Urteil des OLG Köln vom 08.05.2001

OLG Köln: eintritt des versicherungsfalles, anhörung, versicherungsnehmer, parkplatz, abreise, fahrzeug, entwendung, urlaub, diebstahlversicherung, polizei

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 9 U 68/00
08.05.2001
Oberlandesgericht Köln
9. Zivilsenat
Urteil
9 U 68/00
Landgericht Köln, 24 O 312/98
Die Berufung des Klägers gegen das am 16.03.2000 verkündete Urteil
der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 312/98 - wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist in der Sache nicht
begründet.
Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu recht abgewiesen.
Dem Kläger stehen wegen der behaupteten Entwendung seines PKW Opel Calibra,
amtliches Kennzeichen .-.. ..., aus der abgeschlossenen Teilkaskoversicherung gemäß §
12 Nr. 1 I b AKB gegen die Beklagte keine Entschädigungsansprüche zu. Der Kläger hat
den Eintritt des Versicherungsfalles nicht nachzuweisen vermocht.
1. Zwar ist der Kläger entgegen der Auffassung des Landgerichts mit seinem Vorbringen
aus dem Schriftsatz vom 08.02.2000 im zweiten Rechtszug nicht nach
§ 528 Abs. 3 ZPO ausgeschlossen. Das Landgericht hat dieses Vorbringen nicht gemäß
§ 296 ZPO - das Landgericht sagt nicht, ob nach Abs. 1 oder nach Abs. 2 - rechtswirksam
zurückgewiesen.
Mangels der für eine Zurückweisung nach § 296 Abs. 1 ZPO erforderlichen Fristsetzung
konnte hier nur § 296
Abs. 2 ZPO für die Zurückweisung in Betracht kommen. Es fehlt im angefochtenen Urteil
jedoch an einer ausreichenden Begründung der Voraussetzungen dieser Norm. Das
Landgericht führt weder aus, warum die Erledigung des Rechtsstreits bei Beachtung des
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Vorbringens des Klägers "ganz erheblich verzögert" worden wäre - die lapidare Wendung
"offenkundig" ersetzt eine solche Begründung nicht - noch begründet es die für eine
Zurückweisung nach § 296 Abs. 2 ZPO erforderliche grobe Nachlässigkeit des Klägers.
Der vorletzte Satz der Entscheidungsgründe "Gründe, die die Verspätung als
nachvollziehbar und unverschuldet erscheinen lassen könnten, hat der Kläger nicht
vorgetragen" lässt im Gegenteil die Möglichkeit einer nur leichten prozessualen
Nachlässigkeit des Klägers offen, was für eine Zurückweisung seines Vorbringens nach §
296 Abs. 2 ZPO jedoch nicht ausreicht. Sollte das Landgericht hierbei dennoch auf
§ 296 Abs. 1 ZPO und die dort vorgesehene "genügende Entschuldigung" abgestellt
haben, wäre dies aus den eingangs genannten Gründen rechtsfehlerhaft.
1. Die Rechtsprechung gewährt dem Versicherungsnehmer in der Diebstahlversicherung
Beweiserleichterungen für den Nachweis des Versicherungsfalles. Den Vollbeweis für eine
Entwendung seines Fahrzeugs wird der Versicherungsnehmer in den allerwenigsten
Fällen führen können. Der Täter wird nicht ermittelt. Zeugen für das unmittelbare
Entwendungsgeschehen stehen meist nicht zur Verfügung.
Verlangte man in der Diebstahlversicherung - wie sonst üblich - den Vollbeweis, wäre
die Kaskoversicherung in den häufigen Fällen fehlender Tataufklärung für den
Versicherungsnehmer vielfach ohne Wert.
