Urteil des OLG Köln vom 07.03.1997
OLG Köln (preis, 1995, uwg, werbung, verbraucher, abweisung der klage, tarif, kunde, angebot, erwerb)
Oberlandesgericht Köln, 6 U 79/96
Datum:
07.03.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 79/96
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 42 0 268/95
Schlagworte:
Handy für DM 0,49, Kopplungsgeschäft, Folgeverträge
Normen:
UWG §§ 1, 3
Leitsätze:
1. Die Anzeigenwerbung für ein Mobiltelefon (,Handy"), das zu einem
bestimmten Preis angeboten wird (hier: DM 0,49), ist irreführend, wenn
es zu dem genannten Preis nur bei gleichzeitigem Abschluß eines
Debitel-D1-Netzkartenvertrag erworben werden kann, dies aber für den
Leser nicht unmißverständlich aus der Werbung hervorgeht. 2. Das
Angebot eines Mobiltelefons (,Handy's") in einer Zeitungswerbung zu
dem extrem niedrigen Preis von DM 0,49, das nur bei gleichzeitigem
Abschluß eines Debitel-D1Netzkartenvertrages zum ,Blue-Line-Tarif"
wahrgenommen werden kann, ist - auch wenn der Leser die Koppelung
erkennt - jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen
Anlockens wettbewerbswidrig. 3. Dem durch eine wettbewerbswidrige
Werbung betroffenen Konkurrenten steht gegen den Verletzer
grundsätzlich kein Anspruch auf Unterlassung des Abschlusses von
(Kauf)Verträgen über die unlauter beworbene Ware zu.
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. März 1996 verkündete
Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 42 0
268/95 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt: 1. Unter
Abweisung der Klage im übrigen wird die Beklagte unter Androhung
eines Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft
bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,
verurteilt es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs in werblichen Anzeigen, Zeitungsinseraten u.ä. a) für den
Verkauf von Mobiltelefonen ("Handies") zu werben, die zu dem
beworbenen Preis von 0,49 DM nur bei Abschluß eines
Netzkartenvertrages verkauft werden, wie nachfolgend wiedergegeben:
und/oder b) den Verkauf eines Mobiltelefons ("Handy's") mit einem
bestimmten Preis wie nachstehend wiedergegeben zu bewerben, wenn
das Gerät zu diesem Preis nur bei gleichzeitigem Abschluß eines
Debitel D 1-Kartenvertrags erworben werden kann: 2. Es wird
festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden
zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend unter Ziffer 1. aufgeführten
Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird, und zwar
hinsichtlich der unter Ziffer 1. a) zu aa) angeführten Werbung seit dem 3.
August 1995 und hinsichtlich der Werbung zu Ziffer 1a) bb) seit dem 17.
August 1995, weiterhin hinsichtlich der in Ziffer 1b) untersagten
Handlungen seit dem 17. August 1995. 3. Die Beklagte wird verurteilt,
der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die vorstehend
zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar
hinsichtlich der Ziffer 1. a), was die dort wiedergegebene Werbung zu
aa) angeht seit dem 3. August 1995 sowie zu Ziffer 1. a) bb) und zu Ziffer
1. b) und der dort wiedergegebenen Werbung seit dem 17. August 1995,
wobei die Angaben jeweils nach Werbeträgern, Auflage der
Werbeträger, Erscheinungsorten und zeitlicher Abfolge aufzuschlüsseln
sind. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz tragen die Klägerin
1/3 und die Beklagte 2/3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden
der Klägerin zu 2/15 und der Beklagten zu 13/15 auferlegt. Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung
abzuwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits vor der
Zwangsvollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet, und
zwar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 65.000,00 hinsichtlich
der Verurteilung zu Ziffer 1. a), in Höhe von DM 20.000,00 hinsichtlich
der Verurteilung zu Ziffer 1. b), in Höhe von DM 13.000,00 hinsichtlich
der Verurteilung zur Auskunftserteilung gemäß Ziffer 3. des Urteils sowie
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 9.300,-- hinsichtlich der
Verurteilung zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits. Der Klägerin
wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte
hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung der Prozeßkosten gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von DM 1.400,-- abzuwenden, wenn nicht
die Beklagte ihrerseits vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet. Beide Parteien können die von ihnen zu
erbringenden Sicherheiten auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft
eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgen
zugelassenen Kreditinstituts leisten. Die Beschwer der Beklagten wird
auf DM 65.000,00 für die Verurteilung gemäß Ziffer 1. a), auf DM
20.000,00 für die Verurteilung zu Ziffer 1. b), auf DM 6.000,00 für die
Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten (Ziffer 2.) und DM
13.000,00 für die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung
(Ziffer 3.) festgesetzt. Die Beschwer der Klägerin wird auf insgesamt DM
23.500,00 festgesetzt (DM 20.000,00 für den Antrag zu Ziffer I. 1. b) der
Berufungserwiderung vom 4. Oktober 1996, DM 1.500,00 hinsichtlich der
Schadensersatzfeststellung gemäß Ziffer 2. und DM 2.000,00
hinsichtlich der Auskunftserteilung gemäß Ziffer 3.).
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien sind Wettbewerber. Beide betreiben im Raum A. Verbrauchermärkte u.a.
für Elektroartikel und Unterhaltungselektronik; dabei gehören zu ihrem
Vertriebssortiment auch Mobiltelefone, die in Verbindung mit der Vermittlung des
Abschlusses von Netzkartenverträgen angeboten werden.
2
In den Ausgaben der A.er Nachrichten vom 3. und 17. August 1995 sowie in der
Ausgabe der A.er Volkszeitung (AVZ) vom 17. August 1995 bewarb die Beklagte unter
der Überschrift "FAST GESCHENKT" den Kauf eines Mobiltelefons für 0,49 DM.
Hinsichtlich der näheren Ausgestaltung dieser Werbeanzeigen (deren Originale aus Bl.
46, 47, 47 a d. A. ersichtlich sind) wird auf die Ablichtungen in Ziffer 1. des Tenors
dieses Urteils verwiesen, wobei die Anzeige in den A.er Nachrichten vom 3. August
1995 der Abbildung in Ziffer 1. a) aa) und die in identischer Weise jeweils am 17. August
1995 in den A.er Nachrichten und in der AVZ erschienenen Anzeigen der Ablichtung in
Ziffer 1. a) bb) und Ziffer 1. b) des Tenors entsprechen. Die Klägerin sieht in diesen
Werbungen der Beklagten Verstöße gegen §§ 1, 3 UWG sowie gegen § 1 ZugabeVO
und nimmt deshalb die Beklagte u.a. auf Unterlassung in Anspruch.
3
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, bei dem von der Beklagten in den Anzeigen
beworbenen Handy sei die Vermittlung des Abschlusses des Kartenvertrages mit dem
Netzbetreiber die Hauptware bzw. die Hauptleistung, während die nur mit einem
Scheinentgelt verbundene Abgabe des Handys demgegenüber eine Zugabe im Sinne
von § 1 Abs. 1 ZugabeVO darstelle. Eine Zuwendung sei nämlich auch dann eine
Zugabe, wenn sie nur gegen ein geringfügiges, bloß zum Schein verlangtes Entgelt
gewährt werde. Die Werbungen der Beklagten verstießen jedoch ebenfalls gegen § 1
UWG, denn die Kunden würden durch den blickfangmäßig hervorgehobenen
Verkaufspreis von 0,49 DM in sittenwidriger Weise angelockt und einem
psychologischen Kaufzwang unterworfen. Darüber hinaus seien die beiden identischen
Anzeigen der Beklagten in den A.er Nachrichten und in der A.er Volkszeitung (AVZ)
jeweils vom 17. August 1995 irreführend und damit gemäß § 3 UWG unzulässig. Für
den Verbraucher werde nämlich nicht in ausreichendem Maße in diesen beiden
Anzeigen deutlich gemacht, daß der niedrige Kaufpreis, mit dem das Handy beworben
werde, nur in Verbindung mit dem erheblichen Kostenaufwand eines abzuschließenden
Kartenvertrages Gültigkeit habe.
4
Die Klägerin hat beantragt,
5
1.
