Urteil des OLG Köln vom 14.08.2000
OLG Köln: einstweilige verfügung, die post, zustellung, einstellung der bauarbeiten, vorläufiger rechtsschutz, neubau, hauptsache, dringlichkeit, schallschutz, rückbau
Oberlandesgericht Köln, 16 U 28/00
Datum:
14.08.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 U 28/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 3 0 200/00
Tenor:
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten werden das Urteil vom
18.4.2000 sowie der Beschluss vom 5.4.2000 des Landgerichts Köln - 3
0 200/00 - aufgehoben. Es wird festgestellt, dass sich die Hauptsache
erledigt hat. Die Kosten des Verfahrens hat die Verfügungsbeklagte zu
tragen.
T a t b e s t a n d :
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Das Landgericht Köln hat mit Beschluss vom 5. April 2000 der Verfügungsbeklagten im
Wege einstweiliger Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel
untersagt, die Bauarbeiten an der freigelegten Giebelwand fortzusetzen, solange sich
die Parteien nicht hinsichtlich des bereits fertiggestellten Kellerbereichs über
Vorschläge hinsichtlich der Einhaltung des Schallschutzes und zur Vermeidung von
Traglasten geeinigt haben, die dem Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. S. im
Beweissicherungsverfahren - Az.: 3 OH 14/99 - Rechnung tragen. Der Beschluss ist den
Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers noch am selben Tag zugestellt
worden. Die Verfügungsbeklagte legte am 6.4.2000 gegen die erlassene einstweilige
Verfügung Widerspruch ein verbunden mit einem Antrag auf Akteneinsicht. Letztere
gewährte das Landgericht antragsgemäß und bestimmte sodann Termin zur mündlichen
Verhandlung auf den 12.4.2000. Mit Schriftsatz vom 10.4.2000 beantragte der
Verfügungskläger wegen eines Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung die
Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Verfügungsbeklagte. Mit am 18. April
2000 verkündetem Urteil hat das Landgericht nach Vernehmung von präsenten Zeugen
in der mündlichen Verhandlung die einstweilige Verfügung aufrechterhalten. Zugleich
wies es im Beschlussweg den Ordnungsmittelantrag mangels Zustellung der
einstweiligen Verfügung an die Verfügungsbeklagte zurück. Mit Beschluss vom
3.5.2000 bestimmte der Rechtspfleger auf den in der mündlichen Verhandlung
gestellten Antrag der Verfügungsbeklagten Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage
binnen 4 Wochen ab Zustellung des Beschlusses. Die einstweilige Verfügung wurde
den erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten auf den
entsprechenden Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsklägers unter
Vermittlung der GV-Verteilungsstelle des Amtsgerichts Köln über den insoweit
beauftragten Gerichtsvollzieher durch die Post ausweislich der Postzustellungsurkunde
am 20.4.2000 zugestellt.
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Gegen das ihr von Amts wegen am 2.5.2000 zugestellte Urteil wendet sich die
Verfügungsbeklagte mit ihrer am 20.4.2000 eingegangenen Berufung und beantragt die
Abänderung des Urteils und Aufhebung der einstweiligen Verfügung. Der
Verfügungskläger beantragt, das Verfahren, nachdem die Beklagte die verlangten
Vorschläge gemacht habe und sich die Parteien daraufhin geeinigt hätten, in der
Hauptsache für erledigt zu erklären.
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Streit zwischen den Parteien besteht insbesondere hinsichtlich der Fragen, ob die
einstweilige Verfügung der Verfügungsbeklagten innerhalb der Monatsfrist im
Parteibetrieb wirksam zugestellt und vollzogen worden ist, und der Verfügungsantrag
bis zur Erledigung zulässig und begründet war.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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In der Sache hat das zulässige Rechtsmittel im Ergebnis keinen Erfolg.
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1) Das angefochtene Urteil sowie die einstweilige Verfügung sind nicht aus
prozessualen Gründen bereits aufzuheben. Insbesondere ist entgegen der Ansicht der
Berufung die einstweilige Verfügung wirksam zugestellt und fristgerecht vollzogen
worden.
