Urteil des OLG Köln vom 20.03.1998
OLG Köln (verwalter, amt, kündigung, eigentümer, 1995, versammlung, bezug, wirksamkeit, abstimmungsergebnis, kausalität)
Oberlandesgericht Köln, 16 WX 27/98
Datum:
20.03.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 WX 27/98
Normen:
WEG § 24 ABS. 3;
Leitsätze:
Einberufung der Eigentümerversammlung durch den zurückgetretenen
Verwalter
WEG § 24 Abs. 3 Der von seinem Amt zurückgetretene Verwalter ist
nicht mehr berechtigt, seinerseits eine Eigentümerversammlung
einzuberufen, auf der über seine erneute Bestellung beschlossen
werden soll. Das gilt auch dann, wenn eine Mehrheit der Eigentümer ihn
umgestimmt hatte, das aufgegebene Amt wieder zu übernehmen.
16 Wx 27/98 29 T 283/96 LG Köln 35 II 16/96 AG Köln
OBERLANDESGERICHT KÖLN B E S C H L U S S
In der Wohnungseigentumssache
pp.
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine
Mitglieder Dr. Schuschke, Becker und Dr. Ahn-Roth
am 20. März 1998
b e s c h l o s s e n :
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin vom 19.1.1998
wird der Beschluß der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 1.
Dezember 1997 - 29 T 283/96 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Der
Beschluß der Eigentümerversammlung der
Wohnungseigentümergemeinschaft G. - 5 vom 12. Februar 1996 zu TOP
5 wird für ungültig erklärt.
Die Verfahrenskosten aller Instanzen werden den Antragsgegnern
auferlegt; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Rechtskraft:
unanfechtbar
G r ü n d e
1
Die weitere Beschwerde nach § 45 WEG, §§ 27, 29 FGG ist zulässig, insbesondere
rechtzeitig eingelegt. Zwar fehlt der übliche durch Vorlage des Empfangsbekenntnisses
zu erbringende Nachweis über das Zustellungsdatum des angefochtenen Beschlusses,
indes hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin anwaltlich versichert, daß
die Entscheidung des Landgerichts ihm am 5.1.1998 zugestellt worden sei, so daß
dieses Datum als Zustellungszeitpunkt zugrundezulegen ist. Mithin ist durch das am 19.
1.1998 eingelegte Rechtsmittel die 2-Wochen-Frist gewahrt, § 45 Abs. 1 WEG, § 577
Abs. 2 ZPO. Die weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zu der
beantragten Ungültigkeitserklärung des Beschlusses; der Antrag zu TOP 2 ist
inzwischen für erledigt erklärt worden, so daß es hierzu nur noch einer
Kostenentscheidung bedürfte. Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht
rechtsfehlerfrei, denn sie verkennt, daß die zunächst angefochtenen Beschlüsse an
einem Einberufungsmangel leiden,der nicht geheilt werden kann, § 27 Abs. 1 FGG, §
550 ZPO. Zu der Versammlung vom 12.2.1996 hat nämlich der Beteiligte zu 6. durch
Schreiben vom 31.1.1996 eingeladen, obgleich er zu diesem Zeitpunkt als Verwalter der
Wohnungseigentumsanlage nicht mehr im Amt war, wovon auch das Landgericht zu
Recht ausgegangen ist.
2
Mit Schreiben vom 30.6.1995, das an alle übrigen Eigentümer gerichtet war und auf das
die amtsgerichtliche Entscheidung vom 30.8.1996 unter Verweis auf das Verfahren 35 II
57/95 AG Bergisch Gladbach Bezug nimmt, hat der Beteiligte zu 6. unzweifelhaft sowohl
den Verwaltervertrag fristlos gekündigt, als auch sein Amt niedergelegt. Dies ergibt sich
aus der von ihm gewählten Formulierung: "... bei der Tagesordnung der
Eigentümerversammlung am 27.6.1995 lautete der Tagesordnungspunkt: Niederlegung
der Hausverwaltung, was ich hiermit mit sofortiger Wirkung vollziehe." Der Wille zur
sofortigen Kündigung und Amtsniederlegung wird durch den weiteren Inhalt des
Schreibens unterstrichen, indem er eine Abrechnung des Rücklagenkontos beifügt, die
Abrechnung für den Zeitraum 1993 und 1994 erstellt sowie mit dem Bemerken "da ich
die Verwaltung nicht mehr weiterführe ..." die Absicht zeigt, Guthabensbeträge an die
Eigentümer auszuzahlen (vgl. Bl. 15 d. A. 35 II 57 /95 AG Bergisch Gladbach, die in 1.