6
a)
7
die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen,
für den Verkauf von Handys zu werben, die zu dem beworbenen Preis nur bei
Freischaltung eines Netzkartenvertrages abgegeben werden - wie geschehen in den
"A.er Nachrichten" vom 3. August 1995 und 17. August 1995 sowie in der "A.er
Volkszeitung" vom 17. August 1995 - wenn für das Handy ein Preis von 0,49 DM
gefordert wird oder einer solcher Preis, der durch seine niedrige Bemessung einer
unentgeltlichen Zuwendung gleichkommt,
8
und/oder
9
b)
10
einen so beworbenen Artikel wie angekündigt zu veräußern,
11
und/oder
12
c)
13
den Verkauf eines Handys mit einem bestimmten Preis zu bewerben, wie geschehen
in den "A.er Nachrichten" vom 17. August 1995 sowie in der "A.er Volkszeitung" vom
17. August 1995, wenn nicht deutlich darauf hingewiesen wird, daß das Gerät zu
diesem Preis nur dann erworben werden kann, wenn gleichzeitig die Freischaltung
einer Debitel D 1-Netzkarte erfolgt;
14
2.
15
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen,
der ihr durch die vorstehend unter Ziffer 1. aufgeführten Handlungen entstanden ist und
künftig noch entstehen wird;
16
3.
17
die Beklagte ferner zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in
welchem Umfang die Beklagte die vorstehend zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen
begangen hat, wobei die Angaben nach Werbeträgern, Auflage der Werbeträger,
Erscheinungsorten und zeitliche Abfolge aufzuschlüsseln sind.
18
Die Beklagte hat beantragt,
19
die Klage abzuweisen.
20
Die Beklagte ist dem Vorwurf, mit den beanstandeten Werbeanzeigen
wettbewerbswidrig zu handeln, entgegengetreten und hat geltend gemacht, die
Anzeigen enthielten ein gekoppeltes Angebot zu einem Gesamtpreis, der in den Kosten
des Mobiltelefons und des Kartenvertrages bestehe. Auch der Verbraucher betrachte
den Kartenvertrag und das Mobiltelefon als Einheit, da es sich dabei um eine
zweckmäßige Warenverbindung handele, die auf das Bedürfnis des Verbrauchers
zugeschnitten sei. Die Kosten des Kartenvertrages seien wiederum in den Anzeigen
jeweils deutlich aufgeschlüsselt, so daß ein Preisvergleich weder unmöglich noch in
sittenwidriger Weise unzumutbar erschwert werde, wie dies nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs erforderlich ist, um von einer unzulässigen Koppelung
auszugehen.
21
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der ersten Instanz wird auf die dort
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
22
Mit Urteil vom 8. März 1996 hat das Landgericht die Beklagte unter Abweisung der
Klage im übrigen verurteilt,
23
1.
24
es unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu
unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in werblichen
Anzeigen, Zeitungsinseraten u.ä.
25
a)
26
für den Verkauf von Handys zu werben, die zu dem beworbenen Preis nur bei
Freischaltung eines Netzvertrages gegeben werden, wie geschehen in den "A.er
Nachrichten" vom 3. August 1995 und 17. August 1995 sowie in der "A.er
Volkszeitung" vom 17. August 1995, wenn für das Handy ein Preis von 0,49 DM
gefordert wird,
27
und/oder
28
b)
29
einen so beworbenen Artikel wie angekündigt zu veräußern,
30
und/oder
31
c)
32
den Verkauf eines Handys mit einem bestimmten Preis zu bewerben, wie geschehen
in den "A.er Nachrichten" vom 17. August 1995 sowie in der "A.er Volkszeitung" vom
17. August 1995, wenn nicht deutlich darauf hingewiesen wird, daß das Gerät zu
diesem Preis nur dann erworben werden kann, wenn gleichzeitig die Freischaltung
einer Debitel D 1-Netzkarte erfolgt.
33
Weiterhin hat das Landgericht in Ziffer 2. des Tenors seiner Entscheidung festgestellt,
34
daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch
die vorstehend unter Ziffer 1. des Urteilstenors aufgeführten Handlungen entstanden ist
und zukünftig noch entstehen wird.
35
Darüber hinaus hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin Auskunft
darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. des Tenors bezeichneten
Handlungen begangen hat, wobei die Angabe nach Werbeträgern, Auflage der
Werbeträger, Erscheinungsorten und zeitliche Abfolge aufzuschlüsseln sind.
36
Das Landgericht hat das Unterlassungsbegehren der Klägerin, soweit es ihm
stattgegeben hat, gemäß §§ 1, 3 UWG als begründet angesehen und dem
Schadensersatz- und Auskunftsbegehren der Klägerin gemäß §§ 1, 3, 13 Abs. 6 Nr. 1
UWG, 242 BGB entsprochen. Wegen der Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf
die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
37
Gegen dieses ihr am 13. März 1996 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15. April 1996
(Montag) Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der
Berufungsbegründungfrist rechtzeitig am 17. Juni 1996 begründet.
38
Die Beklagte wiederholt und vertieft mit ihrem Berufungsvorbringen ihren
erstinstanzlichen Vortrag. Sie ist der Ansicht, der Klageantrag zu Ziffer 1. a) sei weder
aus § 1, 3 UWG noch aus § 1 ZugabeVO begründet. Es könne keine Rede davon sein,
daß der Verkehr durch den Preis eines Handys von 0,49 DM übertrieben angelockt
werde, wie dies das Landgericht bejaht habe. Jeder, der sich für den Erwerb eines
Handys interessiere, wisse, daß er einen Kartenvertrag mit einem Provider (Telekom,
Mannesmann, Debitel u.s.w.) abschließen müsse, um überhaupt das Handy zur
39
Funktion zu bringen und es nutzen zu können. Es sei demgegenüber eine lebensfremde
Vorstellung anzunehmen, die angesprochenen Verkehrskreise gingen davon aus, das
beworbene Handy ohne einen Kartenvertrag für 0,49 DM erwerben zu können. Heute
würden derartige Handys - je nach deren Wertigkeit - so gut wie verschenkt, jedenfalls
für billiges Geld abgegeben. Beträge von 1,00 DM oder noch niedriger seien inzwischen
nichts Ungewöhnliches mehr. Der Kunde solle dadurch zum Abschluß eines
Kartenvertrages bewegt und veranlaßt werden; ihm solle mit einem besonders
günstigen Preis für das Handy der Abschluß eines solchen Vertrages schmackhaft
gemacht werden. Dies sei nichts Wettbewerbswidriges, sondern liege in der Natur der
Sache, denn jede Werbung habe notwendigerweise einen Anlockeffekt. Dabei werde
der Verkehr auch keineswegs übertrieben angelockt, denn aus der beanstandeten
Werbung gehe ohne weiteres hervor, daß dieser Preis von 0,49 DM nur dann gelte,
wenn ein Kartenvertrag abgeschlossen werde. In den beanstandeten Anzeigen seien
auch die Tarife für die Debitel D 1-Netzkarte, und zwar der Blue-Line-Tarif aufgeführt.
Der Kunde könne also vergleichen, ob er einen D 1-Kartenvertrag oder - alternativ bei
einem anderen Anbieter - z.B. einen D 2- oder e-plus-Kartenvertrag abschließen
möchte. Der Kunde werde also über das beworbene Angebot im einzelnen unterrichtet.
Überdies sei es heute bei der Werbung für Mobiltelefone üblich und werde inzwischen
auch vom Verkehr erwartet, daß Handy und Kartenvertrag als Einheit angeboten
würden, und zwar in der Weise, daß ein besonders günstiger Preis für das Handy
angegeben werde und die Tarife für den entsprechenden Kartenvertrag genannt
würden. Soweit das Landgericht einen übertriebenen Anlockeffekt aus der Überschrift
der Werbung "FAST GESCHENKT" herleiten wolle, trage dies ebenfalls nicht. Sie -
Beklagte - wolle damit sagen, daß der Kunde das Handy "fast geschenkt" erhalte, wenn
er einen Kartenvertrag abschließe. Genauso werde aber auch der Werbeslogan von den
angesprochenen Verkehrskreisen verstanden.
Die mit dem Klageantrag zu Ziffer 1. a) beanstandeten Werbeanzeigen seien jedoch
ebenfalls nicht irreführend. Insbesondere könne ihr - der Beklagten - nicht vorgeworfen
werden, es werde nicht klar und deutlich darauf hingewiesen, daß der beworbene Preis
für das Handy nur bei Freischaltung einer D 1-Netzkarte gelte. Dieser Umstand werde in
allen 3 Anzeigen deutlich dargestellt. Darüber hinaus liege ebenfalls kein Verstoß
gegen § 1 Abs. 1 ZugabeVO vor, wie dies von der Klägerin mit dem Klageantrag zu 1. a)
geltend gemacht werde. Das Handy und die Freischaltung einer Netzkarte seien eine
wirtschaftliche Einheit und würden auch in dieser Weise vom Verkehr so verstanden.