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Nach §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung
unstatthaft, wenn seit dem Tage, an dem die Verfügung der Partei, auf deren Gesuch sie
erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist. Die Frist begann mit der Zustellung der
einstweiligen Verfügung an den Verfügungskläger am 5.4.2000, die einstweilige
Verfügung musste also bis zum Ablauf des 5.5.2000 zugestellt und vollzogen sein. Die
vorliegend am 20.4.2000 erfolgte Zustellung und Vollziehung ist wirksam und mithin
fristgerecht gewesen.
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Die Zustellung ist entgegen der Ansicht der Berufung mit Recht nicht an die Beklagte
selbst, sondern an deren Rechtsanwälte Dr. J. I pp. erfolgt. Die Zustellung hat nur dann
an den Schuldner persönlich zu erfolgen, wenn sich noch kein
Verfahrensbevollmächtigter für ihn bestellt hat. Letzteres schied aus, denn die
Rechtsanwälte haben sich bereits in der dem Gericht eingereichten Schutzschrift
ausdrücklich als Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten bestellt, ferner
hatten sie für die Beklagte Widerspruch eingelegt und diese in der auf den Widerspruch
anberaumten mündlichen Verhandlung vom 12.4.2000 auch vertreten, und sind
schließlich im Rubrum des Urteils vom 18.4.2000 als solche auch benannt worden.
Gemäß § 176 ZPO musste deshalb nach ganz herschender Meinung an sie die
Zustellung erfolgen, auch wenn die einstweilige Verfügung sie noch nicht als
Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten aufgeführt hatte (vgl. OLG Hamburg WRP 93,
822 = NJW-RR 94, 444 = OLGZ 94, 213 mwN; KG WRP 98, 411 = OLGR 98, 109;
Zöller/Vollkommer ZPO § 929 Rdnr. 13; Schuschke/Walker, Vollstreckung und
vorläufiger Rechtsschutz, § 929 Rdnr. 29 mwN).
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Die erfolgte Ersatzzustellung ist nach § 183 Abs. 2 ZPO wirksam. Ausweislich der
Postzustellungsurkunde ist die einstweilige Verfügung, weil der Postbeamte die
Rechtsanwälte Dr. J. I pp. in den Geschäftsräumen nicht angetroffen habe, dort deren
Angestellter Frau Annette Flechsig am 20.4.2000 übergeben worden. Die etwaige
tatsächliche Anwesenheit der Rechtsanwälte und deren Bereitschaft zur
Entgegennahme einer zuzustellenden Sendung stehen der Zulässigkeit einer
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Ersatzzustellung nicht entgegen (vgl. OLG Frankfurt MDR 98, 736). Der in der
Berufungsverhandlung erhobene Einwand des beim OLG zugelassenen
Prozessbevollmächtigten der Beklagten, er sei zur Entgegennahme der einstweiligen
Verfügung nicht bevollmächtigt gewesen, berührt die Wirksamkeit der Zustellung nicht,
denn nichts ist dafür dargetan oder ersichtlich, dass die einstweilige Verfügung
ausschließlich dem einzig beim Landgericht nicht zugelassenen Sozietätsanwalt und
jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten zugestellt werden sollte.
Im übrigen ist eine Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften bei der
Parteizustellung weder dargetan noch ersichtlich. Gemäß § 166 Abs. 1 ZPO ist der
Gerichtsvollzieher für die von den Parteien zu betreibenden Zustellungen zuständig.
