Urteil des OLG Köln vom 26.05.1999
OLG Köln (geschäftsführung ohne auftrag, anteil, verwaltung, 1995, versicherung, prämie, versicherungsschutz, verwaltungskosten, rückgriff, erstattung)
Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 55/99
Datum:
26.05.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 55/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 T 291/98
Schlagworte:
Aufwendungen eines Gemeinschaftsmitgliedes zu Gunsten der
Gemeinschaft
Normen:
WEG §§ 16, 21
Leitsätze:
Hat ein Gemeinschaftsmitglied Verbindlichkeiten der Gemeinschaft
getilgt, so können es die auf Erstattung dieser Aufwendungen persönlich
in Anspruch genommenen übrigen Mitglieder der Gemeinschaft auf die
Befriedigung aus den gemeinschaftlichen Mitteln verweisen.
Tenor:
Auf die weitere sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin werden die
Beschlüsse des Landgerichts Köln vom 5.2.1999 - 29 T 291/98 - und des
Amtsgerichts Köln vom 3.6.1998 - 204 II 79/98 - abgeändert und wie folgt
neu gefaßt: Der Antrag wird zurückgewiesen. Die Gerichtskosten des
Verfahrens trägt die Antragstellerin. Eine Erstattung außergerichtlicher
Kosten wird nicht angeordnet. Der Geschäftswert für das
Beschwerdeverfahren wird auf 3.308,54 DM festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die form- und fristgerecht eingelegt weitere sofortige Beschwerde ist gemäß § 45 Abs. 1
WEG, §§ 27, 29 FGG zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
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Der angegriffene Beschluß ist nicht frei von Rechtsfehlern (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §
550 ZPO). Die Vorinstanzen haben die Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin
gegenüber der Antragstellerin nicht rechtsfehlerfrei beurteilt und die
wohnungseigentumsrechtlichen Grundsätze über die Pflichten und Rechte der
einzelnen Wohnungseigentümer aus §§ 16 Abs. 2, 20 ff WEG nicht ausreichend
beachtet.
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In rechtlich nicht zu beanstandender Weise sind die Vorinstanzen hingegen vom
Bestehen eines Aufwendungsersatzanspruches der Antragstellerin ausgegangen.
Dabei kann dahinstehen, ob die von der Antragstellerin getätigten Aufwendungen im
Rahmen einer Notgeschäftsführung nach § 21 Abs. 2 WEG erfolgten oder nach den
Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag nach den §§ 677 ff BGB, ohne daß die
Voraussetzungen für eine Notgeschäftsführung vorlagen. Denn die Ansprüche aus §§
16 Abs. 2, 21 Abs. 2 WEG sind nicht vorrangig und schließen die allgemeinen
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Ansprüche aus §§ 683, 684 BGB oder § 748 BGB nicht aus. Sie bestehen vielmehr
nebeneinander, soweit jeweils die Voraussetzungen gegeben sind und die Maßnahme
ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht (vgl. Senat, WE 1995, 240; OLG Hamm WE
1993, 110, 111; BayObLG WE 1995, 243, 244; Bärmann/Pick/Merle,
Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl., § 21 Rn. 51 ff m.w.N.). Ein
Aufwendungsersatzanspruch der Antragstellerin besteht insoweit auch für die gezahlten
Versicherungsprämien, auch wenn das volle Risiko duch die Versicherung nicht
gedeckt war. Nach § 21 Abs. 5 Nr. 3 WEG gehört zur ordnungsgemäßen Verwaltung der
Abschluß einer angemessenen Versicherung, d.h. grundsätzlich einer Versicherung, die
insbesondere das Risiko vollständig abdeckt und nicht lückenhaft ist. Andererseits ist zu
beachten, daß ohne den abgeschlossenen Versicherungsvertrag überhaupt kein
Versicherungsschutz bestanden bzw. bei Nichtzahlung der Prämie die Kündigung des
Versicherungsvertrages gedroht hätte, was ebenfalls den gänzlichen Verlust des
Versicherungsschutzes zur Folge gehabt hätte. Die Zahlung der Prämie im konkreten
Fall entspricht daher noch ordnungsgemäßer Verwaltung und lag im Interesse der
Antragsgegnerin, denn auch für ihr Wohnungseigentum wäre andernfalls jeglicher
Versicherungsschutz zumindest gefährdet gewesen.