Beides sei ein "Paket", das aus zweckgebundener Zusammengehörigkeit eine
Wareneinheit bilde. Der Kauf eines Handys ohne Karte mache keinen Sinn, denn man
könne das Handy gar nicht benutzen. Der Abschluß eines Kartenvertrages allein - ohne
Handy - sei ebenfalls unsinnig, denn mit der Karte allein könne man nicht telefonieren.
Beides hänge also untrennbar zusammen, der Verkehr verstehe dies auch so und
verstehe folglich auch die Werbung in diesem Sinne.
40
Unbegründet sei weiterhin, wie die Beklagte meint, der Unterlassungsantrag zu 1. b),
und zwar selbst dann, wenn man den Unterlassungsantrag zu 1. a) als begründet
ansehen wollte. Wäre die damit geltend gemachte Ansicht der Klägerin richtig, wäre der
Abschluß jedweder Kaufverträge für Waren, für die wettbewerbswidrig geworben
worden sei, wettbewerbswidrig und daher unzulässig, was eine absurde Vorstellung sei.
§ 1, 3 UWG schützten die Lauterkeit des Wettbewerbs und der Werbung. Ein Eingriff
dieser Vorschriften in den zivilrechtlichen Abschluß von Verträgen erfolge, wie auch aus
den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs "Folgeverträge I und II" hervorgehe, nur
dann, wenn das Verhalten eines Gewerbetreibenden von vornherein auf einem
41
Gesamtkonzept basiere, das die Täuschung der Geschäftspartner zum Gegenstand und
zum Ziel habe und bei dem zu dem Gesamtplan dazugehöre, diese Täuschung durch
zivilrechtliche Durchsetzung der Verträge auszunutzen. Mit der hier vorliegenden
Sachverhaltsgestaltung habe dies absolut nichts zu tun.
Hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens zu 1. c) wendet die Beklagte ein, in allen
beanstandeten Werbungen sei ein deutlicher Hinweis darauf enthalten, daß das Handy
zu dem beworbenen Preis nur bei Abschluß des Kartenvertrages erworben werden
könne.
42
Schließlich ist die Beklagte der Ansicht, der von der Klägerin geltend gemachte und
vom Landgericht zugesprochene Auskunftsanspruch sei, abgesehen davon, daß er
schon mangels eines wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten ohne Erfolg
bleiben müsse, auch viel zu weit gefaßt. Es sei nicht erkennbar, wieso die Klägerin für
die Berechnung eines eventuellen Schadens "Angaben nach Werbeträgern, Auflage der
Werbeträger, Erscheinungsorte" sowie eine Aufschlüsselung der "zeitlichen Abfolge"
benötige. Welche Aufschlüsselung für eine Schadensberechnung sich die Klägerin von
diesen Angaben verspreche, sei nicht nachzuvollziehen.
43
Die Beklagte beantragt,
44
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen,
45
hilfsweise bei einem Vollstreckungsschutzausspruch ihr - der Beklagten - zu gestatten,
Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder
öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
46
Die Klägerin beantragt,
47
die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Klageanträge
wie folgt gefaßt werden:
48
1.
49
Die Beklagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00,
ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs in werblichen Anzeigen, Zeitungsinseraten u.ä.
50
a)
51
für den Verkauf von Mobiltelefonen ("Handies") zu werben, die zu dem beworbenen
Preis von 0,49 DM nur bei Abschluß eines Netzkartenvertrages verkauft werden, wie
nachstehend wiedergegeben:
52
##blob##nbsp;
53
- Es folgen nunmehr die in Ziffer 1. a) des Tenors dieses Urteils wiedergegebenen
Abbildungen. -
54
und/oder
55
b)
56
ein so beworbenes Mobiltelefon wie angekündigt zu verkaufen und/oder zu veräußern,
57
und/oder
58
c)
59
den Verkauf eines Mobiltelefons ("Handys") mit einem bestimmten Preis zu bewerben,
wenn nicht deutlich darauf hingewiesen wird, daß das Gerät zu diesem Preis nur dann
erworben werden kann, wenn gleichzeitig der Abschluß eines Debitel D 1-
Kartenvertrags erfolgt, wie nachfolgend wiedergegeben:
60
hilfsweise
61
den Kauf eines Mobiltelefons (Handy`s) mit einem bestimmten Preis zu bewerben,
wenn nicht deutlich darauf hingewiesen wird, daß das Gerät zu diesem Preis nur dann
erworben werden kann, wenn gleichzeitig der Abschluß eines Debitel D 1-
Netzvertrages zum "Blue Line"-Tarif erfolgt und/oder nicht die Besonderheiten dieses
Tarifs im Vergleich zu anderen Tarifen des Anbieters Debitel erläutert wurden, wie
nachfolgend wiedergegeben:
62
##blob##nbsp;
63
- Es folgt nunmehr die in Ziffer 1. b) des Tenors dieses Urteils wiedergegebene
Abbildung. -
64
2.
65
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr - der Klägerin - den Schaden zu
ersetzen, der ihr durch die vorstehend unter Ziff. 1 aufgeführten Handlungen
entstanden ist und künftig entstehen wird;
66
3.
67
die Beklagte zu verurteilen, ihr - der Klägerin - Auskunft darüber zu erteilen, in
welchem Umfang sie die vorstehend unter Ziff. 1 bezeichneten Handlungen begangen
hat, wobei die Angaben nach Werbeträgern, Auflage der Werbeträger,
Erscheinungsorten und zeitlicher Abfolge aufzuschlüsseln sind.
68
Darüber hinaus beantragt die Klägerin,
69
ihr nachzulassen, etwaige Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines als
Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu leisten.
70
Auch die Klägerin wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus der ersten Instanz. Sie vertritt
die Ansicht, die beanstandete Werbung der Beklagten verstoße sowohl gegen § 1 Abs.
1 ZugabeVO als auch gegen §§ 1, 3 UWG. Es handele sich um einen krassen Fall
unlauterer Wertreklame, indem Mobiltelefone zu einem bloßen Scheinentgelt als
Zugabe zum Abschluß eines Debitel D 1-Netzkartenvertrages angeboten würden. Darin
71
liege nicht nur ein Verstoß gegen die ZugabeVO, sondern darüber hinaus auch eine
Verletzung des § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der sachfremden Verlockung,
nämlich des gekoppelten Vorspannangebots. Das Angebot eines Mobiltelefons zum
Preis von nur 0,49 DM diene lediglich als Lockangebot im Sinne eines
Vorspannangebots zur Förderung des Absatzes von Telefondienstleistungen aufgrund
von Netzwerkverträgen. Voraussetzung für die nahezu kostenlose Abgabe des Geräts
sei der Abschluß des Kartenvertrages. Dabei werde durch die Vorspannware (Telefon)
auf den Kunden ein starker Lockeffekt ausgeübt, der geeignet und auch dazu bestimmt
sei, ihn ohne sachliche Prüfung zum Kauf der regulären "Hauptware"
(Netzkartenvertrag) zu bewegen, um die besonders günstig erscheinende
Vorspannware zu erwerben. Richtig sei zwar, daß ein Mobiltelefon nicht ohne
Telefonkarte benutzt werden könne. Es wäre jedoch ohne weiteres denkbar und
entspreche auch im übrigen einem weiteren Teil des Handels, Mobiltelefone und
Netzkartenverträge getrennt, ohne akzessorische Verknüpfung, anzubieten. Durch den
Vorspann, die Anlockung, solle der Kunde zum einen dazu bewogen werden, einen
Kartenvertrag abzuschließen, den er sonst möglicherweise überhaupt nicht
abgeschlossen hätte. Er soll überdies dazu bewogen werden, mit gerade diesem
Betreiber einen Vertrag abzuschließen, mit dem er sonst - etwa wegen allgemein
ungünstiger Konditionen - einen Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Darüber hinaus
solle er durch den Vorspann - wie in diesem konkreten Fall - dazu bewogen werden,
einen Kartenvertrag zu einem besonders ungünstigen Tarif abzuschließen. Alle drei
Gesichtspunkte führten im Streitfall dazu, der Verknüpfung das Gepräge des unlauteren
Anlockens zu verleihen. Der Verkehr werde aber auch irregeführt. Die von der
Beklagten mit der Berufung angeführte Vergleichsmöglichkeit der sich
gegenüberstehenden Kartenverträge und Tarife bestehe tatsächlich nicht. Der Kunde
wisse weder etwas mit dem Begriff des Blue-Line-Tarifs ohne nähere Informationen
anzufangen, noch werde er darüber aufgeklärt, daß es sich bei Gesprächsgebühren von
1,94 DM/min. um unverhältnismäßig hohe Gesprächsgebühren für Wenig-Telefonierer
handele. Weder könne der Kunde zwischen Kartenverträgen mit mehreren Anbietern
wählen, noch habe der Kunde überhaupt die Wahl, zwischen verschiedenen Tarifen
desselben Anbieters zu wählen. Der extremen Preisgünstigkeit des Vorspannangebots
("FAST GESCHENKT") stehe die Verpflichtung zur Bezahlung von Gebühren nach
einem überaus teuren Tarif ("Blue-Line-Tarif") gegenüber, ohne daß der nicht
einschlägig informierte Kunde die von der Koppelung ausgehende Gefahr erkennen
könne.
