Urteil des OLG Köln vom 16.01.2001

OLG Köln: beratung, vertretung, fürsorge, eherecht, eigenschaft, einverständnis, verkäuferin, ausnahmefall, gerichtsbarkeit, waffengleichheit

Oberlandesgericht Köln, 4 WF 1/01
Datum:
16.01.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 WF 1/01
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 40 F 324/00
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert und der
Antragstellerin Rechtsanwältin M.-P. in 5. A. zu den Bedingungen eines
beim Amtsgericht Bonn ansässigen Rechtsanwalts im Rahmen der
bewilligten Prozesskostenhilfe beigeordnet.
G r ü n d e :
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Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.
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Nach § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Partei ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die
Vertretung durch einen Anwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen
Rechtsanwalt vertreten ist. Die Vorschrift gilt über § 14 FGG entsprechend im Verfahren
der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
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Die zweite Alternative des § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist nicht erfüllt; denn der
Antragsgegner ist nicht anwaltlich vertreten. Er beteiligt sich bislang nicht am Verfahren,
reagiert weder auf die Anfragen des zuständigen Jugendamtes noch auf die
gerichtlichen Mitteilungen. Die Wahrung der sogenannten Waffengleichheit setzt aber
voraus, dass die anwaltliche Vertretung des Gegners feststeht (vgl. dazu Zöller/Philippi,
ZPO, 22. Aufl., § 121 Rdnr. 9 m.w.N.).
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Entgegen der abweichenden Ansicht des Amtsgerichts hält der Senat jedoch die
Beiordnung eines Anwaltes für erforderlich. Allgemein ist der Begriff der Erforderlichkeit
eher weit auszulegen, was in der Praxis zur Umkehrung der Regel-Ausnahme-Fassung
des § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO führt (vgl. dazu Zöller, Rdnr. 4). Auch
Sorgerechtsangelegenheiten erfordern schon wegen der besonderen Bedeutung und
Auswirkung auf die Lebensumstände der Betroffenen in aller Regel die Beiordnung
eines Anwalts. Der Partei ist deshalb ein Anwalt beizuordnen, es sei denn, dass der
Einzelfall so einfach und die hilfsbedürftige Partei so geschäftsgewandt ist, dass
anwaltliche Unterstützung entbehrlich erscheint.
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Unter Beachtung dieser Kriterien ist vorliegend kein Ausnahmefall gegeben, in dem die
Beiordnung eines Anwaltes entbehrlich ist. Der Amtsermittlungsgrundsatz in
Sorgerechtsangelegenheiten (§ 12 FGG) und - worauf das Amtsgericht in erster Linie
abstellt - das außergerichtliche Einverständnis des Antragsgegners mit der begehrten
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Regelung machen es der Antragstellerin nicht schon ohne weiteres zumutbar, das
gerichtliche Verfahren ohne anwaltlichen Beistand zu führen. Auch in derartigen
Verfahren kommt es auf die persönliche Fähigkeit der Partei zur sachgerechten
Wahrung ihrer Interessen an, weil gerichtliche Fürsorge hierfür kein Ersatz ist, der
Richter nicht zugleich objektiv sein und gezielt die Interessen einer Partei vertreten
kann. Die Zustimmung des Antragsgegners zur begehrten Regelung (§ 1671 Abs. 2 Nr.
1 BGB) ist nicht bindend (vgl. Johannsen/Jaeger, Eherecht, 3. Aufl., § 1671 BGB Rdnr.
22 ff). Der Antragsgegner kann sie frei widerrufen, abgesehen davon, dass er sich bis
zur Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuches der Antragstellerin hierzu
gerade nicht bekannt und seine Mitwirkung bislang verweigert hat.
Vor allem aber kann nicht davon ausgegangen werden, die Antragstellerin sei so
geschäftsgewandt, dass sie im obligatorischen Anhörungstermin, der noch aussteht,
allein vor Gericht auftreten könne. Nach der Erklärung über ihre persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse ist die 36 Jahre alte Antragstellerin gelernte Verkäuferin.
Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sie in dieser Eigenschaft
über ausreichende Erfahrungen in Kontakten mit Ämtern und Behörden verfügt und
diesen gegenüber ihre Belange in ausreichendem Maße mündlich und schriftlich
vertreten kann. Nach dem Beschwerdevorbringen war ihr vielmehr - was nahe liegt -
ohne anwaltliche Beratung nicht bekannt, dass die Zustimmung des anderen Elternteils
zur Sorgerechtsänderung ausreichen kann. Diese Antragsvoraussetzung wurde durch
vorgerichtliche Kontakte der Anwälte beider Parteien - zunächst - erst geschaffen.
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Bei solcher Sachlage bedeutet die Versagung der Anwaltsbeiordnung schließlich auch
eine Schlechterstellung der hilfsbedürftigen Partei gegenüber anderen Personen, die
auf Prozesskostenhilfe nicht angewiesen sind. Denn eine vermögende Partei, selbst
wenn sie auf Sparsamkeit bedacht ist, würde bei der hier gegebenen Konstellation zur
Überzeugung des Senats die anwaltliche Begleitung nicht nach einer bloßen
außergerichtlichen Beratung aufgeben, um danach das Sorgerechtsverfahren als
solches ohne anwaltlichen Beistand zu Ende zu bringen.
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