Das bedeutet indes nicht, dass der Gerichtsvollzieher die Zustellungen stets persönlich
durchführen muss. Er trifft zwischen persönlicher Zustellung und der Zustellung durch
die Post (§ 193 ZPO) vielmehr die Wahl nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei er
gemäß § 21 GVGA allerdings gehalten ist, in Eilfällen persönlich zuzustellen. Mithin
könnte hier allenfalls ein Ermessensfehler vorliegen. Ferner kann zwar gemäß § 166
Abs. 2 ZPO in Anwaltsprozessen vor dem Landgericht der Gläubiger dann nicht
unmittelbar sondern auch über die Gerichtsvollzieherverteilungsstelle des Amtsgerichts
dem Gerichtsvollzieher den Zustellungsauftrag erteilen, wenn durch die Zustellung eine
Notfrist gewahrt werden soll (§ 166 Abs. 2 S. 2 ZPO). Letztere Fallgestaltung lag nicht
vor. Bei der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO handelt es sich nämlich nicht um
eine Notfrist (§ 224 Abs. 1 S. 2 ZPO), so dass die erfolgte Beauftragung des
Gerichtsvollziehers unter Vermittlung der Geschäftsstelle des Prozessgerichts an sich
nicht zulässig war. Der Verstoß beinhaltet indes keine Verletzung zwingender
Zustellungsvorschriften, so dass er die Wirksamkeit der Zustellung nicht berührt.
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Keiner Prüfung und Entscheidung bedarf schließlich die Frage, ob der
Verfügungskläger, was die Verfügungsbeklagte in der Berufungsverhandlung erstmals
eingewendet hat, nicht fristgemäß Klage zur Hauptsache erhoben hat. Die
Verfügungsbeklagte hat weder in einem vorbereitenden Schriftsatz noch in der
Berufungsverhandlung einen Antrag nach § 926 Abs. 2 ZPO gestellt, d.h. beantragt,
wegen Nichtbefolgung der Anordnung der Hauptsacheklageerhebung die Aufhebung
der einstweiligen Verfügung durch Urteil auszusprechen. Mit dem bloßen Einwand der
Verfügungsbeklagten ist der Antrag nicht gestellt. Der Aufhebungsantrag ist ein
Sachantrag i.S.v. § 297 ZPO und muss in Anwaltsprozessen schriftlich eingereicht und
dem Gläubiger zugestellt werden (vgl. etwa Zöller/Vollkommer ZPO § 926 Rdnr. 22;
Walker in Schuschke/Walker aaO § 926 Rdnr. 20; Heinze, in MünchKomm- ZPO § 926
Rdnr. 23). Sonach kann offen bleiben, ob der Senat überhaupt darüber entscheiden
könnte, wenn ein zulässig gestellter Antrag vorläge. Es wird die Meinung vertreten, dass
nicht unmittelbar das Berufungsgericht, sondern zunächst stets dasjenige Gericht, das
die einstweilige Verfügung erlassen und die Frist zur Klageerhebung angeordnet hat,
über einen solchen Antrag zu entscheiden habe, weil für das Aufhebungsverfahren nach
§ 926 Abs. 2 ZPO grundsätzlich zwei Instanzen mit jeweils notwendiger mündlicher
Verhandlung zur Verfügung stehen müssen (so Zöller und Walker aaO jeweils mwN;
a.A. OLG Koblenz NJW-RR 95, 444 und OLGR 98, 353: der Antrag soll auch direkt beim
Berufungsgericht gestellt werden können, wenn das Eilverfahren in der
Berufungsinstanz anhängig ist).
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2) In der Sache selbst war der Verfügungsantrag bis zur Erledigung zulässig und
begründet, so dass die Feststellung zu treffen ist, dass sich die Hauptsache erledigt hat.
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a) Der Verfügungsanspruch auf Einstellung der Bauarbeiten folgt aus §§ 1004, 823 BGB
i.V.m. § 22 Abs. 1 NachbG NW.
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Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten ist das Landgericht zutreffend davon
ausgegangen, dass der Verfügungskläger mit den im Verfügungsverfahren gebotenen
Beweismitteln die Eigentumsbeeinträchtigung in Form der Gefährdung der Stabilität
seines Hauses durch die von der Beklagten im Kellerbereich bereits fertiggestellte
Giebelwand und die dort massiv betonierte Zufahrtsrampe zur Tiefgarage glaubhaft, d.h.
