Urteil des OLG Köln vom 14.09.1995
OLG Köln (gemischte schenkung, erblasser, rechtsgeschäft unter lebenden, antragsteller, ehefrau, erbvertrag, bindung, beschwerde, vermächtnisnehmer, 1995)
Oberlandesgericht Köln, 2 W 125/95
Datum:
14.09.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 W 125/95
Normen:
BGB §§ 2286, 2287 I, 2288 II
Leitsätze:
Ansprüche aus Verfügungsunterlassungsvereinbarung
1) Gegen einen Vertragspartner eines Erbvertrages können nur dann
Ansprüche aus einer Verfügungsunterlassungsvereinbarung bestehen,
wenn er sich gegenüber einem Vertragserben oder einem vertraglichen
Vermächtnisnehmer verpflichtet hat, vom Erblasser keine Zuwendungen
unter Lebenden anzunehmen und mit ihm keine Verträge zu schließen,
die der erbvertraglichen Regelung zuwiderlaufen. 2) Auf eine gemischte
Schenkung sind die §§ 2288 II, 2287 I BGB anwendbar. Ein lebzeitiges
Eigeninteresse des Erblassers schließt aber eine
Beeinträchtigungsabsicht aus.
Tenor:
Die Entscheidung ist unanfechtbar.
G r ü n d e
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I. Aufgrund eines notariellen Erbvertrages vom 25.2.1992 zwischen den Eheleuten
Dr.Dr.R. und deren vier Kindern, von denen der Antragsteller aus der ersten Ehe des
Ehemanns stammt, sollte der Antragsteller aufgrund eines Vermächtnisses ein mit
einem Wohnhaus bebautes Grundstück in Suna/Italien erhalten. Alleinerbin war die
Ehefrau R.. Zu seinen Lebzeiten - durch Tauschvertrag vom 13.11.1993/6.4.1994 mit
Eigentumsumschreibung vom 16.4.1994 - übertrug der am 14.5.1994 verstorbene Vater
das Grundstück aber auf den Antragsgegner, seinen jüngsten Sohn. In Ziff. IV 1 des
Notarvertrages erklärten die Eheleute, die vorstehenden Erklärungen mit
erbvertraglicher Bindung gegenseitig anzunehmen. Die Ehefrau behielt sich vor, über
die ihr gehörenden oder ihr vermachten Vermögenswerte - bis auf die ihr vermachte
Teilfläche des Grundstücks in Suna/Italien - zu Lebzeiten oder von Todes wegen
anderweitig zu verfügen. In Ziff. IV 2 erklärten sich die Kinder mit allen im Erbvertrag
getroffenen Verfügungen von Todes wegen einverstanden.
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Der Antragsteller begehrt Prozeßkostenhilfe für eine Klage gegen den Antragsgegner,
den jüngsten Sohn des Erblassers, auf Zahlung von 550.000 DM , da mit dem Verkauf
an den Antragsgegner gegen eine mit dem Erbvertrag geschlossene
Verfügungsunterlassungsvereinbarung verstoßen worden sei. Es handele sich bei der
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Übertragung wirtschaftlich gesehen nicht um einen Tausch, sondern um eine
Schenkung. Der Antragsteller könne aber auch gem. §§ 138, 826 BGB sowie §§ 2287,
2288 BGB die Herausgabe des geschenkten Grundstücks, hilfsweise Herausgabe der
Bereicherung sowie Schadensersatz nach § 826 BGB verlangen.
Durch den angefochtenen Beschluß hat das Landgericht Prozeßkostenhilfe mangels
Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage verweigert. Der dagegen gerichteten
Beschwerde hat es nicht abgeholfen.
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II. Die gem. § 127 II ZPO zulässige Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Das
Landgericht hat mit Recht eine hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten
Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) verneint.
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1) Aus einer schuldrechtlichen Verfügungsunterlassungs- vereinbarung im Erbvertrag,
mit der sich der Erblasser verpflichtet hätte, nicht zum Nachteil eines Vertragserben
unter Lebenden zu verfügen, ergibt sich der mit der Klage verfolgte Anspruch nicht.
