Urteil des OLG Köln vom 07.03.2001

OLG Köln: nettoeinkommen, wesentliche veränderung, abfindung, veränderte verhältnisse, auflage, quote, bruttoeinkommen, einkommenssteuer, erwerbstätigkeit, erwerbsunfähigkeit

Oberlandesgericht Köln, 27 UF 176/00
Datum:
07.03.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 UF 176/00
Vorinstanz:
Amtsgericht Siegburg, 30 F 388/99
Tenor:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14. Juni 2000 verkündete
Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegburg ( 30 F 388/99 ) wie
folgt abgeändert: Der Beklagte wird in Abänderung des Urteils des
Oberlandesgerichts Köln vom 1. Dezember 1995 ( 4 UF 165/94 )
verurteilt, an die Klägerin einen Elementarunterhalt in Höhe von
1.779,00 DM, damit insgesamt Unterhalt in Höhe von 2.228,00 DM
(1.779,00 DM Elementarunterhalt, 289,00 DM Altersvorsorgeunterhalt
und 160,00 DM Krankenvorsorgeunterhalt), zahlbar ab 1. Februar 2000
monatlich im voraus bis zum 3. Werktag eines jeden Kalendermonats,
abzüglich zwischenzeitlich geleisteter Zahlungen, zu zahlen. Im übrigen
wird die Klage abgewiesen. 2. Im übrigen wird die Berufung
zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz tragen
die Klägerin zu 80 % und der Beklagte zu 20 %. 3. Die Kosten des
Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 75 % und der Beklagte zu
25 %. 4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die Klägerin kann in Abänderung des
Urteils des Oberlandesgerichts Köln vom 1. Dezember 1995 gemäß § 323 Abs. 1 und 3
ZPO die Zahlung eines erhöhten Elementarunterhaltes ab dem 1. Februar 2000 in Höhe
von 1.779,00 DM verlangen. Hinsichtlich des weitergehenden Klagebegehrens ist die
Berufung zurückzuweisen.
2
1.
3
Durch das Urteil des OLG Köln vom 1. Dezember 1995 ist der Beklagte verurteilt
worden, an die Klägerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.756,00 DM, davon
1.307,00 DM Elementarunterhalt, 289,00 DM Altersvorsorgeunterhalt und 160,00 DM
Krankenvorsorgeunterhalt als Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zu
zahlen. Das OLG hat ein Bruttoeinkommen des Beklagten von jährlich 145.600,00 DM
zugrundegelegt. Hinzuzurechnen seien eine Bonifikation von 26.400,00 DM und ein
Fahrtkostenzuschuss von 11.400,00 DM. Auf dieser Grundlage hat es unter
Berücksichtigung steuerrechtlich relevanter Abzüge ein zu versteuerndes Einkommen
von 101.895,00 DM errechnet und davon die Einkommenssteuer und den
4
Solidaritätszuschlag mit 31.661,00 DM und 2.375,00 DM ermittelt. Das Nettoeinkommen
wird in dem Urteil mit 111.564,00 DM (monatlich 9.297,00 DM) angegeben. Dies ergibt
sich, wenn man von dem Bruttoeinkommen in Höhe von 145.600,00 DM die
Einkommenssteuer und Solidaritätszuschlagsbeträge abzieht. Die Bonifikation und den
Fahrtkostenzuschuss hat das Oberlandesgericht - offensichtlich aus Versehen - bei der
Ermittlung des Nettoeinkommens nicht mehr berücksichtigt. Für die Ermittlung des
bereinigten Nettoeinkommens wurden von dem monatlichen Nettoeinkommen von
9.297,00 DM abgezogen: 453,60 DM Krankenversicherung, 203,30 DM
Zusatzversicherung, 978,90 DM Renten- und Arbeitslosenversicherung, 385,00 DM
Versorgungskasse, 258,00 DM Direktlebensversicherung, 1.150,00 DM Kosten für
Fahrten zur Arbeitsstelle, 1.274,76 DM Kosten für Dienstfahrten und 338,63 DM
Verpflegungskosten. Daraus errechnete sich ein bereinigtes Nettoeinkommen von