Aus diesen Gründen braucht der Versicherungsnehmer in der Diebstahlversicherung
lediglich einen Sachverhalt darzulegen und zu beweisen, der mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Fahrzeugentwendung zulässt (BGH VersR 84, 29
und ständig). Verlangt wird nicht der Vollbeweis, sondern nur der Nachweis des äußeren
Bildes einer Fahrzeugentwendung. Dazu reicht in der Regel der Nachweis, dass der
Versicherungsnehmer sein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten
Ort abgestellt und dort später nicht wieder aufgefunden hat (BGH R+S 95, 288 = VersR 95,
909 und ständig). Für diesen Mindestsachverhalt des äußeren Bildes muss der
Versicherungsnehmer allerdings den Vollbeweis erbringen (BGH R+S 93, 169 = VersR 93,
571 und ständig).
Kann der Versicherungsnehmer für den zu fordernden Nachweis des äußeren Bildes
keines der üblichen Beweismittel wie z. B. einen Zeugen aufbringen, kann der Nachweis
gemäß § 286 ZPO unter Umständen auch mit seinen eigenen Angaben erbracht werden,
wenn ihnen denn geglaubt werden kann (BGH R + S 91, 221 = VersR 91, 917; R + S 92,
221 = VersR 92, 867).
1. Da der Kläger Zeugen für die Entwendung seines Fahrzeugs nicht benennen konnte,
hat ihn der Senat gemäß § 141 ZPO im Termin vom 20.03.2001 persönlich angehört. Nach
dem Ergebnis dieser Anhörung ist das für den Nachweis des Versicherungsfalles
erforderliche äußere Bild einer Fahrzeugentwendung jedoch nicht bewiesen.
Wann der Kläger mit seinem Fahrzeug zuletzt gefahren ist und es auf dem Parkplatz an
der S. Straße in K. (nicht S.) abgestellt hat, konnte trotz intensiver Befragung des Klägers
nicht zuverlässig festgestellt werden.
Der Kläger hat im Verlauf der Anhörung verschiedene Zeitpunkte für das letzte Abstellen
seines Fahrzeugs genannt. Auf entsprechende Vorhalte und Nachfragen wich der Kläger
immer wieder aus. Er konnte sich nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt für das Abstellen
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seines Fahrzeugs festlegen, hat die von ihm zuvor genannten Zeitpunkte jeweils wieder in
Frage gestellt und sich dabei auf mangelnde Erinnerung berufen, so dass aus seiner
Anhörung letztlich ein klares Bild nicht zu gewinnen war. Im einzelnen:
Auf die Frage, wann er sein Fahrzeug zuletzt auf dem von ihm angegebenen Parkplatz
an der S. Straße abgestellt habe, hat der Kläger zunächst angegeben "an dem Tag meiner
angeblichen Abreise nach Polen." Zum Verständnis des Begriffs "angebliche Abreise" ist
zu sagen, dass der Kläger seinen Angaben zufolge zwar für einen Tag nach Polen hin- und
zurückgereist ist, vor seiner Ehefrau einen Urlaub in Polen vorgetäuscht hat, den er aber
mit einer weiblichen Person im weiteren Umkreis seines Wohnortes verbracht hat.
Des weiteren hat der Kläger angegeben, dass er sich an den genauen Tag seiner
Abreise nach Polen nicht mehr erinnern könne, es sei Ende Mai oder Anfang Juni 1997
gewesen, wahrscheinlich Anfang Juni und wahrscheinlich an einem Freitag. Nachdem ihn
jeweils der letzte Freitag im Mai 1997 und der erste Freitag im Juni 1997 mit dem 30.05.
und dem 06.06.1997 genannt worden waren, hat er erklärt, sich daran nicht zu erinnern.