Instanz vorgelegen haben und auf die die Parteien in 2. Instanz Bezug genommen
haben). Mit dieser Erklärung hat der Beteiligte zu 6. wirksam den Verwaltervertrag aus
wichtigem Grund (entsprechend § 626 Abs. 1 BGB) gekündigt (vgl. hierzu
Bärmann/Pick/Merle, WEG, 7. Aufl., § 26, Rz. 193). Vorangegangen war nämlich eine
Eigentümerversammlung vom 27.6.1995, bei der es zu heftigen Auseinandersetzungen
zwischen der Beteiligten zu 1. und dem Beteiligten zu 6. sowie weiteren Eigentümern
gekommen und die letztlich ohne Beschlußfassung und - im übrigen - auch ohne
Protokollerstellung abgebrochen worden war. Nach dem Verlauf dieser
Eigentümerversammlung ist davon auszugehen, daß zumindest zwischen den
Beteiligten zu 1. und zu 6. das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört war, so daß dem
damaligen Verwalter unter Bezug auf diesen Vorfall ein außerordentliches
Kündigungsrecht zuzubilligen ist. Da der Verwalter mit Kündigung des
Verwaltervertrages zugleich seine Organstellung verliert - das Vorhandensein eines
wirksamen Verwaltervertrages ist konstitutive Voraussetzung zur Erlangung diese
Organstellung (so die herrschende, zutreffende Meinung, beipielsweise
Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 26, Rz. 25 und 192 m.w.N.) -, beinhaltet mithin die
Kündigung des Vertrages stets auch eine Niederlegung des Amtes. Im vorliegenden
Fall entpricht dies auch dem im Schreiben vom 30.6.1995 zum Ausdruck gebrachten
Willen des Beteiligten zu 6., der selbst die "Niederlegung der Hausverwaltung" erklärt.
3
Soweit der Beteilige zu 6. im Juli desselben Jahres mit vier weiteren Eigentümern
4
überein gekommen war, die Verwaltung weiterzuführen, bleibt diese Abmachung
folgenlos, weil sie nicht auf einem wirksamen Eigentümerbeschluß beruht; eine
eventuell denkbare schriftliche Beschlußfassung scheitert schon an der gem. § 23 Abs.
3 WEG geforderten Einstimmigkeit, da die Antragstellerin im Gegensatz zu den anderen
Eigentümern ihr schriftliches Einverständnis mit einer weiteren Verwaltungstätigkeit des
Beteiligten zu 6. nicht erklärt hat.
Die Einberufung der Versammlung vom 12.2.1996 durch den Beteiligten zu 6. verstößt
somit gegen § 24 Abs. 3 WEG. Die Versammlung hätte von dem Vorsitzenden des
Verwaltungsbeirates einberufen werden müssen, sofern ein solcher gewählt worden ist;
nach Aktenlage ist dies hier allerdings nicht der Fall. Ansonsten ist bis zur
rechtswirksamen Neubestellung ein Notverwalter durch das Gericht zu bestimmen, § 26
Abs. 3 WEG, der ggfs. zur Wohnungseigentümerversammlung einzuladen hat. Dieser
Fehler hat die Anfechtbarkeit der in dieser Eigentümerversammlung gefaßten
Beschlüsse zur Folge. In Fortführung seiner Rechtsprechung (vgl. Beschluß d. Senats
vom 9.1.1996, WE 96, 311) folgt der Senat der überwiegend vertretenen Meinung, daß
auf diese Weise zustande gekommene Beschlüsse zwar rechtswidrig, jedoch nicht
nichtig sind (vgl. z.B. BayObLG MDR 82, 323; OLG Frankfurt OLGE 85, 142; KG OLGE
90, 421 sowie weitere Nachweise bei OLG Köln WE 96, 311).