4.255,00 DM, wovon 160,00 DM für die Krankenzusatzversicherung der Klägerin
abgesetzt wurden, so dass 4.095,00 DM verblieben. Als Einkommen der Klägerin wurde
eine fiktive Vergütung für eine halbschichtige Tätigkeit in Höhe von 700,00 DM netto im
Monat veranschlagt. Bei der Unterhaltsberechnung wurde im ersten Schritt nach der
Anrechnungsmethode ein Elementarunterhalt von 1.155,00 DM und ein monatlicher
Gesamtunterhaltsanspruch von 1.560,00 DM (1.155,00 DM + 245,00 DM
Altersvorsorgeunterhalt und 160,00 DM Krankenvorsorgeunterhalt) ermittelt. Nach
Hinzurechnung eines dem Beklagten anzurechnenden steuerlichen Vorteils von 355,00
DM wurde der Elementarunterhalt aus einem bereinigten Einkommen von 4.095,00 DM
+ 355,00 DM wie folgt berechnet: 4.450,00 DM x 3/7 = 1.907,00 DM - 700,00 DM x 6/7 =
1.307,00 DM. Das ergab einen Gesamtunterhalt von 1.756,00 DM (1.307,00 DM +
289,00 DM + 160,00 DM).
2.
5
Nach § 323 Abs. 1 ZPO kann eine Abänderung des Urteils verlangt werden, wenn eine
wesentliche Abänderung derjenigen Verhältnisse eingetreten ist, die für die Verurteilung
zu Entrichtung der Leistung maßgebend waren. Das Abänderungsverfahren ermöglicht
weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts
noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits im Ersturteil
eine Bewertung erfahren haben. Vielmehr besteht die Abänderung in einer unter
Wahrung der Grundlage des Unterhaltstitels vorzunehmenden Anpassung an
veränderte Verhältnisse. Für das Ausmaß der Abänderung kommt es darauf an, welche
Umstände für die Bemessung der Unterhaltsrente seinerzeit maßgebend waren und
welches Gewicht ihnen dabei zugekommen ist. Auf dieser durch Auslegung zu
ermittelnden Grundlage hat der Richter im Abänderungsverfahren unter
Berücksichtigung der neuen Verhältnisse festzustellen, welche Veränderungen in
diesen Umständen eingetreten sind und welche Auswirkungen sich daraus für die Höhe
des Unterhalts ergeben (st. Rspr. vgl. BGH FamRZ 1994, 1100, 1101 = NJW-RR 1994,
1155; NJW-RR 1992, 1091, 1092 jew. m.w.N.). Bei Unterhaltsansprüchen wird in der
Regel eine Änderung als wesentlich angesehen, die die Größenordnung von 10%
überschreitet (vgl. BGH FamRZ 1992, 539 = NJW 1992, 1621; Zöller/Vollkommer, ZPO
22. Aufl. § 323 Rnr. 33; Thalmann in: Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen
Praxis, 5. Auflage § 8 Rnr. 158). Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen des
§ 323 ZPO erfüllt.
6
a)
7
Allerdings liegt eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse nicht darin, dass der
8
Beklagte, als er im Dezember 1998 aus dem Arbeitsverhältnis bei dem G. K. ausschied,
eine Nettoabfindung in Höhe von 240.000,00 DM bis 250.000,00 DM erhielt. Wie das
Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich hierbei nicht um ein Einkommen,
das eheprägend war. Nach ständiger Rechtsprechung können Veränderungen nach der
Scheidung nur ausnahmsweise berücksichtigt werden, wenn ihnen eine Entwicklung
zugrundeliegt, die aus der Sicht des Scheidungszeitpunktes mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, und wenn diese Entwicklung die ehelichen
Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung bereits mitgeprägt hat, indem die
Ehegatten ihnen erkennbar schon im voraus und noch während der Ehe einen
prägenden Einfluss auf ihre Lebensverhältnisse eingeräumt haben (vgl.