Gesichert ist jedoch aufgrund seiner Angaben in der Anhörung und dem Inhalt der zum
Gegenstand der Verhandlung gemachten Strafakten folgendes:
Der Kläger hat am 20.06.1997 Diebstahlanzeige bei der Polizei in Köln erstattet. Das war
nach seinen Angaben in der Anhörung am nächsten Tag, nachdem er das Verschwinden
seines Fahrzeugs auf dem Parkplatz auf der S. Straße festgestellt hatte. Das Nicht-
Wiederauffinden des Fahrzeugs ist somit auf den 19.06.1997 zu datieren. Eingangs seiner
Anhörung hatte der Kläger angegeben, er sei nach seiner Rückkehr aus dem angeblichen
Urlaub früh morgens zu dem Abstellplatz seines Wagens gegangen, um nachzuschauen,
ob der Wagen noch da war, so dass davon auszugehen ist, dass die Rückkehr am
18.06.1997 erfolgt ist. Ganz sicher war sich der Kläger "das weiß ich 100 %ig", dass er
zwei Wochen in dem angeblichen Urlaub "weg war". Das hat der Senat dahin verstanden,
dass er zwei Wochen von seiner Ehefrau und seiner Ehewohnung entfernt war.
Geht man von der sicheren Angabe des Klägers aus, er sei zwei Wochen weggewesen,
lässt sich ein Abstellen des Fahrzeuges am 06.06.1997 damit zeitlich nicht vereinbaren,
wenn man andererseits davon ausgeht, dass der Kläger bereits am 18.06.1997 zurück war
und am 19.06.1997 das Verschwinden seines Fahrzeugs festgestellt haben will.
Sollte das Abstellen des Fahrzeugs - weil der Kläger sich nicht erinnern konnte - nicht
am ersten Freitag im Juni 1997, sondern etwa am zweiten Freitag im Juni 1997, nämlich
13.06.1997 erfolgt sein, lässt sich dies schon gar nicht mehr zeitlich vereinbaren.
Da der Kläger sich im weiteren Verlauf der Anhörung auf Vorhalt auch nicht darauf
festlegen wollte, dass das Abstellen am Tag seiner Abreise nach Polen erfolgt sei, dies
könne auch am nächsten Tage oder am Sonntag gewesen sein, wobei der Kläger gleich
wieder die Einschränkung machte, er erinnere sich nicht, wäre dies mit einer Abwesenheit
von 14 Tagen bis zur Rückkehr und dem Nichtwiederauffinden des Fahrzeugs um so
weniger zu vereinbaren.
Schließlich können die nach den Angaben des Klägers in Frage kommenden Zeitpunkte
für das Abstellen seines Fahrzeuges im Juni 1997 nicht stimmen, wenn sein Fahrzeug
nach den Ermittlungen der polnischen Behörden bereits am 2. Juni 1997 von einem Dritten
über den Grenzübergang Trespol nach Weißrussland verbracht worden ist.
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Unter den gegebenen Umständen kommt es darauf, dass der Kläger in der Kasko-
Schadenanzeige vom 06.03.1998 an die Beklagte die Frage nach dem "Schadentag" mit
"zwischen 10.06.1997 und 20.06.1997" beantwortet hat, was ebenfalls in Widerspruch zu
seinen Angaben in der Anhörung steht, nicht mehr an.
Soweit der Kläger in weiterem Widerspruch zu seinen Angaben in der Schadenanzeige
an die Versicherung bei seiner Diebstahlsanzeige an die Polizei den Zeitraum der Tat mit
"30.05.1997 bis 19.06.1997" angegeben hat, lässt sich der 30.05.1997 als angebliches
Abstelldatum mit der sicheren Angabe des Klägers, er sei zwei Wochen weg gewesen,
ebenfalls nicht vereinbaren.
1. Aus den teils ungenauen, teils widersprüchlichen Angaben des Klägers in seiner
Anhörung vor dem Senat lässt sich ein bestimmter Tag für das Abstellen seines Fahrzeugs
auf dem Parkplatz an der S. Straße nicht feststellen. Soweit die Mängel in den Angaben
des Klägers auf dem Zeitablauf und einem daraus folgenden Verlust an
Erinnerungsvermögen beruhen könnten, geht auch dies zu Lasten des beweispflichtigen
Klägers, der insoweit beweisfällig geblieben ist. Der Kläger hat den für einen
Entschädigungsanspruch erforderlichen Nachweis des äußeren Bildes einer
Fahrzeugentwendung schon nicht erbracht.
1. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer des Klägers: 14.900,00 DM