Urteil des OLG Köln vom 23.06.2003
OLG Köln: vertretung der partei, vergütung, report, ausschluss, reisekosten, vaterschaftsanfechtungsklage, verwirkung, verzicht, form, datum
Oberlandesgericht Köln, 14 WF 72/03
Datum:
23.06.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
14. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 WF 72/03
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 40 F 172/01
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn vom 05.02.2003, durch den die
zugunsten der Beschwerdeführerin festgesetzte Vergütung wieder
aufgehoben worden ist, seinerseits aufgehoben.
G r ü n d e
1
I.
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Die Beschwerdeführerin ist durch Beschluss des Amtsgerichts vom 16.04.2002 dem
Kläger im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden, dies in Abänderung eines
Beschlusses vom 14.10.2001, durch den dem Kläger für eine
Vaterschaftsanfechtungsklage vor dem Amtsgericht Bonn Prozesskostenhilfe unter
Beiordnung von Rechtsanwältin H in Bonn bewilligt worden war. Letztere hatte durch
Schriftsatz vom 29.10.2001 mitgeteilt, dass sie das Mandatsverhältnis niederlege, da
dieses wegen des Verhaltens des Klägers so gestört sei, dass ihr eine Fortsetzung nicht
mehr möglich sei. Ihre PKH-Gebühren sind gemäß § 123 BRAGO durch Beschluss vom
08.01.2002 antragsgemäß festgesetzt worden (drei Gebühren plus Auslagen).
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Die Beiordnung der Beschwerdeführerin durch den Beschluss vom 16.04.2002 ist "zu
den Bedingungen eines ortsansässigen Anwaltes" erfolgt, "ohne dass der Staatskasse
zusätzliche Kosten entstehen dürfen". Nach Abschluss des
Vaterschaftsanfechtungsverfahrens am 01.10.2002 hat die Beschwerdeführerin
ihrerseits einen Gebührenantrag nach § 123 BRAGO gestellt (drei Gebühren plus
Auslagen), dem zunächst im wesentlichen - außer Kopiekosten - durch Beschluss vom
03.12.2002 stattgegeben worden ist. Die festgesetzte Vergütung ist der
Beschwerdeführerin ausgezahlt worden.
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Auf die Erinnerung des Bezirksrevisors ist der Vergütungsfestsetzungsbeschluss
sodann wieder aufgehoben worden, und zwar mit der Begründung, laut
Beiordnungsbeschluss vom 16.04.2002 dürften durch die Beiordnung der
Beschwerdeführerin keine weiteren Kosten entstehen; da zugunsten von
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Rechtsanwältin H bereits alle Gebühren festgesetzt worden seien, hätte eine
Vergütungsfestsetzung zugunsten der Beschwerdeführerin nicht mehr ergehen dürfen.
Gegen die Aufhebung der Vergütungsfestsetzung hat die Beschwerdeführerin
Erinnerung eingelegt mit der Begründung, der Beiordnungsbeschluss vom 16.04.2002
sei dahingehend zu verstehen, dass zusätzliche Kosten nur dadurch nicht entstehen
dürften, dass der beigeordnete Anwalt nicht ortsansässig sei. Der Beschluss besage
aber nicht, dass dem neu beigeordneten Anwalt keine Vergütung zustehe; denn mit
jeder Beiordnung entstehe ein weiterer Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse;
eine Einschränkung im Beiordnungsbeschluss sei für das Kostenfestsetzungsverfahren
nicht bindend. Im übrigen habe das Verfahren erst nach umfangreicher Tätigkeit durch
sie - die Beschwerdeführerin - zum Abschluss gebracht werden können.
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Das Amtsgericht hat die Erinnerung durch Beschluss vom 17.03.2003 zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin, mit der sie sich auf ihre
Begründung im Erinnerungsverfahren bezieht. Das Amtsgericht hat der Beschwerde
nicht abgeholfen.
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II.
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Die nach § 129 Abs. 4 BRAGO zulässige Beschwerde der Beschwerdeführerin ist
begründet.
