Urteil des OLG Köln vom 01.07.1999

OLG Köln: zerrüttung der ehe, geringes verschulden, anhörung, einspruchsrecht, kassationshof, klagebefugnis, trennung, staatsangehörigkeit, scheidungsgrund, zgb

Oberlandesgericht Köln, 21 UF 10/99
Datum:
01.07.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 UF 10/99
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 304 F 170/98
Tenor:
Auf die Berufung des Antragstellers wird in Ab-änderung des Urteils des
Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 07.12.1998 - 304 F 170/98 -
die am 24.01.1992 vor dem Standesbeamten des Standesamtes
A./Türkei unter Heiratsregister-Nr. geschlossene Ehe der Parteien
geschieden.
Die Kosten beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 I ZPO abgesehen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Mit seiner zulässigen Berufung verfolgt der Antragsteller sein durch das angefochtene
Urteil abgewiesenes Scheidungsbegehren weiter, auf das nach Art. 17, 14 EGBGB
türkisches Recht anzuwenden ist, da die Parteien beide die türkische
Staatsangehörigkeit besitzen.
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Die Berufung hat Erfolg. Aufgrund des Ergebnisses der ausführlichen persönlichen
Anhörung der Parteien in der Berufungsverhandlung geht auch der Senat - insoweit in
Übereinstimmung mit dem Amtsgericht - davon aus, daß die Ehe angesichts der
inzwischen 2 Jahre andauernden Trennung der Parteien und der fehlenden
Aussöhnungsbereitschaft des Antragstellers in ihrem Fundament so zerrüttet ist, daß
den Ehegatten die Fortsetzung des gemeinsamen Lebens nicht zugemutet werden
kann. Damit ist der Scheidungsgrund des Art. 134 türk. ZGB gegeben, so daß
grundsätzlich jeder Ehegatte die Scheidungsklage erheben kann.
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Allerdings ist zur Klagebefugnis des die Scheidung begehrenden Ehegatten nach der
Auslegung des Art. 134 türkZGB durch den Türk. Kassationshof erforderlich, daß
zumindest ein geringes Verschulden auch des anderen Ehegatten an der Zerrüttung der
Ehe feststeht (vgl. Urt. des Türk. Kassationshofes vom 29.01.1990, veröffentlicht in
FamRZ 93,1208 mit Anm. Rumpf aaO).
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Ein solches Verschulden hat die Antragsgegnerin in zweifacher Hinsicht selbst
eingeräumt:
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Zum einen hat die Antragsgegnerin unstreitig mindestens einmal, nämlich im April/Mai
1997, das Schloß zur Ehewohnung ausgetauscht und auf diese Weise den Antragsteller
aus der Ehewohnung ausgesperrt.
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Zum anderen räumt sie ein, den Antragsteller am 16.07.98 nach einem Gerichtstermin
mit einem Schirm tätlich angegriffen zu haben. Ihre Behauptung, sie sei vom
Antragsteller dazu provoziert worden, ist unsubstantiiert und im übrigen auch nicht unter
Beweis gestellt.
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Zu Unrecht ist aber das Amtsgericht vom Einspruchsrecht der Antragsgegnerin gem. Art.
134 Abs. 2 türkZGB ausgegangen mit der Begründung, der Antragsteller habe nicht den
Nachweis des gleichen oder überwiegenden Verschuldens der Antragsgegnerin
erbracht. Insoweit hat es Art. 134 türkZGB unrichtig ausgelegt.
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Nach der Rechtsprechung des Türk. Kassationshofes (vgl. das Urteil in FamRZ 93,
1208) muß den höheren Verschuldensanteil des Antragstellers an der Zerrüttung der
Ehe richtigerweise die Antragsgegnerin beweisen, was ihr indessen nicht gelungen ist.
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Soweit der Antragsteller der Antragsgegnerin im Verlauf einer Streitigkeit im Jahre 1994
Verletzungen zugefügt haben soll, hat sie ihm nach ihren eigenen Angaben verziehen.
Ihr weiteres Vorbringen, es sei infolge übermäßigen Alkoholgenusses des
Antragstellers auch bei späteren Gelegenheiten zu Handgreiflichkeiten gekommen, ist
zu unbestimmt, um darauf ein überwiegendes Verschulden des Antragstellers stützen zu
können. Die Darstellung des Antragstellers, es sei die Antragsgegnerin gewesen, von
der Handgreiflichkeiten ausgegangen seien, wenn er nach - seltenem und keineswegs
übermäßigem - Alkoholkonsum nach Hause gekommen sei, hat die Antragsgegnerin
nicht ausräumen können.
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Schließlich vermag auch die weitere Behauptung der Antragsgegnerin, der Antragsteller
unterhalte ehewidrige Beziehungen zu einer anderen Frau, ihr Einspruchsrecht nicht zu
stützen. Denn nach den Angaben des Antragstellers hat es sich insoweit nur um eine
flüchtige Karnevalsbekanntschaft aus dem Jahre 1999 gehandelt. Das reicht zur
Annahme eines höheren Verschuldensanteils des Antragstellers an der Zerrüttung der
Ehe ebenfalls nicht aus.
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Gegenteilige Feststellungen konnte der Senat angesichts der einander
widersprechenden Darstellungen, die die Parteien bei ihrer Anhörung durch den Senat
gegeben haben, nicht treffen.
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Nach alledem hat der Senat die Ehe der Parteien geschieden und das angefochtene
Urteil entsprechend abgeändert.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO.
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Streitwert der Berufung : 4.000 DM.
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