Palandt/Brudermüller, BGB, 60. Auflage, § 1578 Rnr. 20 m. w. N.).
Dies trifft auf die Abfindung nicht zu. Die Klägerin hat auch im Berufungsverfahren nicht
substantiiert dargetan, dass die Abfindung ihre Grundlage in den ehelichen
Lebensverhältnissen gehabt habe. Ihrer Behauptung, es habe sich um eine Abfindung
nach § 89 b HGB gehandelt, auf die schon während der Ehezeit eine Anwartschaft
bestanden habe, ist der Beklagte damit entgegengetreten, dass er nicht
Handelsvertreter sondern Angestellter gewesen sei; die Abfindung sei mithin nicht nach
§ 89 b HGB gezahlt worden. Der Grund für sein Ausscheiden aus dem Berufsleben und
damit für die Abfindung sei eine 1997 / 1998 aufgetretene Herzerkrankung gewesen.
Die Höhe der Abfindung beruhe auch auf seinem Verhandlungsgeschick. Diesem
Vorbringen hat die Beklagte keinen substantiierten Vortrag entgegengesetzt.
9
Abgesehen davon wäre die Abfindung nicht auf die Zeit vom 1.01.1999 bis zur
Vollendung des dreiundsechzigsten Lebensjahres des Beklagten im Februar 2001
umzulegen. Zwar könnte er zu diesem Zeitpunkt bereits die Altersrente beantragen.
Dazu ist er unterhaltsrechtlich indes nicht verpflichtet, weil ihm dadurch Nachteile in der
Rentenhöhe entstünden. Legt man die Abfindung aber auf den Zeitraum bis zur
Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres des Beklagten um, so ergibt sich ein
monatlicher Betrag, der bereinigt um die Versicherungsbeträge in einer Größenordnung
von 4.100,00 DM liegt und damit nicht höher ist als das vom Oberlandesgericht
zugrundegelegte Nettoeinkommen.
10
b)
11
Der Beklagte ist daher - wovon auch das Amtsgericht zutreffend ausgeht - fiktiv so zu
behandeln, als übte er seine Erwerbstätigkeit weiter aus (vgl.
Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7.
Auflage, Rnr. 655). Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben am 31.12.1998 ist
sein bereinigtes Nettoeinkommen auf ein Niveau angestiegen, dass sich der
Elementarunterhalt um deutlich mehr als 10 % erhöht. Damit ist insoweit eine
wesentliche Änderung der Verhältnisse i.S.v. § 323 Abs. 1 ZPO eingetreten.
12
aa)
13
Das Amtsgericht hat der Einkommensberechnung die Verdienstabrechnung des
Beklagten für den Monat Dezember 1998 (Blatt 15 d.A.) zugrundegelegt und unter
Abzug von Lohnsteuer, Solidaritätsbeitrag, Renten- und Arbeitslosenversicherung ein
Nettoeinkommen von 9.248,67 DM ermittelt. Die in der Abrechnung aufgeführte
Bonifikation von 925,00 DM hat es unberücksichtigt gelassen. Dies ist für die Ermittlung
der Wesentlichkeitsschwelle nach § 323 Abs. 1 ZPO richtig, weil die Abänderungsklage
14
nicht zur Beseitigung von Rechtsfehlern, sondern zur Berücksichtigung der Änderung
derjenigen Verhältnisse bestimmt ist, die für die frühere Verurteilung maßgebend waren
(BGH NJW-RR 1992, 1091, 1092; Zöller/Vollkommer § 323 Rnr. 41). Von dem
angeführten Betrag hat das Amtsgericht zu Recht die monatlichen
Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 217,24 DM und 472,18 DM sowie die
Beiträge zur Direktlebensversicherung in Höhe von monatlich 325,70 DM in Abzug
gebracht. Ferner muss das Einkommen des Beklagten, wenn er weiterhin als
Erwerbstätiger behandelt wird, um die Fahrt- und Verpflegungskosten (1.150,00 DM,
1.274,67 DM und 338,63 DM) bereinigt werden. Das bereinigte monatliche
Nettoeinkommen hat das Amtsgericht damit zutreffend auf 5.470,22 DM errechnet.