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Mit der Beschwerde wird zu Recht darauf hingewiesen, dass mit der Beiordnung eines
neuen Rechtsanwaltes im Wege der Prozesskostenhilfe aus dessen Tätigkeit in dem
Rechtsstreit grundsätzlich ein neuer Vergütungsanspruch entsteht, soweit er die
entsprechenden Gebührentatbestände erfüllt hat. Insoweit steht außer Streit, dass die
seitens der Beschwerdeführerin entfaltete Tätigkeit drei Gebühren ausgelöst hat.
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Entgegen der Auffassung des Amtsgerichtes scheidet ein Vergütungsanspruch auch
nicht deshalb aus, weil die Beschwerdeführerin nur eingeschränkt beigeordnet worden
ist. Dass der Beiordnungsbeschluss vom 16.04.2002 eine Einschränkung dahingehend
enthält, dass die in Köln ansässige Beschwerdeführerin nur zu den Bedingungen eines
ortsansässigen - also in Bonn ansässigen - Anwalts beigeordnet ist, steht außer Frage.
Dies entspricht dem Grundgedanken des § 121 Abs. 3 ZPO, dass unnötige Reisekosten
zu vermeiden sind (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 121 Rz. 12). Auf die Streitfrage,
ob und ggf. in welcher Form es einer Einwilligung des ortsfremden Anwalts für eine
entsprechende Einschränkung bedarf, kommt es im vorliegenden Fall nicht an (vgl. dazu
u.a. Zöller-Philippi, a.a.O., Rz. 13; Kalthoener-Büttner-Wrobel/Sachs, Prozesskostenhilfe
und Beratungshilfe, 3. Aufl., Rz. 571 jeweils m.w.N.).
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Nicht eindeutig ist indessen, ob der Beiordnungsbeschluss vom 16.04.2002 darüber
hinaus eine Einschränkung dahingehend enthält, dass durch die neue Beiordnung
keine zusätzliche Kosten im übrigen - also abgesehen von Reisekosten - entstehen
dürfen. Vom Bezirksrevisor wird insoweit die Auffassung, der sich das Amtsgericht
angeschlossen hat, vertreten, dass dann, wenn nur gewollt gewesen sei, dass durch
einen auswärtigen Anwalt keine zusätzlichen Kosten entstehen dürften, die
Formulierung genügt hätte, die Beschwerdeführerin zu den Bedingungen eines
ortsansässigen Anwalts beizuordnen; der weiteren Bestimmung, "ohne dass der
Staatskasse zusätzliche Kosten entstehen dürfen", hätte es dann nicht bedurft. Ob dem
zu folgen ist, oder ob der lediglich durch Kommazeichen abgetrennte Nachsatz nur eine
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Verstärkung des ersten Halbsatzes darstellt, kann im vorliegenden Fall dahingestellt
bleiben. Denn die Auslegung des Bezirksrevisors stellt der Sache nach eine
Beiordnung unter Ausschluss der bisher angefallenen Gebühren dar (im vorliegenden
Fall mit der Konsequenz, dass für die neu beigeordnete Beschwerdeführerin keine
Gebühren mehr verdient werden konnten, da alle Gebühren bereits für Rechtsanwältin
H festgesetzt waren). Ein solcher Ausschluss aber ist nach herrschender Meinung ohne
vorherige und ausdrückliche Zustimmung des neu beigeordneten Anwalts nicht zulässig
(vgl. Zöller-Philippi, a.a.O., § 121 Rz. 35; Musielak-Fischer, ZPO, 3. Aufl., § 121 Rz. 25;
Gebauer-Schneider, BRAGO 2002, § 125 Rz. 13; Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., §
125 BRAGO, Rz. 12; Gerold-Schmidt-v. Eiken-Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 125 Rz. 4;
Kalthoener-Büttner-Wrobel/Sachs, a.a.O., Rz. 538; OLG Köln, OLG-Report 2002, 132;
OLG Karlsruhe, FamRZ 1998, 632; OLG Hamm, FamRZ 1995, 748; KG, JurBüro 1982,
1694), denn der Vergütungsanspruch des neu beigeordneten Anwalts ergibt sich aus
seiner eigenen Tätigkeit im Rechtsstreit und den dadurch erfüllten
Gebührentatbeständen. Daraus folgt, das Gericht muss die Zustimmung des neuen
Anwaltes dazu einholen, dass er auf die Vergütung verzichtet, soweit diese schon vom
zuerst beigeordneten Anwalt verdient worden ist. Die bloße Einschränkung im
Beiordnungsbeschluss, dass keine zusätzlichen Kosten entstehen dürfen bzw. dass
bisher entstandene Gebühren angerechnet werden, reicht nicht aus. Eine
entsprechende Einschränkung im Beiordnungsbeschluss ist für das
Vergütungsfestsetzungsverfahren unbeachtlich (vgl. Zöller-Philippi, a.a.O.; Musielak-
Fischer, a.a.O.; Mü-Ko-Wax, ZPO, 2. Aufl., § 121 Rz. 20; OLG Düsseldorf, FamRZ 1993,
819). Die Tatsache, dass sich der neu beigeordnete Anwalt nicht dagegen wendet, ist
ohne Belang. Ein entsprechendes Verhalten ist auch nicht etwa als stillschweigender
Verzicht zu werten.
