Urteil des OLG Köln vom 28.01.1994
OLG Köln (einstellung des verfahrens, fortbildung, zulassung, verfolgungsverjährung, zeuge, verjährung, staatsanwaltschaft, verkehr, eintritt, tag)
Oberlandesgericht Köln, Ss 570/93 -291 Z-
Datum:
28.01.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
Ss 570/93 -291 Z-
Tenor:
I. Der Zulassungsantrag wird als offensichtlich unbegründet verworfen. II.
Die Rechtsbeschwerde gilt damit als zurückgenommen. III. Die Kosten
des Verfahrens vor dem Beschwerdegericht trägt die Betroffene.
G r ü n d e
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Durch Bußgeldbescheid vom 8. Dezember 1992 hat die Ver-waltungsbehörde gegen
die Betroffene wegen Verweigerung der Personenangaben (§ 111 Abs. 1 OWiG),
begangen am 10. September 1992, eine Geldbuße von 100,00 DM fest-gesetzt. Die
Betroffene hat gegen den Bußgeldbescheid, ihr zugestellt am 10. Dezember 1992,
durch ihren Ver-teidiger am selben Tag Einspruch eingelegt. Nachdem die
Verwaltungsbehörde den Bediensteten, der die Betroffene erfolglos zur
Personalienangabe aufgefordert haben will, am 6. April 1993 vernommen hatte, ist der
Vorgang der Staatsanwaltschaft zugeleitet worden, wo er am 27. Mai 1993 eintraf. Durch
Verfügung vom 4. Juni 1993 hat die Staatsanwaltschaft die Akten an das zuständige
Amtsgericht gesandt. Dort sind sie am 8. Juni 1993 eingegangen. Das Amtsgericht hat
die Betroffene durch Urteil vom 27. August 1993 wegen eines (vorsätzlichen) Verstoßes
gegen § 111 OWiG zu einer Geldbuße von 50,00 DM verurteilt. Nach den
Feststellungen parkte die Betroffene den von ihr gesteuerten PKW am 10. Sep-tember
1992 gegen 20.20 Uhr auf der M. Straße, A., in einem für Anwohner reservierten
Bereich, obwohl sie keine Parksonderberechtigung für Anwohner hatte. Deshalb
brachte der Zeuge S. in seiner Eigenschaft als städtische Überwachungskraft für den
ruhenden Verkehr eine gebührenpflichtige Verwarnung am Fahrzeug an. Als die
Betroffene zusammen mit ihrem Ehemann und einer weiteren Person zum Wagen
zurückkehrte, forderte der Zeuge S. sie unter Vorlage seines Dienstausweises auf, ihre
Personalien anzugeben. Dieser Aufforderung kam die Betroffene nicht nach. Nachdem
ihr Ehemann den Verwarnungszettel an sich genommen und erklärt hatte, das
Verwarnungsgeld werde bezahlt, fuhr die Betroffene am Steuer des Wagens mit den
beiden anderen Personen davon.
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Gegen das Urteil richtet sich der Zulassungsantrag der Betroffenen mit der Sachrüge.
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
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Im angefochtenen Urteil ist lediglich eine Geldbuße von 50,00 DM festgesetzt worden.
Nach § 80 Abs. 1 und 2 OWiG kann daher die Rechtsbeschwerde nur zugelassen
werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur
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Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG) oder das
Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuhe-ben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Eine Rüge des Inhalts, das Amtsgericht habe den Grund-satz des rechtlichen Gehörs
(Art. 103 Abs. 1 GG) miß-achtet, ist nicht erhoben worden.
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Die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts kommt
ebensowenig in Betracht. Die Fortbildung des Rechts im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1
OWiG besteht darin, Leitsätze für die Auslegung von Ge-setzesbestimmungen des
materiellen Rechts aufzustellen und zu festigen oder Gesetzeslücken
rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. BGH St 24, 15, 21 = VRS 40, 134, 137). Durch die
Zulassung sollen die Rechtsbeschwerde-gerichte Gelegenheit erhalten, ihre
Rechtsauffassung in einer für die nachgeordneten Gerichte richtungsgebenden Weise
zum Ausdruck zu bringen oder durch Vorlage nach § 121 Abs. 2 GVG eine
Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs herbeizuführen (vgl. Göhler, OWiG, 10.
