Urteil des OLG Köln vom 14.12.2004

OLG Köln: fristlose kündigung, ordentliche kündigung, mietvertrag, gesellschafter, vertreter, kündigungsfrist, stempel, unterzeichnung, beendigung, mwst

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 22 U 117/04
14.12.2004
Oberlandesgericht Köln
22. Zivilsenat
Urteil
22 U 117/04
Landgericht Köln, 30 O 412/03
Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. Juni 2004 verkündete Urteil
der 30. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 30 O 412/03 - wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Die Parteien streiten über die Formwirksamkeit eines gewerblichen Mietvertrages, über die
Auslegung einer darin enthaltenen Verlängerungsklausel und den Zeitpunkt der
Beendigung des Mietverhältnisses.
Die Klägerin hatte von der Beklagten, einer aus zwei Gesellschaftern bestehenden
Grundeigentümergesellschaft bürgerlichen Rechts, ab dem 15.11.1999 Gewerberäume im
Technologiepark C. H. auf ein Jahr fest angemietet.
Der Mietvertrag ist auf Vermieterseite durch den Gesellschafter V. M. unterzeichnet, der
seine Unterschrift auf einen Stempelaufdruck der beklagten GbR gesetzt hat. Unter dem
Stempelaufdruck befindet sich der maschinenschriftliche Zusatz:
"Grundstücksgesellschaft
TechnologiePark C. H.
V. und Dr. K. M. GbR
V. J. M.
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(Vermieterin)
Der Mietvertrag enthält über Laufzeit und Kündigung u.a. folgende Regelung:
"3.2.
Das Mietverhältnis verlängert sich um jeweils ein Jahr, wenn es nicht von einer der
Vertragsparteien unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten schriftlich
gekündigt wird.
3.3.
Für die Rechtzeitigkeit der schriftlich abzugebenden Verlängerungserklärung oder
Kündigung kommt es nicht auf die Absendung, sondern auf die Ankunft des Schreibens
an."
Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis unter dem 28.08.2003 zum 29.02.2004; die
Beklagte nahm die Kündigung an, jedoch mit Wirkung erst zum 14.11.2004.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen
Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht den Antrag der Klägerin abgewiesen
festzustellen, dass das Mietverhältnis spätestens zum 31.03.2004 beendet sei. Zur
Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigungsregelung im
Mietvertrag sei dahin zu verstehen, dass der Vertrag nur unter Einhaltung einer
Sechsmonatsfrist jeweils zum 14.11. eines Jahres kündbar sei und die Regelung in Nr. 3.3
des Mietvertrages keine weitergehende Kündigungsmöglichkeit eröffne. Auch die
Schriftform sei eingehalten, denn in dem maschinenschriftlichen Zusatz komme zum
Ausdruck, dass der Gesellschafter V. M. als Vertreter der GbR gezeichnet habe.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag mit der Maßgabe weiter,
dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien am 29.02.2004, hilfsweise: am 31.03.2004,
beendet worden ist.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze
Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache keinen
Erfolg. Das angefochtene Urteil entspricht der Sach- und Rechtslage.
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist nicht durch die Kündigung der Klägerin vom
28.08.2003 nach Ablauf einer Sechsmonatsfrist zum 29.02.2004 oder entsprechend den
gesetzlichen Vorschriften über die ordentliche Kündigung von gewerblichen
Mietverhältnissen ( § BGB) zum Quartalsende, dem 31.03.2004, beendet worden. Die
Kündigung der Klägerin hatte lediglich gemäß Nr. 3.2. des Mietvertrages zur Folge, dass
das Mietverhältnis sich nicht über die am 14.11.2004 endende Einjahresperiode hinaus
verlängerte.
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Nach den mietvertraglichen Regelungen über die Laufzeit und Kündigung des Vertrages
konnte die Klägerin mit ihrer Kündigung vom 28.08.2003 das Mietverhältnis nicht zum
29.02.2004 sondern nur mit Wirkung zum 14.11.2004 beenden.
Die Dauer des Mietvertrages und die Möglichkeit seiner Beendigung sind abschließend in
Nr. 3.1 und 3.2 des Mietvertrages geregelt. Danach begann das Mietverhältnis am
15.11.1999 und verlängerte sich jeweils um ein Jahr bis zum 14. November des folgenden
Jahres, solange es nicht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten, also
spätestens am 14. Mai eines Jahres, schriftlich gekündigt wurde.
Da bis zum 14.05.2003 von keiner Partei eine Kündigungserklärung abgegeben worden
war, setzte sich das Mietverhältnis gemäß Nr. 3.2. des Mietvertrages über den 14.11.2003
hinaus bis zum 14.11.2004 fort. Die Kündigung der Klägerin vom 28.08.2003 konnte das
Mietverhältnis erst zu diesem Zeitpunkt beenden.