"überwiegend wahrscheinlich" gemacht hat.
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Mit dem im vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachten
der Sachverständigen Prof. Dr. S. vom 27.12.99, das das Landgericht mit Recht durch
das vom Beklagten eingeholte Privatgutachten des Sachverständigen R. vom 21.2.2000
nicht als widerlegt angesehen hat, ist glaubhaft gemacht, dass die Beklagte den
Zwischenraum zwischen den beiden Grenzgiebelwänden nicht so geschlossen hat,
dass Schäden im Bereich des Zwischenraums, insbesondere durch
Gebäudebewegungen, an der zuerst errichteten baulichen Anlage ausgeschlossen
sind:
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Die Sachverständige hat festgestellt, dass die Grenzgiebelwand des klägerischen
Hauses eine sehr unebene Fläche/ Versprünge aufweist, dass die Gebäudetrennfugen
im Stoßbereich der bereits erstellten, tragenden Betontrennwände teilweise nur ca. 10
mm betragen, und dass die eingebrachte Mineralfasermatte zusammengedrückt ist und
stellenweise die Fugen auf Null auslaufen. Die in der Berufungsverhandlung von der
Verfügungsbeklagten vorgelegten weiteren Privatgutachten des Sachverständigen R.
vom 17.5.2000 und vom 17.6.2000 widerlegen die im Gutachten der Sachverständigen
Prof. Dr. S. angesprochenen Gefährdungen für das Haus des Verfügungsklägers nicht.
Daß die überzeugend dargelegten Gefahren noch nicht zu einem sichtbaren Schaden
geführt haben, schließt die Begründetheit des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs
nicht aus, da der Verfügungskläger nicht abwarten muß, bis der drohende Schaden sich
realisiert hat.
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Hatte damit aber die Verfügungsbeklagte durch fehlerhafte Bauweise die
Voraussetzungen dafür angelegt, dass die Grenzgiebelwand des Altbaus - was gerade
durch eine ausreichend dimensionierte Trennfuge verhindert werden soll - durch
Verhaken beeinträchtigt wird, wenn sich der Neubau gegenüber dem Altbau des
Verfügungsklägers in einem entsprechend starkem Maße setzt, war es nunmehr deren
Sache, zumindest glaubhaft zu machen, dass eine solche Differenzsetzung hier
ausgeschlossen ist. Das ist aber der Verfügungsbeklagten nicht gelungen. Richtig ist
zwar, dass der Sachverständige R. aufgrund der auf gewachsenem Boden
angegebenen Bodenpressungen des Baugrundlabors B. davon ausgeht, dass keine
Differenzsetzung, d.h. keine Bodenquetschung und damit verbundenes Ausweichen des
Bodens durch den Neubau zu erwarten sei, weil sich im Bereich der Unterkellerung ein
setzungsunempfindlicher Boden befinde, und die Belastung aus dem Neubau weit
unterhalb der maximalen Bodenpressung liege. Dem aber hat das Landgericht mit
Recht die Angabe der Sachverständigen S. entgegengehalten, wonach
"selbstverständlich" eine Differenzsetzung des Neubaus eintreten werde. Hinzukommt,
dass selbst der sachverständige Zeuge K., der die Statik für den Neubau der
Verfügungsbeklagten erarbeitet hat, eine Differenzsetzung nicht ausgeschlossen hat. Er
hat bei seiner Vernehmung durch das Landgericht zunächst dargetan, in der Planung
ein so ausreichend dimensioniertes Polster zum Altbau des Verfügungsklägers
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vorgesehen zu haben, dass auf den Versprüngen keine Auflagerungen erfolgen.