Nicht zu folgen ist dem Amtsgericht dagegen, soweit es hiervon die Beträge für den
Altersvorsorgeunterhalt und den Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe von 160,00 DM und
245,00 DM in Abzug gebracht hat. Das entspricht einer zweistufigen Berechnung des
Elementarunterhaltes. Im Regelfall ist der Betrag des Vorsorgeunterhaltes von dem
bereinigten Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen abzusetzen und aus dem
verbleibenden Einkommen anhand der maßgebenden Quote ein neuer (endgültiger)
Elementarunterhalt zu bestimmen, um sicherzustellen, dass nicht zu Lasten des
Unterhaltspflichtigen von dem Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe der Ehegatten am
ehelichen Lebensstandard abgewichen wird. In Fällen besonders günstiger
wirtschaftlicher Verhältnisse bedarf es der zweistufigen Berechnung des
Elementarunterhaltes indessen nicht, weil der Vorsorgebedarf neben dem laufenden
Unterhaltsbedarf befriedigt werden kann, ohne dass deshalb der Halbteilungsgrundsatz
verletzt wird. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Elementarunterhaltsbedarf nicht
nach einer Quote, sondern nach dem konkreten Bedarf ermittelt wird oder wenn der
Altersvorsorgeunterhalt aus früher zur Vermögensbildung verwendeten Einkünften
aufgebracht werden kann. Dass zu Lasten des Unterhaltspflichtigen über die
Halbteilung hinausgegangen wird, ist aber auch dann nicht zu besorgen, wenn von der
Unterhaltsquote tatsächlich vorhandene oder fiktiv anzurechende Einkünfte des
Unterhaltsberechtigten abgezogen werden, durch die die ehelichen Lebensverhältnisse
nicht geprägt worden sind, wie es bei der Anwendung der Anrechnungsmethode der
Fall ist. Denn in Höhe des angerechneten Einkommens wird das die ehelichen
Lebensverhältnisse bestimmende Einkommen des Unterhaltspflichtigen zwischen den
Ehegatten nicht verteilt, sondern verbleibt ihm allein, so dass er entlastet wird. Das hat
zur Folge, dass er Altersvorsorgeunterhalt bis zu der Höhe des angerechneten
Einkommens zusätzlich zu dem Elementarunterhalt leisten kann, ohne dass ihm
weniger als die ihm an sich zustehende Quote des für die ehelichen Lebensverhältnisse
maßgebenden Einkommens verbleibt (BGH FamRZ 1999, 372, 374 = NJW - RR 1999,
297; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rnr. 357; Gutdeutsch in : Wendl/Staudigl, § 4 Rnr.
484). Dies gilt gleichermaßen für den Krankenvorsorgeunterhalt (Gutdeutsch a. a. O., § 4
Rnr. 517).
15
Ein solcher Fall liegt hier vor. Das fiktive Einkommen der Klägerin, das im Wege der
Anrechnungsmethode von dem unterhaltspflichtigen Einkommen des Beklagten
abgezogen worden ist, liegt über dem geschuldeten Vorsorgeunterhalt, so dass der
Elementarunterhalt einstufig ermittelt werden kann. Das entspricht hinsichtlich des
Altersvorsorgeunterhalts auch der Berechnungsweise in dem abzuändernden Urteil. Im
übrigen ist das abändernde Gericht an die Berechnungsmethode des Ausgangsgerichts
nicht gebunden (BGH FamRZ 1994, 1100, 1101 = NJW - RR 1994, 1156 FamRZ 1997,
281, 283 = NJW 1997, 795; Zöller/Vollkommer, § 323 Rnr. 42; Thalmann, in :
Wendl/Staudigl, § 8 Rnr. 162 b und c).