Die Auffassung der Klägerin, nach den Vertragsbestimmungen habe das Mietverhältnis
jeweils ausdrücklich und schriftlich verlängert werden müssen, da dies nicht geschehen
sei, habe sie das Mietverhältnis mit sechsmonatiger Kündigungsfrist beenden können, ist
mit dem eindeutigen Wortlaut von Nr. 3.2 des Mietvertrages nicht zu vereinbaren.
Die Klägerin kann sich für ihre Auslegung zunächst nicht auf Nr. 3.3. des Mietvertrages
berufen, weil diese Regelung nicht die Kündigungsregelung in Nr. 3.2 des Mietvertrages
modifiziert. Sie hat lediglich eine klarstellende Funktion bezüglich des Zugangs von
abzugebenden Erklärungen und enthält letztlich eine Wiederholung der gesetzlichen
Regelung des § 130 BGB über den Zugang von Willenserklärungen unter Abwesenden.
Aus dem Umstand, dass in diesem Zusammenhang auch von einer "schriftlich
abzugebenden Verlängerungserklärung" die Rede ist, lässt sich nicht ableiten, dass der
Vertrag entgegen dem ganz eindeutigen Wortlaut der Nr. 3.2. zu seiner Verlängerung der
entsprechenden Erklärung bedürfe.
Auch aus anderen Bestimmungen kann die Klägerin nichts für ihre Auffassung herleiten:
Nr. 3.5 des Mietvertrages bezieht sich – wegen der Bezugnahme ("Im Falle einer
vorzeitigen Kündigung ...") eindeutig - nur auf die in Nr.3.4 des Mietvertrages geregelte, hier
indessen nicht einschlägige außerordentliche, fristlose Kündigung.
Bestimmungen des Vertrages der Klägerin mit der TBG TechnologiePark C. H.
Verwaltungs-GmbH können schon deshalb zur Auslegung des vorliegenden Mietvertrages
nicht dienen, weil es sich um andere Vertragsparteien handelt.
Die sich aus dem eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Wortlaut der Nr. 3.2. des
Mietvertrages ergebende Kündigungsregelung entspricht im Übrigen der langjährigen,
übereinstimmenden Übung und damit offenbar auch dem früheren Verständnis beider
Parteien. Sie haben das Mietverhältnis seit 1999 fortgeführt, ohne dass die Klägerin die
nach ihrer jetzigen Auffassung notwendige Verlängerungserklärung je abgegeben hätte.
2.
Der Mietvertrag konnte auch nicht deshalb unter Einhaltung der gesetzlichen
Kündigungsfrist zum 31.3.2004 gekündigt werden, weil es an der Schriftform fehlen würde,
die § 566 BGB a.F. für Verträge vorschreibt, welche für einen Zeitraum von mehr als einem
Jahr geschlossen werden. Das Mietverhältnis ist deshalb nicht gemäß § 566 Satz 2 BGB
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a.F. als auf unbestimmte Zeit geschlossen – und damit jederzeit kündbar – anzusehen.
a)
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag
überhaupt von der Regelung des hier noch maßgeblichen, § 550 BGB n.F. entsprechenden
§ 566 BGB a.F. erfasst wird.
Zwar soll die Bestimmung auch für Verträge gelten, die auf ein Jahr fest geschlossen sind
und sich verlängern, wenn die Parteien keine entgegenstehende Erklärung abgeben
(Schmidt/Futterer/Lammel, Mietrecht, 8.Aufl., § 550 Rdn.21; Palandt/ Weidenkaff, BGB, 60.
Aufl., § 566 Rdn.6; ders.: 63. Aufl., § 550, Rdn.6). Hiergegen könnte bei dem streitigen
Mietverhältnis allerdings eingewendet werden, dass der Vertrag jedenfalls nicht von einer
Partei gegen den Willen der anderen Partei über ein Jahr hinaus durch einseitige Erklärung
verlängert werden konnte. Er war damit zunächst nur auf ein Jahr – nicht für "mehr als ein
Jahr" - fest abgeschlossen und verlängerte sich nur, wenn beide Parteien von einer
Kündigung absahen. Es erscheint zweifelhaft, ob auch dieser Fall von § 566 BGB a.F.
erfasst ist.
b)
Hierauf kommt es indessen nicht an, weil eine etwa notwendige Schriftform jedenfalls
gewahrt ist.
Zwar ist es für die Einhaltung der Schriftform erforderlich, dass alle Vertragsparteien die
Vertragsurkunde unterzeichnen. Dies ist insofern nicht geschehen, als für die Vermieterin
nur deren Gesellschafter V. J. M. eigenhändig unterzeichnet hat, nicht auch die
Mitgesellschafterin "Dr. K. M.".