Demgemäß hat er gerade gegen ein Verhaken durch ein Setzen des Neubaus Vorsorge
getroffen, wenn er auch später bekundet hat, dass für den Neubau allenfalls Setzungen
von 5 mm zu erwarten seien, bei der eine Verhakung nicht zu befürchten sei. Letzterem
steht aber wieder die Feststellung der Sachverständigen S. entgegen, nach der der
Neubau wegen der unzureichenden Trennfugendicke bei der Differenzsetzung an den
Versprüngen der klägerischen Grenzgiebelwand hängen bleiben soll, so dass Kräfte auf
den Altbau übergehen können.
Sonach rechtfertigt der fehlerhafte Bauzustand die Befürchtung des Verfügungsklägers,
dass durch ein - von der Verfügungsbeklagten nicht ausgeschlossenes - Verhaken
Lasten des Neubaus auf seine Grenzgiebelwand abgetragen werden und diese
beeinträchtigen können (Rissbildungen).
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Darüber hinaus war - entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts -
kein ausreichender Schallschutz sichergestellt. Die Sachverständige hat festgestellt,
dass die Gebäudetrennfuge im Stoßbereich der bereits erstellten, tragenden
Innenwände teilweise nur knapp 10 mm dick ist und dabei zur Schalldämmung
ungeeignete Platten mit einer Dicke von 22/20 mm verwendet worden sind. Die
Ausführung widerspricht damit der DIN 4109 (Schallschutz im Hochbau) und den
dazugehörigen Ausführungsregeln gemäß Beiblatt 1, wonach die Gebäudetrennfuge
durchgehend mindestens 30 mm betragen muss und spezielle Trennfugenplatten mit
einer Dicke von 42/40 mm zu verwenden sind. Auch der Sachverständige R. hat in
seinem Gutachten eine nicht nach der DIN 4109 ausreichend breite Trennfuge bestätigt
- und nur den dementsprechenden Rückbau für nicht erforderlich gehalten.
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Ferner hat die Vergügungsbeklagte in der Gebäudetrennfuge beim Anbetonieren an die
Giebelwand des Verfügungsklägers eine Kunststofffolie verwendet, die in die Gruppe
der organischen Baustoffe gehört, die nach DIN 4102 brennbar sind, und aus
Brandschutzgründen nicht zulässig ist: Bei einem Mehrfamilienhaus mittlerer Höhe, wie
im vorliegenden Fall, ist gemäß § 29 LBO NW die Gebäudetrennwand als
Brandschutzwand auszuführen, d.h. sie darf nur mit nicht brennbaren Baustoffen
ausgebildet sein, auch in der Trennfuge.
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Schließlich ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass entgegen der
Ansicht der Verfügungsbeklagten die durch ihre Baumassnahme drohende
Eigentumsbeeinträchtigung nicht etwa durch ein am 9./10.3.2000 (Bl. 49, 50, 51 GA)
erklärtes Einverständnis des Klägers gedeckt ist. Das Schreiben seines
Bevollmächtigten vom 9.3.2000 (Bl. 49 GA) belegt ersichtlich nicht die Bevollmächtigten
des für den Kläger tätigen Zeugen M., für diesen bereits verbindlich eine Einigung mit
der Beklagten über die Form und den Umfang aller noch ausstehenden
Baumaßnahmen an der Giebelwand auszuhandeln. Der Zeuge M. hatte gemäß dem
Schreiben nur den Auftrag, mit dem Zeugen K. "definitiv und abschließend zu klären,
was wie gemacht werden soll". Auch wenn nach dem Verständnis des Klägers darin die
Klärung der erforderlichen Korrekturmaßnahmen im Kellerbereich der Giebelwand
eingeschlossen gewesen sein sollte, war - aus welchen Gründen auch immer - eine
solche gerade nicht erzielt worden. Nichts ist dafür nachvollziehbar dargetan oder
ersichtlich, dass man sich bei der Besprechung am 10.3.2000 darauf geeinigt hätte, die
vom Kläger noch im Schreiben vom 17.1.00 angesprochenen Korrektur-
/Rückbaumassnahmen im Kellerbereich ersatzlos fallen zu lassen. Selbst nach dem
Schreiben des Zeugen K. vom 10.3.2000 hatten sie einverständlich (nur) die für einen
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Teilbereich der Giebelwand, nämlich die "zur Sicherung des Erdgeschossmauerwerks"
notwendigen Maßnahmen ermittelt (Bl. 51 GA).