Die beanstandete Werbung sei darüber hinaus auch irreführend im Sinne von § 3 UWG.
Schon die Überschrift "FAST GESCHENKT" täusche darüber hinweg, daß der Kunde
über das Vorspannangebot (Mobiltelefon für 0,49 DM) dazu verleitet werden solle, einen
wirtschaftlich ungünstigen Kartenvertrag abzuschließen, dessen Leistungen alles
andere als "geschenkt" seien. Es werde ein besonderer Preisvorteil vorgetäuscht, der
tatsächlich nicht bestehe. Zudem werde der Kunde durch den fehlenden Sternchen-
Hinweis im Falle der Werbeanzeigen vom 17. August 1995 und die Art der Gestaltung
dieser Anzeigen nicht hinreichend über die Verknüpfung zwischen dem extrem
preisgünstigen Erwerb des Handys und dem kostenträchtigen Kartenvertrag aufgeklärt.
Weiteres Irreführungselement sei der Umstand, daß der Kunde auch darüber irregeführt
werde, daß er sich zum Abschluß eines Debitel D 1-Netzkartenvertrages ausschließlich
zum Blue Line-Tarif entschließen müsse und dieser Tarif, wolle er das Gerät auch nur in
durchschnittlichem Umfang nutzen, für ihn besonders ungünstig sei. Der Blue-Line-Tarif
sei nur dann sinnvoll, wenn der Kunde nur ein- bis zweimal pro Tag - überwiegend
abends oder am Wochenende - telefonieren wolle. Für alle anderen Telefonkunden sei
72
entweder der Standard-Tarif (bis zu fünf Telefonate täglich) oder aber der Business-Tarif
(mehr als fünf Telefonate täglich) sinnvoll.
Hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu 1. b) macht die Klägerin geltend, die
beanstandete Werbung sei darauf ausgerichtet, in besonders aggressiver Weise neue
Kunden zu werben und die Unerfahrenheit und den Mangel an Urteilsvermögen
angelockter Interessenten auszunutzen. Die Werbung solle gerade die Verkehrskreise
ansprechen, die die Zusammenhänge (fast geschenktes Telefon, hohe
Telefongebühren) nicht durchschauten und an diesen Markt unerfahren heranträten. Die
unklaren Gebührenzusammenhänge schlössen es aus, daß die von dieser Werbung
angesprochenen Betroffenen die beiderseitigen Leistungen richtig bewerteten und die
Vor- und Nachteile des Geschäfts sachgerecht abwägen könnten. Im Ausschluß eines
solchen Abwägens, in der Ausnutzung des infolge unklarer Ausgestaltung des
Geschäfts fehlenden Urteilsvermögens, liege gerade der Sinn dieser Werbung. Das
Verhalten der Beklagten basiere daher, wie die in den Entscheidungen des
Bundesgerichtshofs "Folgeverträge I und II" (GRUR 1994/126 f., GRUR 1995/358 f.) zu
beurteilenden Fallgestaltungen, auf einem Gesamtkonzept, welches die Täuschung der
Geschäftspartner zum Gegenstand und zum Ziel habe, wobei zu dem Gesamtplan dazu
gehöre, diese Täuschung dadurch auszunutzen, daß die Verträge zivilrechtlich
durchgesetzt würden. Die Beklagte habe folglich auch die Absatzgeschäfte zu
unterlassen.
73
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die in
der zweiten Instanz von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
verwiesen.
74
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
75
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
76
Die Klägerin kann von der Beklagten im zuerkannten Umfang Unterlassung,
Schadensersatz und Auskunft verlangen.
77
1.
78
Das Rechtsmittel der Beklagten bleibt erfolglos, soweit es sich gegen den Klageantrag
zu 1. c) (entsprechend der Bezifferung in dem Schriftsatz der Klägerin -
Berufungserwiderung - vom 8. Oktober 1996 -) wendet, dessen Umformulierung in der
zweiten Instanz durch Neufassung des landgerichtlichen Unterlassungsgebots mit Ziffer
1. b) des Tenors dieses Urteils Rechnung zu tragen war. Daß dieses
Unterlassungsgebot zu 1. b) sprachlich geringfügig von dem zweitinstanzlichen
Klageantrag abweicht, beinhaltet dabei kein teilweises Unterliegen der Klägerin,
sondern erschien geboten, um möglichen Bedenken gegenüber der Bestimmtheit des in
dem Klageantrag ursprünglich enthaltenen Halbsatzes "wenn nicht deutlich darauf
hingewiesen wird, ..." entgegenzuwirken. Ziel und Reichweite des
Unterlassungsbegehrens der Klägerin bleiben von diesen Umformulierungen des
Klageantrags unberüht.
79
Die Klägerin verlangt mit dem Hauptantrag zu dem Klagebegehren zu 1. c) von der
Beklagten zu Recht, daß diese es unterläßt, für den Verkauf eines Mobiltelefons zu
einem bestimmten Preis in der Form der Gestaltung der Werbeanzeigen vom 17. August
80
1995 zu werben, wenn das Handy zu diesem Preis nur bei gleichzeitigem Abschluß
eines Debitel D 1-Netzkartenvertrags erworben werden kann. Das beanstandete
Wettbewerbsverhalten der Beklagten ist gemäß § 3 UWG unzulässig, denn die von den
Anzeigen der Beklagten vom 17. August 1995 angesprochenen Verbraucher werden in
relevanter Weise über das dort beworbene Angebot und die von der Beklagten dafür
geforderte Gegenleistung irregeführt. Dies können die Mitglieder des Senats, die zu den
von der Beklagten mit den Anzeigen umworbenen Verkehrskreisen gehören, aus
eigener Sachkunde und Erfahrung feststellen.
Gegenstand der (im Urteilstenor zu 1. b) in Schwarzweiß-kopie wiedergegebenen)
Anzeigen vom 17. August 1995 ist in deren oberen Drittel jeweils ein Mobiltelefon zu
0,49 DM, welches nur abgegeben wird, wenn der Kunde zugleich einen Debitel D 1-
Netzkartenvertrag abschließt. Die Beklagte bewirbt somit in diesen Anzeigen ein
Kombinationspaket, bestehend aus dem Handy und dem erwähnten Kartenvertrag, zu
dessen Konditionen und Kosten in dem schwarz unterlegten Block in der linken oberen
Ecke der Anzeigen Angaben gemacht werden. Der in den Anzeigen herausgestellte
Preis für das Handy ist folglich nur einer der beiden Bestandteile, aus denen sich die
Gegenleistung zusammensetzt, die die Beklagte für das beworbene Gesamtpaket
fordert. Wird - wie im Streitfall - ein Gesamtpaket angeboten, muß dies für den
Verbraucher unmißverständlich aus der Werbung hervorgehen. Gleiches gilt für die
Preisangaben, die zu den Produkten und bzw. oder Leistungen gemacht werden, aus
denen sich das Gesamtpaket zusammensetzt. Nur dann kann der Verbraucher das
Angebot des Wettbewerbers und die dort gemachten Preisangaben zutreffend
einschätzen und auf dieser Grundlage dieses Angebot mit dem anderer Wettbewerber
vergleichen.
