Urteil des OLG Köln vom 19.03.2010
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Oberlandesgericht Köln, III 1 RVs 48/10
Datum:
19.03.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
III 1 RVs 48/10
Tenor:
Unter Verwerfung der weitergehenden Revision wird das angefochtene
Urteil zum Schuldspruch abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Angeklagte ist des Diebstahls schuldig.
- § 242 Abs. 1 StGB -
Im Rechtsfolgenausspruch wird das angefochtene Urteil mit den
dazugehörigen Feststellungen aufgehoben. In diesem Umfang wird die
Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Königswinter
zurückverwiesen.
Gründe
1
I.
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Das Amtsgericht hat die Angeklagte "wegen Wohnungseinbruchdiebstahls" zu einer
Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung
ausgesetzt worden ist.
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Es hat zum Schuldspruch Folgendes festgestellt:
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"Im Oktober 2008 arbeitete die Angeklagte im Rahmen eines sogenannten Ambulanten
Pflegedienstes in der S. in C. . Bei der S. handelt es sich um ein Seniorenheim, in dem
die Bewohner Appartements anmieten sowie bei Bedarf weitere Leistungen, unter
anderem pflegerische Leistungen, in Anspruch nehmen können.
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Bewohnerin der S. war die am 18.10.2008 verstorbene J. D. . Frau D. hatte ein
Appartement angemietet, in dem sie lebte. Krankheitsbedingt wurde Frau D. in der
letzten Zeit vor dem Versterben auch durch den ambulanten Pflegedienst der S. , so
auch von der Angeklagten, versorgt. Die Mitarbeiter des Pflegedienstes wie auch die
Angeklagte erlangten Zutritt zu dem von Frau D. gemieteten Appartement über die
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Angeklagte erlangten Zutritt zu dem von Frau D. gemieteten Appartement über die
Wohnungseingangstür, die regelmäßig von der Bewohnerin angelehnt wurde, wenn sie
den Pflegedienst erwartete. War die Tür nicht geöffnet, klingelten die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter des Pflegedienstes, woraufhin ihnen von Frau D. Einlass gewährt
wurde.
Den Mitarbeitern des Ambulanten Pflegedienstes stand zwar im Grundsatz ein
Generalschlüssel zur Verfügung, der auch ein Öffnen der von Frau D. angemieteten
Wohnung ermöglicht hätte. Aufgrund einer Dienstanweisung des Arbeitgebers waren
die Mitarbeiter des Pflegedienstes indes nur zur Benutzung des Generalschlüssels im
Einvernehmen mit dem jeweiligen Wohnungsinhaber berechtigt. Eine entsprechende
Vereinbarung bestand mit Frau D. nicht.
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Ferner war es sämtlichen Mitarbeitern aufgrund einer Dienstanweisung untersagt, eine
Wohnung nach Versterben des Wohnungsinhabers zu betreten und hierfür
gegebenenfalls vorhandene Wohnungsschlüssel oder den Generalschlüssel zu
verwenden.
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Vorstehendes war der Angeklagten bekannt.
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Am 27.10.2008 begab sich die Angeklagte zu dem von der Verstorbenen Frau D.
angemieteten Appartement, in dem seit einigen Tagen die Zeugin K. nächtigte. Gegen
21:30 Uhr öffnete die Angeklagte mit dem ihr zur Verfügung stehenden
Generalschlüssel die Wohnungstür des Appartements. Den Generalschlüssel hatte die
Angeklagte zur Verfügung, da sie zu diesem Zeitpunkt als Pflegekraft ihren Dienst in der
S. versah. Der Angeklagten war hierbei bewusst, dass sie zum Betreten des
Appartements nicht berechtigt war.
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In dem Appartement entnahm die Angeklagte aus einem Schmucketui, welches auf dem
Nachttisch neben dem Bett abgelegt war, ein Paar Ohrhänger die jeweils aus einer
kleineren und einer großen Perle bestanden, wobei die Perlen durch einen Brillanten
voneinander getrennt waren. Der Wert der Ohrhänger belief sich auf mindestens
2.000,00 Euro. Die Angeklagte steckte diese Ohrhänger ein und legte das Schmucketui
mit einem weiteren darin befindlichen Paar Perlohrstecker zurück auf den Nachttisch.
Anschließend durchsuchte sie das Zimmer um weitere stehlenswerte Sachen zu finden.
Als sie gerade aus einem Küchenschrank zwei Samtsäckchen herausgeholt hatte, in
denen sich ebenfalls Schmuckstücke befanden, wurde sie von der zurückkehrenden
Zeugin K. an der weiteren Tatausführung gehindert.
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Nachdem die Zeugin K. das Appartement betreten und die Angeklagte angesprochen
hatte, erklärte die Angeklagte der Zeugin, von einer Frau D. angerufen und aufgefordert
worden zu sein, nachzuschauen, ob der Schmuck in den Samtsäckchen im
Küchenschrank noch vorhanden war. Anschließend entfernte sich die Angeklagte."