16
Für die Berechnung des Elementarunterhalts ist daher ein bereinigtes Nettoeinkommen
des Beklagten von 5.470,22 DM pro Monat zugrundezulegen. Auf den Anteil der
Klägerin von 3/7 = 2.344,39 DM ist nunmehr, weil keine Lohnsteuer mehr anfällt, unter
Berücksichtigung des Erwerbstätigenbonus von 1/7 ein monatliches Nettoeinkommen
von 780,00 DM anzurechnen, so dass sich der monatliche Elementarunterhalt auf
1.564,39 DM erhöht. Dies liegt etwa 20 % über dem tenorierten Elementarunterhalt und
überschreitet die Wesentlichkeitsschwelle von etwa 10 % deutlich.
17
bb)
18
Ist somit eine wesentliche Änderung des Verhältnisse auch ohne Berücksichtigung der
Bonifikation gegeben, so ist bei der vorzunehmenden Abänderung des Ausgangsurteils
der Fehler, der darin liegt, dass die Bonifikation versehentlich nicht in die
Unterhaltsberechnung eingeflossen ist, zu berichtigen. Denn wurde im Erstverfahren ein
Fehler bei der Feststellung des unterhaltsrechtlichen Einkommens gemacht, das sich
nachträglich erheblich ändert, so kann dieser Fehler beseitigt werden (Graba, Die
Abänderung des Unterhaltstiteln, 2. Auflage, Rnr. 361; ferner BGH FamRZ 1984, 374 =
NJW 1984, 1458; Thalmann a. a. O., § 8 Rnr. 162 b). Dies gilt hier um so mehr, als das
Oberlandesgericht in dem abzuändernden Urteil die Bonifikation als Bestandteil des
unterhaltspflichtigen Einkommens behandeln wollte.
19
In der Verdienstabrechnung des Beklagten vom Dezember 1998 ist die Bonifikation mit
925,00 DM ausgewiesen. Unter Berücksichtigung der anfallenden Steuern und der
Tatsache, dass die Bonifikation von Monat zu Monat variierte, schätzt der Senat die
anzurechenden Nettobonifikation auf 500,00 DM monatlich (§ 287 ZPO). Daraus
errechnet sich ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen des Beklagten von
5.970,22 DM und der Elementarunterhalt auf (gerundet) 1.779,00 DM (5.970,25 DM x 3/7
minus 780,00 DM).
20
3.
21
In diesem Umfange ist die Berufung begründet. Eine darüber hinausgehende Anhebung
des Elementarunterhalts steht der Klägerin nicht zu. Das bereinigte Nettoeinkommen
des Beklagten ist nicht um einen Realsplittingsvorteil zu erhöhen. In dem gemäß der
letzten Verdienstabrechnung vom Dezember 1998 zugrundegelegten Einkommen ist
der Realsplittingvorteil schon berücksichtigt, weil - wie das Amtsgericht zutreffend
ausgeführt hat - nach der Auskunft des Arbeitgebers des Beklagten vom 14.04.2000 (Bl.
131 d.A.) die zuletzt zu zahlende Lohnsteuer deshalb so gering war, weil der vom
Beklagten geltend gemachte Freibetrag die zu zahlende Unterhaltsleistung bereits
umfasste. Die Klägerin kann den Beklagten auch nicht darauf verweisen, dass er sein
Einkommen nach der Steuerklasse III/0 versteuere. Der Beklagte war bei der letzten
Gehaltsabrechnung im Dezember 1998 in der Steuerklasse IV/0 eingeordnet. Dass ist
die "normale" Steuerklasse. Die Klägerin kann als Unterhaltsberechtigte nicht
verlangen, dass der wiederverheiratete Unterhaltsschuldner die Steuerklasse III wählt,
denn das ginge zu Lasten des neuen Ehepartners (vgl. OLG Köln, FamRZ 1989, 65;
OLG Bamberg FamRZ 1996, 628; Kalthoener/Büttner/Niepmann Rnr. 862 f.; Haußleiter
in : Wendl/Staudigl, § 1 Rnr. 470 f.).