81
Die Gestaltung der beiden Anzeigen der Beklagten vom 17. August 1995 genügt nicht
diesen Anforderungen. Blickfangmäßig herausgestellt sind dort die Abbildung des
Handys und der Preis des Mobiltelefons, der sogar zweifach, nämlich durch die
Hinweise "-,49" und "Nur 49 Pfennig!!" betont wird. Die Aufklärung darüber, daß der
Verbraucher zum Erwerb dieses Handys auch einen Kartenvertrag mit einem
bestimmten Netzbetreiber abschließen muß, einschließlich der Konditionen dieses
Vertrags, findet sich zwar in dem bereits erwähnten schwarz unterlegten Block in der
linken oberen Ecke der Anzeige. Bis auf den Hinweis "Nicht vergessen!", der für sich
genommen lediglich als allgemeiner Werbeappell vom Betrachter wahrgenommen wird,
sind jedoch die Angaben in diesem Block derart klein, daß sie nur mit großer
Anstrengung, fast nur - wie das Landgericht zutreffend bemerkt - mit der Lupe lesbar
sind. Dabei sind die Angaben in diesem Block, obwohl erst durch sie das tatsächliche
Angebot der Beklagten in den Anzeigen komplettiert wird und sie für den Interessenten,
wenn er vom Angebot der Beklagten Gebrauch macht, wegen der mit dem Abschluß
eines Kartensvertrags verbundenen beachtlichen Kosten von Bedeutung sind, sogar
noch wesentlich kleiner gehalten als die technische Beschreibung des Handys in dem
Fließtext unterhalb des abgebildeten Geräts. Der Verbraucher wird aber zu Recht
erwarten, daß Umstände, die den Gegenstand des beworbenen Angebots und die dafür
vom Werbenden geforderte Gegenleistung bestimmen, nicht in einer Weise versteckt in
der Anzeige aufgeführt werden, daß ihnen nach ihrer graphischen Gestaltung wie im
Streitfall optisch der Rang von unwichtigem Kleingedruckten zugewiesen wird.
82
Hinzu kommt, daß es in den beiden Anzeigen vom 17. August 1995 keine sonstigen
Anhaltspunkte gibt, die den Interessenten veranlassen könnten, sich mit den Angaben
des erwähnten Blocks zu beschäftigen und dann zu erfahren, was tatsächlich von der
83
Beklagten beworben wird. Eine Verknüpfung des Blocks mit dem abgebildeten Handy
oder bei dessen Preis durch ein sog. Sternchen fehlt. Die unterhalb des Handys
wiedergegebene "Karte" ist ebenfalls nicht geeignet, die Aufmerksamkeit des
Interessenten auf die Angaben in dem Block zu lenken. Diese Karte enthält keine
Erläuterungen dazu, daß das Handy nur bei Anschluß eines Debitel D 1-Kartenvertrags
erworben werden kann und wird daher allenfalls als allgemeiner Werbehinweis auf die
Möglichkeit verstanden, bei der Beklagten einen derartigen Kartenvertrag abschließen
zu können (nicht müssen), was durch die daneben stehende Angabe "Sämtliches
Zubehör bei uns erhältlich" noch unterstützt wird. Für viele derjenigen Verbraucher, die
sich - eventuell veranlaßt durch die Werbung der Beklagten - erstmals mit dem Erwerb
eines Mobiltelefons befassen, wird sogar selbst diese Aussage mit der "Karte" nicht
verbunden sein, weil sie gar nicht wisen, daß es zur Benutzung eines Handys des
Abschlusses eines sog. Kartenvertrags bedarf, geschweige denn, daß diese
Verbraucher darüber informiert sind, daß es verschiedene Anbieter derartiger
Kartenverträge, noch dazu mit unterschiedlichen Tarifen, gibt. Bei Kaufleuten und
freiberuflich Ttätigen mag von einer Kenntnis dieser Fragen, die bevorzugt in den
Wirtschaftsteilen der größeren Zeitungen erörtert werden, auszugehen sein. Bereits bei
den Klein- und Kleinstgewerbetreibenden (z.B. den Betreibern eines Kiosks) und
insbesondere bei den durchschnittlichen nicht kaufmännischen Verbrauchern kann
jedoch eine derartige Kenntnis nicht vorausgesetzt werden. Wie aber die wachsende
Zahl der Handy-Benutzer jedweden Alters und ersichtlich auch jedweden Berufs im
alltäglichen Straßenbild zeigt, entschließen sich zunehmend auch solche
Verbraucherkreise zum Erwerb von Mobiltelefonen angesichts deren heute (scheinbar)
günstigen Preisen. Diese Verbraucher werden das Angebot der Beklagten im Zweifel
jedoch ausgehend von ihren Kenntnissen und Erfahrungen mit dem "Normal-Telefon"
beurteilen, folglich zwar mit Gebühren bei der Benutzung des Handys rechnen, nicht
aber damit, daß grundsätzlich die Wahl unter verschiedenen Netzanbietern mit
unterschiedlichen Konditionen und Tarifen möglich ist und zur Benutzung des
Mobiltelefons ein Kartenvertrag mit einem dieser Netzanbieter abgeschlossen werden
muß.
Schließlich kann nicht davon ausgegangen werden, daß die durchschnittlichen
Verbraucher jedenfalls aufgrund der zahlreichen Anzeigen anderer Wettbewerber und
der dort praktizierten Art und Weise der Bwerbung eines Handys mit Kartenvertrag dazu
veranlaßt würden, die beiden Anzeigen der Beklagten vom 17. August 1995 mit dem
darin enthaltenen Kombinationsangebot zutreffend zu verstehen. Zum einen müssen
auch diejenigen Verbraucher berücksichtigt werden, die sich, veranlaßt durch das sie
ansprechende Angebot der Beklagten, spontan zum Erwerb eines Handys
entschließen, ohne zuvor aufmerksam die Anzeigen anderer Händler zu studieren. Wie
zudem die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 25. November 1996 vorgelegten
zahlreichen Werbebeispiele anderer Wettbewerber demonstrieren, mag es zwar heute
weigehend üblich sein, Handies zusammen mit Kartenverträgen anzubieten. Diese
Werbebeispiele machen jedoch auch deutlich, daß diese Angebote jeweils sehr
unterschiedlich gestaltet sind und den Verbraucher, der derartige Werbungen eher
flüchtig beurteilt, noch dazu, wenn er noch nicht zum Erwerb eines der dort angebotenen
Geräte entschlossen ist, eher verwirren als ihn darüber aufklären, was es mit den
Kartenverträgen und den verschiedenen Netzanbietern und Tarifen auf sich hat. Dies
beginnt schon damit, daß Handies danach nicht nur - wie bei den
streitgegenständlichen Anzeigen der Beklagten - als "Gesamtpaket" dergestalt
angeboten werden, daß sie ausschließlich mit dem Kartenvertrag abgegeben werden,
sondern teilweise in derselben Anzeige sowohl mit als auch ohne Kartenverträge
84
beworben werden. Daneben gibt es ebenfalls, wenn auch eher vereinzelt, Anzeigen nur
für Handies. Bei den Anzeigen, in denen ein Hinweis auf einen Kartenvertrag enthalten
ist oder in denen ein "Kombinationsangebot" in der hier in Rede stehenden Art
beworben wird, sind wiederum die Angaben zu den Kartenverträgen jeweils völlig
unterschiedlich gestaltet, was den Inhalt und die optische Aufmachung der (häufig nur
kursorischen) Hinweise, daß der Erwerb des Handys zu dem beworbenen Preis vom
Abschluß eines bestimmten Kartenvertrags abhängig ist, angeht, wobei die
Verknüpfung zwischen Handy und den dargestellten Konditionen des Kartenvertrags
häufig mit Hilfe sog. Sternchen geschieht (wie auch bei der streitgegenständlichen
Anzeige der Beklagten vom 03. August 1995). Nach alledem sprechen zwar die von der
Beklagten vorgelegten Werbebeispiele für die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten,
daß heute in der Werbung häufig Handy und Kartenvertrag in Kombination angeboten
werden, wobei für das Handy ein besonders günstiger Preis angegeben wird und die
Tarife für den entsprechenden Kartenvertrag genannt werden (vgl. dazu Bl. 5 der
Berufungsbegründung der Beklagten = Bl. 99 d.A.). Aus dieser Art der Bewerbung läßt
sich aber nicht herleiten, daß die durchschnittlichen Verbraucher wegen dieser
Werbepraxis die hier in Rede stehenden Anzeigen der Beklagten vm 17. August 1995 in
anderer Weise verstehen, als dies oben aufgrund der erörterten konkreten Gestaltung
dieser Anzeigen dargelegt worden ist.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die erörterte Gestaltung der beanstandeten
Anzeigen der Beklagten vom 17. August 1995 hat der Senat daher keine Zweifel, daß
nicht nur ein nicht unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise über das
Angebot der Beklagten irregeführt wird, weil diese Verbraucher nicht bemerken werden,
daß sie das in den Anzeigen herausgestellte Handy nur bei Abschluß eines Debitel D1-
Kartenvertrages erhalten.