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Eine Heilung des Einberufungsmangels kommt nicht in Betracht. Weder kann die im Fall
einer nachträglichen Ungültigkeitserklärung einer Verwalterbestellung eingreifende
Rechtsprechung zur Wirksamkeit vorangegangener Einladungen zur Anwendung
kommen, noch kann der Verfahrensfehler mangels Kausalität unberücksichtigt bleiben,
wie das Landgericht zu Unrecht meint.
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Soweit die überwiegende Rechtsprechung dem Verwalter, dessen Wahl später im
Beschlußanfechtungsverfahren gem. § 23 Abs. 4 WEG für ungültig erklärt wird, noch ein
Einberufungsrecht zuspricht (so z.B. OLG Hamm, NJW-RR 92, 722; BayObLG, NJW-RR
91, 531), kann diese Rechtsprechung nicht auf den vorliegenden Fall angewandt
werden. Denn im Gegensatz zu den erwähnten Fällen hat hier der Verwalter selbst in
deutlicher Form das Amt niedergelegt, während bei einer Beschlußanfechtung durch
(einen) Eigentümer für die anderen Miteigentümer oftmals während der Verfahrensdauer
nicht hinreichend klar ist, ob es bei der Bestellung des Verwalters bleibt. Um die
Auswirkungen dieses unerfreulichen Schwebezustandes möglichst gering zu halten,
wird von der Rechtsprechung unter Heranziehung der Regeln der Anscheinsvollmacht
jedenfalls das Einberufungsrecht des Verwalters für wirksam erachtet. Ein solcher
Schwebezustand fehlt hingegen im vorliegenden Fall, auch wenn die Beteiligten
nachträglich über die Wirksamkeit der Kündigung bzw. der Amtsniederlegung gestritten
haben. Anders als in den erwähnten Fällen ist hier für alle Beteiligten bei einer
Einladung durch den "ehemaligen" Verwalter die Problematik der Wirksamkeit dieser
"Verwaltungsmaßnahmen" ohne weiteres erkennbar. Die Ursächlichkeit des
Einberufungsmangels für das Abstimmungsergebnis wird vermutet. Eine Anfechtung
bliebe lediglich dann erfolglos, wenn der Beschluß ohne den Fehler ebenso zustandege
kommen wäre. Die Vermutung wäre zu widerlegen; bei vernünftiger Betrachtung dürfte
ein Einfluß des Fehlers auf das Abstimmungsergebnis unter keinen Umständen in
Betracht kommen (BGH NJW 72, 1320; Senat vom 9.1.1996, WE 96, 311 ; OLG Hamm
WE 96, 33 je m.w.N.). Hierbei sind strenge Maßstäbe anzulegen. Die Vermutung einer
Kausalität des Fehlers für das Beschlußergebnis ist im vorliegenden Fall nicht
ausgeräumt. Allein das deutliche Abstimmungsergebnis zugunsten des Beteiligten zu 6.
(5 : 1) reicht zur Widerlegung nicht aus. Sonstige konkrete Umstände, die für eine
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mangelnde Kausalität sprechen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr kann nicht
ausgeschlossen werden, daß bei einer Einladung zur Eigentümerversammlung durch
einen Dritten bereits andere Tagesordnungspunkte angesetzt bzw. die vorgesehenen
Punkte anders dargestellt worden wären, was ohne weiteres Einfluß auf das
Abstimmungsverhalten haben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Da auch die Anfechtung des inzwischen
für erledigt erklärten TOP 2 erfolgreich gewesen wäre, haben die Antragsgegner auch
insoweit eine Kostentragungspflicht. Gründe, von dem Grundsatz des § 47 S. 2 WEG
abzuweichen, lagen nicht vor. Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 3.000,-
DM
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Dr. Schuschke Becker Dr. Ahn-Roth
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