Urteil des OLG Köln vom 15.10.2010

OLG Köln (zerrüttung der ehe, geringes verschulden, zgb, eheliche gemeinschaft, zerrüttung, antragsteller, verschulden, scheidung, voraussetzung, beschwerde)

Oberlandesgericht Köln, 4 WF 177/10
Datum:
15.10.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 WF 177/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Brühl, 33 F 184/10
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 31.08.2010 - 33 F 184/10 -,
mit welchem sein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für
vorliegendes Scheidungsverfahren zurückgewiesen worden ist, wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e :
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Die gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 114, 115, 127 Abs. 2 S. 2 ZPO analog
zulässige – insbesondere frist- und formgerecht eingelegte – sofortige Beschwerde des
Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Familiengericht dem
Antragsteller die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe verweigert, weil er nicht
glaubhaft gemacht hat, dass die Ehescheidungsvoraussetzungen nach türkischem
Recht vorliegen.
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Zu Recht geht das Familiengericht davon aus, dass sich der Scheidungsantrag
aufgrund der beiderseitigen türkischen Staatsangehörigkeit der Eheleute gemäß Art. 17
Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Artikel 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB nach türkischem Zivilgesetzbuch
(ZGB) richtet, wobei sich der Antragsteller auf den Scheidungsgrund der Zerrüttung
stützt. Zutreffend ist auch das Familiengericht davon ausgegangen, dass, da die
Zerrüttungsvermutung des Art. 166 Abs. 3 und 4 türkisches ZGB wegen des
Widerspruchs der Antragsgegnerin nicht gegeben ist, der Antragsteller die Zerrüttung,
die das Festhalten an der Ehe unzumutbar macht, substantiiert darzulegen und im
Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren glaubhaft zu machen hat. Hieran fehlt es
aber. Der Tatsachenvortrag des Antragstellers zur Zerrüttung der Ehe ist derzeit nicht
schlüssig.
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Wenn der Scheidungsantrag auf Art. 166 des türkischen ZGB gestützt ist, kann die
Gegenseite nach Art. 166 Abs. 2 des türkischen ZGB der Scheidung unter bestimmten
Voraussetzungen widersprechen. Das Widerspruchsrecht kann nach dem türkischen
ZGB auch dann, wenn die eheliche Gemeinschaft nicht mehr besteht und
voraussichtlich nicht mehr hergestellt werden kann, eröffnet sein; die deutschen
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Gerichte haben diese Entscheidung des türkischen Gesetzgebers zu beachten. In
diesem Fall ist Voraussetzung für die begehrte Scheidung nach Art. 166 Abs. 1
türkisches ZGB, das dem widersprechenden Teil zumindest ein geringes Verschulden
an der Zerrüttung der Ehe angelastet werden kann (vgl. unter anderem FamRZ 2000,
1577). Der Vortrag des jeweiligen Antragstellers darf hier nicht formelhaft respektive
pauschal erfolgen, um ein auch nur geringes Verschulden der Antragsgegnerin an der
Zerrüttung der Ehe belegen zu können. Der zu fordernde substantiierte Vortrag zum
"geringen Verschulden" ist nach der von der deutschen Rechtsprechung geteilten
höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Türkei Voraussetzung für eine
Zerrüttungsscheidung nach Art. 166 Abs. 1 des Türkischen ZGB (vgl. unter anderem
OLG Hamm a. a. O.). Bei einem Widerspruch gegen die Scheidung werden die
verschuldensunabhängigen Zerrüttungsursachen nicht akzeptiert. Vielmehr ist von
einem Alleinverschulden des klagenden Ehegatten auszugehen, wenn ein auch nur
geringes Verschulden des widersprechenden Teils nicht festzustellen ist. Dann scheitert
der auf den Zerrüttungstatbestand nach Art. 166 Abs. 1 des türkischen ZGB gestützte
Scheidungsantrag des Antragstellers am Widerspruch der Gegenseite, wenn er nicht
ausnahmsweise im Sinne des Art. 166 Abs. 2 S. 2 türkisches ZGB als
rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Allein die Zerrüttung der Ehe und eine mehrjährige
Trennung lässt einen Widerspruch noch nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen. Es
müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieser Widerspruch nur erfolgt, um einen
Ehegatten böswillig an dem formalen Eheband festhalten zu lassen.
Dies kann vorliegend nicht festgestellt werden. Insbesondere ist der Vortrag der
Antragsgegnerin im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren zu berücksichtigen,
wonach die Tatsache, dass sie sich häufig nicht zu Hause im Familienheim aufgehalten
hat, darauf zurückzuführen ist, dass sie in der Gastronomie berufstätig war und ganz
erheblich zum Unterhalt der Familie hierdurch mit beigetragen hat. Wenn sie unter
diesen Umständen am Eheband festhalten will, kann dies nicht als rechtsmissbräuchlich
angesehen werden. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass sie ein geringes
Verschulden an der behaupteten Zerrüttung treffen würde. Insofern bedarf es auch
keiner weiteren Sachaufklärung im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren durch
eventuelle Zeugeneinvernahme. Zutreffend weist nämlich der Antragsteller selbst darauf
hin, dass dem entscheidenden Richter bei der Prüfung der Zerrüttungsvoraussetzung
ein gewisser Ermessenspielraum zusteht. Dieser kann vorliegend aber nur dahin
ausgeübt werden, dass eine Zerrüttung nicht festgestellt werden kann.
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Dabei sei der Antragsteller darauf hingewiesen, dass er zum schlüssigen Vortrag der
Scheidungsvoraussetzungen gehalten ist, im Einzelnen in der Antragsschrift die
ausländische Rechtssituation darzustellen und ggf. durch Einholung eines
Rechtsgutachtens unter Beweis zu stellen hat.
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Eines solchen Rechtsgutachtens bedarf es aber vorliegend aufgrund der oben
geschilderten Umstände derzeit nicht.
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Im Hinblick auf § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO entsprechend ist eine
Kostenentscheidung entbehrlich.
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Die Beschwerdegebühr beträgt nach KV Nr. 1912 zu § 3 Abs. 2 FamGKG 50,00 €.
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