85
Diese Irreführung der Verbraucher ist auch relevant im Sinne von § 3 UWG, denn sie ist
geeignet, die Verbraucher zu veranlassen, Anzeigen anderer Wettbewerber, die in
gehöriger - ausreichend deutlicher - Form über ihre Kombinationsangebote von Handies
mit Kartenverträgen informieren, zu vernachlässigen und in geschäftlichen Kontakt mit
der Beklagten zu treten.
86
Das schließlich die im Rahmen von § 3 UWG gebotene Abwägungen der sich
gegenüberstehenden Interessen der Parteien ebenfalls zum Nachteil der Beklagten
ausfallen muß, denn dieser ist eine zutreffende Information des Verkehrs durch
entsprechende Umgestaltung der Anzeige ohne weiteres möglich, ist somit das
Unterlassungsverlangen der Klägerin zu Ziffer 1. c) ihrer zweitinstanzlichen
Klageanträge nach dem Hauptantrag gemäß § 3 UWG gerechtfertigt. Auf das
Hilfsbegehren zu diesem Klagebegehren kommt es daher nicht an.
87
2.
88
Begründet ist ebenfalls das von der Klägerin mit Ziffer 1. a) ihrer Klage geltend
gemachte Unterlassungsverlangen, dessen Neuformulierung durch die Klägerin in der
zweiten Instanz mit Ziffer 1. a) des Tenors dieses Urteils Rechnung zu tragen war.
89
Dieses Klagebegehren ist gemäß § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des unlauteren
Vorspannangebots erfolgreich.
90
In beiden Anzeigen der Beklagten, die mit diesem Unterlassungsantrag beanstandet
91
werden und die in Ziffer 1. a) des Tenors dieses Urteils in Schwarzweißkopie abgebildet
sind, wird eine Gesamtpaket bestehend aus Handy und Kartenvertrag angeboten; das
Handy zu 0,49 DM kann nur bei Abschluß eines Debitel D 1-Netzkartenvertrags zum
Blue-Line-Tarif erworben werden. Das Ganze soll, wie die Beklagte selbst vorträgt, dazu
dienen, dem Kunden durch den beworbenen besonders günstigen Preis von 0,49 DM
den Abschluß des Kartenvertrages "schmackhaft" zu machen. Unstreitig hat das
fragliche Handy - für sich genommen - einen ungleich höheren Preis als in der Werbung
ausgewiesen. Ein derart extrem niedriger Preis des Handys ist nur möglich, weil die
Netzanbieter hohe Provisionen an die Händler bezahlen, wobei diese Provisionen
wiederum nur durch die den Netzbetreibern durch die Kartenverträge zufließenden
Erlöse ermöglicht werden.
Es geht danach im Streitfall um ein Kopplungsangebot, bei dem der sehr günstige Preis
des Handys als sog. Vorspannware den Absatz des in Rede stehenden konkreten
Kartenvertrags fördern soll. Vorspannangebote sind zwar nicht in jedem Fall unlauter,
denn jede Werbung entfaltet einen Anlockeffekt, worauf die Beklagte zu Recht hinweist.
Gerade dann, wenn - wie hier bei der streitgegenständlichen Werbung - die gekoppelten
Waren trotz Branchenfremdheit eine beachtliche Gebrauchsnähe aufweisen und aus der
Sicht des Verkehrs als sinnvolle Verbindung für eine Angebotseinheit erscheinen (das
Handy kann nicht ohne einen Kartenvertrag benutzt werden), kann der Indizcharakter für
eine gemäß § 1 UWG unlautere Vorspannware entfallen (vgl. Baumbach-Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., § 1 UWG Rdn. 132, 136). Das Anlocken des Kunden mit
einem Vorspannangebot überschreitet jedoch auch bei einer derartigen Gebrauchsnähe
der gekoppelten Waren und Leistungen die Grenzen der zulässigen Bewerbung, wenn
der von der Vorspannwirkung ausgehende Lockeffekt derart stark ist, daß er geeignet
ist, den Kunden von der Hauptware und ihren Eigenschaften abzulenken und ihn aus
sachfremden Gründen zum Erwerb der Hauptware zu veranlassen (Baumbach-
Hefermehl, a.a.0., § 1 UWG Rdn. 138 m.w.N.).
92
Die beanstandeten Werbungen der Beklagten vom 3. und 17. August 1995 sind aber in
dieser Weise unlauter, denn der davon angesprochene Verbraucher wird durch den
besonders günstigen Preis des Handys mit Hilfe der konkreten Gestaltung der Anzeigen
in einer derart übermäßigen Weise angelockt. Dies gilt selbst dann, wenn bei beiden
Anzeigengestaltungen im Rahmen des hier zu prüfenden Unterlassungsantrags zu
Ziffer 1. a) (in Abgrenzung zu dem vorstehend erörterten Klageantrag zu 1. c)) unterstellt
wird, daß der Verbraucher die Koppelung von Handy und Kartenvertrag bemerkt, den
Anzeigen also entnimmt, daß er das Handy nur bei Abschluß des Kartenvertrages zu
dem beworbenen Preis erhält. Nicht vorausgesetzt werden kann nämlich, daß der
durchschnittliche Verbraucher über Kartenverträge und Tarife für Mobiltelefone
zumindest in der Weise informiert ist, daß er von der Existenz verschiedener
Netzkartenanbieter und unterschiedlicher Tarife selbst bei dem jeweiligen
Netzkartenanbieter mit den damit sich für ihn ergebenden Wahlmöglichkeiten Kenntnis
hat. Insoweit wird auf die Erörterungen zu Ziffer 1. der Entscheidungsgründe verwiesen.
Gerade gegenüber diesen Interessenten, die sich von den streitgegenständlichen
Anzeigen der Beklagten besonders angesprochen fühlen werden, weil sie meinen, sich
nunmehr wegen des günstigen Preises ebenfalls ein derartiges Mobiltelefon ohne
weiteres leisten zu können, ist jedoch die Werbung der Beklagten darauf angelegt, den
Blick der Verbraucher ausschließlich auf das scheinbar so günstige Handy zu richten
und dabei die eigentliche Hauptware - den Kartenvertrag mit seinen Konditionen und
Kosten - zu vernachlässigen.
93
Dafür sorgt bereits, daß im Vordergrund beider Anzeigengestaltungen jeweils das groß
abgebildete Handy und der ebenfalls blickfangmäßig herausgestellte Preis von 0,49 DM
stehen. Die Angaben zu dem mit dem Handy gekoppelte Kartenvertrag mit dem
Ausschluß der Möglichkeit, zumindest unter den Debitel-Tarifen zu wählen, weil nur der
Blue-Line-Tarif zur Verfügung steht, also die Angaben zu der Leistung, die angesichts
ihrer Kosten und Konditionen den Teil des Kombinationsangebots darstellt, der den
Kunden ungleich stärker als der geringe Preis des Handys belastet, erscheint
demgegenüber durch die von der Beklagten gewählte grafische Gestaltung der
Anzeigen als bloße Nebensächlichkeit. Besonders deutlich zeigt sich dies bei den
beiden bereits erörterten Anzeigen vom 17. August 1995, in denen nach der Gestaltung
der Anzeige dem Kartenvertrag der Rang von unwichtigem und deshalb vom Kunden
ohne weiteres zu vernachlässigendem Kleingedruckten beigemessen wird, weil der
Hinweis auf die Notwendigkeit des Abschlusses des Kartenvertrags und die Angaben
zu dessen Konditionen noch nicht einmal so deutlich wie der Fließtext mit der
technischen Beschreibung des Geräts sind.
