschränkende Auslegung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c GVG dahin, dass diese
Vorschrift im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht anwendbar ist.
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2.
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In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
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Zu Recht hat das Amtsgericht die Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens
abgelehnt, da schon die formelle Voraussetzung eines Auseinandersetzungsanspruchs
nach italienischem Recht fehlt, nämlich die Beischreibung der Trennung auf der
Heiratsurkunde.
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Ein möglicher Auseinandersetzungsanspruch der Antragstellerin, der Voraussetzung für
die Einleitung der Zwangsversteigerung, beurteilt sich, wovon das Amtsgericht zu Recht
ausgeht, nach italienischem Güterrecht, Art. 14 Abs. 1 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1 EGBGB.
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Zwischen den Beteiligten bestand die gesetzliche Gütergemeinschaft nach Art. 177 C.c.
(Errungenschaftsgemeinschaft). Diese wird gem. Art. 191 Abs. 1 C.c. u. a. durch die
persönliche Trennung aufgelöst, die durch die gerichtliche Entscheidung des AG
Leverkusen vom 29.09.2003 erfolgte. Damit diese Entscheidung Außenwirkung
entfalten kann, ist sie vom Standesbeamten auf der Eheschließungsurkunde
beizuschreiben.
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Für eine durch Urteil ausgesprochene gerichtliche Gütertrennung sieht das Gesetz dies
ausdrücklich vor, Art. 193 Abs. 5 C.c. Bei einer gerichtlichen Trennung von Tisch und
Bett, die die Auflösung der Gütergemeinschaft zur Folge hat, ist diese Beischreibung zur
Wirkung gegenüber Dritten ebenfalls zu verlangen (vgl. Bergmann/Ferid/Wiedemann,
Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Italien, Art. 191 Fn. 71).
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Da die Beschreibung bisher nicht nachgewiesen ist, ist schon aus diesem Grund eine
Auseinandersetzung nicht zulässig. Einer Stellungnahme zu der Frage, ob nach
Auflösung der Errungenschaftsgemeinschaft italienischen Rechts ein
Auseinandersetzungsanspruch eines Ehepartners besteht, der im Rahmen eines
Zwangsversteigerungsverfahrens nach deutschem Recht durchgesetzt werden kann,
bedarf es deshalb nicht. Der Senat sieht keine Veranlassung, auf diese – soweit
ersichtlich – bisher nicht entschiedene Rechtsfrage einzugehen, deren Beantwortung
unter Umständen nicht ohne die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgen kann.
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Das erstinstanzliche Gericht hat auch ohne Rechtsfehler den Prozesshilfekostenantrag
abgelehnt. Prozesskostenhilfe kann nur zur Führung eines Verfahrens bewilligt werden.
Die Beibringung der ausstehenden Beischreibung, wofür Prozesskostenhilfe gewährt
werden soll, ist indes nicht Teil des Zwangsversteigerungsverfahrens. Soweit sich der
Antrag auf Prozesskostenhilfe auch auf das eigentliche Zwangsversteigerungsverfahren
beziehen sollte, was aus der Antragstellung nicht klar ersichtlich wird, hat das
Amtsgericht ebenfalls im Ergebnis zutreffend diesen Antrag zurückgewiesen, da er aus
den oben dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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