22
4.
23
Die Klägerin kann auch keinen weitergehenden Unterhalt verlangen, weil sie
krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sei, einen Teilzeiterwerbstätigkeit
nachzugehen. In dem abzuändernden Urteil ist ihr ein Aufstockungsunterhalt nach §
1573 Abs. 2 BGB zu erkannt worden. Grundlage für einen Anspruch auf Unterhalt
wegen krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit wäre § 1572 BGB. Einsatzzeitpunkt für
einen solchen Unterhalt wäre der Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung der Ehe der
Parteien am 31.05.1994. Zwar können gesundheitliche Störungen, die erst nach der
Ehescheidung zur Erwerbsunfähigkeit führen, einen Unterhaltsanspruch aus § 1572
BGB begründen, wenn sie schon im Zeitpunkt der Scheidung bestanden und sich
nachher erheblich verschlimmert haben (BGH FamRZ 1987, 684 = NJW 1987, 2229;
Kalthoener/Büttner/Niepmann Rnr. 422). Nach dem in dem ursprünglichen Verfahren
vom Oberlandesgericht eingeholten Gutachten des medizinischen Sachverständigen
Dr. W. waren bei der Klägerin radiologisch leichtgradige Veränderungen am
Skelettsystem und den Gelenken festzustellen. Außerdem litt sie an vegetativ bedingten
Beschwerden, wobei ein nervöser Erschöpfungszustand mit einer depressiven
Verstimmung hinzukam. Den von der Klägerin im vorliegenden Verfahren eingereichten
ärztlichen Bescheinigungen lässt sich nicht entnehmen, dass ihre jetzigen
Beschwerden bloß eine Verschlimmerung des vom Sachverständigen W. festgestellten
Zustandes sind. Dabei zu berücksichtigen, dass seit der Begutachtung durch den
Sachverständigen ein Zeitraum von fast sechs Jahren verstrichen ist. Außerdem
vermögen in der Anlage vorhandene Krankheiten, die sich zu dem Einsatzzeitpunkt
noch nicht ausgewirkt haben, keinen Anspruch auf Krankheitsunterhalt zu begründen,
wenn sie erst nach nachhaltiger Sicherung des Unterhalts durch Erwerbstätigkeit
auftreten (OLG Hamm, FamRZ 1999, 230, 231; OLG Karlsruhe, FamRZ 2000, 233;
Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rnr. 422; Büttner, NJW 1999, 2315, 2320). Eine
nachhaltige Sicherung des nicht schon durch die Unterhaltsleistungen des Beklagten
gesicherten Unterhaltsbedarfs der Klägerin durch deren Teilzeittätigkeit ist
anzunehmen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfange die
Klägerin einer derartigen Teilzeitbeschäftigung tatsächlich nachgegangen ist. Denn
selbst fiktive Arbeitseinkünfte können zu einer (ebenfalls fiktiven) nachhaltigen
Sicherung führen; sonst käme es zu einer ungerechtfertigten Besserstellung desjenigen,
der seine Erwerbsobliegenheit verletzt (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rnr. 436). Dass
die Klägerin in dem Zeitraum nach Erlass des Ersturteils ihrer Erwerbsobliegenheit in
der gebotenen Weise nachgekommen sei, hat sie nicht substantiiert dargelegt.
24
5.
25
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 8, 711, 713 ZPO.
26
Berufungsstreitwert: 27.088,00 DM (6.772,00 DM Rückstand + (3.000 minus 1.307) x
12), ab teilweiser Rücknahme der Berufung am 31. Januar 2001: 14.316,00 DM
(2.500,00 DM minus 1.307,00 DM) x 12).
27