94
Dies gilt aber ebenfalls für die Anzeige vom 3. August 1995, die im Prinzip ähnlich
gestaltet ist. Der dort ebenfalls mit schwarzer Farbe unterlegte Block mit den Angaben
zum Kartenvertrag, der sich - anders als bei den Anzeigen vom 17. August 1995 - im
unteren Drittel der Werbung befindet, ist zwar erheblich größer als der entsprechende
Block in den Anzeigen vom 17. August 1995; seine Angaben sind zudem - auch ohne
Lupe - lesbar. In der Anzeige vom 3. August 1995 befindet sich darüber hinaus bei der
Preisangabe des Handys ein - im Verhältnis zum Preis des Handys - kleines Sternchen,
welches mit dem (eher als kleiner Punkt erscheinenden) "Sternchen" in dem erwähnten
schwarzen Block korrespondieren soll. In Relation zu der sehr großen Abbildung des
Handys und dessen Preises einschließlich der Größe der anderen Angaben wirken
jedoch auch bei der Anzeige vom 3. August 1995 die Hinweise zum Kartenvertrag in
dem schwarzen Block als "Kleingedrucktes" und damit als etwas
Nachrangiges/Nebensächliches gegenüber dem Handy und dessen Preis.
95
Der in beiden Anzeigengestaltungen jeweils in der Kopfzeile enthaltene blickfangmäßig
herausgestellte Hinweis "FAST GESCHENKT" ist ein weiteres Moment, das den Blick
des Interessenten auf das scheinbar überaus billige, fast geschenkte Handy richtet und
zusätzlich die Vorstellung des Kunden fördert, für die Beurteilung der Preisgünstigkeit
des von der Beklagten in den Anzeigen beworbenen Angebots komme es allein auf das
Handy an. Daß er das Handy in Wahrheit nicht "fast geschenkt" erhält, weil er das Gerät
nur dann erwerben kann, wenn er den fraglichen Kartenvertrag mit den damit
verbundenen erheblichen Kosten abschließt, im Streitfall sogar noch zu dem unstreitig
besonders nachteiligen Blue-Line-Tarif ohne Wahlrecht zwischen den
Netzkartenanbieter oder zumindest zwischen den von Debitel angebotenen Tarifen, der
Werbehinweis "FAST GESCHENKT" also nur ironisch gemeint die Situation zutreffend
beschreibt, wird nur für den offenbar, der mit den in Rede stehenden Fragen der
Kartenverträge vertraut ist. Die durchschnittlichen Verbraucher, zumal diejenigen, die
sich erstmals mit dem Kauf eines Handys befassen, sind jedoch dazu aus den bereits
erörterten Gründen nicht in der Lage. Sie werden daher, verführt durch die Gestaltungen
der Werbeanzeigen der Beklagten, gar nicht auf die Idee kommen, daß sie, um die
Preisgünstigkeit des Angebots der Beklagten gegenüber den von anderen
Wettbewerbern beworbenen Handies beurteilen zu können, auch den Kartenvertrag mit
dem dabei ausschließlich für sie möglichen Blue Line-Tarif und dessen Kosten
berücksichtigen müssen und nicht nur auf den Preis des Handys abstellen können, weil
dieser allein nichts über die Günstigkeit des Gesamtpreises für das
96
Kombinationsangebot aussagt. Sie werden vielmehr das Angebot der Beklagten
ausgehend von ihren Kenntnissen zum "Normaltelefon" einschätzen und
dementsprechend zwar in Rechnung stellen, daß für die Benutzung des Mobiltelefons
Kosten anfallen. Sie werden aber nicht in ihre Vorstellung einziehen, daß diese Kosten
je nach Kartenvertrag und Tarif variieren und deshalb der Gesamtpreis von
Kombinationsangeboten, bestehend aus Handy und Kartenvertrag, sehr unterschiedlich
sein kann, selbst wenn der dort für das Handy ausgewiesene Preis jeweils in etwa
gleich ist.
Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 25. November 1996 vorgelegten
Werbebeispiele anderer Wettbewerber führen auch im Rahmen des hier zu erörternden
Unterlassungsantrags der Klägerin zu keiner anderen Beurteilung der
Verbrauchervorstellung. Die bereits angesprochenen Werbebeispiele machen zwar
deutlich, daß Kombinationsangebote von preisgünstigen Handies und Kartenverträge
im steigenden Maße beworben werden, aber, wie schon erörtert, mit jeweils sehr
unterschiedlichen Ausgestaltungen und Bedingungen. Dies gilt selbst für die Preise der
Handies mit Kartenvertrag, die ausweislich dieser Werbebeispiele von
Pfennigsbeträgen bis zu Preisen von ca. 10,00 DM, 49,00 DM und mehr variieren. Daß
aufgrund dieser Anzeigen dem von der Beklagten beworbenen Preis für das Handy in
der konkreten Gestaltung der Anzeigen keine übermäßige Anlockwirkung zukommt, läßt
sich daraus nicht herleiten. Abgesehen davon, daß nicht davon ausgegangen werden
kann, daß jeder, der sich zum Kauf eines derart billigen, scheinbar fast geschenkten
Handys entschließt, sich vorher mit den Werbeanzeigen der anderen Wettbewerber
befaßt, steht dem schon die erwähnte unterschiedliche Ausgestaltung, wie derartige
Handies jeweils beworben werden (mit Kartenvertrag, mit zwei Preisen je nach dem, ob
ein Kartenvertrag abgeschlossen wird u.s.w.) entgegen. Diejenigen durchschnittlichen
Verbraucher, die die Anzeigen der anderen Wettbewerber mit preisgünstigen Handies
zunächst nur flüchtig lesen, solange der Entschluß zum Erwerb eines Mobiltelefons
noch nicht feststeht, werden im übrigen um so weniger in dem niedrigen Preis des
Handys einen "Pferdefuß" des Angebots der Beklagten vermuten und darauf gestoßen,
sich näher mit den Kosten und Konditionen des beworbenen Kartenvertrags zu
beschäftigen.
97
Nach alledem ist (in Übereinstimmung mit OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 1996 - 2
U 2/96 - und OLG Frankfurt, WRP 1997/99 f. und den Ausführungen des Senats im Urteil
vom 30. August 1996, 6 U 74/96) die beanstandete Werbung der Beklagten als gem. § 1
UWG unlauter zu werten. Ist damit das Unterlassungsbegehren der Klägerin zu Ziffer 1.
a) schon aus § 1 UWG begründet, bedarf es keiner Prüfung, ob die Anzeigen vom 3. und
17. August 1995 ebenfalls gegen § 1 ZugabeVO verstoßen.
98
3.
99
Die Klägerin ist klagebefugt und aktivlegitimiert die vorstehend unter Ziffer 1. und 2. der
Entscheidungsgründe erörterten Unterlassungsbegehren gegenüber der Beklagten
geltend zu machen. Dies ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Ziff. 1 UWG, so daß dahinstehen
kann, ob die Klägerin nicht schon als unmittelbar Verletzte der in Rede stehenden
Wettbewerbshandlungen klagebefugt und aktivlegitimiert ist. Die Beklagte zieht nach
dem unstreitigen Sachverhalt zu Recht nicht in Zweifel, daß die Voraussetzungen des §
13 Abs. 2 Ziff. 1 UWG erfüllt sind. Beide Parteien bieten die Waren und Leistungen, um
die es im Streitfall geht, auf demselben örtlichen Markt an. Die beanstandeten
Wettbewerbshandlungen der Beklagten sind auch geeignet, den Wettbewerb im Sinne
100
von § 13 Abs. 2 Ziff. 1 UWG wesentlich zu beeinträchtigen. Dafür spricht bereits die
erhebliche Anlockwirkung bzw. Irreführung des Verbrauchers durch die beanstandeten
Anzeigen. Hinzu kommt die Nachahmungsgefahr, die von den Wettbewerbsverstößen
der marktstarken Beklagten ausgeht und andere Wettbewerber veranlassen kann, in
gleicher unlauterer Weise für ihre Produkte und Leistungen zu werben, um die sich aus
den Wettbewerbsverstößen der Beklagten ergebenden Nachteile auszugleichen und
sich gegenüber der Beklagten zu behaupten.
4.