Aufl., § 80 Rn. 3). Die Fortbildung des Rechts ist somit nur möglich bei Rechtsfragen, die
entschei-dungserheblich, klärungsbedürftig und durch Aufstellen abstrakt-genereller
Regeln verallgemeinerungsfähig sind (vgl. OLG Düsseldorf, VRS 81, 375, 378; KK
OWiG-Steindorf, § 80 Rn. 37). Die Verfolgungsverjährung ist im Zulas-sungsverfahren,
wo sie gemäß § 80 Abs. 5 OWiG regelmä-ßig außer Betracht zu bleiben hat, nur dann
zu prüfen, wenn es gerade wegen dieser Frage geboten erscheint, die
Rechtsbeschwerde zuzulassen, um hierzu ein klären-des Wort zu sprechen (vgl. OLG
Frankfurt ZfS 1991, 322; OLG Hamm NStZ 1988, 137; Göhler a.a.O. § 80 Rn. 24).
Während vielfach angenommen wird, daß zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung oder wegen Versagung des rechtlichen Gehörs auch dann zugelassen
werden kann, wenn die Sache verjährt und daher keine Sachent-scheidung mehr
möglich ist (vgl. BayObLG NStZ 1988, 227; NZV 1989, 34; bei Bär DAR 1991, 373; OLG
Hamm NJW 1988, 2630; (SenE NZV 1993, 124 = VRS 84, 106) Göhler a.a.O. sowie
NStZ 1992, 77; anderer Auffassung: OLG Celle NStZ 1991, 396; VRS 74, 383; KK
OWiG-Steindorf § 80 Rn. 60), ist, soweit ersichtlich, allgemein anerkannt, daß die
Zulassung der Rechtsbe-schwerde zur Fortbildung des Rechts bei Eintritt der
Verfolgungsverjährung nicht stattfinden kann (vgl. Göhler a.a.O.).
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Nach diesen Grundsätzen scheidet im vorliegenden Fall eine Zulassung der
Rechtsbeschwerde aus. Zwar ist die Frage, ob eine städtische Überwachungskraft für
den ruhenden Verkehr berechtigt ist, bei Parkverstößen die Personalien der zu den
Fahrzeugen zurückkehrenden Fahr-zeugführer zu erheben, in der Rechtsprechung -
soweit ersichtlich - bisher noch nicht behandelt und geklärt worden. Gleichwohl kann
eine Zulassung der Rechtsbe-schwerde zur Klärung dieser Rechtsfrage nicht erfolgen,
weil Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
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Die Ordnungswidrigkeit gemäß § 111 OWiG, die im Höchst-maß mit einer Geldbuße von
1.000,00 DM geandet werden kann (§ 111 Abs. 3 OWiG), verjährt nach § 31 Abs. 2 Nr. 4
OWiG in 6 Monaten (vgl. Göhler, a.a.O. § 111 Rn. 24). Zwar ist die Verjährung durch
Erlaß des Buß-geldbescheids am 8. Dezember 1992 unterbrochen worden (§ 33 Abs. 1
Nr. 9 OWiG) und begann an diesem Tag von neuem (§ 33 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Mit
Ablauf des 7. Juni 1993 ist die Verfolgungsverjährung jedoch endgültig eingetreten (vgl.
zur Fristberechnung: Göhler a.a.O. § 31 Rn. 16 m. w. N.). Legt die Staatsanwaltschaft
die Akten während des Laufs der Verjährungsfrist gemäß § 69 Abs. 4 Satz 2 OWiG dem
Richter vor, hat diese Handlung nach § 31 Abs. 1 Nr. 10 OWiG zwar
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verjährungsunterbre-chende Wirkung. Hier erfolgte die Aktenvorlage jedoch erst am 8.
Juni 1993 und damit nach Eintritt der Verjährung. Daß der Zeuge S. am 6. April 1993
durch die Verwaltungsbehörde vernommen worden ist, begründet ebenfalls keine
Verjährungsunterbrechung, denn diese wird nur durch die richterliche Vernehmung
eines Zeugen oder deren Anordnung herbeigeführt (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).
Da die Rechtsbeschwerde, würde sie zugelassen, nur die Einstellung des Verfahrens
wegen des Verfahrenshinder-nisses der Verjährung zur Folge hätte, ohne daß das
Rechtsbeschwerdegericht Gelegenheit bekäme, sich zur Fortbildung des Rechts mit
entscheidungserheblichen und klärungsbedürftigen Rechtsfragen auseinanderzusetzen,
muß der Zulassungsantrag, der keine Möglichkeit zur
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Rechtsfortbildung gibt, im Ergebnis erfolglos bleiben und mit der Kostenfolge aus § 46
Abs. 1 OWiG i. V. m. § 473 StP0 verworfen werden.
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