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Gegen dieses Urteil richtet sich die (Sprung-)Revision der Angeklagten, die bei der
Einlegung auf das Strafmaß beschränkt worden ist. Die Revisionsbegründung mit dem
Antrag, "das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit darin eine Verurteilung wegen
Einbruchsdiebstahls gem. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfolgte (…)", rügt die Verletzung
materiellen Rechts.
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II.
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Das Rechtsmittel hat einen Teilerfolg. Es führt zur Änderung des Schuldspruchs dahin,
dass die Angeklagte statt wegen Wohnungseinbruchdiebstahls wegen Diebstahls
verurteilt wird, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und
in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz; die
weitergehende Revision bleibt dagegen erfolglos (§§ 349 Abs. 2 und 4, 353, 354 StPO).
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1.
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Der uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt auch der
Schuldspruch des erstinstanzlichen Urteils.
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Zwar ist die Revision bei der Einlegung auf eine Überprüfung des Strafmaßes
beschränkt worden. Auch ist eine nachträgliche Erweiterung der beschränkt eingelegten
Revision nur innerhalb der Revisionseinlegungsfrist (§ 341 StPO) und nicht mehr
innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) möglich (BGHSt 38, 366;
Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 344 Rn. 4).
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Die Beschränkung der Revision auf das Strafmaß ist hier aber unwirksam.
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Zwar kann die Revision ebenso wie die Berufung (§ 318 StPO) und nach denselben
Grundsätzen auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden (Meyer-Goßner a.a.O.,
§ 344 Rn. 7, § 318 Rn. 1 ff.). Eine solche Beschränkung ist aber unwirksam bei einem -
wie die nachstehenden Ausführungen belegen - fehlerhaften Schuldspruch, der zu
Lasten des Angeklagten für die Strafzumessung einen höheren Strafrahmen vorgibt, als
er nach der festgestellten Tat bei zutreffender rechtlicher Wertung zur Anwendung
kommt (Senat NStZ-RR 2000, 49; SenE v. 12.05.2009 - 82 Ss 30/09 -; Meyer-Goßner
a.a.O. § 318 Rn. 17 aE).
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2.
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Die rechtsfehlerfrei getroffenen Tatsachenfeststellungen tragen die Verurteilung wegen
Wohnungseinbruchdiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht.
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Nach diesem Qualifikationstatbestand macht sich u.a. strafbar, wer einen Diebstahl
begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat mit einem falschen Schlüssel in eine
Wohnung eindringt.
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Falsch ist ein Schlüssel, wenn ihm die Widmung des Berechtigten fehlt, er also von
diesem zur Tatzeit nicht, noch nicht oder nicht mehr zur Öffnung des Verschlusses
benutzt wird (BGH MDR 1960, 689; Fischer, StGB, 57. Auflage, § 243 Rn. 8; Eser, in
Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage, § 243 Rn. 14; Schmitz in MüKo-StGB, § 243
Rn. 27; Kudlich, in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 243 Rn. 14). Handelt es sich um
einen vom Berechtigten gewidmeten Schlüssel, wird dieser (echte) Schlüssel nicht
dadurch entwidmet und damit "falsch", dass seinem (aktuellen) Inhaber - z.B. einem
Angestellten des Berechtigten - die Benutzung im konkreten Fall untersagt ist (vgl.
BGHR StGB § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Schlüssel, falscher 1 - Gründe -; Schmitz a.a.O.).
Die Verwendung eines richtigen Schlüssels durch einen Unbefugten wird nicht von
§§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfasst (BGHSt 21, 189; Kudlich a.a.O.).
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Den Feststellungen des Amtsgerichts lässt sich nicht etwa entnehmen, dass der
Betreiber des Seniorenheims den von der Angeklagten zur Tatbegehung benutzten
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Schlüssel zuvor entwidmet hatte. Bereits die Tatsache, dass es sich um einen
Generalschlüssel gehandelt hat, also um einen Schlüssel, mit dem sämtliche oder
zumindest eine Vielzahl von Schlössern des Seniorenheims geöffnet werden können,
belegt vielmehr dessen andauernde Widmung. Seine (generelle) Entwidmung wäre
geradezu unsinnig, schon im Hinblick auf Notfälle u. a..
Nach den Feststellungen hat die Angeklagte diesen "echten" Generalschlüssel vielmehr
(lediglich) unbefugt benutzt.
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Die Urteilsfeststellungen belegen hiernach allein den Straftatbestand eines (einfachen,
nicht qualifizierten) Diebstahls (§ 242 StGB).
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3.
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Die Abänderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs
mit den zugehörigen Feststellungen.
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Es ist - schon wegen des milderen Strafrahmens des § 242 StGB - nicht
auszuschließen, dass bei einer Verurteilung nur wegen Diebstahls die
Rechtsfolgenentscheidung zu Gunsten des Angeklagten anders ausgefallen wäre.
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