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Es ist allerdings formlos und auch stillschweigend möglich, daß sich der Erblasser
entgegen § 2286 BGB zur Sicherung eines erbvertraglich Bedachten in dieser Weise
schuldrechtlich verpflichtet (BGH FamRZ 1967, 470; Palandt/Edenhofer, 54. Aufl.
(1995), § 2286 Rn. 2 m.w.N.). Die Verletzung einer solchen Verpflichtung führt aber nur
zu Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Erblasser oder seinen Erben (BGH
NJW 1964, 549; Kohler NJW 1964, 1395), nicht aber zu Ansprüchen gegen den Dritten,
dem unter Lebenden etwas zugewandt wird. Dritter in diesem Sinne ist auch ein
weiterer Vertragspartner des Erbvertrages, der in dem Erbvertrag keine Verfügungen
trifft, sondern dem nur etwas zugewendet wird.
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2) Gegen diesen können nur dann Ansprüche aus einer
Verfügungsunterlassungsvereinbarung bestehen, wenn er sich seinerseits gegenüber
einem Vertragserben oder einem anderen vertraglichen Vermächtnisnehmer verpflichtet
hat, vom Erblasser unter Lebenden keine Zuwendungen anzunehmen und mit ihm keine
Verträge zu schließen, die der erbvertraglichen Regelung zuwiderlaufen (vgl. BGH WM
1977, 689; Palandt/Edenhofer, 54. Aufl.(1995), § 2276 Rn. 13).
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Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß ein stillschweigender
Verfügungsunterlassungsvertrag zwischen den Parteien zustandegekommen ist. Das
bloße ursprüngliche gemeinsame Ziel, das Vermögen nach dem Tode in einer
bestimmten Weise aufzuteilen, besagt gerade nichts darüber, daß der Erblasser nicht
gemäß § 2286 BGB vor seinem Tode frei sein sollte, anderweitig zu verfügen. Bei einer
Abweichung vom gesetzlichen Regelfall sind bei einem Notarvertrag mit
entsprechender fachkundiger Beratung markante Anhaltspunkte dafür erforderlich, daß
eine nicht in den Text aufgenommene Vereinbarung zur Verfügungsunterlassung zu
Lebzeiten wirksam zustandegekommen ist (vgl. auch BGH NJW 1973, 240 (242). Allein
die Regelung in Ziff. II 4 des Erbvertrages mit der Absichtserklärung des Erblassers, die
vermachten Grundstücksflächen schon zu Lebzeiten zu übertragen, reicht dazu nicht
aus, denn dies war nur eine Absichtserklärung, deren Verwirklichung eben ganz in der
Hand des Erblassers lag. Ebenso besagt die ausdrückliche Regelung zur
Verfügungsfreiheit der Ehefrau in Ziff. IV 1 des Erbvertrages nicht, daß der Erblassers
sich im Gegensatz dazu zur Verfügungsunterlassung zu Lebzeiten verpflichtet hätte.
Fehlt es schon an einer solchen Unterlassungsverpflichtung des Erblassers, bestehen
auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß sich die erbvertraglich Bedachten
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untereinander schuldrechtlich verpflichten wollten, an keinen Rechtsgeschäften
mitzuwirken, die eine Verfügung über die zugedachten Gegenstände unter Lebenden
beträfen. Das bloße unter IV des Erbvertrages erklärte Einverständnis mit den
Regelungen des Erbvertrages besagt nichts Hinreichendes über eine
Verfügungsunterlassungsvereinbarung unter Lebenden. Ebenso besagen die Worte,
daß alle vorstehenden Erklärungen mit erbvertraglicher Bindung angenommen werden,
nur etwas über diese erbvertragliche Bindung, aber nichts über eine
Verfügungsunterlassungsvereinbarung, die sich gerade nicht aus der erbvertraglichen
Bindung ergibt. Der Antragsteller berücksichtigt nicht hinreichend, daß nach dem
gesetzlichen Vertragstyp der Vertragserbe und Vertragsvermächtnisnehmer vor dem
Tod des Erblassers weder ein Recht - auch keinen künftigen Anspruch - noch eine
Anwartschaft haben (vgl. nur Lange/Kuchinke, Erbrecht, 3. Aufl.(1989) § 37 II Fn. 56, 57
m.w.N.).