Sonach hat der Verfügungskläger glaubhaft gemacht, dass ihm gegen die
Verfügungsbeklagte ein Anspruch auf Entfernung des regelwidrigen Bauzustands im
zwischen den beiden Grenzgiebeln erforderlichen Zwischenraum zusteht. Es ist
deshalb nicht zu beanstanden, wenn der Verfügungskläger einen Verzicht auf den
beanspruchten und erlangten Baustopp von der Einigung der Parteien über infolge der
fehlerhaften Bauweise gebotene Korrekturbaumassnahmen abhängig gemacht hat.
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b) Mit Recht hat das Landgericht auch den Verfügungsgrund, d.h. die Dringlichkeit eines
Baustopps bejaht.
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Es ist glaubhaft gemacht, dass bei einer Fortsetzung der Baumassnahme bis zum
Hauptverfahren überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Verwirklichung des
sicherungsbedürftigen Anspruchs des Verfügungsklägers wesentlich erschwert werden
könnte. Es ist nämlich davon auszugehen, dass bis dahin vollendete Tatsachen
geschaffen wären, d.h. der Neubau und insbesondere die Grenzgiebelwand im
wesentlichen fertiggestellt gewesen wäre, so dass die dem Verfügungskläger
zustehenden Korrekturmaßnahmen - wie schon das Landgericht zutreffend anführt - mit
einem womöglich nur noch unvertretbar hohen Kostenaufwand durchzuführen wären
und deshalb die Verfügungsbeklagte seinem Verlangen auf Rückbau mit Erfolg den
Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme hätte entgegensetzen können.
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Entgegen der Ansicht der Berufung kann keine Rede davon sein, dass der
Verfügungskläger mit der Beantragung der einstweiligen Verfügung so lange zugewartet
hat, dass er selbst die Dringlichkeit der verlangten Maßnahme widerlegt hätte. Der
Verfügungskläger hatte die Verfügungsbeklagte unter Hinweis auf das Gutachten S. mit
Fristsetzung bis zum 4.2.2000 zur Beseitigung der festgestellten Missstände
aufgefordert. Wenn er dann, obwohl die eingeräumte Frist ergebnislos abgelaufen war
und am folgenden Tag, d.h. am 5.2.2000, an der Giebelwand weitergearbeitet wurde,
nicht sogleich die einstweilige Verfügung beantragte, sondern nochmals auch im
Hinblick auf das Gegengutachten R. Kooperationsbereitschaft zeigte mit der Aufnahme
von Vergleichsgesprächen, entfiel damit noch nicht die - vorstehend dargelegte -
Dringlichkeit, wie aber die Berufung meint. Die Vergleichsbemühungen mündeten
schließlich in der vorgenannten Besprechung der Statiker der Parteien am 10.3.2000
zur Erarbeitung einer gemeinsamen Lösung. Soweit ersichtlich, hat die
Verfügungsbeklagte dann erstmals wieder am 3.4.2000 an der Giebelwand
weiterarbeiten lassen, also zwei Tage vor Erlass der einstweiligen Verfügung.
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Sonach war, da die Verfügungsbeklagte der Erledigungserklärung nicht zugestimmt hat,
der ursprünglich zulässige und begründete Antrag auf Erlass der einstweiligen
Verfügung aber durch ein erledigendes Ereignis (= Wegfall der Dringlichkeit)
unbegründet wurde, auf die Berufung unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und
der einstweiligen Verfügung durch Urteil die Erledigung der Hauptsache festzustellen
(vgl. OLG Köln WRP 85, 660; Zöller/Vollkommer aaO § 91 a Rdnr. 58 "Arrest und
einstweilige Verfügung"; Schuschke in Schuschke/Walker aaO § 935 Rdnr. 29 mwN).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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