Urteil des OLG Köln vom 09.11.1995
OLG Köln (zpo, kupfer, 1995, stellungnahme, beschwerde, befangenheit, zahnheilkunde, eignung, beitrag, sachverständiger)
Oberlandesgericht Köln, 5 W 81/95
Datum:
09.11.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 W 81/95
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 95/94
Schlagworte:
Befangenheit Sachverständiger Zahnheilkunde
Normen:
ZPO §§ 406 I 1 i.V.m. 42
Leitsätze:
Bei Auseinandersetzung des SV mit den Streitfragen des Falles
(Verträglichkeit von Palladium-Legierungen in der Zahnheilkunde) sind
Jahre zurückliegende abweichende Auffassungen des SV kein Grund,
eine Befangenheit zu befürchten.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß der 25.
Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 17.10.1995 - 25 O 95/94 - wird
kostenpflichtig zurückgewiesen.
G r ü n d e
1
Die Beschwerde der Beklagten ist gemäß § 406 Abs. 5, 2. Halbsatz zulässig, in der
Sache jedoch nicht gerechtfertigt.
2
Das Landgericht hat zu recht das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 11.10.1995
gegen den Sachverständigen Prof. Dr. S. zurückgewiesen. Die Besorgnis, daß der
Sachverständige befangen sein könnte, besteht nicht.
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Gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen,
die zur Ablehnung eines Richters nach § 42 ZPO berechtigen, wegen der Besorgnis der
Befangenheit abgelehnt werden. Voraussetzung ist danach, daß aus der Sicht einer
vernünftigen Partei Gründe vorliegen, aus denen der Eindruck entsteht, der
Sachverständige stehe ihrem Anliegen nicht vorurteilsfrei und unvoreingenommen
gegenüber (Zöller/Greger, ZPO-Kommentar, 19. Aufl., § 406 Rn. 7; Zöller/Vollkommer,
a.a.O. § 42 Rn. 9).
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Daß der Sachverständige ihr gegenüber eine negative Einstellung eingenommen habe
oder die Kläger bevorzuge, macht die Beklagte nicht geltend. Ihre Einwendungen
gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. S. zielen in ihrem Kern darauf ab, dem
Sachverständigen die erforderliche Unabhängigkeit abzusprechen, weil der
Sachverständige, wie die Beklagte behauptet, sich Mitte der 80er Jahre für die
Verwendung von Palladium-Kupfer-Legierungen eingesetzt habe und aus Gründen des
Selbstschutzes heute nicht in der Lage sei, zu diesem Thema eine objektive,
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wissenschaftlich fundierte Aussage zu treffen.
Derlei sachfremde Erwägungen mögen zwar im Einzelfall an der Unparteilichkeit - und
nicht nur an der erforderlichen Sachkunde - eines Sachverständigen zweifeln lassen.
Vorliegend gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, daß sich Prof. Dr. S. von solchen
Motiven hat leiten lassen.
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Ob sich Prof. Dr. S. tatsächlich "speziell für Palladium-Kupfer-Legierungen eingesetzt"
hat, wie es in Heft 8/86 der Zeitschrift "..." in einem Beitrag von Prof. H. berichtet worden
ist, kann dabei dahinstehen. Im Gegensatz zu diesem Bericht aus 2. Hand hat sich der
Sachverständige selbst immerhin in dem von ihm verfaßten Beitrag in Heft 3/1986 der
"..." (Bl. 2 im Anlagenheft) deutlich zurückhaltender geäußert und ausgeführt, daß "auf
dem Sektor der Legierungen auf Palladium-Basis bereits von einer Bewährung einiger
Legierungen (z. B. Pd-Ag und Pd-Cu-Au in bestimmten Zusammensetzungen)"
gesprochen werden könne.
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Selbst wenn davon auszugehen ist, daß Prof. Dr. S. seinerzeit ein entschiedener
Befürworter von Palladium-Kupfer-Legierungen war, so machen jedenfalls seine
gutachterlichen Äußerungen in dem vorliegenden Verfahren deutlich, daß sich der
Sachverständige der Tatsache, daß es sich bei der Eignung von Palladium-
Legierungen um ein langjährig diskutiertes Problem handelt und sich die Beurteilung
der Eignung von Palladium-Kupfer-Legierungen im Zuge dieser Diskussion gewandelt
hat, durchaus nicht verschließt. In seinem schriftlichen Gutachten vom 09.04.1995 wie
auch in der ergänzenden schriftlichen Stellungnahme vom 31.08.1995 finden sich
sowohl eine Darstellung des Werdeganges der Entwicklung wie auch die Aussage des
Sachverständigen, daß es "nach wie vor einen großen Bedarf an wissenschaftlicher
Forschung zur Verträglichkeit von dentalen Legierungen" gebe (Bl. 148 d. A.). Darüber
hinaus hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme eingeräumt, es
sei zutreffend, daß er sich damit sehr befasse und heute mehr wisse als 1986 und auch
noch 1992. Dies alles macht deutlich, daß von einer Voreingenommenheit und einem
jedem Einwand unzugänglichen Festhalten des Sachverständigen an seinem einmal
eingenommenen Standpunkt nicht die Rede sein kann. Von daher gibt es auch keine
Anhaltspunkte dafür, daß sich der Sachverständige zum Schutz der eigenen Person
wissenschaftlichen Erkenntnissen über Unverträglichkeitsrisiken von Palladium-Kupfer-
Legierungen verschließt.
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Einer Äußerung des Sachverständigen zu den von der Beklagten erhobenen Vorwürfen
bedurfte es nicht. Anders als bei einer Richterablehnung (vgl. dazu § 44 Abs. 3 ZPO) ist
die Einholung einer Äußerung des Sachverständigen nicht vorgeschrieben, sondern nur
angebracht, sofern eine Stellungnahme des Sachverständigen zur sachlichen Prüfung
des Ablehnungsgesuches erforderlich ist. Dies hat das Landgericht, wie sich auch aus
den vorstehenden Erwägungen ergibt, vorliegend zutreffend verneint.
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Die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde ist mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1
ZPO verbunden.
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