Zu Recht sind darüber hinaus die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß jeder
Wohnungeigentümer, der gegenüber Dritten über das seinem Anteil entsprechende
Verhältnis mit einer Verbindlichkeit belastet ist, insoweit Befreiung verlangen und, falls
er gezahlt hat, Rückgriff nehmen kann (vgl. BGH NJW 1985, 912). Ein solcher
Rückgriffsanspruch kann ihm auch unmittelbar gegen den oder die anderen
Wohnungseigentümer in Höhe deren Anteils zustehen (vgl. OLG Stuttgart OLGZ 1986,
32, 34; OLG Hamm WE 1993, 110, 111; BayObLG WE 1995, 243, 244).
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Gleichwohl scheidet im vorliegenden Fall eine unmittelbare Inanspruchnahme der
Antragsgegnerin aus, denn die Antragsgegnerin ist berechtigt, die Antragstellerin auf die
Befriedigung aus den gemeinschaftlichen Mitteln zu verweisen (vgl. OLG Hamm WE
1993, 110, 111; WE 1993, 314, 315). Bei den von der Antragstellerin beglichenen
Verbindlichkeiten handelt es sich um Verwaltungskosten i.S.d. § 16 Abs. 2 WEG, die
aus den gemeinschaftlichen Mitteln der Wohnungseigentümer zu berichtigen sind. Die
gemeinschaftlichen Mittel stellen die Vermögensmasse dar, aus der im Rahmen der
ordnungsgemäßen Verwaltung die Kosten der Gemeinschaft zu begleichen sind und
hätten beglichen werden müssen, wenn nicht ein Wohnungseigentümer in Vorlage
getreten wäre. Aus den gemeinschaftlichen Mittel sind deshalb grundsätzlich auch die
Kosten zu erstatten, die ein Wohnungseigentümer über seinen Anteil hinaus vorgelegt
hat. Die Berechtigung des in Anspruch genommenen Miteigentümers, den in Vorlage
getretenen auf die gemeinschaftlichen Mittel zu verweisen, folgt aus den dem
Gemeinschaftsverhältnis innewohnenden gegenseitigen Schutz- und Treuepflichten.
Denn die gemeinschaftlichen Mittel, aus denen die Verwaltungsschulden grundsätzlich
zu begleichen sind, werden von den Wohnungseigentümern i.d.R. durch die Leistung
der Wohngeldvorauszahlungen nach § 28 Abs. 2 WEG erbracht. Wäre ein
Wohnungseigentümer berechtigt, wegen der über seinen Anteil hinaus aufgewendeten
Kosten unmittelbar bei dem anderen Wohnungseigentümer Rückgriff zu nehmen, ohne
daß dieser den in Vorlage getretenen Wohnungseigentümer auf die Befriedigung aus
den gemeinschaftlichen Mitteln verweisen könnte, bestünde die Gefahr, daß der in
Anspruch genommene nunmehr seinerseits über seinen Anteil hinaus belastet wird.
Obwohl er die ihm nach seinem Anteil obliegenden Wohngeldvorauszahlungen erbracht
hat, müßte er darüber hinaus weitere Zahlungen für aufgewendete Verwaltungskosten
erbringen. Dies widerspricht dem Grundsatz der gleichmäßigen Verteilung der
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gemeinschaftlichen Kosten und Lasten.
Dem Recht der Antragsgegnerin, die Antragstellerin auf die gemeinschaftlichen Mittel zu
verweisen, steht hier nicht entgegen, daß die Antragsgegnerin an der Fassung
entsprechender Beschlüsse nicht mitgewirkt und ihre Zustimmung zur Auszahlung an
die Antragstellerin verweigert hat. Nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG ist die Verwalterin
verpflichtet, die Aufwendungen der Antragstellerin anteilig zu erstatten. Kommt sie dem
nicht nach oder fehlen die wohnungseigentumsrechtlichen Grundlagen für die
Auszahlung, kann dies, abgesehen von Fällen des Rechtsmißbrauchs, für den hier
keine Anhaltspunkte vorliegen, nicht zu Lasten des in Anspruch genommenen
Wohnungseigentümer gehen. Neben der Möglichkeit der Aufrechnung gegen
Beitragsforderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. Bärmann/Pick/Merle,
aaO, § 21 Rn. 49) bleibt der Antragstellerin unter diesen Umständen nur der Weg nach §
43 WEG.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Es entspricht billigem Ermessen,
die Gerichtskosten des Verfahrens der unterlegenen Antragstellerin aufzuerlegen.
Darüber hinaus besteht keine Veranlassung, eine Kostenerstattungspflicht hinsichtlich
der außergerichtlichen Kosten anzuordnen, § 47 Satz 2 WEG.
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Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus § 48 Abs. 3 WEG.
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