101
Das Schadensersatzverlangen und der Anspruch der Klägerin auf Auskunft (Ziffer 2.
und 3. des Tenors dieses Urteils) sind in zuerkanntem Umfang gemäß §§ 1, 3, 13 Abs. 6
Nr. 1 UWG i.V.m. § 242 BGB begründet.
102
Es ist hinreichend wahrscheinlich, daß der Klägerin als einer maßgeblichen
Konkurrentin der Beklagten durch die Verstöße der Beklagten ein Schaden bereits
entstanden ist und - bei Fortsetzen dieser Handlungen - weiterhin entstehen wird, denn
diese Verstöße sind geeignet, die Verbraucher davon abzuhalten, sich mit den
Angeboten von Mobiltelefonen der anderen Wettbewerber, damit auch der Klägerin,
näher zu befassen. Die Beklagte ist daher der Klägerin zum Schadensersatz
verpflichtet, wie bereits im angefochtenen Urteil des Landgerichts ausgeführt.
103
Da die Klägerin zur Bezifferung ihres Schadens der mit dem Auskunftsanspruch
geforderten Auskünfte bedarf, die wiederum von der Beklagten unschwer und auch
zumutbar erteilt werden können, ist gemäß § 242 BGB ebenfalls der Auskunftsanspruch
der Klägerin gerechtfertigt. Dies gilt ebenfalls, soweit damit Auskunft hinsichtlich der
Werbeträger, ihrer Auflage und Erscheinungsorte und eine Aufschlüsselung nach der
zeitlichen Abfolge verlangt wird. Diese Angaben können geeignet sein, um das Ausmaß
des der Klägerin entstandenen Schadens zutreffend einzuschätzen. Die Beklagte wird
dadurch auch nicht zu ihr nicht möglichen oder unzumutbaren Angaben gezwungen,
denn es geht dabei ausschließlich um solche Daten, die Unternehmen wie die Beklagte
bei der Schaltung von Werbeanzeigen berücksichtigen und dementsprechend vor
Planung ihrer Werbung in Erfahrung bringen.
104
Das Schadensersatz- und Auskunftsverlangen der Klägerin war jedoch jeweils auf den
Zeitpunkt des ersten Erscheinungstages der beiden beanstandeten
Anzeigengestaltungen als dem Zeitpunkt der jeweils ersten bekanntgewordenen
Wettbewerbsverstöße zu begrenzen und dementsprechend das weitergehende
Klagebegehren der Klägerin auf Schadensersatz und Auskunft abzuweisen (vgl. dazu
Baumbach-Hefermehl, a.a.0., UWG Einl Rdn. 400 m.w.N.). Umstände, die die Klägerin
berechtigen könnten, Auskunft und Schadensersatz auch für die Zeit vor diesen
Verstößen zu fordern, sind nicht vorgetragen.
105
5.
106
Das Klagebegehren zu Ziffer 1. b) der zweitinstanzlichen Klageanträge der Klägerin,
wie sie auch im Tatbestand dieses Urteils wiedergegeben sind, ist unbegründet, die
Berufung der Beklagten daher insoweit erfolgreich.
107
Die Klägerin verlangt mit diesem Anspruch von der Beklagten, es zu unterlassen, ein
Mobiltelefon zu verkaufen und/oder zu veräußern, wie es mit der mit dem Klageantrag
108
zu 1. a) beanstandeten Werbung angekündigt wird. Dieser Anspruch der Klägerin ist
weder gemäß § 1 UWG noch aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt
gerechtfertigt.
§ 1 UWG verbietet unlautere Wettbewerbshandlungen, nicht aber die dadurch
zustandegekommenen Rechtsgeschäfte (vgl. Baumbach-Hefermehl, a.a.0., § 1 UWG
Rdn. 913 m.w.N.). Verträge sind daher nicht schon deshalb gemäß §§ 134, 138 BGB als
nichtig anzusehen, weil sie auf einer wettbewerbswidrigen Werbemaßnahme beruhen.
Im Streitfall liegen keine Umstände vor, die eine andere Beurteilung nahelegen.
Ungeachtet der zivilrechtlichen Wirksamkeit kann es allerdings gemäß § 1 UWG
unlauter sein, wenn ein Wettbewerbsteilnehmer systematisch versucht, die Früchte aus
seinen Wettbewerbsverstößen zu ziehen (vgl. dazu BGH GRUR 1994/126
"Folgeverträge I", BGH GRUR 1995/358 "Folgeverträge II"). Im Streitfall geht es jedoch
entgegen der Ansicht der Klägerin um keine Konstellation, die mit derjenigen
vergleichbar wäre, die in den vorerwähnten Urteilen "Folgeverträge I und II" des
Bundesgerichtshofs zur Entscheidung stand. Der Bundesgerichtshof hat es in diesen
Urteilen als gemäß § 1 UWG unlauter angesehen, wenn ein Wettbewerbsteilnehmer
systematisch die Früchte von solchen Verträgen ziehen könnte, deren
Zustandekommen er durch - ebenfalls systematische und zielgerichtete -
Täuschungshandlungen bewirkt hat und deren Fortbestand auch allein darauf
zurückzuführen ist, daß er die verursachte Täuschung auch bei der Durchführung des
Vertrags durch konkludentes Verhalten aufrechterhält. Der Wettbewerbsverstoß der
Beklagten, gegen den sich der Klageantrag zu Ziffer 1. a) richtet - das unlautere
Anlocken der Verbraucher - führt aber noch nicht zu einem Vertragsschluß, sondern
veranlaßt den Verbraucher erst, das Geschäftslokal der Beklagten aufzusuchen. Auf
diese Weise werden zwar die Chancen der Beklagten für einen Vertragsabschluß
erhöht, weshalb auch derartige unlautere Werbungen im Vorfeld des
Geschäftsabschlusses zu untersagen sind. Der Umstand allein, daß der Kunde -
veranlaßt durch die unlautere Werbung - die Verkaufsräume der Beklagten aufsucht,
führt aber noch nicht zu einem Vertragsschluß. Vielmehr bedarf es dazu erneuter
Handlungen und Willenserklärungen auf beiden Seiten, denn dazu muß nicht nur das
Handy gekauft, sondern insbesondere auch der Kartenvertrag mit all seinen
Förmlichkeiten abgeschlossen werden. In diesem Stadium kann es zu erneuten
Wettbewerbsverstößen seitens der Beklagten kommen. Es kann aber keine Rede davon
sein, daß die Beklagte bei diesem Geschehensablauf in etwa vergleichbar mit der von
dem Bundesgerichtshof a.a.0. entschiedenen Sachverhaltsgestaltung durch bloßes
Aufrechterhalten der unlauteren Anlockwirkung in ihren Anzeigen systematisch den
Nutzen daraus zieht. Vielmehr wird durch den erst im Geschäftslokal erfolgenden
Vertragsschluß eine maßgebliche Zäsur im Geschehensablauf geschaffen, die einer
Übertragung der o.a. Grundsätze des Bundesgerichtshofs auf den Streitfall
entgegensteht. Die beanstandeten Anzeigen der Beklagten führen eben nicht dazu, daß
die Beklagte die Früchte dieser Wettbewerbsverstöße allein dadurch erzielen kann, daß
sie die von den Anzeigen ausgehende Anlockwirkung nicht beseitigt.
109
Andere Anspruchsgrundlagen, die dem Begehren der Beklagten zum Erfolg verhelfen
könnten, sind von der Beklagten nicht geltend gemacht; sie sind auch nicht ersichtlich.
Dies gilt auch für § 1 Abs. 1 ZugabeVO mit dem dort angeführten Tatbestandsmerkmal
der Gewährung einer Zugabe. Selbst wenn davon auszugehen sein sollte, daß die mit
dem Unterlassungsantrag zu Ziffer 1 a) beanstandeten Wettbewerbshandlungen der
Beklagten einen Verstoß gegen § 1 ZugabeVO darstellen, kann nach Ansicht des
Senats jedenfalls der eigentliche Erwerb des Handys im Geschäftslokal der Beklagten
110
mit dem dazu notwendigen Abschluß des Kartenvertrages, bei dem den Kunden die
gesamten Modalitäten des Kombinationsangebots vor Augen geführt werden, nicht als
Gewähren einer Zugabe im Sinne von § 1 Abs. 1 ZugabeVO angesehen werden.
6.
111
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
112
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
113
Die Beschwer der Parteien war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen und entspricht
dem Wert des Unterliegens der Parteien im Rechtsstreit.
114