Ohne Belang für das vorliegende Verfahren ist auch, aus welchem Grund ein
Anwaltswechsel stattgefunden hat. Im vorliegenden Fall war von der zunächst
beigeordneten Anwältin mitgeteilt worden, dass ihr eine Fortführung des Mandats
wegen des Verhaltens des Klägers nicht mehr möglich sei. In einem solchen Fall hat
das Gericht (nur) die Wahl zwischen gänzlicher Ablehnung einer neuen Beiordnung
oder uneingeschränkter Beiordnung. Beschließt das Gericht die Beiordnung, so ist der
Anwalt gemäß § 48 Abs. 1 Ziffer 1 BRAO verpflichtet, die Vertretung der Partei in dem
Umfang zu übernehmen, der durch den Beiordnungsbeschluss festgelegt worden ist.
Entsprechend hat er für seine in diesem Rahmen entfaltete Tätigkeit Anspruch auf
Vergütung aus der Staatskasse (vgl. OLG Zweibrücken, JurBüro 1994, 749). Ohne seine
ausdrückliche Zustimmung kann diese - wie dargelegt - nicht beschränkt werden.
Soweit die Interessen der Staatskasse dadurch berührt werden, dass sie für nur ein
Verfahren die PKH-Anwaltsgebühren doppelt aufbringen muss, ist dies ein Umstand,
der vorab vom Gericht zu bedenken ist; d.h. vor Beiordnung eines neuen Anwalts ist zu
prüfen, ob es triftige Gründe für einen Anwaltswechsel gibt. Hat nämlich die Partei durch
eigenes mutwilliges Verhalten bewirkt, dass der ihr zunächst beigeordnete
Rechtsanwalt sich zu einer weiteren Vertretung nicht mehr in der Lage sieht, so kann
einer neu beantragten Beiordnung der Einwand der Verwirkung entgegengehalten
werden (OLG Hamm, FamRZ 1995, 748; Zöller-Philippi, a.a.O., § 121 Rz. 35 m.w.N.).
Dafür, ob ein solcher Fall hier gegeben ist, fehlt es an Angaben, auf die es für das
vorliegenden Verfahren aber auch nicht ankommt, da die Beiordnung eines neuen
Anwalts bereits erfolgt ist.
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Eine weitere, hier ebenfalls nicht relevante Frage ist, ob dem zuerst beigeordneten
Rechtsanwalt Gebühren, die beim zweiten Anwalt neu entstanden sind, gemäß § 25
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BRAGO nicht zu erstatten sind, da die zweite Beiordnung durch schuldhaftes Verhalten
des zuerst beigeordneten Rechtsanwalts nötig geworden ist. Insoweit ist zwischen dem
Verfahren auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes, das das Verhältnis der Partei, der
Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, zum Justizfiskus betrifft, und dem
Vergütungsfestsetzungsverfahren, dass das Verhältnis des Anwalts zum Justizfiskus
betrifft, zu unterscheiden (vgl. OLG Hamm, FamRZ 1995, 748; OLG Köln, OLG-Report
2002, 132).
Im Ergebnis hat es daher bei dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss zugunsten der
Beschwerdeführerin vom 03.12.2002 zu verbleiben, so dass auf die Beschwerde der
Beschwerdeführerin der abändernde Beschluss des Amtsgerichts vom 05.02.2003
aufzuheben war.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 128 Abs. 5 BRAGO.
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