3) Dem Antragsteller steht gegen den Antragsgegner auch kein Anspruch aus §§ 2288
II, 2287 I BGB zu.
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Der Anspruch nach § 2288 II S.1 BGB bei Veräußerung des Gegenstandes eines
vertragsmäßig angeordneten Vermächtnisses richtet sich nur gegen den Erben, kann
also keinen Anspruch gegen den Antragsgegner begründen, der nicht Erbe ist.
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Auch ein Anspruch gem. § 2288 II S.2 i.V.m. § 2287 BGB gegen den Beschenkten ist
nicht dargetan. Es kann dahinstehen, ob der Tauschvertrrag vom 13.11.1993 in
Wirklichkeit als gemischte Schenkung anzusehen ist, auf die §§ 2287 I, 288 II BGB an
sich anwendbar sind (BGH FamRZ 1994, 429; Soergel/Wolf, 12. Aufl. (1992), § 2287
Rn. 6 m.w.N.). Die weitere Voraussetzung des § 2287 I BGB, daß der Erblasser in der
Absicht gehandelt hat, den Vertragserben zu beeinträchtigen, ist nämlich nicht erfüllt.
Der Erblasser hatte am Abschluß des Tauschvertrages ein lebzeitiges Eigeninteresse,
das die Annahme einer Beeinträchtigungsabsicht ausschließt (BGH NJW 1992, 564
(566); Senat FamRZ 1992, 607; OLG Düsseldorf OLG-Report 1993, 185 (186);
Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2287 Rn.6 ). Im Schreiben vom 17.6.1993 hat der Erblasser
seine Motive für das Rechtsgeschäft unter Lebenden dargelegt und mit dem Wunsch
begründet, für den Lebensabend seiner Ehefrau wegen inzwischen eingetretener
Verluste der Familienfirma vorzusorgen. Eine solche Zielsetzung ist als lebzeitiges
Eigeninteresse aufgrund der sittlichen Verpflichtung gegenüber der Ehefrau
anzuerkennen. Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist nicht deshalb zu verneinen, weil
vielleicht auch andere Sicherungsmöglichkeiten bestanden hätten oder der Erblasser
die Wertverhältnisse nicht richtig eingeschätzt hätte. Eine Beeinträchtigungsabsicht, die
das Gesetz verlangt, kann nur festgestellt werden, wenn auch aus der Sicht des
Erblassers das genannte Interesse an der Absicherung seiner Ehefrau zu verneinen
gewesen wäre. Es kann daher dahinstehen, ob die weitere Voraussetzung des § 2288 II
BGB, daß von dem Erben Ersatz nicht zu erlangen ist, auch dann erfüllt sein muß, wenn
an einen anderen Vertragsvermächtnisnehmer geschenkt wird.
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4) Dem Antragsteller stehen gegen den Antragsgegner auch keine
Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB zu. Die §§ 2287 I, 2288 II BGB erfassen die
Fälle der Schenkungen und gemischten Schenkungen bestimmter Gegenstände
abschließend, so daß daneben für eine Anwendung des § 826 BGB kein Raum ist
(BGH FamRZ 1989, 961; Kohler FamRZ 1990, 464 ff.). Der Sonderfall, daß der
Erblasser die Verfügungsbefugnis nicht selbst mißbraucht, sondern ein Dritter (das
könnte auch ein weiterer Vermächtnisnehmer sein) den Erblasser veranlaßt, über Teile
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seines Vermögens zu verfügen, ist hier nicht gegeben, denn der Erblasser hat die
Motive seines Handels selbst schriftlich niedergelegt. Es kann daher dahinstehen, ob im
genannten Sonderfall ein unmittelbarer Anspruch des Vermächtnisnehmers zu bejahen
wäre.
Eine etwaige Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts gem. § 138 BGB könnte nur
Ansprüche der Erben, nicht aber unmittelbar des Vermächtnisnehmers gegen den
Empfänger des Gegenstandes begründen.
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Die Beschwerde konnte daher keinen Erfolg haben. Eine Kostenentscheidung ist nicht
veranlaßt.
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