Dies ist aber unschädlich, weil der Gesellschafter V. J. M. dadurch, dass er mit dem
Firmenstempel unterzeichnet hat, der Verkehrsanschauung entsprechend und ohne
weiteres erkennbar als Vertreter der GbR und mithin auch der Mitgesellschafterin
unterzeichnet hat.
Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter den Mietvertrag, so muss dies in der
Urkunde durch einen das Vertretungsverhältnis anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich
zum Ausdruck kommen. Der Bundesgerichtshof stellt hieran in ständiger Rechtsprechung
hohe Ansprüche (vgl. die Urteile des Bundesgerichtshofes vom 5. November 2003, XII ZR
134/02, NJW 2004, 1103 f. = ZMR 2004, 106 ff. = MDR 2004, 325 f. = GuT 2004, 61 f. und
vom 16.7.2003, XII ZR 65/02, NJW 2003, 3053 f. = ZMR 2004, 19 f. = WM 2003, 2193 f. =
MDR 2003, 1283).
Diesen Anforderungen ist jedoch Genüge getan, weil in der Mietvertragsurkunde durch die
Unterschrift des Gesellschafters V. J. M. verbunden mit dem Firmenstempel der beklagten
GbR hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass auf Vermieterseite Herr V. J. M. als
Vertreter der beklagten GbR aufgetreten ist und in dieser Eigenschaft den Mietvertrag
unterzeichnet hat.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den in der Rechtsprechung entschiedenen
Fällen dadurch, dass weder über die Vertragsparteien Unsicherheit herrscht (wie im Fall
BGH NJW 2004, 1103) und die Unterzeichnung durch einen Gesellschafter auch nicht im
möglichen Widerspruch zu einer sich aus dem Vertrag ergebenden Möglichkeit einer
abweichenden Vertretungsregelung steht, wie im Fall BGH NJW 2003, 3053-3054, in dem
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es ebenfalls um die Unterzeichnung durch einen Gesellschafter der Vermieter-GbR ging.
Auch dem von der Klägerin überreichten Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg – 8 U
1809/03 (Bl. 136 ff. GA) liegt ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, weil sich auch
dort Unklarheiten unmittelbar aus der Vertragsurkunde ergaben: Auch dort war zwar auf
Mieterseite ein Stempel, nämlich einer Anwaltssozietät, verwendet worden. Die
Besonderheit des Falles lag aber darin, dass der Stempel nur auf eine Anwaltssozietät,
bestehend aus (offenbar) drei Rechtsanwälten, hinwies, während im Mietvertrag auf Seiten
der Mieter weitere Personen genannt waren. Es fehlte deshalb bei der Verwendung des
Stempels an der notwendigen Klarheit, ob auch die im Stempel nicht aufgeführten
Personen durch den Unterzeichnenden vertreten wurden. Gerade dies ist im vorliegenden
Streitfall anders.
Entscheidend kommt es im Hinblick auf den von § 566 BGB a.F. in erster Linie bezweckten
Schutz eines späteren Grundstückserwerbers (BGH NJW 2004, 2962 [2964]) darauf an,
dass bei Unterzeichnung eines Vertreters in der Vertragsurkunde das Vertretungsverhältnis
hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Dies ist hier deshalb der Fall, weil kein Zweifel
über die Zusammensetzung der GbR auf Vermieterseite besteht und durch die typische, die
Vertretung einer Gesellschaft zum Ausdruck bringende Zeichnung eines Gesellschafters
mit dem Firmenstempel, hier zusätzlich durch die darunter befindliche
maschinenschriftliche Namensnennung des Vertreters bestätigt, keine Unklarheit darüber
aufkommt, dass der unterzeichende Gesellschafter die Gesellschaft und damit auch den
Mitgesellschafter vertrat.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr.10, 713
ZPO.
IV.
Die Voraussetzungen für die von der Klägerin angeregte Zulassung der Revision liegen
nicht vor. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung – wie aufgezeigt - weder von einer
Entscheidung des Bundesgerichtshofes ab, noch hat die Sache über die
Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren - zugleich Wert der Beschwer für die Klägerin –
wird auf 9.252,85 Euro festgesetzt (Wert der auf die noch streitige Zeit von achteinhalb
Monaten entfallenden Nettomiete zuzügl. MwSt, ohne Nebenkostenvorauszahlung).
Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird in Abänderung der
Streitwertfestsetzung durch das Landgericht auf 13.062,85 Euro festgesetzt (Wert der
Jahresnettomiete zuzügl. MwSt, ohne Nebenkostenvorauszahlung).